
Philipp will sich seiner Freundin Jule gegenüber beweisen und ihr bei der Entführung eines jungen Rechten auf der Demo helfen. Trotz seiner Nervosität gelingt ihnen die Entführung.
Es ist laut. Entsetzlich laut. Aber in seinem Kopf ist es ganz leise. Immer wieder geht er im Kopf den Plan durch, den Jule und er tagelang erarbeitet haben.
Erstens: In die Menge mischen. Nicht auffallen.
Zweitens: Gemeinsam ein Opfer finden.
Nein, nicht „Opfer“ sagen, das klingt hilflos, das sind sie nicht, die Faschisten, sie wollen die Macht und andere zum Opfer machen, wir sind nur wehrhaft und schützen die, die sich nicht beschützen können.
Aber das Wort, auf das sie sich geeinigt haben wollen, ist ihm nicht einfallen; es macht ihn wahnsinnig, dass es ihm nicht einfällt. Nicht Opfer. Nein. Vielleicht der zu Entführende? Auch nicht.
Es muss der Mitzunehmende sein. Genau. Der Mitzunehmende.
Wie geht es weiter?
Drittens: Den Mann – denn es wird ein Mann – sie wollen keine Frau entführen – in ein Gespräch verwickeln. Nichts Essentielles. Oder Aufwühlendes. Sondern etwas Banales. So wie „Ist kalt hier heute, nicht?“ oder „Ganz schön viel los, was?“
Viertens: Ihn in Richtung des Wagens schieben. Und dann ganz schnell handeln.
Fünftens: Pfefferspray rausholen und ihm das ins Gesicht sprühen.
Sechstens: Ihn gemeinsam mit Jule ins Auto schubsen.
Siebtens: Aufs Land fahren.
Achtens: Ihn an einen Stuhl fesseln.
Neuntens: Die weiteren Aktionen unternehmen. (Social Media)
Zehntens: Ihn nach 24 Stunden wieder frei lassen.
Philipp versucht, sich an die Worte zu halten. Ohne Bilder im Kopf zu sehen. Bilder wie das Opfer – nein, nicht Opfer, es muss der Mitzunehmende heißen! – zurückschlägt und die Polizei ruft. Wie sie alle festgenommen werden. Wie alles im Desaster endet.
Wie ein Mantra wiederholt Philipp in seinem Kopf, dass alles gut wird, weil es ja richtig ist, was sie tun. Und dass manchmal eben auch hässliche Dinge nötig sind, wenn die Zeiten hart sind, so wie Jule gesagt hat. So wie jetzt eben. Jetzt, wo die rechten Faschisten sich immer mehr herausnehmen, bis sie irgendwann die Macht über ganz Deutschlands haben werden, wenn man sich nicht gegen sie stellt.
Trotzdem fühlt Philipp wie seine Knie weich werden.
Jetzt bloß nicht schlapp machen.
Die U-Bahn kommt. Auf den Gleisen bereits lauter Menschen. Menschen, die Plakate aus Pappkartons in den Händen halten, auf den Parolen stehen wie „Holen wir unser Land von der linksliberalen Öko-Diktatur zurück“ und „Nur Normalität ist normal“. Als die U-Bahn hält, steigt er ein. Neben ihm steht eine Frau, die eine Wurstsemmel isst. Als ihm der Geruch in die Nase steigt, wird ihm schlecht.
Reiß dich zusammen, verdammt noch mal. Er greift nach dem Pfefferspray in seiner Tasche. Hält ihn umklammert, als könne die kühle, glatte Oberfläche ihn beruhigen.
Zwei Stationen später steigt er aus. Geht zum vereinbarten Ort. Vor der Rolltreppe links. Dort steht sie schon mit zusammengekniffenem Mund.
„Was ist los? Alles gut?“, fragt Jule und berührt ihn am Arm.
„Nichts. Alles gut“, sagt Philipp.
„Sollen wir alles noch mal durchgehen?“, fragt sie. Und fährt dann fort, ohne die Antwort abgewartet zu haben.
„Das Auto steht an der übernächsten Ecke. Nachdem wir unser Objekt gefunden haben, locken wir ihn abseits der Menge. Wir gehen mit ihm bis zum Auto, dann kommt erst das Pfefferspray, dann die K.O.-Tropfen. Dann legen wir ihn ins Auto“, sagt Jule.
