Was ist los in unserem Land?

 

<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bild_20_-_Verbot_einer_Fahrtrichtung_oder_Einfahrt,_StVO_DDR_1956.svg">Mediatus</a>, CC0, via Wikimedia Commons
Mediatus, CC0, via Wikimedia Commons

Ich war nie krank. Aber plötzlich geschah etwas, mit dem ich nie gerechnet hatte – und doch immer Angst davor hatte. Wahrscheinlich auch Sie. KREBS.
Arno Luik: »Rauhnächte«. Ein Buchauszug.

3. November 2022

Die Nacht war nicht schön. Bin gegen zwei Uhr aufgewacht. Im Kopf ging sofort das Karussell los. Da war das Telefonat mit meiner Hausärztin, sie hustete schwer, wie schon seit längerer Zeit. Sie hat zudem gerade Covid und hat – plötzlich – Angst, Krebs zu haben. Sie will sich aber nicht untersuchen lassen. Wenn es um sie selbst ginge, wenn sie also Krebs hätte, würde sie »auf jeden Fall« versuchen, eine Chemo zu vermeiden – diesen nahezu unkontrollierbaren Generalangriff auf den Körper. Warum sagt sie das jetzt? Nachdem sie zuvor meine Strahlen/Chemotherapie als richtige Vorgehensweise bewertet hat?

Was ist richtig, was ist falsch? Nach all den Ärzten, die ich erlebt habe, weiß ich: Die Ärzte wissen nicht viel bei dieser Krankheit, sie schwimmen, sie orientieren sich an Studien, sie experimentieren, und manchmal sagen sie auch nicht wirklich die Wahrheit, so empfinde ich es.

In meinem Fall sagte ein Arzt zu diesem Vorgehen: erst Bestrahlung, dann Chemo. Dazu gebe es bisher nur zwei Studien, aber die würden nahelegen, dass die Heilungschancen deutlich größer seien. Doch es gebe noch keine Vergleichsstudien zum umgekehrten Vorgehen.

Ein paar Tage später sagt mir eine Ärztin: Es gebe mehrere große Studien, auch Vergleichsstudien, die belegen, dass die Strahlen/Chemotherapie »deutlich erfolgsversprechender« sei.

Ja, was denn nun?!?, hämmert es diese Nacht unablässig in meinem Kopf.

Ich versuche, das Gehämmere wegzubekommen, will schlafen, das klappt nicht, mühe mich um andere Gedanken. Vor zwei Tagen starb, am Arbeitsplatz, der Sternekoch Heinz Winkler. Ein Mann aus, wie es immer so herablassend heißt, ganz armen Verhältnissen, aufgewachsen in den Bergen Südtirols. Aufgrund seiner begnadeten Kochkunst hineinkatapultiert in eine für ihn fremde Welt: Reiche, Gourmets, Künstler. Er, der sich fast nur am Herd ausdrücken konnte, der sich drei Sterne erkochte, und als er einen verlor, drauf und dran war, sich umzubringen. So wie kurz zuvor der große französische Koch Bernard Loiseau, der sich erschoss, weil der Gourmet-Führer Gault Millau ihn zurückgestuft hatte und Michelin mit der Aberkennung des dritten Sterns drohte. Ich wollte damals mit Winkler ein Gespräch führen: über seinen Aufstieg, diesen zermürbenden Kampf um Anerkennung, diesen Druck, oben zu bleiben, über seine überdimensionierte »Residenz Aschau«, über all diesen ganzen Wahnsinn von Eitelkeit, Ehre, Ruhm wollte ich mit ihm reden, leider wurde daraus nichts.

Jakobinische Scharfrichter – ist es wieder ihre Zeit?

Halb fünf. Caryl Churchill kommt in meinen Kopf. Caryl wer? Die britische Autorin sollte diesen November den »Europäischen Dramtiker:innen-Preis 2022« bekommen (wirklich wahr: »Dramatiker:innen«), ein hochdotierter Preis mit 75 000 Euro – für ihr Gesamtwerk. Wie es in der Würdigung heißt: »Churchill greift gesellschaftliche, humane, wissenschaftliche und politische Fragestellungen auf«, sie habe »in ihren zahlreichen Stücken unterschiedliche Machtstrukturen scharf herausgearbeitet.«

Ein schönes Lob. Das nun zurückgezogen wurde. Denn die 84-Jährige, das fand man nun plötzlich heraus, sei des Preises nicht würdig, sie habe im Zusammenhang mit der Israel-Boykottbewegung einige Dinge unterschrieben. Das gehe nicht, natürlich nicht.

