
Jason trifft Sabrina Smith wieder, die schöne Spionin, die ihm einen Ordner mit heißen Informationen über den Irakkrieg gibt, aber auch über einen pakistanischen Geheimdienstoffizier, der in den Anschlag vom 11. September verwickelt ist, und über einen gewissen Osama Bin Laden. Harold H. Burton erfährt, dass Osama Bin Laden außerplanmäßig und unerwartet verhaftet wurde. Nachdem Jason einen Artikel über die geheimen Informationen geschrieben hat, wird er von rechten Medien attackiert.
Jason Gilligan erschrak so sehr, dass er fast das Bierglas vom Tresen gefegt hätte. Vor ihm stand die schöne Sabrina Smith. Oder wie auch immer sie hieß. Wo war sie so plötzlich hergekommen? Sie musste sich angeschlichen haben wie eine Katze auf der Pirsch nach einem Singvogel, dachte er. Ein etwas ungutes Gefühl kroch in ihm hoch. War er hier der Singvogel? War es Zufall gewesen, dass sie ihn mit dem Auto angefahren hatte?
Sie lächelte spöttisch. »Ich sehe«, sagte sie und musterte ihn dabei, »Sie haben sich von dem kleinen Unfall gut erholt.«
Sie sah anders aus, als Gilligan sie in Erinnerung hatte. Sie trug ein bordeauxrotes Kostüm mit schwarzen Litzen und schwarzen Knöpfen. Es war hochgeschlossen, so dass er die kleine rote Schlange, ihre Tätowierung, nicht sehen konnte. Und auch nicht viel von ihrer bronzefarbenen Haut. Ihre schwarzen Haare trug sie hochgesteckt und über ihrer linken Schulter baumelte eine Handtasche aus grauem Wildleder. Unter dem rechten Arm klemmte ein dicker grauer Aktenordner. Sie sah aus wie eine der vielen Assistentinnen oder Sekretärinnen, die für eines der Konsulate in Washington arbeiteten.
Gilligan hatte gerade einen Lunch mit seinem Chefredakteur hinter sich. Eine seltene und hochgeschätzte Ehre, selbst vor dem Hintergrund, dass er den Chefredakteur für einen Vollidioten hielt. Sie waren in einem französischen Restaurant im Northwest District gewesen, auf dessen Speisekarte Vorspeisen wie »Escargot a la Vin Verde« standen, die der Chefredakteur wie »Asscargott« aussprach und die so viel kosteten wie ein T-Bone-Steak bei Dallas Barbecue. Der Chefredakteur hatte ihm einen Vortrag darüber gehalten, welche Geschichten er von ihm erwartete, jetzt, da der Krieg gegen den Irak beschlossene Sache sei. Welche Massenvernichtungswaffen hat Saddam Hussein? Woher hat Hussein seine Massenvernichtungswaffen? Und wo sind Husseins Massenvernichtungswaffen eigentlich abgeblieben? Nach Ansicht des Chefredakteurs waren genau das die brennenden Fragen. Er habe nämlich neulich mit Lucius Prince zu Mittag gegessen und der habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass diese Massenvernichtungswaffen ein großes Problem für die Sicherheit der USA darstellten.
So gegen Ein Uhr hatte der Chefredakteur das dritte Glas Wein ausgetrunken, seine fleckige Serviette zerknüllt und war gegangen, während Gilligan noch blieb, um zu versuchen, dem Zigarettenautomaten eine Packung Marlboro zu entlocken. Als er wieder aufsah, stand Sabrina vor ihm. Erst war er froh, dass der Chefredakteur sie nicht gesehen hatte – je weniger der über sein Privatleben wusste, desto besser –, aber dann wurde ihm klar, dass sie ihren Auftritt genau abgepasst hatte.
»Cappuccino?«, fragte sie und lächelte erneut. Ihr Lächeln verschlug ihm kurzzeitig die Sprache und so nickte er bloß stumm. Sie schwang sich auf einen Barhocker und blinzelte ihm zu. Unter diesem Kostüm verbarg sich ein Vulkan, dachte Gilligan. Er seufzte. Was für eine verunglückte Metapher. Kein Wunder, dass er eine Schreibblockade hatte.
»Ich haben Ihnen doch gesagt«, sagte sie und sah wieder wie eine Katze aus, »ich liefere Ihnen Beweise.« Sie deutete auf den Ordner. Gilligan griff danach und als sie nickte, fing er an, darin zu blättern. Gleich die erste Seite ließ ihn stocken.
»Pentagon« stand auf dem ersten Blatt. Darunter, in einer kleineren Schrift: »Amt für Strategischen Einfluss«. Gilligan berichtete schon häufiger über das Pentagon, aber von diesem Amt hatte er noch nie etwas gehört. »Woher haben Sie denn das?«, fragte er.
Wieder lächelte sie. »Habe ich gefunden«, antwortete sie. »Oder sagen wir mal, den Ordner hat einer unserer Besucher versehentlich liegen gelassen.«
Einer unserer Besucher? Gilligan wusste, dass es keinen Zweck hatte, sie danach zu fragen. Er blätterte den Ordner durch. Er war gefüllt mit Kopien von Rechnungen, Überweisungen, Bareinzahlungen, handschriftlichen Quittungen, Faxen und Schmierzetteln. Sie waren zurückdatiert bis ins Jahr 1993.
»Hier«, sagte Sabrina und tippte mit dem Zeigefinger auf eines der Blätter. »Das dürfte Sie interessieren.« Sie war wieder ernst geworden, ganz die Businessfrau. Wenn er wenigstens heraushören könnte, was für einen Akzent sie eigentlich hatte.
Sie deutete auf die Kopie eines Schecks von der Hongkong and Shanghai Bank, der von deren Filiale in Washington, D. C., ausgestellt wurde. Über 100 000 Dollar vom 1. September 2001. Gilligan pfiff ganz leicht durch die Zähne. Das Geld stammte von einem gewissen Sheik Al-Sahhaf, der gerade in Pakistan vor Gericht stand. Er sollte für den Tod dieses Journalisten verantwortlich sein, dessen enthauptete Leiche vor ein paar Wochen in Karachi gefunden worden war. Aber noch interessanter war der Empfänger des Schecks. Es handelte sich um den Mann, der laut CIA den Anschlag auf das World Trade Center geplant haben sollte. Der Chefpilot der Flugzeugentführer.
Das Merkwürdigste an der ganzen Sache aber war, dass die US-Regierung bisher noch keinen Auslieferungsantrag für diesen Sheik Al-Sahhaf gestellt hatte. Das mochte damit zusammenhängen, dass Al-Sahhaf ein hohes Tier beim pakistanischen Geheimdienst ISI war, dem langen Arm der CIA in Pakistan.
»Es wird noch besser«, sagte Sabrina und bedeutete ihm, weiterzublättern. »Wissen Sie, was das bedeutet?« Sie meinte ein Fax von einer Privatklinik in Dubai. Eine Rechnung, die sich auf 4 573 Dollar und 50 Cents belief. Dubai war einer dieser superreichen Ministaaten im Golf, denen in letzter Zeit niemand in Amerika mehr so recht traute. Außer der Regierung natürlich. Bezahlt worden war die Rechnung von der CIA. Ausgestellt wurde sie am 11. Juli 2001. Zwei Monate vor dem Anschlag auf das World Trade Center. Der Patient war Osama Bin Laden.
Das war unglaublich. Gilligan sah auf. »Mein Gott«, sagte er, »woher haben Sie das?«
»Sie wollten doch Beweise, oder?«, fragte sie. »Hier sind sie.«
Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Und warum geben Sie das mir?«
Sie sah ihn an, als sei er etwas schwer von Begriff. Und das war er wohl auch. »Weil Sie Journalist sind. So etwas muss an die Öffentlichkeit.«
Er blätterte weiter. Der Ordner war voll mit Rechnungen, die entweder die CIA oder dubiose Organisationen im Auftrag der Agency bezahlt hatten. Und die Empfänger saßen in Pakistan, Saudi-Arabien, Algerien, Jemen oder Libanon. Ganz am Schluss stieß er auf eine Rechnung aus dem Jahr 1993, die ihn erneut schaudern ließ. 1 500 Pfund Urea Nitrat, 2 840 Dollar. Urea Nitrat war ein Bestandteil von Dünger – das Zeug, mit dem arabische Terroristen damals versucht hatten, das World Trade Center in die Luft zu sprengen. Angeheftet war die Rechnung für einen Mietwagen.
Gilligan dachte ein paar Sekunden nach und blätterte noch einmal zurück zu der 100 000-Dollar-Überweisung. Sheik Al-Sahhaf. Warum kam ihm der Name so bekannt vor, abgesehen von diesem aktuellen Prozess in Pakistan?
Plötzlich fiel es ihm ein. Es war der Name, den Sabrina in dem kleinen Café auf eine Serviette gekritzelt hatte. »Woher kannten Sie denn …«, fing er an und stockte, als er aufsah. Sie war weg. Einfach weg. Nur den Ordner hatte sie ihm netterweise dagelassen. Aber, wie schon beim letzten Mal, weder ihren richtigen Namen noch ihre Telefonnummer.
Als Gilligan eine Viertelstunde später in der Redaktion auftauchte, war er so aufgekratzt, dass er nicht einmal den musternden Blick des Chefredakteurs bemerkte. Er warf sich voller jugendlichem Elan auf seinen Drehstuhl, schwenkte den Ordner und rief: »Wir haben eine Geschichte! Damit können wir ganz groß rauskommen.« Seit Wochen hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt.
»Zeigen Sie mal her«, sagte der Chefredakteur und klappte den Ordner auf. Gleich am Anfang stutzte er. »Amt für Strategischen Einfluss – was soll denn das sein?«
»Keine Ahnung«, wäre die ehrliche Antwort gewesen, aber Gilligan hatte das Gefühl, dass sie seine Position innerhalb der Hackordnung nicht unbedingt stärken würde. »Das ist eine neue Behörde. Eine Unterabteilung des Pentagon, die die CIA überwachen soll«, erklärte er. »Mit einem eigenen Etat und eigenen Aufgaben.« Das klang plausibel.
Sein Chefredakteur zog die Augenbrauen hoch. »Na gut, dann machen Sie mal«, sagte er. »Aber das muss wirklich ordentlich recherchiert sein.« Es klang eher so, als solle er keinen Ärger machen. Dabei wusste Gilligan, dass sein Chefredakteur der Erste wäre, der mit der Geschichte prahlen würde, falls sie groß herauskam.
»Übrigens«, sagte der Chefredakteur und zwinkerte ihm zu, »ich wusste gar nicht, dass Sie Luella kennen. Ich glaube, wir zahlen Ihnen ein bisschen zu viel.«
Gilligan starrte den Chefredakteur verwirrt an. Luella? Dann dämmerte es ihm. Sabrina. Der Chefredakteur musste sie beide doch zusammen gesehen haben. Luella? Sollte das ihr richtiger Name sein?
Sicherheitshalber lächelte er seinen Chef überlegen an. »Es gibt vieles, was Sie nicht über mich wissen.« Erst als der Chefredakteur gegangen war, geriet er erneut ins Grübeln. Wir zahlen Ihnen zu viel? Was zum Teufel sollte das bedeuten?
Er nahm sich vor, beim nächsten Mal herauszufinden, wer Sabrina eigentlich war. Oder Luella. Er hoffte nur, dass es ein nächstes Mal gab. Und er hoffte, dass seine Frau Elisabeth von dem nächsten Mal nichts mitbekam.
Dann wandte er sich wieder seinem Computer zu. Seit Neuestem gab es noch eine andere Frau neben Elisabeth. Eine Frau, zu der er in den letzten Monaten über das Internet eine Beziehung entwickelt hatte. Keine richtige Beziehung eigentlich. Es war mehr ein Austausch von Ideen. Eine virtuelle Brieffreundschaft. Aber eine seiner wertvolleren Brieffreundschaften. Die geheimnisvolle Frau arbeitete für den Apparat. Für das Militär oder die Feds. Sie durfte ihm nicht sagen, für welchen Geheimdienst sie tätig war, aber sie verfügte über Informationen, an die Normalsterbliche nicht herankamen. Und eines wusste er: Sie würde sich sehr dafür interessieren, was Sabrina ihm gegeben hatte. Oder Luella. Oder wie auch immer sie hieß.
Dewey Drillson hatte Harold H. Burton noch nie so aufgeregt erlebt. Jetzt, wo er darüber nachdachte, hatte er ihn eigentlich überhaupt noch niemals aufgeregt erlebt. Und erst recht nicht in einem derart aufgelösten Zustand. Der Vizepräsident war vor wenigen Minuten krawattenlos und schwitzend ins Dienstzimmer des Verteidigungsministers gestürmt, hatte wilde Blicke um sich geworfen und die Tür hinter sich zugeschmettert. Lucius Prince saß in einem der grauen Sessel und sah ihn erstaunt an. Neben Prince stand Doktor Henry Wolfstetter. Auf Drillsons Schreibtisch lag eine große Schachtel mit Satellitenfotos von der Golfregion. Der Pentagon-Chef beugte sich gerade vor, um sie sich genauer anzusehen, und machte dabei ein extrem missmutiges Gesicht. »Alles Mist«, brummte er. »Vollkommener Schrott. Wer hat das bloß fabriziert?«
Burton holte tief Luft, wischte sich über die nasse Stirn und wandte sich dann an Prince. »Lucius«, sagte er, und es war ihm anzumerken, wie sehr er sich quälen musste, höflich zu sein. »Könnten Sie uns ein wenig Privatsphäre gewähren?«
Kaum war die Tür hinter Prince ins Schloss gefallen, schob Burton einen der dicken weichen Sessel davor. Es war ein ungewohnter Anblick, dem Ölmillionär bei körperlicher Arbeit zuzusehen, dachte Drillson. Dann drehte sich Burton zu Drillson und Wolfstetter um.
»Osama Bin Laden ist gefasst worden«, sagte er. »Von der Polizei. In Los Angeles.«
Drillsons Gelassenheit war im Nu verflogen. Er schoss hoch. »Was?!«, bellte er.
Wolfstetter traute seinen Ohren nicht. Von der Polizei? »Welche Polizei?«, fragte er.
Vor Aufregung völlig erschöpft, ließ sich Burton in den grauen Sessel fallen, in dem gerade noch Prince gelümmelt hatte. »Das LAPD. natürlich«, antwortete er. Das Los Angeles Police Department. »Sie haben ihn erwischt, als er in einer Boutique in Santa Monica Klamotten klauen wollte. Im Wert von 14 850 Dollar. Er hatte ein Spezialgerät dabei, das die Elektronik in den Sicherheitsetiketten neutralisiert. Von der CIA. Auch geklaut. Das hat bloß leider nicht funktioniert. Dann haben die Verkäuferinnen die Polizei geholt und die hat ihn festgenommen.« Burton schwieg. »Was machen wir jetzt?«
»14 850 Dollar für Klamotten?!« Drillson war entsetzt. »Was hat er eingesackt? Ein mit Diamanten besetztes Ballkleid? Ist er vielleicht ein Transvestit?«
»Osama Bin Laden hat Klamotten in einer Edelboutique geklaut?« Wolfstetter war fassungslos. »In Santa Monica? Wie kommt er überhaupt nach Santa Monica? Er sollte doch in Pakistan sein. In Peshawar.«
»In Peshawar?«, fragte Drillson. »Ich dachte, der sei in Dubai?«
Burton sah ein, dass er jetzt mit der Wahrheit herausrücken musste. »Osama Bin Laden«, sagte er, »ist tot. Erschossen im Afghanistankrieg, so um 1988. Von einer etwas übereifrigen Eingreiftruppe der Marines, die dachten, er sei ein Spion für die Sowjetunion.«
»Den Verdacht hatte ich, ehrlich gesagt, damals auch«, bemerkte Drillson. »Ich war mir nie völlig sicher, ob er wirklich auf unserer Seite steht.«
»Wer ist denn dann der Mann, von dem man annimmt, es sei Osama Bin Laden?«, fragte Wolfstetter, der langsam begriff, was passiert war.