„K.O.-Tropfen? Welche K.O.-Tropfen?“
Jule holt eine kleine Flasche aus ihrer Tasche.
„Liquid Exstasy – wirkt genauso.“
„Ich … du hast davon nichts gesagt …“
„Ist doch egal jetzt!“, antwortet Jule unwirsch. „Komm, wir gehen jetzt, ok?“
Sie blickt Philipp in die Augen.
„Oder gibt’s ein Problem?“
„Nein, kein Problem“, antwortet Philipp.
Trotzdem ärgert er sich. Wegen den K.O.-Tropfen und darüber, dass sie die Dinge einfach so entscheidet.
Philipp glaubt nicht an eine Welt, in der es Anführer geben muss. Andererseits braucht es sie vielleicht in diesen Zeiten. Diesen Zeiten des Übergangs. Einfach aus organsationstechnischen Gründen.
Trotzdem hätte sie ihm zumindest das mit den K.O.-Tropfen sagen sollen.
Sie gehen los.
Als sie mit der Rolltreppe nach oben kommen, hört er den Lärm von der Straße. Der Lärm der Menschen, die alle gekommen sind, um für ihre beschissenen Ideale zu kämpfen. Nein, er hört ihn nicht nur, er spürt ihn. An seinem ganzen Körper spürt er ihn.
Irgendjemand schlägt auf Trommeln. Das letzte Mal, als er Trommeln gehört hat, war in Kenia gewesen. Dort war er mit seinen Eltern hingefahren. Sie wollten ihm die Wildnis zeigen, die echte. „Solange es sie noch gibt“, hatten sie gesagt. Was ihm die ganzen Ferien vermiest hatte, weil er ständig mit dem Gefühl herumlief, dass alle Tiere, die er sah, nur noch für kurze Zeit leben würden.
Philipp mag keine Trommeln. Es hat irgendwas Schicksalhaftes an sich.
Weiter vorne kann er sie sehen. Die Nazis. Einige wenige mit Glatzköpfen. Die meisten ohne. Die neuen Rechten sind smart. Sie haben ein perfektes Lächeln, wellige gepflegte Haare. Sie geben sich smart. Schlagfertig. Auf der Seite der Vernünftigen. Der Demokraten.
Der blanke Hohn.
„Was ist, kommst du?“
Jule zupft ihn am Ärmel und zieht ihn in die Menge.
Unter Feinden. Er spürt die Wut der Demonstranten, ihre Gemeinschaft. Seine Knie werden etwas weich.
Wie sollen sie hier, ausgerechnet hier, einen von ihnen entführen?
Jule geht jetzt voraus und Philipp blickt auf ihre entschlossenen Schritte. Das ist der Unterschied zwischen ihnen. Sie hadert nicht. Sie handelt.
Jetzt bleibt Jule stehen. Ihre Augen wandern umher. Wie eine Füchsin, die ihr Opfer sucht.
Sag nicht „Opfer“. Es heißt nicht „Opfer“, es heißt…
„Philipp!“ Jule steht vor ihm.
„Was ist?“
Sie beugt sie sich vor und flüstert atemlos:
„Der Junge. Der mit dem Käppi. Den nehmen wir!“
Philipps Blick fällt auf einen Mann in einem karierten Hemd, der ein Plakat trägt, auf dem „Nieder mit der Regierungsdiktatur“ steht. Neben ihm ein Junge, wohl sein Sohn, vielleicht 14 oder 15. Mit einem Baseballkäppi auf dem Kopf, auf dem „FC Bayern“ steht.
„Echt? Bist du sicher, dass …“
„Er ist perfekt, glaub mir!“, sagt Jule.
Sie wartet nicht auf sein „ok“.
Geht einfach zu dem Jungen hin, während Philipps Herz wie verrückt pocht.
Philipp sieht zu, wie Jule mit dem Jungen spricht, ihm etwas ins Ohr flüstert, der Junge kurz lächelt und nickt.
Jetzt winkt sie Philipp her.
„Hier, das ist Philipp. Philipp will eine Gruppe gründen, eine Jugendgruppe für deutsche Jugendliche, nicht wahr Philipp?“
„Äh ja …Wir äh … wollen…äh … super Sachen machen. Zeltlager und alles. Und … äh … vor allem die Werte, also unsere Werte, die Werte des solidarischen, äh also solidarisch unter uns Deutschen leben.“
„Genau“, sagt Jule und lächelt. „Wenn du willst, geben wir dir eine Broschüre mit. Du musst nur kurz mit, ok?“
„Äh … ok“ sagt der Junge mit einem Seitenblick auf den Mann neben ihm, der gerade „Freiheit für Deutschland“ skandiert und den Jungen nicht weiter beachtet. Einen besseren Moment wird es nicht geben.
