Harte Zeiten, Folge 24 — Gewaltbereit

Harte Zeiten, Brandenburger Tor
Quelle: Pixabay

Während Chris von der scheinbaren Untätigkeit der Polizei fassungslos gegenüber steht, scheint seine Frau Katja immer weniger Verständnis für ihren Mann zu haben, der angesichts der Entführung seines Sohnes immer wütender und gewaltbereiter zu werden scheint.

 

Als Chris nach Hause kommt, sitzt Katja auf dem Sofa vor dem Computer.

Sie wirft ihm einen kurzen Blick zu.

„ Ist alles ok mit dir?“

Chris sieht sie müde an. Nein, es geht ihm nicht gut.

Katja dreht sich wieder Richtung Computer um.

„Sie haben nur eine einzige Botschaft gesendet. Was keinen Sinn macht. Ich meine sie haben ihn entführt, um Wirbel zu machen. Also warum machen sie ihn dann nicht? Medientechnisch macht das keinen Sinn.“

„Medientechnisch?“

Chris sieht Katja kopfschüttelnd an.

„Wie du das so sagst…’medientechnisch‘.“

„Was ist an ‚medientechnisch‘ falsch?“

„Herrgott, mein Sohn wurde entführt! Mein Sohn! Medientechnik ist das letzte das mich interessiert!“

„Was bist so so aggressiv? Ich will dir nur helfen. Außerdem kann es nie schaden, sich in die Sichtweise anderer hineinzudenken“

„Ihre verdammte Sichtweise interessiert mich einen Scheißdreck!“

Katja mag es nicht, dass er so spricht. So roh. Unkontrolliert.

„Es geht immer darum, sich in die Sichtweisen der anderen hineinzudenken.“

„Herrgott, Katja. Mir sind seine Entführer egal. Auch ihre verdammten Motive. Wenn ich könnte, würde ich sie abknallen“, schreit Chris.

„Was fällt dir ein, mich so anzuschreien! Ich habe die letzten Stunden ausschließlich verbracht, hier zu sitzen und nach Meldungen zu forschen. Ich bin nicht ins Büro gegangen – was soll ich eigentlich noch machen?“, schreit Katja zurück.

 

Chris sieht sie an und schüttelt den Kopf. Katja mag nicht was da gerade passiert. Sie mag weder die Situation noch den Mann, der ihr auf einmal so fremd erscheint, dass sie nicht glaubt, dass sie je wieder eine Vertrautheit zu ihm herstellen wird. Oder will.

Chris hat die Polizei wieder angerufen. Hat gefragt, ob er vorbeikommen darf. Die Kommissarin hat „nein“ gesagt und dass sie sich bei ihm melden würden, wenn sie ihn bräuchten.

Nach dem Motto: Don’t call us. We call you.

Als würde er sich für irgendeinen Job bewerben.

Er hat nicht den Eindruck, dass die Polizei irgendwie vorankommt. Noch in irgendeiner Weise Verständnis dafür hat, dass er seinen Sohn mit allen Mitteln wiederbekommen will. Was kümmerte es ihn, dass die Menschen, die ihn entführt hatten, mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst halbe Kinder sind? Und was kümmert ihn der verdammte Datenschutz, wenn es darum geht, herauszufinden, wer diesen Post auf Instagram gesetzt hat.

Kann man es ihm verwehren, dass ein Vater sich Hilfe woanders holt?

Chris spürt, wie ihm der Schweiß unter den Achseln herunterrinnt. Seit 48 Stunden hat er nicht geschlafen. Keine Sekunde. Sich nicht die Zähne geputzt. Keine Dusche genommen.

Dann plötzlich sprechen sie endlich im Fernsehen über Felix. Sie zeigen ein Foto von seinem Sohn. Ein Urlaubsfoto von Felix aus dem vergangenen Jahr, als Eva mit Marcel in Griechenland war. Das Bild ist nur wenige Sekunden zu sehen, dann geht die Nachrichtensprecherin zu einem anderen Thema über. Neue Zölle für China, neues Pandabär-Baby im Berliner Zoo.

Das war es? Chris ist fassungslos. Sie hat nicht einmal um die Mithilfe der Bevölkerung gebeten.

Ähnliche Beiträge:

3 Kommentare

  1. Dann plötzlich sprechen sie endlich im Fernsehen über Felix. Sie zeigen ein Foto von seinem Sohn.

    Zu diesem Zeitpunkt gefährden sie damit maximal das Leben des Entführten, weil mit der Veröffentlichung die Entführer unter Zugzwang gesetzt werden. Die psychische Belastung der Entführer ist bereits überm Limit; keinesfalls darf sie komplett paralysiert werden. Es bleibt für die Entführer dann nur ein Ausweg. Und das ist das Todesurteil für das Entführungsopfer.

    Selbstverständlich kann man das den sensationslüsternen Boulevardzeitungen zuschieben; – aber das ist mir in diesem Fall zu billig. Mittlerweile wissen die um die spezielle Methodik beim Thema Entführung.

    .

    PS: Dadurch, dass die Entführer per Angesicht dem Entführten bekannt sind, ist sowieso schon die Schwelle zur Tötung des Entführten überschritten. Äußerstes Fingerspitzengefühl ist hier also vonnöten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert