Harte Zeiten, Folge 2 — Gerüche

Harte Zeiten, Alexanderplatz
Quelle: Pixabay

Vic, die Kriegsfotografin die gerade aus einem Kriegsgebiet nach Berlin zurückgekehrt ist, wird von dem Geruch nach Minztee, Kardamon und totem Fleisch heimgesucht und denkt an Jakob, den Turnschuhkanzler, mit dem sie früher einmal zusammen war.

 

Manchmal hat sie plötzlich einen bestimmten Geruch in der Nase.

Zum Beispiel den nach Pistazien und Kardamon.

Oder nach Orangenblüten.

Manchmal ist es auch der Geruch von Minztee.  Warmer, schwarzer Tee, der mit grüner reifer Minze vermischt über Zucker gegossen wird.

Afghanistan ist das schönste Land der Welt. Hatten die Menschen manchmal zu ihr gesagt.

War es zumindest einmal.

Weniger schön ist es, wenn die anderen Gerüche kommen. Die von Urin, Tod und verbrannten Körpern.

Und die Geräusche.

Nicht dass sie neu wären. Nicht, dass sie sie nicht kennen würde.

Gewehre, die nachgeladen werden, Bomben, die in einem Haus einschlagen. Menschen, die schreien.

Der Krieg klingt überall gleich.

Egal an welchem Ort er stattfindet.

Drei Monate war sie da. Bis die Anschläge zu häufig wurden.

Und ihr englischer Kollege von BBC von den Taliban gekidnappt wurde.

Wenn sie jetzt nicht verschwand, wäre sie als nächste dran.

Nicht dass irgendjemand auf sie in Deutschland warten würde. Aber sterben wollte sie deswegen auch nicht.

Die nächste Maschine ging am schon nächsten Morgen. Erst Istanbul. Dann Frankfurt.

Aus irgendeinem Grund, (war es Vorhersehung oder Instinkt?) beschloss sie, schon am Vorabend zum Flughafen zu fahren und dort die Nacht zu verbringen.

Eine Entscheidung, die ihr das Leben gerettet hatte, denn das Haus der Familie, in dem sie für ihre Zeit in Kabul untergekommen war, wurde noch in derselben Nacht in die Luft gejagt.

Ob, die Taliban die Familie dafür bestraft hatten, eine Fremde aufgenommen zu haben, weiß sie nicht.

Wer als Kriegsfotografin über diese Dinge nachdenkt, ist verloren.

Auf gar keinen Fall würde sie darüber nachdenken.

Über den Vater, der sich gefreut hatte, ein paar Brocken Englisch mit ihr zu sprechen. Die Mutter, die fast immer im Haus geblieben war. Und die drei Söhne, die auf den Straßen Kaugummis verkauft hatten, bei denen sie sich ständig gefragt hatte, wer zum Teufel ihnen die abkaufen, sollte, wenn niemand mehr Geld hatte und die Touristen alle verschwunden waren.

Vielleicht hatten sie ja überlebt.

Wenigsten die Söhne.

Vielleicht sogar alle.

Ja. Vielleicht sogar alle.

Jetzt ist sie hier.

In Deutschland.

Deutschland mit den sauberen Straßen. Deutschland mit den Menschen, die anständig angezogen sind. Männer, die keine Bärte tragen. Und Frauen, die sich schminken. Und Kopftücher nur um den Hals tragen. Frauen, die allein auf die Straße gehen. Die Autofahren. Sich mit ihren Freundinnen treffen, sich betrinken oder Affären haben. Und Kinder, die mit ihren Schulränzen nach der Schule auf Parkbänken abhängen, sich necken, Selfies machen, selbstgekaufte Zigaretten rauchen und so tun, als würden sie die Welt verstehen. Sie haben keine Ahnung, dass es Kinder gibt, die zur gleichen Zeit in Minen steigen, einen Sack mit Kohle befüllen und ihn zu Sammelstellen tragen, in der Hoffnung, dafür genügend Geld nach Hause bringen zu können. In der Hoffnung, dass der Minenschacht auch am nächsten Tag nicht über sie abstürzen wird.

Aber auch darüber sollte man nicht nachdenken.

Dinge sind so, wie sie sind.

Und eine Realität hat dieselbe Berechtigung wie eine andere.