Der Junge folgt ihnen. Nach ein paar Schritten sind sie außer Sichtweite für den Vater.
Philipp und der Junge folgen Jule in die nächste Ecke. Sie biegen rechts ein. Das Auto ist jetzt in Sichtweite.
Philipp blickt immer wieder nach hinten. Um zu sehen, ob ihm irgendjemand folgt. Aber da ist niemand.
Wie kann es sein, dass es so leicht geht?
Die Menge ist jetzt noch dichter geworden. Irgendeiner hat irgendwo ein Mikro ergriffen und brüllt irgendetwas hinein, woraufhin alle klatschen.
In weniger als 20 Metern sind sie am Auto. Laut Plan ist jetzt dann die Sache mit dem Pfefferspray dran. Und den K.O.-Tropfen.
„Ist es noch weit?“ fragt der Junge. „Ich muss nämlich zurück.“
„Ja, hier ist es“, sagt Jule, bliebt stehen und öffnet die Tür.
Sie sieht Philipp an: „Jetzt“, schreit sie. Philipp holt den Spray aus der Tasche und sprüht dem Jungen ins Gesicht. Der Junge krümmt sich, hält seine Hände vor den Augen. Jetzt beugt sich Jule vor, die die ihm jetzt ein kleines Röhrchen in den Mund schiebt.
Der Junge beginnt zu taumeln, ob von den K.O.-Tropfen oder vom Schreck weiß Philipp nicht.
„Aufpassen!“, schreit Jule Philipp an und Philipp fängt den Jungen auf, den sie jetzt gemeinsam auf den Hintersitz schieben.
Philipp wirft erneut einen panischen Blick um sich. Er kann es nicht glauben, dass es so leicht war. Dass sich niemand eingemischt hat. Dass sich der Junge nicht gewehrt hat.
Doch es ist so.
„Das hätten wir“, sagt Jule und lacht. Ihre Augen funkeln. Jule ist im Rausch. Im Rausch der Entschlossenheit. Als könne sie nichts aufhalten.
„Steig ein!“, ruft Jule, die sich nach vorne ans Steuer setzt.
Philipp quetscht sich auf den Rückfahrersitz. Er schiebt die Beine des Jungen weg, damit er Platz hat. Erst jetzt blickt er in das Gesicht des Jungen. Ein weiches, blasses Gesicht, in dem ein paar Teenager-Pickel zu sehen sind.
„Du musst ihn fesseln“, sagt Jule und startet das Auto.
„Was?“
Jule holt Plastikfesseln aus dem Handschuhfach und wirft sie Philipp hin.
„Mach schon!“, herrscht Jule ihn an.
Philipp nimmt die beiden Hände des Jungen in die Hand. Sie sind kraftlos, wie tote Fische, die er zusammenbinden muss. Er muss sich konzentrieren, die Hände fallen immer herunter, rutschen aus der Position, in der er sie haben wird.
Philipp hat Angst, Jule zu sagen, dass er es nicht schafft.
Irgendwann gelingt es ihm.
Philipp sieht auf die Hände. Sie sind ganz eng aneinandergebunden. So als würde der Junge versuchen, die Hände zu einem Gebet zu verschränken.
„Was… was mache ich, wenn er aufwacht?“, sagt Philipp.
„Dann sagst du ihm, dass wir eine kleine Spazierfahrt macht“, sagt Jule. Und lacht.
Philipp mag es nicht, dass sie lacht. Weil das alles hier nicht zum Lachen ist. Schließlich tun sie das ja nicht aus Spaß.
„Jetzt mal im Ernst, Jule, was mach ich dann?“
„Hau ihm einfach eins in die Fresse“, sagt Jule.
Diesmal lacht sie nicht.
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Gibt’s hier eigentlich keinen Lektor?
Und wo ist die Pointe bei der Geschichte?
Banal und stilistisch schlicht.
Ich mag die Kolumne auch nicht sehr,doch ab und zu versteckt sich ein Highligt zwischen den belangllosen. Textwülsten.😉
Das stimmt, deshalb lese ich sie auch jedes Mal.
