»Psychologischer Terror«

Königreichsaal der Zeugen Jehovas in Essen.
Moronis, CC0, via Wikimedia Commons

Vor zwei Wochen erschoss Philipp F., ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas, acht Mitglieder dieser Sekte. Über 20 Jahre lang glaubte Oliver Wolschke an die Lehren der Zeugen Jehovas. Dass der Untergang der Welt bevorsteht. Dass vorehelicher Sex eine Sünde ist. Als er Vater wurde, zerbrach sein Glaube.

Arno Luik traf Wolschke vor einigen Jahren für dieses Gespräch: Damals verließ der Tiefgläubige die Sekte, um seine Kinder zu retten. Nun ist er froh, dass ihm das gelang. Obwohl er dabei ungeheuer viel verlor

Wie, Herr Wolschke, wie war das, als Sie zum ersten Mal an einer fremden Haustür klingelten und sagten: „Wir möchten Ihnen die frohe Botschaft Jehovas nahebringen!“

Ich war neun Jahre alt, und ich war unterwegs mit meinem, wie es bei den Zeugen Jehovas heißt, „geistigen Vater“. Ich war schon geschult in so kleinen Demonstrationen, wie man auf Ablehnungen, Einwände eingeht, wie man so einen Missionsbesuch einleitet.

Also, was sagten Sie?

Man ist sehr freundlich, sagt zum Beispiel seinen Namen: „Schönen guten Tag, mein Name ist Oliver Wolschke, und das hier ist mein Partner. Wir sind heute an Ihre Tür gekommen, weil wir festgestellt haben, dass die Menschen immer weniger an einen Gott glauben und…

Dann fällt die Tür zu!

Und dann fällt häufig die Tür zu – sobald das Wort „Gott“ gefallen ist oder das Wort „Bibel“.

Harmagedon droht – und fast alle gehen drauf

Was ich merkwürdig, nein, widersinnig finde, ist, dass Sie als Zeugen Jehova missionieren müssen, aber gleichzeitig heißt es in der Lehre der Jehovas, dass nur 144.000 „Gesalbte“ in das 1000jährige Königsreich kommen dürfen – da wird es ziemlich eng an der Königspforte!

Ja, aber Sie sehen das nicht ganz richtig, doch ich fürchte, als Außenstehender kann man das nicht richtig verstehen, es ist zu bizarr. Bis 1934 kamen alle Zeugen Jehovas, das war die offizielle Doktrin, in den Himmel. 144.000 hatten dabei einen besonderen Platz im Königreich. Aber dann haben sie gemerkt: Oh, wir wachsen ziemlich schnell, und bald wollen mehr als 144.000 Menschen in den Himmel! Das geht aber nicht. Und deswegen haben sie 1935 einfach ihre Lehre verändert. Jetzt heißt es, die Plätze sind belegt, der Rest bleibt auf der Erde. Und diese 144.000 werden mit Jesus Christus tausend Jahre über die Erde und all die gläubigen Menschen regieren, die Harmagedon überleben.

Harmagedon?

Das ist, wie es bei den bei den Zeugen Jehovas heißt, „die endzeitliche Entscheidungsschlacht, in der Gott durch seinen Sohn Jesus Christus in der Gestalt des Erzengels Michaels zusammen mit dem Engelheer das Weltsystem Satans beseitigt und durch das tausendjährige Friedensreich“ ersetzt.

Sie haben das geglaubt?

Ja, über 20 Jahre lang.

Sie haben auch geglaubt, dass dieses jeden Moment passieren könnte.

Ja. Und heute staune ich darüber, dass ich das alles und noch viel mehr geglaubt, nachgeplappert, nie hinterfragt, nur konsumiert habe, was uns vorgesagt wurde.

Es gibt acht Millionen Zeugen Jehovas weltweit, also acht Millionen Menschen werden diese Schlacht überleben. Aber der Rest der Menschheit, also acht Milliarden Menschen, die vom Satan besessen sind gehen drauf?

Die gehen alle drauf. So knallhart muss man es sagen.

Ihr Gott ist brutal. Ihr Jesus ein Massenmörder.

