»Zurzeit sehe ich einen sehr knappen Vorsprung für Trump«

Donald Trump, JD Vance
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Nächste Woche wählen die US-Bürger ihrer Präsidenten. Wer macht es: Trump oder Harris? Was sagen die Zahlen und wie stimmig sind sie?

Roberto De Lapuente hat den Professor der Statistik Walter Mohr befragt.

 

Roberto De Lapuente: Herr Mohr, trauen Sie sich denn ein Urteil abzugeben, wer US-Präsident wird?

Mohr: Noch nicht ganz, weil wir (Stand: 26. Oktober) gerade in der wohl entscheidenden Phase sind. Schon früh, nach dem Parteitag der Demokraten, hat Allan Lichtman das weltberühmte Wahlorakel, auf Basis seiner 13 Schlüsselfragen, mit denen er in neun der letzten zehn Wahlen richtig lag, sein Votum für Harris abgegeben. Hingegen hat sich seit Ende September die große Wahlbörse Polymarket für Trump entschieden, und zwar mit 312 zu 226 Wahlmännerstimmen, wobei dort alle sieben Swing States an Trump gehen sollen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, weil vier Spieler mit Millioneneinsätzen die Märkte zugunsten von Trump zu dominieren versuchen.

»Statistisch ist es durchaus möglich, dass Harris alle Swing States gewinnen könnte«

Roberto De Lapuente: Aber haben Sie eine eigene Tendenz?

Mohr: In meinem ersten Bericht Anfang Oktober hatte ich Harris im entscheidenden Electoral College mit 282 zu 256 knapp vorn gesehen. Etwa seit dem 18. Oktober treffen täglich für die Swing States immer häufiger Umfragen mit knappem Vorsprung für Trump ein. Das hat den Effekt, dass die (gewichteten) Durchschnittsprognosen kontinuierlich in Richtung der Republikaner wandern. In den Bundesstaaten Wisconsin, Michigan und Nevada ist der Vorsprung von Harris unter einem Prozentpunkt, während Trump in Arizona, Georgia und North Carolina mit Mittelwerten zwischen ein und zwei Prozentpunkten führt. Diese Werte liegen sämtlich weit unter der statistischen Signifikanzgrenze, die eine abgesicherte Prognose zulässt. Die Entscheidung könnte wieder in Pennsylvania mit seinen 19 Wahlmännern fallen. Hier scheint gerade das Pendel umzuschlagen. Bei Nate Silver und 538 führt Trump mit 0,2 Prozentpunkten, während er bei New York Times mit 0,2 Prozentpunkten hinten liegt. Wenn man diese Differenz aus den Wählerstimmen von 2020 in Pennsylvania umrechnet, entspricht das einer Wählerwanderung von 30.000 Stimmen. Somit ist es verständlich, dass dort bis zum letzten Tag um Unentschlossene gekämpft wird.

De Lapuente: Also letztlich sehen Sie alles als noch offen an?

Mohr: Fast alle großen Prognoseplattformen, die auf 270towin geführt werden, haben noch keine endgültige Entscheidung gefällt. Es ist nämlich wesentlich, ob dieser leichte Vorsprung von Trump bis zum Wahltag hält. Er könnte auch von den vermehrt eintreffenden Umfragen Trump nahestehender Institute, wie z.B. Trafalgar, initiiert worden sein, damit die Medien dieses verstärkt aufgreifen. Dagegen sprechen jedoch Zahlen von Nate Silver, die aussagen, dass Trump seit Anfang Oktober im Mittel wöchentlich in den Swing States jeweils um 0,3 Prozentpunkte zugelegt hat. Zurzeit sehe ich daher einen sehr knappen Vorsprung von Trump. Aber statistisch ist es beispielsweise durchaus möglich, dass Harris alle Swing States gewinnen könnte. Daher meine begründete Zurückhaltung. Ich werde weiterhin täglich die neuen Umfragen analysieren und meine finale Prognose kurz vor der Wahl auf X veröffentlichen.

»Die meisten werden ihr Kreuz nach Bauchgefühl machen«

De Lapuente: Welche Themen werden Trump bzw. Harris ins Weiße Haus hieven?

Mohr: Das wichtigste Thema ist wie fast immer die Wirtschaft. Hier ist die Entwicklung in der letzten Amtszeit unter Biden durchaus positiv. So hat der Dow Jones, der weltweit wichtigste Aktienindex, an der Wall Street gerade einen Höchststand erreicht. Für die Arbeitnehmer ist eine geringe Arbeitslosenquote zu verzeichnen. Harris sollte sich am Ende des Wahlkampfes jedoch verstärkt für eine Senkung der Lebenshaltungskosten engagieren. Dem stellt Trump zum Beispiel – getreu nach seinem MAGA-Prinzip (Make America Great Again) – Importzölle von 60 Prozent für China und 20 Prozent für die anderen Länder entgegen. Die überwiegende Mehrheit der US-Ökonomen hält diesen Vorschlag für gefährlich, weil damit Handelskonflikte ausgelöst werden könnten. Aber Trump gewinnt mit solchen Vorschlägen die Schlagzeilen in den Medien und gemäß einer aktuellen Befragung hat er die größere Wirtschaftskompetenz.