Aber dat hier war nix.
😉
Fünftens, Das ist eine Waffe die im. Krieg verboten ist….😉
Fragwürdig. Capsaicin ist ein Naturprodukt, im Gegensatz zu synthetischen Reizstoffen (CS, CN, …) die als chemische Kampfstoffe erfunden und daher so bezeichnet werden.
Tatsächlich haben mich die Kommentare erstmalig zum Lesen eines dieser Textstücke animiert, und mir einen Einblick in das geistige Innenleben der Autorin beschert. GHB wirkt nach etwa 5 bis 15 Minuten, und ein eben per Pfefferspray angegriffener Mensch wird vermutlich in fast 100 Prozent aller Fälle nicht schlucken was man ihm oral zu verabreichen versucht. Die Geschichte beruht also arg auf künstlerischer Freiheit.
Realistisch ist, daß die 2 Helden sich einen offenbar harmlosen Jugendlichen aussuchen, und da dann zumindest der Teil mit dem Pfefferspray klappt. Ein junger Mann aus der örtlichen Wehrsportgruppe wüßte daß man auch bei zeitweiligem Verlust des Gesichtssinns durch Pfeffer weiterkämpfen kann, sofern der Gegner so nett ist einem durch Körperkontakt bei der Suche zu helfen. Da wäre wohl Jules Handgelenk, Unterarm, oder, von dort weitergreifend, weitere Teile der Anatomie zu kaum wiedergutzumachendem Schaden gekommen als sie das GHB verabreicht.
Ein paar Stichworte für eine besser funktionierende Variante, vielleicht liest die Autorin ja mit 😉
1. Philipp eintauschen, gegen jemanden der entweder sowas nicht tut, oder, wenn er sich dazu entschlossen hat, einen Plan konsequent umsetzt. Also, einen Mann statt einer Lusche.
2. Jule, falls sie ausschaut wie eine der üblichen Jute-statt-Plastik Birkenstöcklerinnen zu einer jungen weiblichen Neurechten zur Ausbildung schicken zwecks adrettem Aussehen. Dabei natürlich über Herkunft, Gesinnung, und Zweck lügen.
3. Die Zielperson (also das Opfer, das, weil böse, keins sein soll) weglocken und ablenken durch Verführungskünste, notfalls bis zum plötzlich gehobenen T-Shirt. Ohne Unterwäsche.
4. Der nicht impotente Philipp-Ersatz wirft der Zielperson, während sie verblüfft Titten anguckt, einen langen Kabelbinder (~ 1.5 m) über den Kopf bis auf die Schultern und zieht zu. Bis auf die Schultern ist wichtig, sonst wird aus dem KO gleich ein Mord, wenn man die Atemwege (Kehlkopf) der Zielperson dauerhaft ruiniert.
5. Ohne Sauerstoff fürs Hirn geht die Zielperson binnen weniger Sekunden KO, dann legt man fix Handfesseln an und schneidet den Kabelbinder um den Hals mit dem keinesfalls vergessenen Seitenschneider durch.
Bitte nicht nachmachen, das sind zahlreiche schwerste Straftaten, das ist nur als Unterstützung für Leute gemeint, die Geschichten schreiben.
Warum nicht gleich das gute, alte Äther oder Chloroform? Das Zeug wirkt schnell und kann über den Mund gehalten werden, was das gefährliche Rumschreien verhindert. Amateure, Stümper, Dilettanten. Jule hätte wenigstens vorher eine Folge Columbo oder Tatort gucken können, aber das wäre dann ja kulturelle Aneignung, geht gar nicht. 😀
Außerdem hätte ich die Geschichte aus der Sicht des Opfers geschrieben, da wäre dann schon mal ein Twist drin gewesen. So nach dem Motto, Teilnehmer einer Demo für Gewalt gegen Ausländer wird Gewaltopfer der Gegenseite und erhält so die Möglichkeit der Reflektion. Dadurch gewinnt die Story zumindest etwas an Tiefgang. Auch ein Perspektivwechsel (oder mehrere), in dem beide Seiten beleuchtet würden, wäre möglich gewesen, und wesentlich interessanter im Aufbau, als ein schlichtes Beschreiben des Ablaufs der Tat.
Obendrein ist es ein unverzeihliches Unding, im Titel bereits das Ende zu verraten!