So sehe ich das jetzt auch. Aber ein Zeuge Jehovas würde das nie so knallhart formulieren, er würde sagen: „Die Menschen haben ja die Möglichkeit noch rechtzeitig zu Gott zu finden!“

Als Zeuge Jehova lebt man in der ständigen Angst, nichts ins Paradies zu kommen.

So nimmt es aber nicht wahr. Aber natürlich war diese Angst immer im Hintergrund vorhanden, dass man eben nicht gut genug für dieses Paradies ist. Und ich hatte schon auch Angst davor, im Harmagedon umzukommen. Andererseits freut man sich ja auf diese Entscheidungsschlacht, das wird einem auch ständig in den Kopf getrieben, dass Gott endlich eingreift. Dieser Gedanke war immer da.

»Endlich greift Gott ein!“

Was ist das für ein Lebensgefühl?

Hhm.

Sie haben nun fast eine Minute geschwiegen.

Ich versuche mich in mein damaliges Denken zurückzuversetzen. Ich bin ja erst seit ein paar Monaten weg von den Zeugen. Aber ich ringe noch immer damit zu verstehen, wie ich zum Sklaven dieser Ideologie wurde. Es ist mir heute so fremd. Einerseits lebt man als Zeuge Jehova ein ganz normales Leben, man plant Urlaube, man unternimmt etwas mit Freunden – und doch, jeden Tag denkt man, bald kommt Harmagedon.

Also der Himmel kracht auf einen herab.

Schon als Kind hat man in unseren Publikationen in eindringlichen Bildern gesehen, was da geschieht: Es regnet Feuer vom Himmel. Meteoriten schießen runter, ganz kleine Meteoriten, die die Häuser zertrümmern und zum Einsturz bringen, die Erde reißt auf und am Himmel sieht man dann wie Jesus mit seinen 144.000 Gesalbten kommt und jeden Ungläubigen tötet.

Sie haben jahrzehntelang in einer Parallelwelt gelebt.

Ja. Und ich würde jetzt gern jenen, die dieser Welt noch verhaftet sind, zurufen: „Eh, lasst sie hinter euch! Das ist alles Quatsch!“

Hat Sie dieser Quatsch zu einem Sonderling Ihre Kollegen gemacht?

Das glaube ich nicht.  Es war nur so, dass ich in Vielem anders war. Ich habe keine Weihnachtsfeier mitgemacht, ich habe Ostern nicht gefeiert, weil es Feste heidnischen Ursprungs sind. Und wenn jemand Geburtstag hatte, habe ich ihm nicht gratuliert, Einladungen zu Geburtstagsfesten habe ich abgelehnt.

Warum nicht?

Jesus sagte ja, dass der Weg zum ewigen Leben sehr schmal ist und nur für wenige reserviert ist, und der Rest geht drauf. Daher solle man sich nicht überhöhen, man solle sich nicht selber feiern mit Geburtstagen – sie seien „nicht Gott-gewollt“.

Puh, und wie war das in der Schule, als Kind?

Sehr unangenehm, man lebt ja immer in Konfrontation zu den Gleichaltrigen, ich habe das dann versucht zu kompensieren, indem ich einen auf Klassenclown machte.

Sie haben zwei Kinder, die in den Kindergarten gehen. Haben Sie denen auch diese Zwänge auferlegt?

»Ich habe eine Sünde begangen: Vorehelichen Sex«

Ja, wir haben das auch so gehandhabt, leider. Wenn es ums Ostereier bemalen geht, haben wir gesagt, bemal Steine. Wenn eine Weihnachtsfeier im Kindergarten war, haben wir unseren Sohn an dem Tag nicht in den Kindergarten gelassen.

Wie lange standen Sie, wie es in der Sprache der Jehovas heißt, „fest in der Wahrheit“?

Bis zu meinem 31. Lebensjahr. Ich habe sogar auch noch in der Zeit daran geglaubt, als ich mal für zwei Jahre ausgeschlossen worden war, weil ich meine Frau kennengelernt habe.

Das war eine Sünde, weil sie keine Zeugin Jehova war?

Man soll keinen engen Kontakt mit Ungläubigen haben. Ausgeschlossen wurde ich, weil ich mit ihr zusammengelebt habe.

Sie hätten diesen Ausschluss doch als Befreiung genießen können.