Auslöser für die peinliche Preisrücknahme, die symbolhaft, aber auch faktisch die Einengung der Gedankenfreiheit bedeutet: der grüne Politiker Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Er hat seinen Parteifreund Winfried Kretschmann, Schirmherr dieses Preises, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, dazu aufgefordert. Per Telefon? Fax? Mail? Hat er es eifernd, geifernd getan – im Stil jener Rechthaber-Täter, die Giordano Bruno dem Feuer übergaben?

Ich denke nach über jakobinische Scharfrichter – ist es wieder ihre Zeit?

Der Schlaf kommt nicht, stattdessen völlig unzusammenhängende Gedankenschnipsel, zum Beispiel ein Satz, der Voltaire zugeschrieben wird: »Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.«

Mir fällt die Orwellsche »Gedankenpolizei« aus seiner Dystopie »1984« ein. Ist Beck so ein »Polizist«? Vielleicht würde er auch so einen Satz eliminieren wollen, einen der wichtigsten der Weltliteratur, es sind nur drei Worte, die Bitte des Marquis von Posa an König Philipp II von Spanien in Schillers »Don Carlos«: »Geben Sie Gedankenfreiheit.«

Was ist los in unserem Land? Diese Zunahme an Ge- und Verboten, Stichwort »Documenta«, Stichwort Roger Waters, Pink-Floyd-Gründer, der zunehmend boykottiert wird, weil auch er Israel-kritisch ist, Stichwort Literatur-Nobelpreisträgerin Annie Ernaux, von der nun erwartet wird, dass sie bei ihrer Dankesrede demnächst in Stockholm einen Kotau macht, sich von sich selbst und ihren Gedanken zur Lage im Nahen Osten distanziert.

Kurz nach meiner Krebsdiagnose, vor knapp sieben Monaten, habe ich diese Zeilen geschrieben. Ich konnte sie damals noch nicht veröffentlichen. Ich war zu verunsichert. Aber aus ihnen entstand mein Buch „Rauhnächte“ – mit meinen Innenansichten, meinen Albträumen, meiner Sehnsucht nach Leben. Es ging in „Rauhnächte“ aber plötzlich um viel mehr als das persönliche Drama: um diese zerrissene, malträtierte Welt. Die so schön sein könnte, wenn, zum Beispiel, die Regierenden nicht …

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12 Kommentare

  1. Meiner Meinung nach ist das eine Entwicklung, die mit dem Ende des globalen Dualismus von Kapitalismus und Sozialismus 1989/90 an Fahrt aufgenommen hatte. Der neoliberale, marktradikale Kapitalismus hatte sich weitgehend durchgesetzt und beanspruchte die alleinige Deutungshoheit in ökonomischen Fragen. Bereits im Laufe der 1990er Jahre weitete sich dieser Alleinvertretungsanspruch aber auf fast alle gesellschaftliche und politische Fragen aus. Fundamentale Opposition wurde pathologisiert, grundsätzlicher Widerspruch irrationalisiert. Diese Entwicklung kulminierte nun in den letzten drei Jahren in der Verabsolutierung der Coronamaßnahmen, deren “Wissenschaftlichkeit“ nicht hinterfragbar war, und erreicht jetzt mit der nicht hinterfragbaren, bellizistischen sog. “Zeitenwende“ einen weiteren Höhepunkt. Das gleiche gilt für die Gender- und Klimadebatte. Dahinter steckt eine gewollte Infantilisierung der Gesellschaft, die einer technokratisch gestützten Diktatur einer selbst ernannten, neoliberalen “Elite“ weiter Vorschub leistet. Es gibt zwar eine Art “Meinungsfreiheit“. Diese darf sich aber nur innerhalb bestimmter Koordinaten bewegen. Überschreitet jemand diese “unsichtbaren“ Grenzen, macht er sich quasi der Blasphemie an der einzig wahren und richtigen (neoliberalen) Weltanschauung (innerhalb geduldeter Varianzen) schuldig. Er öffnet quasi neue Denkräume, die dieser “Elite“ gefährlich werden könnte. Diese “Elite“ versucht stets jedes (noch so abwegige) Thema zu besetzen und in ihrem Sinne zu interpretieren. Es darf keine unkontrollierten Denkräume geben. Ich vergleiche es schon lange mit einem Laufstall für Kinder, der von den “Ungezogenen“ überklettert wird, was den “Eltern“ und ihren Helfern nicht gefällt. Entweder werden die Renitenten “zurückgeprügelt“ oder gleich aus der Wohnung geschmissen.

  2. Aber, aber, Herr Beck hat doch mit seinen Hinweisen einen neuen Holocaust verhindert!
    Nichts weniger als das, denn dass Typen wie er Teil der Anfänge sind, denen wir jahrzehntelang wehren sollten, das begreift dieser reichlich verspätete „Widerstandskämpfer“ nicht.