De Lapuente: Es ist also wieder mal nur die Wirtschaft? Wie sieht es mit gesellschaftlichen Themen aus?

Mohr: Seit Beginn ihrer Kandidatur hat Harris stark für die Frauenrechte, vor allem für liberale Abtreibungsgesetze, gekämpft. Sie kann damit zweifellos punkten und liegt bei den Wählerinnen klar in Führung. Trump hingegen bringt mit dem Migrationsproblem immer wieder seine stärkste Karte ins Spiel, weil er damit Harris direkt angreifen kann. Die ist nämlich in der aktuellen Regierung verantwortlich für die Bereiche Einwanderung und Migration. Heftig kritisiert er ihre laxe Politik und will bei einer Wahl viele Verschärfungen durchführen, u.a. die größte Abschiebeaktion in der Geschichte der USA. Es wird bei diesen Themen immer wieder deutlich, dass Trump den eher rationalen Argumenten der Demokraten gern mit emotional aufgeladenen Vorschlägen kontert. Diese drei Themen sind wichtig, wenn die Wähler mit dem Kopf entscheiden würden. Aber vermutlich wird ein größerer Teil das Kreuz eher nach dem Bauchgefühl machen.

De Lapuente: Die Vereinigten Staaten haben eine sehr emotionalisierte Debattenkultur. Macht das die Erhebungen schwieriger als in Deutschland, wo es eher noch so etwas wie Stammwähler gibt?

Mohr: Stammwähler und politische Konstanz gibt es den USA auch. So ist in 43 der 50 Bundesstaaten  der Wahlsieger und die damit verbundenen Wahlleute sehr sicher vorauszusagen. Es ist allgemeiner Konsens, dass Harris in diesen Staaten mit 226 zu 219 Wahlmännern führt. Allerdings ist die Emotionalität, die besonders durch Trump entfesselt wird und der Geldeinsatz, der jede Partei wahrscheinlich eine Milliarde kosten wird, wesentlich größer als bei uns. Ferner haben die Umfrageinstitute, die Trump 2016 stark und 2020 mittelhoch unterschätzt haben, weil die Trump-Wähler weniger auskunftsfreudig sind, ähnlich wie bei uns die AfD-Wähler, ihre Methodik verbessert.

»Die Bedingungen für eine Wählerbeeinflussung sind gewachsen«

De Lapuente: Wie ist die Demoskopie in den Vereinigten Staaten denn aufgestellt?

Mohr: In den Vereinigten Staaten gibt es über 300 Umfrageinstitute, deren Qualität außerordentlich unterschiedlich ist. Außerdem sind sehr parteinahe Institute und Auftraggeber im Einsatz – und zwar aktiver bei den Republikanern. Daher kommt es zurzeit bisweilen zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn man die aktuellen Umfrageergebnisse in den Swing States vergleicht. Verwendet man einfache Mittelwerte, führt Trump praktisch überall. Andere Wahlforscher, wie zum Beispiel der bekannte Nate Silver, die Prognoseplattform 538 oder die New York Times haben viel Arbeit darauf verwendet, um für jedes Institut ein individuelles Gewicht zu berechnen. Dieses hängt ab von der früheren Prognosequalität, der Anzahl der Befragten, der Aktualität und der Nähe zu einer Partei. Damit kommt man meist zu etwas anderen Resultaten. Mit Stand zum 26. Oktober führt Trump in Arizona, Georgia und North Carolina während Harris knapper in Nevada, Wisconsin und Michigan vorn ist. Wahrscheinlich ist wieder Pennsylvania, wo zurzeit die Mehrheit schwankt, der entscheidende Königsmacher.

De Lapuente: Die Demoskopie tut ja gerne so, als sei sie nur Chronistin der Gefühlslage. Ist es aber nicht so, dass sie durch ihre Erhebungen auch die Wirklichkeit beeinflusst?

Mohr: Ich habe dazu nur eine Untersuchung gefunden, und zwar hat sie der Politikwissenschaftler Thorsten Faas zusammen mit dem Umfrageinstitut YouGov 2013 vor der Bundestagswahl durchgeführt. Dort wurde festgestellt, dass 17 Prozent der Befragten, die die Umfrage vor ihrer Stimmenabgabe gesehen hatten, diese auch bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigten. Inzwischen ist das Medieninteresse viel größer geworden. Zusätzlich sind auch die Bedingungen für eine Wählerbeeinflussung gewachsen: geringere Parteibindungen, neue Parteien, Wählerentscheidung, die immer dichter vor der Wahl stattfinden sowie Emotionalisierung des Wahlkampfes. Positiv ist anzumerken, dass es mit dem Wahl-O-maten ein hervorragendes Werkzeug gibt, das über die Programme der Parteien für jeden Wähler eine Ähnlichkeitsrangliste mit seinen Wahlvorstellungen berechnet. Damit wird man angeregt, sich mehr mit den entsprechenden Inhalten als mit den Zahlen zu beschäftigen.