»Ein Schauspieler«, antwortete Burton. »Deshalb wohnt er auch in Santa Monica. Er heißt Joshua Lopez. Ein Drittel Hispano, ein Drittel Indianer, ein Drittel Jude. Hatte bisher nur zwei Rollen. Als Sekretär von Murphy Brown und als klingonischer Rebell in Star Trek V. Ist also ein völlig unverbrauchtes Gesicht. Ideal für uns. Wir haben ihn 1992 engagiert, als sich abzeichnete, dass wir ihn benötigen würden.«
»Jude, ich wusste es doch gleich«, sagte Drillson. »Diese Nase …« Er schwieg, als Wolfstetter ihn empört ansah.
»Mein Gott«, sagte Wolfstetter. »Und der spielt immer dann für uns den Bin Laden, wenn wir ihn brauchen? Das heißt, diese ganzen Videos wurden in Hollywood gedreht und nicht in Karachi?«
»Islamabad«, korrigierte ihn Drillson.
»Nicht direkt in Hollywood, aber, äh, in einem Bundesstaat ganz in der Nähe«, erklärte Burton. »Jose hat die USA in den letzten neun Jahren nicht verlassen. Einmal wollten wir ihn nach Jeddah ausfliegen, damit er eine Rede an seine arabischen Brüder hält, aber er hat sich geweigert. Flugangst.«
»Und er kann Arabisch?«, fragte Wolfstetter.
»Nein«, räumte Burton ein. »Auf diesen Videobändern spricht er Klingonisch. Wir haben aber ein arabisches Voiceover beauftragt, damit es echter wirkt.«
»Und was tun wir jetzt?«, wollte Drillson wissen. Er hatte sich wieder halbwegs gefangen.
»Als Erstes feuern wir ihn«, sagte Burton. »Und zwar achtkantig. Gewerkschaft hin oder her. Da kann Jack Valenti auf dem Hollywood Boulevard nackt Purzelbäume schlagen! So was Unprofessionelles! Ich hätte gute Lust, ihn liquidieren zu lassen. Zum Glück hatte er weder Bart noch Perücke an, sonst hätten ihn die Bullen womöglich noch erkannt. Und wir brauchen einen neuen Osama.«
Wolfstetter nickte, immer noch völlig erschüttert. »Was ist, wenn er plaudert?«
Burton zuckte mit den Schultern. »Plaudern? Bei wem? Was denn? Bestenfalls landet er dann in der Betty-Ford-Klinik.«
»Das Wichtigste ist jetzt, so schnell wie möglich Ersatz zu finden«, sagte Drillson, der schon wieder anfing, Befehle zu geben. »Sollen wir Brisbane fragen, ob er einen brauchbaren Nachwuchs-Schauspieler hat?«
»Begeistert bin ich nicht davon«, antwortete Burton. »Aber das ist die einzige Möglichkeit, die ich im Moment sehe. Wir können ja schlecht zu einem offenen Casting einladen. Aber kein Wort. Vor allem nicht zu unserem Mossad-Falken.« Er deutete mit dem Kinn in Richtung Tür. Dann erhob er sich und schob ächzend den Sessel wieder zur Seite.
Gerade noch rechtzeitig, bevor die Tür sich öffnete, konnte Prince sich in eine Ecke verdrücken. Burton hatte ihn nicht gesehen. Er wartete noch ein paar Minuten, ob auch Wolfstetter aus dem Chefzimmer kommen würde. Als das nicht geschah, trippelte Prince leise zum Aufzug. Unten angekommen, griff er zu seinem Mobiltelefon und wählte eine unglaublich lange Nummer.