Ich war damals noch nicht so weit. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Die Zeugen Jehovas begründen alles mit der Bibel, man darf Gott nicht enttäuschen, und ich dachte sie haben Recht. Es war ein Dilemma für mich: Da ist die Frau meines Lebens, da ist der Glaube, den ich nicht verlieren möchte. Mir war klar, dass es nun hart, ja existenziell für mich würde! Ich kannte die Regeln, ich hatte schon zweimal gegen sie verstoßen, „gefehlt“ und musste vor internen Gerichten erscheinen, von denen ich dann zwei „Zurechtweisungen“ erhielt.

Was heißt denn das?

Ich hatte etwas Falsches getan, eine Sünde begangen, vorehelichen Sex. Mich hat mein Gewissen so geplagt, dass ich das gegenüber einem Gemeindemitglied gestand. Und ich musste dann vor ein Rechtskomitee, das von drei Männern gebildet wird, den „Ältesten“. Die waren nicht streng zu mir, in der Bibel steht ja auch: Sie reiben dich ein mit Öl. Man kriegt Fragen gestellt, ob es ein Ausrutscher war, ob es über einen längeren Zeitraum ging, man erzählt, was passiert ist, sagt, dass man es bereut.

Dass man sich als erwachsener Mensch solch einem Tribunal unterwirft – unfassbar.

Heute verstehe ich das auch nicht mehr. Damals habe ich das alles akzeptiert, denn man schämt sich, weil man vor Gott gesündigt hat. Aber nun ging es um meine Frau. Die drei Ältesten machten mir klar, dass ich mich zwischen meiner Freundin oder der Organisation entscheiden muss: sie oder wir.

Und Sie entschieden sich für Ihre Freundin.

Ja, es ging um unser Lebensglück. Aber es war brutal. Ich liebte meine Frau, konnte ohne sie nicht leben.  Aber ich war innerlich noch ein tiefgläubiger Zeuge Jehova. Ich wurde ausgeschlossen, ich wollte das aber nicht. Eine psychologische Terrorsituation auf mehreren Ebenen. Als Ausgeschlossener werden zu dir alle Kontakte abgebrochen. Niemand kennt dich mehr. Deine eigene Mutter redet nicht mehr dir. Von einem Tag auf den anderen ist dein bisheriges soziales Umfeld weg. Die soziale Isolation ist allumfassend. Für mich war diese Situation unerträglich.

»Ich würde meinen Kindern nie eine Transfusion vorenthalten!«

Sie waren in einem Gefängnis ohne Mauern, die Gefängnisstäbe waren Psychoterror.

Ja.

Was hat Sie damals gerettet? Haben Sie Ihre Frau missioniert?

Ja und nein. Meine Frau war damals in einer schwierigen Phase, ich will darüber nicht sprechen. Jedenfalls hat sie bei mir all diese Bücher der Wachturmgesellschaft gefunden. Als ich mal nach Hause kam, hat sie geweint, sagte:  Sie fühle sich davon angesprochen, wie in diesen Publikationen über die Liebe Gottes geredet wird. Diese Lektüre war für sie in jenem Moment genau das Richtige. 2005 haben wir geheiratet und ein Jahr später wurde ich wieder als Zeuge aufgenommen.

Wann krochen die ersten Zweifel an den Zeugen Jehovas in Ihre Seele?

2008 las ich im Internet erstmals kritische Berichte über die Wachturmgesellschaft. Die erschütterten meinen Glauben. Aber damals war ich noch ein Gefangener der „Firewall“, der Brandschutzmauer, die die Indoktrination seit meiner Kindheit perfekt um mich aufgebaut hat. Dann wurde ich 2011 Vater, 2013 bekamen wir unser zweites Kind.

Und das veränderte Ihren Blick auf die Zeugen Jehovas.

Das machte mich nachdenklicher und kritischer. Die Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen ab. In der Ausgabe vom 22. Mai 1994 sah man auf dem Titel von „Erwachet!“ die Bilder von Jugendlichen und in der Geschichte wurden drei Kinder ausführlich dargestellt, die sich der Bluttransfusion verweigert hatten und gestorben sind. Sie gaben „Gott den Vorrang“, hieß es in der Geschichte! Unmenschlich. Ich würde meinen Kindern nie eine Transfusion vorenthalten!

Gibt es einen konkreten Tag, an dem dieser Schutzwall zusammenbrach?

Ja, eine Frau in einer Facebook-Gruppe von Zeugen Jehovas, machte sich Sorgen, ob ihre Hunde und Katzen Harmagedon überleben würden? Das wurde in den Kommentaren heftig diskutiert. Viele beruhigten sich dann mit der Geschichte über die Arche Noah: „Gott hat die Tiere damals gerettet“. Danach aber kam aber die Frage auf: „Wie viele Kinder nahm Gott in Arche?“ Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

Im 1. Buch Mose gibt es darauf eine Antwort.

Richtig, schon Jahre vor der Sintflut stand ja fest, dass nur Noah, seine Frau, seine drei Söhne sowie deren Frauen überleben würden. Also mussten zu der Zeit viele Kinder gelebt haben, die kläglich ertrunkenen sind. Ich sah meine Kinder an, und ich merkte, wie in mir die Zweifel am Glauben wuchsen.

Haben Sie mit Ihrer Frau darüber geredet?

Am Anfang nicht, ich konnte es nicht. Ich wusste, dass meine Zweifel und Gedanken unsere Familie zerbrechen könnten. Ich litt, wurde missmutiger, verschlossener. Ich habe schlecht geschlafen, saß oft da und habe nur in die Leere geguckt. Bei uns wurde vor dem Essen immer gebetet, ich konnte es nicht mehr. Irgendwann schüttelte meine Frau mich und fragte: „Was ist mit dir los!“. Nach und nach habe ich ihr alles gesagt. Sie war geschockt, abweisend, sie sagte: „Diesen Weg kann ich nicht mit dir gehen!“

Uff.

Ja! Ich wollte meine Kinder aus dieser, wie ich nun fand, sektenähnlichen Organisation rausholen, aber mir war klar: Wenn meine Frau diesen Weg nicht mitgeht, wird es nicht klappen!

»Die Organisation ist totalitär«

Aber irgendwann sagte Ihre Frau, Oliver, du hast Recht!

Es hat ein paar Tage gedauert, immer wieder haben wir versucht, über alles zu reden. Uns beiden war ja klar: Wir stehen an einer Weggabelung. Jetzt kann alles zerbrechen. Irgendwann merkte ich, dass meine Frau selbst auf Suche gegangen ist, sie hat angefangen im Internet über die Wachturmgesellschaft zu recherchieren. Und dann, plötzlich, konnten wir offen miteinander reden.

Sie sind jetzt ein Abtrünniger. In Ihrem Internetblog haben Sie Materialien zusammengestellt, die die Wachturmgesellschaft als geradezu Menschen verachtende Organisation erscheinen lässt: die Kindeschänder schützt. Der Titel Ihrer Arbeit sind ein paar kryptische Zahlen: 1800.1006.579.0.

Das sind die Zahlen, die in Australien die Aufarbeitungskommission vom Missbrauchsopfern in den Datenbanken der Zeugen Jehovas gefunden hat. Als ich ihren Bericht gelesen hatte, wurde mir klar: Diese Organisation ist nicht von Gott. Da waren 1800 mutmaßliche Opfer, 1006 mutmaßliche Täter, 579 von diesen 1006 haben in internen Gerichten der Zeugen Jehovas ihre Untat gestanden, aber 0 Fälle wurden an die Justiz oder die Polizei weitergegeben.

Und Sie denken: So wird es in Deutschland wohl auch sein.

Ich kann mir vorstellen, dass es hier noch schlimmer ist als in Australien. Denn es gibt einen gravierenden Unterschied: In Australien ist man gesetzlich verpflichtet, Missbrauchsfälle den Behörden zu melden, hier in Deutschland aber nicht unbedingt. In Australien gibt es 68.000 Zeuge Jehovas, hier 165.000. In Australien sagte der Untersuchungsrichter, er kenne keine andere Religion, die solche Mängel im Umgang mit Kindesmissbrauch hat wie die Zeugen Jehovas. Denn die seien von der Überzeugung geleitet, dass es Gottes Namen beschmutzen würde, wenn man sich in Missbrauchsfällen an die Behörden wendet.