Prof. Dr. Walter Mohr absolvierte ein Studium der Mathematik und der Wirtschaftswissenschaften. Seine Lehr- und Forschungstätigkeiten an Fachhochschulen und Universitäten führten zu über 50 Veröffentlichungen – insbesondere in den Bereichen Zeitreihenanalyse und Wirtschaftsprognosen.

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21 Kommentare

  1. Immer wenn der Deep State ohne übergroßen Gesichtsverlust seiner eigenen Frontmänner*innen aus einem Krieg raus will, lässt er Trump ran, den er ansonsten nach Herzenslust beschimpfen lässt.

  2. Natürlich wird der Hype um Kamel Haris
    am Wahltag enden und alle woken Spinner
    und Nichtsnutze werden wie üblich in
    Schnappatmung verfallen. Sollte die Wahl
    anders ausgehen, sind die Amerikaner
    selber Schuld. Oder doch die Wahlmaschinen ?

      1. Man sollte mal die Software – neudeutsch Äpppp – anschauen, was sie aus den ausgezählten Wahlergebnissen so macht, wenn sie sie an die “Zentrale” absendet und die Software der “Zentrale” ob sie das Empfangene überhaupt verwendet.

  3. Das Ganze erinnert mich an Martin Schulz (= Kamala Harris): Einstimmig zum Kandidaten gewählt, dann ein riesiger aufgebauschter Hype, besonders in den Wahlprognosen, und am Ende der Zusammenprall mit der Realität.

    Und genau wie bei Merkel/Schulz ist es völlig irrelevant wer gewinnt, der einzige Unterschied ist die Art der PR (woker Moralismus vs pathologischer blowhard). Wahlen als freakshow..

  4. Tump und Harris lügen und hetzen beide auf Teufel komm raus. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen ihnen. Trump hat ein Programm. Kamala Harris dagegen wendet sich an Heuchler, Gutmenschen, Dummköpfe, Kriminelle, Asoziale, Drogenabhängige, Migranten usw., und drischt nur Phrasen, und verspricht finanzielle Geschenke, z. B. kostenlose Abtreibung in einem Land, in dem Leute mangels Krankenversicherung verrecken. Ständig lacht sie hysterisch. Sie ist eine Opportunistin und passt sich dem kaputten Zeitgeist bedingungslos an. Ihre Karriere verdankt sie einer vergangenen Beziehung mit dem dreißig Jahre älteren Willie Brown, einem ehemaligen Bürgermeister von San Francisco. Ihre Anhänger sprechen mit weit aufgerissenen Augen und wichtigtuerischer Miene über woke Themen. Nie hört man so was wie ein Argument.
    Sie wird die Wahl gewinnen, weil sie die Mehrheit anspricht.

    1. Das würde nur dann stimmen, wenn die BSW-Wähler in großer Mehrheit eine Koalition mit der AFD befürworten würden. Doch das will ich mal stark in Zweifel ziehen.

    2. Ob die Sahra zum Franz (von Papen) mutieren wollte, wage ich zu bezweifeln. Zwar ist sie bestimmt machtgeil genug, aber bestimmt nicht so wie der oberchristliche Ex-Kanzler aus dem Zentrum.

  5. Wenn Trump verliert dann weil Landauf Landab von den Medien für Harris getrommelt wird. Nachdem sie unter Biden bei den Medien einhellig noch als schlechte Besetzung galt wird sie mittlerweile zur Leucht Ikone aufgeblasen. Das sind auch noch genau die Medien die ständig vor nichtnachgewiesener russicher Einflussnahme auf die Wahl warnen.

    1. Das sind die Medien, die eine fast 40jährige Tradition aufgeben und diesmal KEINE Wahlempfehlung abgeben (die konsequenterweise auf die Amtsinhaberin lauten müßte). Der Wapo soll diese Unterlassung 200.000 Abokündigungen von wütenden Dems eingetragen haben.

  6. wer das Interview von Trump bei Joe Rogan gesehen hat, der weiss wer gewinnt.

    Die Drohung von Trump, Kennedy und Musk, das die Kundenliste von Jeffrey Epstein veröffentlicht wird, kann aber noch zu bisher nicht denkbaren Ereignissen führen.
    Der Deep State kann nur mit einem harten juristischen Schlag der sämtliche Verbrecher auffliegen lässt beseitigt werden.
    Ich hoffe Trump hat dafür die nötigen Eier in der Hose. Meine Hoffnung nährt sich aus dem Lebensalter und den erlittenen Verletzungen von Trump.
    getreu dem Motto ” lieber großartig scheitern, als mittelmässig leben”

    1. Da hätte ich nicht so viel Zutrauen. Trump hatte bei der vorletzten gewonnen Wahl auch gesagt, dass er die Kennedy-Akten veröffentlichen werde. Und was ist passiert?

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