»Ich bin es«, sagte er. »Ihr müsst etwas für mich überprüfen. Könnt ihr noch an die Märtyrergräber von Kandahar herankommen?«
Als Jason Gilligan das Gesicht von Albert Rave sah, wusste er, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses war leichenblass. Allerdings war nicht klar zu erkennen, ob aus Angst oder aus Wut. Auf der täglichen Pressekonferenz des Weißen Hauses saß Gilligan auf seinem gewohnten Platz, während seine Kollegen einen respektvollen Halbkreis um ihn formten. Mit einigem Abstand, denn es war noch nicht klar, ob er einen neuen Skandal im Watergate-Format aufdecken würde oder ein journalistischer Paria war, der mit gefälschten Dokumenten handelte. Aus diesem Grund hielten sie sich alle Optionen offen. Niemand wollte sich in Zeiten wie diesen von Raves Informationsfluss abschneiden lassen.
Die ganze aufregende Geschichte hatte Gilligan leider nicht schreiben können, weil das Pentagon bis zuletzt gemauert hatte. Es gebe kein solches Amt für Strategischen Einfluss, hatten sie gesagt. Diese so genannten Rechnungen, die er habe, seien Fälschungen. Mit der Bank von Dubai habe das Pentagon nichts zu tun. Und falls ein Terrorist wie Sheik Al-Sahhaf wirklich zu einem der Flugzeugentführer Kontakt gehabt habe, beweise das nur, wie international verzweigt die Terrornetzwerke heutzutage seien. Im Übrigen sitze Al-Sahhaf in Pakistan in Haft. Was wolle er mehr?
Gilligans Zeitung hatte die Geschichte über internationale Terroristen und ihre dubiosen Geldquellen trotzdem gedruckt. Sogar auf Seite eins. Allerdings mit vielen »Vielleichts«, offenen Fragen und »Was-wäre-Wenns«. Aber auch so erregte die Geschichte mehr als genug Aufsehen. Vor allem bei Rave.
Der Kommunikationsdirektor musterte Gilligan erst empört und entschied sich dann für eine verächtliche Miene. »Bevor wir mit dem heutigen Briefing anfangen«, verkündigte er wie von der Kanzel herab, »will ich noch eines sagen. In diesen Zeiten, in denen wir von Terrorismus bedroht sind wie niemals zuvor, müssen Amerikaner aufpassen, was sie sagen, was sie schreiben und was sie tun. Sonst unterstützen sie den Feind und riskieren das Leben anderer Amerikaner.«
Als Gilligan die Pressekonferenz verließ, dachte er, er habe das Schlimmste hinter sich. Doch weit gefehlt. In der Redaktion dröhnte der Fernseher auf voller Lautstärke. FUC. Das war ungewöhnlich, denn sonst lief dort nur CNN. Und zwar ohne Ton. Er brauchte nur wenige Sekunden, um zu bemerken, dass der Bericht, der gerade gesendet wurde, von ihm handelte.