Bis vor Kurzem hielt ich die Zeugen Jehovas für ziemlich skurril, leicht verschroben etwas verklemmt, letztendlich aber harmlos. 

Es sind liebe Menschen in der Organisation. Aber die Organisation selbst ist – so sehe ich das heute – totalitär im Anspruch, sie versucht ihre Mitglieder körperlich, geistig, moralisch, seelisch zu besitzen.

Ich hielt die Zeugen Jehovas, wie gesagt, für eine harmlose Sekte, bis ich dieses interne Geheimbuch für die „Ältesten“, also für die Führungskräfte der Zeugen Jehovas, „Hütet die Herde“…

Das die normalen Mitglieder leider nicht kennen!

…bekommen und es gelesen habe. Es ist nicht bloß ein Buch voller Regeln, Befehlen, und wie man die Mitglieder beobachten, beherrschen soll, es geht aber auch verblüffend oft um Sex.

Auch in den Versammlungen geht es oft um das Thema Sexualität. Und selbst wenn unsere kleinen Söhne da sind, wird von Anal- und Oralverkehr gesprochen und dass man Homosexualität nicht ausleben darf. In diesem Geheimbuch geht es auch um Kindesmissbrauch, und wie damit umzugehen ist. Man solle „die Angelegenheit Jehova überlassen“, heißt es da. Im Klartext: Der Täter wird geschützt. Und er wird noch mehr geschützt, weil dem Opfer nur dann geglaubt wird, wenn außer ihm ein weiterer Zeuge den Missbrauch bestätigt, sie nennen das „die Zwei-Zeugen-Regel“. Missbrauch, Kontaktabbruch, Bluttransfusion – es ist für mich unbegreiflich, dass diese Organisation den steuererleichternden Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen hat!

Ich nehme an, den Tag Ihres Austritts werden Sie nicht vergessen.

Nein. Denn es war ein Tag der Riesenbefreiung. Am Montag, den 27. März 2017 beschlossen meine Frau und ich, auszutreten. Der Weg zur letzten Versammlung war schwer. Bei dieser letzten Versammlung saßen meine Frau und ich in einer der hinteren Reihen. Einige Tage danach verabschiedeten wir von unseren Freunden – nicht persönlich, sondern mit Text- oder Sprachnachrichten. In der drauf folgenden Versammlung, wir war da nicht mehr dabei, wurde unser Austritt bekanntgegeben. Kurz darauf beobachtete ich, wie ein Freund nach dem anderen von meiner WhatsApp verschwand. Die soziale Isolation begann.

Sie haben Jahre lang, Tag für Tag, viele Stunden in dieser Gemeinschaft verbracht. Ich fürchte, Sie müssen nun ein neues Leben lernen.

Den Glauben an Gott habe ich verloren, der ist weg. Ich bin nun frei. Ich merke nun mit großer Freude: Die Welt, vor der wir immer gewarnt wurden, ist so schlecht nicht. Sie ist nun voller Farben, nicht so schwarz-weiß wie bisher. Meine Frau blüht auf, und wir sind glücklich, unsere Kinder sind aufgeweckter, entspannter, viel offener auch uns gegenüber. Wir alle müssen jetzt gemeinsam ein paar Dinge lernen: Etwa wie man Ostern feiert, Weihnachten, Geburtstage. Neulich hat meine Frau etwas Schönes zu mir gesagt. Ich sei nun viel aufmerksamer ihr gegenüber als früher.

Und das hat etwas mit Ihrem Austritt zu tun?

Bei den Zeugen Jehovas ist es verboten, sich scheiden zu lassen. Man ruht sich ein wenig aus in so einer, sagen wir göttlich abgesicherten Beziehung. Jetzt ist es unsere Liebe, nicht die Regeln dieser Organisation, die uns zusammenhält.  Das ist ein schöner Gedanke.

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27 Kommentare

  1. Ein interessanter Bericht. Wann werden dies Leute wie Scientology vom Verfassungsschutz beobachtet? Denn über diese Leute wurde auch recht lange und deutlich in den Medien berichtet.

    1. Deine Frage ist berechtigt. Ich denke, dass es möglicherweise bei manchem Verantwortlichen Skrupel gibt, weil die Zeugen ja während der NS-zeit und auch während der frühen DDR-Zeit strafrechtlich verfolgt wurden.