Ob und wie sie miteinander zusammenhängen ist eine andere Frage.

Aber keine, die sie beantworten muss.

Sie ist nur diejenige, die die Dinge aufzeichnet und weitergibt.

 

Manchmal denkt sie an ihn.

Vielleicht, weil sie jetzt in derselben Stadt leben.

Wer weiß, vielleicht war er jetzt in diesem Moment nur wenige hundert Meter weit weg.

 

Sie sollte aufhören, an ihn zu denken.

Sie ist ja sonst nicht so sentimental.

Und doch kann sie nicht anders.

Weil er auf eine gewisse Weise immer bei ihr geblieben ist.

Auch wenn er ein Idiot ist.

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10 Kommentare

  1. Dieser Teil ist angesichts der westlichen Verbrechen in Afghanistan, wovon nichts angesprochen wird, ein seichtes banales Mainstream Geplätscher.
    Überflüssig.

  2. Da mir zugetragen worden ist, dass im Forum behauptet wird, ich würde diesen Roman verfassen – dem ist nicht so. Zum einen habe ich momentan keine Zeit um Schreiben (ich habe in den letzten Wochen hier kaum einen Artikel respektive die zugehörige Debatte verfolgt) und zum anderen ist es nicht mein Sujet. Drittens habe ich hier meine Overton-Kolumne, unter der ich dann logischerweise auch irgendwelche Romanepisoden veröffentlichen würde. Zu veröffentlichen beabsichtige ich weiterhin Artikel, wenn ich sie denn fertigbekomme – vielleicht bis Ende des Monats den nächsten.

    Gruß
    Altlandrebell

    PS: Bevor der nächste Rechte ankrault – ja, ich habe in der Tat gerade wenig Zeit. Hartz IV bedeutet nicht „und der Tag gehört dir“ auch wenn das in Ihrem so geliebten wie chauvinistisch-sozialdarwinistischen Schandland von taz bis FAZ gepredigt und von den werten Mittätern, äh Mitmenschen geglaubt wird.

    PPS: Ansonsten hatten der Chefred und ich mal vor Weihnachten überlegt, sich für ein Video zusammenzusetzen – falls wer Themenvorschläge hat, schreibt’s in die Kommentare. Vielleicht wird was draus. Einsendungen, die Erörterungen zur Bundestagsqual, zu E-Müll (E-Autos, E-Bikes, E-Roller), zum Sport (deutscher Meister wird nur der HSV!) oder über Teppichmopeds (vulgo: Katzen) verlangen, werden freilich konsequent ignoriert.

    1. Was Ihnen und Millionen Anderer im Rahmen des Bürgergelds zugemutet wird wegen ein paar Euronen für die nächste Portion Spaghetti, wäre wohl schon ziemlich erhellend für viele, die gerne von einer Hängematte phantasieren, die man dringend noch mit weiteren Foltergerätschaften ausstatten sollte, wenn nicht gleich ganz ins Feuer schmeissen. Ansonsten scheint das Thema Wokeness und AFD unter den Nägeln zu brennen! Ich würde aber auch ein Video mit Ihnen und dem Chefred schauen, wo es ausschliesslich um Katzen geht, denn ich bin davon überzeugt, dass Sie auch in den Stoff eine gute Polemik auf Druidentee von links (Schnurr!) und rechts (Fauch!) einbauen könnten.

    2. Ich würde gerne den Altlandrebell, bei seinen Hassreden gegen die Teppichmopeds zuhören. Denn…

      …an 13.01.2020 ist der Pauli-Fritz getötet worden, durch einen Hund oder Auto? Die Nachbarin hat ihn im Todeskampf gesehen und uns nicht bescheid gesagt, Fremde Menschen haben sein Kadaver zum Tierarzt gebracht und ein Foto auf ihrer FB Seite veröffentlicht. Sonst würden immer noch Suchplakate überall rumhängen.

      Der roteweiße Kater (Katzenauge von Stephen King) hatte die Welt jeden Tag vor dem Bösen Trollvolk Beschützt

    3. Also wirklich Altlandrebell!
      Da müssen wir seit Wochen auf ihre werte Mitarbeit hier verzichten… Und dann melden sie sich doch einmal kurz wieder n u r um ein mögliches Missverständnis aufzuklären, was einer der dümmsten und unfreundlichsten, der hier versammelten Kommentatoren in die Welt zu setzen versuchte… dem aber aufgrund seines Status hier eh keiner geglaubt hätte.