»… und dies schon während seiner Anfangsjahre an der Columbia University«, sagte der Sprecher. Er sah ein altes schwarz-weißes Bild von sich, mit langen Haaren und Vollbart, auf dem er ein T-Shirt mit dem Bild des großen Führers Ho Chi Minh trug. Er hatte sich bei zwei anderen langhaarigen Studenten eingehakt, was nötig war, weil die Polizei ihn an den Schultern packte, um ihn vom Campus zu schleifen. »Und dann«, sagte der Sprecher, »schloss sich Gilligan dem ›Internationalen Solidaritätskomitee zur Unterstützung Kubas‹ an. In dieser Zeit rauchte er regelmäßig Marihuana und nahm Kommilitonen zufolge auch LSD.«
Alle Kollegen im Raum starrten ihn an. Manche von ihnen unverhohlen, manche vorsichtig und manche mitleidig. Er klammerte sich an seinem Kugelschreiber fest und tat so, als bemerke er es nicht. Als Nächstes wurde ein dicklicher, blonder Mann Anfang fünfzig im Fernsehen gezeigt, an den sich Gilligan beim besten Willen nicht erinnern konnte. »Oh, ja«, sagte der Mann. »Jason war mir damals schon suspekt. Ich wusste immer, dass er ein verdammter Kommunist ist. Ich habe ihn kennengelernt, als er Unterschriften für die Wahlkampagne von McGovern sammelte. Natürlich habe ich nicht unterschrieben.«
Als dann auch noch eine Fotokopie seiner FBI-Akte ins Bild kam, ertrug Gilligan es nicht mehr. Doch bevor er den Raum verlassen konnte, hatte sich der Chefredakteur schon vor ihm aufgebaut. »Jason, Jason, Jason«, sagte er so sanft wie ein Irrenarzt, kurz bevor er Elektroschocks verabreicht. »Kommen Sie doch mal mit in mein Büro.«
Gilligan folgte ihm brav. Er hatte ein extrem flaues Gefühl im Magen, aber er wusste, dass er keine Fehler gemacht hatte. Außer dem riesengroßen Fehler, die Geschichte überhaupt geschrieben zu haben. Die würde ihn nun vermutlich die Karriere kosten.
Kaum hatte er sich gesetzt, stellte sich heraus, dass dem Chefredakteur die ganze Sache nicht weniger unangenehm war als ihm. »Wissen Sie«, sagte er und klopfte Gilligan beruhigend auf die Schulter, »diese Aufregung wird sich bestimmt wieder legen. Solange die nicht mit dem Anwalt kommen und eine Richtigstellung durchsetzen, ist nichts verloren. Wir haben keinen Fehler gemacht.« Er seufzte. »Aber Sie sollten in den nächsten Wochen ein etwas niedrigeres Profil zeigen. Lassen Sie es etwas ruhiger angehen. Vielleicht beschäftigen Sie sich mehr mit Hintergrundthemen. Nichts Politisches. Wir brauchen denen ja keine Angriffsfläche zu bieten, nicht wahr? Und wir wollen ganz sicher nicht, dass sich so eine Aufregung wiederholt.«
Der Chefredakteur schwieg ein paar Sekunden und sah ihm dann ins Gesicht. »Am besten, Sie nehmen sich ein paar Tage frei. Von mir aus auch ein paar Wochen. Nach der harten Arbeit haben Sie es sich sowieso verdient.«
Gilligan atmete erleichtert aus. Das hätte schlimmer ausgehen können. Er setzte an, so schnell wie möglich den Raum zu verlassen, als der Chefredakteur ihn noch einmal zurückrief.
»Und, Jason«, sagte er, »falls die doch noch mit dem Anwalt kommen, lasse ich es Sie umgehend wissen. Also, falls Sie wegfahren, hinterlassen Sie bitte ihre Mobilnummer bei meiner Sekretärin.«
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bullshit, diese Story. Sorry
Fiktion eben, mit leichtem Realitätsbezug, das soll ein Roman sein. Bullshit ist eher, was derzeit so aus der hohen Politik zu vernehmen ist, außerdem lebt der Autor des Politfachblatts The Onion und Hobbyveganer im Brooklyner Stadtteil Crown Heights mit seiner dreibeinigen Katze Petunia, die sich, seit sie Bekanntschaft mit den zwei Piranhas, gemacht hat, davor hütet, sich in der Nähe des Aquariums aufzuhalten, weil sie mit 3 Beinen wenigstens noch humpeln kann. Wenn sie noch ein Bein verliert, ist es auch damit vorbei. Einer der ursprünglich 3 vorhandenen Piranhas ist zwar spurlos verschwunden aber einer Katze wachsen auch keine Beine nach. Danny sollte die Katze und die Piranhas ab und zu füttern, dann gäbe es dieses Problem nicht.