  2. Die Einleitung ist doch recht verwirrend, da sie impliziert, dass Oliver Wolschke besagter Hamburger Täter sei.
    Aber nun –
    frühkindlich indoktriniert zu werden, MUSS Brüche hinterlassen, die selbst bei „Befreiung“ nicht mit Pflaster behandelbar sind, sondern stets Teil der Psyche, des Ich’s sein werden. Ebenfalls betroffen sind Volljährige mit schwacher Disposition im Selbstverständnis und Denken; daher leicht führbar.
    Doch findet dies ausschließlich in Sekten und sektenähnlichen Zusammenschlüssen statt!?

    1. @cui bono

      Dem Schluß schließe ich mich an:

      „[…]Doch findet dies ausschließlich in Sekten und sektenähnlichen Zusammenschlüssen statt!?[…]“

      ….ich denke das Problem liegt an den organisierten Religionen – oder Nichtreligionen.

      Einzelne Menschen können durchaus besser sein, als deren Organisationen bzw. kirchliche Vereine die sie vertreten – das gilt, wie bereits erwähnt auch für religionskritische, säkulare Organisationen…..bei der „Vereinsmeierei“ dort fangen die Probleme schon an….

      Im übrigen, ich seh’s mit dem Klassiker der Religionskritik „Gott hat nicht den Menschen geschaffen, der Mensch schafft sich seinen Gott selber“ (mal frei nach Feuerbach zitiert).

      Das gilt übrigens auch für „Satan“; „Beelzebub“; den „Teufel“ – ein kleiner Blick in die griechische Mythologie beweist auch der wurde von antiken Menschen erschaffen…..kein Wunder, dass heute nur noch die Zeugen Jehovas, oder andere christliche Fundis oder Satanisten, „an den glauben“…*grins*

      Früher hieß der einmal „Hades“ und sein Gegenüber war „Jupiter“ und was die äußere Gestalt angeht, da steckt der altgriechische Gott „Pan“ mit seiner Ziegenbockgestalt, und Lüsternheit („des Teufels“ würde Luther wohl sagen) dahinter *grins*

      Gruß
      Bernie

    2. „Doch findet dies ausschließlich in Sekten … statt?“
      NEIN, NEIN und wieder NEIN! Es wäre schlimm, wenn derArtikel diese Botschaft überbrächte.

  3. Schließe mich Rudi an und kann den Bericht nur bestätigen, da ich schon viele andere – auch jüngere – Aussteigergeschichten in deren Büchern gelesen habe.

    Die Zeugen Jehovas schildert Arno Luik im Interview mit dem Ex-Zeugen-Jehovas sehr zutreffend als Sekte, und wie schon gesagt, es gibt mittlerweile viele Aussteigergeschichten aus der „Szene“…..

    Es gilt übrigens nicht nur für eine Sekte sondern auch für Religionen insgesamt was der Ex-Zeugen-Jehovas schreibt, denn eigentlich sind alle Religionen – mehr oder weniger – Sekten…..

    Auch Nicht-Religionen sind dafür anfällig, wie so manche Humanistische Organisation beweist, die derzeit den Kriegspfad der Grünen unterstützt, aber das ist ein anderes Thema – ich seh die Sache übrigens mittlerweile entspannter, auch aufgrund der vielen Aufklärung über diese Sekten, die ist notwendig, aber wie es so schön heißt „leben und leben lassen“ – Respekt eben. Bin ein altersmilde gewordener Ex-fanatischer Atheist, und weis daher von was ich schreibe wenn ich sage, dass auch Nicht-Religionen für solche Strukturen anfällig sind – wer das nicht glaubt soll mal beim „Humanistischen Pressedienst“ (hpd.de) vorbeischauen. Der hat auch eine ziemlich einseitige Sicht, um es gelinde zu sagen, auf die Welt – nicht allein beim Thema Kritik an Religionen, Sekten, oder Esoterik bezogen…..das fällt einem übrigens erst dann auf wenn man selber älter, und weiser, geworden ist. Hab die Seite jahrelang besucht, und merke, dass da auch eine Struktur dahinter steckt, die ich – als altermilde gewordener Atheist, mit einer römisch-katholischen Ex-Pfarrsekretärin als Schwester, so nicht mehr teilen kann – wie schon gesagt, soll „jeder nach seiner Fasson glücklich werden“….ohne missionieren zu wollen, oder eine Sekte zu gründen…..egal ob weltlich oder nicht weltlich…..nichts für ungut, aber so sehe ich das mittlerweile….;-)