  3. Die Dystopie ist schon länger Realität und diese erleben die Menschen real.
    Aufgrund der Realisierung wenden sich Menschen ab, viele der resignierten Ideologieträumer wurschteln in den Kommentarspalten und sondern ihre verfehlte Ideologiepolitik ab. Der Grund für das Verhalten, dürfte, allerlei Gründe besitzen. Ein Grund sehe ich darin, das viele sich dessen bewusst sind, aber ‚ihr angezogene Ego‘ das letztendlich nicht zulässt. Wir leben in einer suggerierten ‚Erfolgmatrix‘, daraus heraus zu kommen ist natürlich nicht einfach. Sehr viele haben gearbeitet für diesen verlogenen Wohlstand, auf Kosten von anderen Nationen.
    Vor allem der sogenannte ‚Gesundheitssektor‘ hat eine Tradition der Vernichtung! Wer alle Fälle zusammen verfasst, kann nur zu einem Ergebnis kommen: Man wird offen belügt und honoriert ihre Verbrechen!
    „in the sake of the share holders value“

  4. Apropos Chemo.
    Ich bin zwar kein Onkologe, sondern nur ein interessierter Laie (Biologe), aber zwei Tage vor (und nach) einer Chemotherapie würde ich auf jeden Fall fasten.
    Es ist zwar noch unbewiesen, dass dadurch die Chemo besser auf die Krebszellen einwirkt (auch wenn erste Hinweise auf eine „erhöhte Sensibilisierung“ der Tumorzellen durch’s Fasten existieren). Aber es scheint einigermaßen sicher zu sein, dass die gesunden Gewebe durch’s kurzzeitige Fasten besser vor der chemischen Keule geschützt werden.
    Zum Einstieg:
    > https://nutritionfacts.org/video/fasting-mimicking-diet-before-and-after-chemotherapy/

    Es läuft in der BRD auch eine Versuchsreihe zu diesem Thema, die jedoch anscheinend noch vor dem Abschluss steht.
    > https://trialsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13063-020-04700-9

    Insgesamt würde ich (spätestens) bei einer Krebsdiagnose SOFORT meine Ernährung auf rein pflanzliche Nahrung umstellen. Die Hintergründe dazu werden in den folgenden fünf kurzen Videovorträgen angerissen (mit verlinkten Quellen aus der wiss. Literatur):
    > https://nutritionfacts.org/video/igf-1-as-one-stop-cancer-shop/
    > https://nutritionfacts.org/video/cancer-proofing-mutation/
    > https://nutritionfacts.org/video/the-answer-to-the-pritikin-puzzle/
    > https://nutritionfacts.org/video/how-plant-based-to-lower-igf-1/
    > https://nutritionfacts.org/video/protein-intake-and-igf-1-production/

    Kurzfassung: Es dreht sich fast alles um das körpereigene Wachstumshormon IGF-1 („Insulin like Growth Factor 1“).
    Je geringer der IGF-1 Spiegel im Körper desto besser (jedenfalls nach der Wachstumsphase in der Pubertät).
    In Ecuador lebt beispielsweise eine kleine Population von Kleinwüchsigen, deren IGF-1-Spiegel aufgrund einer Mutation besonders niedrig ist. Diese Population ist vollkommen krebsfrei. Die Individuen dieser Population bleiben natürlich nicht davor verschont, dass im Laufe ihres Lebens Körperzellen mutieren. Aber diese mutierten „Proto-Krebszellen“ können sich aufgrund des IGF-1-Mangels nicht (genügend) vermehren.
    Wie kann man den IGF-1-Spiegel deutlich senken? Durch Verzicht auf tierisches Protein, also alle Formen tierischer Nahrung (Vorsicht, vielen „vegetarischen“ Wurstersatz-Varianten wird tier. Protein zugesetzt).

    1. hast du einen link zu oder ne „benamsung“ der population in ecuador ?
      wie/wovon leben diese menschen?

      ist dies igf-1 „nur“ fürs „auswachsen“ von belang oder auch bei schwankungen in körperlicher beanspruchung? („saisonaler“ muskulaturauf/-„ab“bau zb)

      (hab noch nicht in die links geschaut)

      1. „hast du einen link zu oder ne „benamsung“ der population in ecuador ?
        wie/wovon leben diese menschen?“

        Im zweiten Link findet man dazu Antworten:
        > https://nutritionfacts.org/video/cancer-proofing-mutation/

        „ist dies igf-1 „nur“ fürs „auswachsen“ von belang oder auch bei schwankungen in körperlicher beanspruchung? („saisonaler“ muskulaturauf/-„ab“bau zb)“