Ich hab‘ schon Schüleraufsätze gelesen, die besser waren als das Ding hier. 😉
Und falls jemand meckert, literarische Stilmittel sind kein schnörkeliger Firlefanz, sondern dienen der Vermittlung/Intensivierung des Inhalts und der Aussage eines Textes.
Trichlormethan ist glaub ich für so Hilfs-Antifanten nicht so einfach zu besorgen, das hat praktisch nur noch industrielle Anwendungen heutzutage. Also, „nicht so einfach“ im Vergleich zu Partydrogen für die es (illegale, aber verfügbare) Quellen gibt.
Diethylether ist in Starthilfespray die Hauptkomponente, sonst fällt mir da spontan keine leicht verfügbare Quelle für mißbräuchliche Anwendung ein.
In allen Fällen ist das Problem, daß die genannten Substanzen nicht geruchlos sind. Ein nicht völlig harmloser Gegner wird die Luft anhalten und kämpfen, d.h. man braucht wieder schon vorher körperliche Überlegenheit. Die entfiel bei meinem Vorschlag.
Wenn man davon ausgeht daß der potente Philipp-Ersatz kräftig und kampferprobt ist kann man sich den Kabelbinder sparen. Druck oder Schlag seitlich auf den Hals löst den Karotissinusreflex aus, das schaltet die Zielperson auch vorübergehend ab.
Klar, das würde auch funktionieren. Wobei ich diesen Punkt für die Geschichte weniger relevant finde.
Jemand, der die kriminelle Energie für eine Entführung aufbringt, sollte auch in der Lage sein, sich dafür notwendige Substanzen zu besorgen. Oder man beschafft sich Propofol aus einer Klinik, das Zeug wirkt auch in Sekunden. Kann man zumindest alles plausibel erklären, wenn man will. Alles, was über den Magen aufgenommen werden muss, dauert halt zu lang, bis die Wirkung eintritt.
Grüße und Dank für Ihre informativen Beiträge!
Zur Erinnerung an die Entführung und Ermordung von Aldo Moro und als Hinweis auf aktuelle ähnliche Vorgänge
11. April 2018 um 11:06 Ein Artikel von: Redaktion
Vor 40 Jahren, am 16. März 1978, wurde der italienische Christdemokrat Aldo Moro entführt und dann nach sechs Wochen Leiden im Versteck ermordet. Für seine Freilassung haben die Offiziellen nichts Entscheidendes unternommen. Dieser Vorgang erinnert fatal an aktuelle Vorgänge. Deshalb sind wir dankbar dafür, dass Stefan Schmitt[*], Psychologe und Beobachter des Zeitgeschehens, in einem bedrückend spannenden Text an jene Vorgänge erinnert. Albrecht Müller.
Im Kern ging es damals wie seitdem immer wieder an verschiedenen Schauplätzen darum, eine Linksverschiebung in der italienischen Gesellschaft und damit die Gefährdung der Macht des Imperiums zu verhindern.
(…)
II. Das Schicksal des Historischen Kompromisses war mit der Entführung Moros besiegelt: noch am selben Tag wurde eine konventionelle christdemokratische Regierung unter Führung von Giulio Andreotti bestätigt – erstaunlicherweise mit den Stimmen der PCI, deren Führung sich wie die Christdemokraten strikt gegen Verhandlungen aussprach. Das Schicksal Moros, wenn es nicht ebenfalls bereits an diesem Tag entschieden war, entschied sich spätestens am 29. März. An jenem Tag nämlich veröffentlichten die Roten Brigaden ihr Communique Nr. 3, zusammen mit einem Brief Moros an seinen Parteifreund, Innenminister Francesco Cossiga. In dem Brief machte Moro Andeutungen zur geheimen Gladio-Struktur und zum schmutzigen Krieg des Staatsapparats und der NATO gegen die Linken.
(…)
VI. Der Journalist Carmine Pecorelli hatte einen tiefen Einblick in die Machtstrukturen der damaligen italienischen Republik. Sein Name befand sich ebenfalls auf Licio Gellis Liste der P2-Mitglieder. In einem Artikel, der im Mai 1978 in seiner eigenen Zeitschrift Osservatorio Politico erschien, schrieb Pecorelli, Moros Entführung sei von einer luziden Supermacht organisiert worden.