    Gruß
    Bernie

    1. @bernie
      so ist es wohl mit dem Alters-milde. Mir ist es fast egal. Was ich nicht nachvollziehen kann das der Staat der genau dasselbe macht. Die Leute Rudis überwachen soll um dann was zu tun?
      Wie sieht es auch mit der Überwachung von Blackrock oder Vanguard?
      Ich fühle mich Alters-milde dennoch als Kommunist, da frage ich mich was soll mit der AfD passieren, die haben noch nichts gemacht, was ist mit den Grünen oder Gelben?
      Sicher ist es interessant das alles zu beleuchten, aber an der Kern der Widersprüche kommt es damit nicht.
      schön tach

  4. Religioten glauben die Welt ist religiös.
    Wenn der Idealist entdeckt daß die Wirklichkeit die Idee blamiert ist nicht die Idee falsch sondern die Wirklichkeit das größte Verbrechen.

    Religion macht dumm. Wenn einer noch krank im Kopf ist wirds gefährlich. Dann ist kein Preis zu hoch.

    1. @blu_frisbee

      Ja, hast recht, dachte früher auch mal so, aber man kann die Sache auch entspannter sehen, und über den Religioten stehen…..ohne diese gleich respektlos zu behandeln….wie schon gesagt, teile deine Meinung….aber ich seh das alles mittlerweile milder….

      Liebe Grüße
      Bernie

      1. Religionen sind nicht „Opium fürs Volk“, sondern „Gift für die Welt“. Das „ChristenDUMM“, ist doch eine sado-masochistische Zwangsneurose, die nur auf Bestrafung, Qualen und Bedrohung setzt. In Öl gesottene/enthauptete/ertränkte Märtyrer, die sich für einen angenagelten Verlierer diese Torturen für einen Platz im „Himmelreich“ freiwillig antaten?

        Ein „Gott“-Vater, der seinen Sohn milde von oben herablächelnd, locker-flockig andübeln lässt? Rituale, die menschliche Grausamkeit verherrlichen – eben jene abstrusen Heiligen-Legenden, in denen der qualvolle Tod der ebenso verzückten wie verrückten zelebriert wird?

        Eine Religion – bei Katholiken zumindest – die ihren Leithammeln die Ehe verbieten – aber Liebe predigen sollen? Ein Wahnkonstrukt, dessen strengen Vorschiften jegliche Wärme – außer bei Priestern mit homoerotischen Neigungen – gänzlich vermissen lassen?

        Das Beste aber ist: Die Kleriker verkaufen ein Produkt, dass noch niemand gesehen hat. Und für alles, haben sie eine Garantie-Erklärung. Stürzt ein Bus mit Pilgern in eine Gebirgsschlucht, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder alle Überleben: Dann ist es ein Wunder. Oder: Alle tot. Dann sind Gottes weise Ratschlüsse, unergründlich.

        Mit einem Wort: „Gott“, ist ein höchst unverlässlicher, geradezu betrügerischer Vertragspartner, der sich nur die dümmsten Seelen holen kann.

        Würde man dieses Problem des Religionsbedürfnisses endgültig aus den Gehirnen entfernen können, es ginge allen besser. Allein der Spruch, wir sind nach seinem Ebenbild erschaffen, sollte klugen Menschen, sehr zu denken geben.

  5. @ Bernie
    Wenn Mythologie, dann bitte korrekt😉: Zeus und Poseidon übervorteilten ihren Bruder Hades, der seither für die Verstorbenen in der Unterwelt zuständig ist! Einer muss/te es schließlich tun.
    Aber meine Nachricht bezog sich weniger auf Religiosität, sondern ist schlichtweg, auch im Alltag, wesentlich weiter zu fassen und anwendbar!