        In ersten Link findet man eine Grafik zu den Veränderungen des IGF-1-Spiegels während der unterschiedlichen ontogenetischen Entwicklungsstadien des Menschen. In Alter von 5 bis 24 Jahren ist dieser Spiegel mit weitem Abstand am höchsten, bis zu 5 mal so hoch wie mit 55 Jahren. Anschließend sinkt er stetig ab.
        > https://nutritionfacts.org/video/igf-1-as-one-stop-cancer-shop/

        Bodybuilder scheinen IGF-1 als Dopingmittel zu benutzen.
        > https://modusx.de/gesundheit/hormone/wachstumshormone/

        1. warum steigt der testosteronwert in aktiver igf-1-senkerei (also diese „diäten“ da) und sinkt aber im „normalverlauf“ bei „ab 55 stetig sinkendem igf-1“ ?
          wenn bei prostatakrebs die therapie (ua) in „testo-senken“ besteht, wie geht das mit dem gehypten testo per aktiver igf-1-senkerei zusammen?

          denk: wenig tierchen, aber mal schaun, ob man sich nicht diese algen selbst ranziehen kann (spiegelsenken per binden 😉 )

  5. Zwei Freundinnen mit aggressivem Krebs sind gesund (seit 20 und 3 Jahren) – Erfahrung:
    die Chemo usw einfach durchziehen
    dazu
    Agaricus Blazii Pilze (die Kombination war lt. israelitischem Krankenhaus HH unproblematisch – so gute Blutwerte kannten sie dann später auch noch nicht) Pilze oder Pilz-Extrakt-Kapseln einfach nach Anleitung 2x täglich einnehmen

    gutes 1/2 Jahr basische vegetarische Diät (Krebs braucht saures Milieu)

    Gute Gedanken. Helfen immer. ✌

  6. Die Zeitenwende hat es deutlich gemacht, man kann niemanden, und schon gar nicht offiziellen Medien, vertrauen. Wir boykottieren die MS-Medien seit Februar 2022 und suchen uns so viel wie möglich Informationen im Internet, vorrangig bei alternativen Medien. Zur eigenen Gesundheit vertrauen wir auf unser Bauchgefühl, unsere Erfahrungen, auch auf wissenschaftliche Hinweise, die ohne Dogma geliefert werden. Wir bewegen uns, ernähren uns abwechsungsreich, essen was uns schmeckt und konsumieren wenig Alkohol und ansonsten gar keine Rauschmittel. Unsere Mit60-Körper sind gesund, von kleineren Wehwehchen abgesehen, die Blutwerte sind unverändert gut. Wie mit Problemen und Krankheiten umzugehen ist, muss jeder selbst entscheiden. Die derzeit größte Pandemie ist die Pandemie der Massenmanipulation. Da gilt es, einen Schutzschirm aufzubauen und sich am Leben zu orientieren.

  7. Weltweit hat die moderne Medizin große Fortschritte gemacht. Die Onkologie gilt als eine der Königsdisziplinen der Medizin und zahlreiche Therapieregime werden durch Studien evaluiert. Der einzelne Mediziner kann bei dieser Fülle des weltweiten Wissens auch schon mal den Überblick verlieren.
    Was den Darmkrebs anbelangt, so war vor 20 Jahren die Operation die erste Maßnahme, was häufig einen künstlichen Darmausgang notwendig machte. Diese Beeinträchtigung der Lebensqualität ist heute nicht immer notwendig, denn moderne Chemo- und Strahlentherapie können diese „Nebenwirkung“ verhindern.
    Welche Therapie sinnvoll ist, wissen Onkologen und im Fall von Darmkrebs die Gasteroeterologen am besten, ich würde mich immer strikt an deren Empfehlungen halten und gutgemeinte Laienvorschläge wie Fasten nach der Chemo ignorieren. Jede Chemo ist ein Einzelfall, den nur der behandelte Arzt beurteilen kann.
    Im obigen Artikel sprach der Arzt von Heilungschancen. Das ist ein riesiger Fortschritt. Man kann heute mehr Krebse heilen als früher…
    Gute Besserung den Autor….

    1. Finde es als selbst vor Jahren an Krebs Erkrankte auch einigermaßen schwierig, wenn irgendwelche Leute anderen, ihnen völlig unbekannten Menschen ungefragt (!) erklären, wie sie ihren Krebs loswerden oder ihre Therapie gestalten sollen. Und hier, in diesem Zusammenhang, geht das nach meinem Empfinden noch viel deutlicher an der Aufgabenstellung vorbei…

      Aber besten Dank an Overton für den Buchtipp. Sofort gekauft.

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