      Dass der Roman nicht ihr Stil ist, hätte wohl jeder gewusst, der schon einmal etwas von Ihnen gelesen hat.

      Bleiben Sie ruhig weg, wenn sie Anderes tun müssen oder tun wollen. Aber wenn Sie hier sind, dann doch bitte nicht nur als Reaktion auf den, dem nichts lieber ist als eine Reaktion, der sie aber am wenigsten verdient.

      1. Two Moon sagt:
        „dem aber aufgrund seines Status hier eh keiner geglaubt hätte.“

        Allerdings!

        Mal ganz abgesehen vom äußerst bemühten Schreibstil…

    4. @ zero fox

      Armut, Wokeness, AfDruidentee… sind notiert. Zu Armut schreibe ich die Tage auch gleich mal ein paar kurze Zeilen. Motto: „Armut ist…“ Da lässt sich dann im Jahresverlauf dran weiter anknüpften.

      @ Kalsarikännit

      Ich habe nichts gegen Katzen, zumal ich ein sehr tierverbundener Mensch bin. Dementsprechend werden Sie von mir auch keine Hasstiraden gegen Katzen hören.

      @ Two Moon

      Mag sein, dass viele Mitforisten den User als dumm und unfreundlich erachten, aber es gibt noch jede Menge Unbedarfte oder neue Leser, die das vielleicht glauben, also habe ich kurz interveniert.

      Viel von dem Quark, der über mich verzählt wird, beachte ich ja gar nicht – ob er uff de Gass getrötet wird oder hier im Netz. Da halte ich es – ausnahmsweise – mal mit den Ärzten – lasse reden.

  3. Es gibt immer, wie man sieht, nicht nur schwarz oder weiß. Es gibt alle Grautöne und Farben, und genauso, wie es nicht nur nicht alles in Schwarz oder weiß gesehen werden kann, kann man es auch nicht nur in gut oder böse sehen. Das ist immer eine Ansichtsweise, was gut oder böse ist. Unsere Gesellschaft sieht es nur in den beiden Gegensätzen. Wenn man genau hinschaut, ist alles aber gar nicht so 0 oder 1. Da gibt es auch pi oder 1/3 oder oder oder, …
    Und Afghanistan ist so ein Beispiel. Die Geschichte zeigt, dass jedes Verhalten Komnsequenzen hat. Und die sind oft ganz anders als das, was man geplant hatte. Wie zum Beispiel in Afghanistan. Da haben die US-Geheimdienste die Mujaheddin aufgebaut, weil sie gegen die Rote Armee kämpfen sollten. Sie haben gesiegt, doch dann ihr eigenes Regime aufgebaut, das ursprüngliche Freiheiten besonders von Frauen abbaute. Dann kämpfte die „Terrorallianz“ gegen die angeblichen 9/11-Terroristen, was gelogen war, und schon waren diese wieder erfolgreich, die „Terrorallianz“ musste abziehen, und nun herrscht in Afghanistan ein Gottesstaatsregime. Man könnte sagen: Dumm gelaufen. Aber nur dann, wenn man der „Terrorallianz“ unterstellen kann, gegen den Terror zu agieren. Sie aber will den Terror in der Welt, deswegen ist es eine „Terrorallianz“ und keimne „Antiterrorallianz“ Und aus solchen Denkweisen entsteht bekantlich wenig Gutes. Wie man in Afghanistan sehen kann. Sich darüber zu beklagen, bringt solange nichts, bis man dieser „Terrorallianz“ nicht endgültig das Genick bricht. Sie dürfen nie mehr auf dieser Welt irgendwo aktiv werden dürfen. Weder in Afghanistan, noch im Iran, in Syrien, in der westlichen Welt oder in der BRICS-Region oder sonstwo. Sie müssen endgültig von diesem Planeten verschwinden, als Denkweise und gegebenenfalls als reale Personen, die diese Denkweisehegen und pflegen.

  4. Es gibt nur eine gemeinsame Realität.
    Dazu kommen individuelle Gegenebheiten.
    Die gehören aber zur Realität.

    Diese Abspaltung macht es einfach, ignorant zu sein.

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