    1. @cui bono

      Danke für die Korrektur – hast natürlich Recht – auch auf den Alltag bezogen 😉 hab’s schon verstanden 😉

      Liebe Grüße
      Bernie

  6. »Die Organisation ist totalitär«

    Darauf läuft es in jedem Dogmatismus hinaus.
    Die hayek’sche neoliberale Lehre, die auf unbewiesenem – also Dogmen – beruht, verlangt auch unbedingten Glauben, Konformismus und still erduldete Akzeptanz offenkundiger Widersprüche, Krisen und Kriege.

    Ohne den geschilderten Fall verharmlosen zu wollen, ist das letztlich nichts anderes.

  7. Was das dramatische an dem Bericht ist gibt es zu hauf in der Gesellschaft, den Gruppendruck. Sicher wird oft gedacht ja das ist war aber die Zeugen Jehova sind ein ganz schlimmer Haufen. Weit gefehlt die ganze Kirchen Mischpoke ist ein übler haufen. Deren Macht kommt aus der Ausbeutung von Menschen die denken Gottgefällig zu leben. Die Zeiten als noch nachgeholfen wurde mittels Hexen sind zum größten teil überwunden und wirken nicht mehr. Wobei Sexueller Missbrauch wird noch geschützt. Damit die Funktionäre sich über die Runden kommen zahlt der Staat den Bischöfen das Gehalt, etwa 10000 Euro.
    Das ist nicht nur bei der Kirche so, auch bei der Politik und in sozialen Organisationen. Setz dich mal in eine Versammlung und melde Dich bei der Debatte und beginne mit deiner Politischen Orientierung und die sei ML wird es dann noch um Inhalte des Treffen gehen?
    Als meine Tochter Abitur machte habe ich Ihr ein Motorrad gekauft. Aller haben sich gefreut. Nach Monaten habe ich im Schuppen das Motorrad eingestaubt stehen gesehen. Auf nachfrage sagte meine Tochter sie habe den Klasse 1 Führerschein nur gemacht weil alle den gemacht hätten und sie sich gezwungen sag das auch zu tun. Dasselbe mit Rauchen und ein Kleines Tattoo. Da musste sie erst durch bevor sie heute für sich gerade steht und das tut was sie für richtig hält.
    Die ganzen gesellschaftlich Drücke sind nötig um sie im vorhandenen zu halten. Es wird am, Geschirr liegen der Tellerrand ist immer so nahe.

  8. Wo sind die Steine? Er hat Jehova gesagt…

    Im Ernst:
    „…die Indoktrination seit meiner Kindheit…“

    Auch eine – der wohl schlimmsten Formen – des Kindesmissbrauchs! Denn sie vergewaltigt nicht nur den Körper, sondern die Persönlichkeit, bereits bevor sich diese überhaupt entwickeln kann.
    Die wenigsten können sich davon lossagen wie Herr Wolschke mitsamt seiner Familie. Möge er sich einen neuen Freudeskreis aufgebaut haben können.

    1. @Moses Commands

      Das ist aber ein zweischneidiges Schwert und gilt für Ex-„Gläubige“ ebenso wie für Ex-„Ungläubige“…..

      Nur mal so als Ergänzung erwähnt……und sollte nicht unterschlagen werden….

      ….das zeigt sich übrigens auch bei den Ex-Maoisten der „Grünen“, die heute die schlimmsten Chinahasser sind, aber das ist ein anderes Thema, was mit Ideologien zu tun hat, aber die Ähnlichkeiten zu Religioten/Ex-Religioten sind frappierend….

      Gruß
      Bernie

    1. @Moses Commands

      Danke für, werde es mir ansehen, aber ich glaube nicht, dass das was an meinem Unglauben – bzgl. -ismen/Religoten – was ändern wird….

      …wie schon gesagt, der „das Ende ist nah“ ruft ist längst vom Klimakleber und der „Heiligen Greta“ abgelöst worden, die uns für dieses Jahr 2023 das Weltenende prophezeit hat – dumm nur das die Endzeit immer wieder in eine ferne, absolut unbestimmte Zukunft verschoben werden muss, wenn die Apocalypse dann doch nicht eingetreten ist…..wie die Zeugen Jehovas, Die Mormonen, oder andere -ismen predigten….hi,hi….*grins*

      Amüsierte Grüße
      Bernie

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