(…)
Eine Schlüsselperson bei der Infiltrierung der Roten Brigaden durch die Schattenmacht war Graf Edgardo Sogno. Das zeigen die umfangreichen Recherchen des Historikers und ehemaligen PCI-Sekretärs Sergio Flamigni. Sogno hat wie der P2-Chef Licio Gelli im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Franco Pipernos gekämpft. Noch während des 2. Weltkriegs nahm er Kontakt zu Allen Dulles auf, damals Leiter des Office of Strategic Services (OSS), aus dem die CIA hervorging. Sogno war auch ein enger Vertrauter des späteren NATO-Generalsekretärs Manlio Brosio. Ab 1950 baute er mit anderen eine antikommunistische paramilitärische Organisation auf. Parallel dazu gründete er, mit viel Geld von der CIA, die öffentliche Propagandabewegung Friede und Freiheit. 1970, als die Brigate Rosse gegründet wurden, schuf Sogno gemeinsam mit anderen die antikommunistische bewaffnete Organisation Comitati di Resistenza Democratica (CRD), die sich mit Gladio überschnitt.
(…)
IX. Als Andreotti im Jahr 1990 im Parlament die Existenz von Gladio bestätigte, rankte er zugleich zwei Legenden darum. Erstens: die Existenz von Gladio sei nun, nach ihrer Entdeckung, beendet; sie habe sich quasi von selbst aufgelöst. Zweitens: Sinn und Zweck des stay-behind-Netzwerkes sei es gewesen, eine klandestine bewaffnete Struktur für den Fall einer sowjetischen Besetzung bereitzuhalten. Beide Erläuterungen wurden von den etablierten Medien gerne aufgenommen und bis heute als Fakten behandelt. Es ist ja auch sehr beruhigend, dass eine solche bewaffnete terroristische und rechtsextreme Struktur, die von höchster Stelle unterhalten wird und zugleich dem öffentlichen Selbstbild von der demokratischen Entwicklung Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg diametral widerspricht – dass eine solche Struktur sich quasi von selbst auflöst. Gott sei Dank!
(…)
X. Der Islamische Staat zeigt uns heute, wie scheinbar unsinnig es ist, sich über den Ausbau von Gesamtschulen den Kopf zu zerbrechen, über die Neuverteilung von Arbeit nachzudenken oder über eine generelle 35-Stunden-Woche, für eine soziale Umverteilung einzutreten, sich für eine Stärkung des gesellschaftlichen Austauschs zu engagieren oder der immer weitergehenden Aushöhlung bürgerlicher Rechte und der immer umfassenderen Kontrolle der Einzelnen entgegenzutreten. Sinn macht anscheinend nur noch, sich über Sicherheit Gedanken zu machen; Angst zu haben; sich mit seinen sozialen und emanzipatorischen Phantasien zu mäßigen.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=43402
Mal so interessehalber, für wen arbeitet Jule eigentlich? Angesichts dieser PR-Aktion für den Sicherheitsapparat und das, was salopp tiefer Staat genannt wird. Es gibt ja auch pausenlos eher mehr als minder betreuten weiteren Terror.
Danke, wenigstens für die erste Hälfte des Textes, war sehr anregend.
@gracchus
„Eine Schlüsselperson bei der Infiltrierung der Roten Brigaden durch die Schattenmacht war Graf Edgardo Sogno. Das zeigen die umfangreichen Recherchen des Historikers und ehemaligen PCI-Sekretärs Sergio Flamigni. Sogno hat wie der P2-Chef Licio Gelli im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Franco Pipernos gekämpft. Noch während des 2. Weltkriegs nahm er Kontakt zu Allen Dulles auf, damals Leiter des Office of Strategic Services (OSS), aus dem die CIA hervorging. “
Der Mann verschweigt, dass die roten Brigaden, zur Zeit von Moros Entführung, über ihre damalige Führung, von der CIA gelenkt wurden.
Ich kann mit dieser „literarischen“ Serie so gar nichts anfangen. Kann das bitte eingestellt werden?
Ich auch nicht, aber im Gegensatz zu einem papiernen overton Magazin geht ja hier nicht der Platz aus, oder?
Also, von mir aus kann die Autorin weiterschreiben.
So fangen Bürgerkriege an, erst werden Listen über den Politischen-Gegner angefertigt später kommt noch Gewalt dazu wie Folter, Verschwindenlassen und Fememord.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Die_Verschwundenen_(Nordirland)
Ein (un)schöner Einblick in das Innenleben von Eiferern.