Kriegstüchtig? Nein, danke!

Zerstörtes Haus in der Ukraine
National Police of Ukraine, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Der “Ukraine-Krieg“ muss im Einklang mit dem Völkerrecht in der Interpretation als konsequentes Friedensrecht beendet werden.

Im September erschien im Verlag Das Neue Berlin ein politisches Manifest unter dem Titel „Kriegstüchtig. Nein danke“. Die Autoren sind die beiden Juristen Jörg Arnold und Peter-Michael Diestel. Das Buch ist eine inspirierende Streitschrift für Frieden und Völkerrecht. Die Gewerkschafterin und Journalistin Ulrike Eifler sprach mit Jörg Arnold über das Buch, seine Hintergründe und die seitdem stattgefundenen aktuellen Entwicklungen.

Jörg Arnold und Ulrike Eifler im Gespräch.

 

Jörg Arnold, Sie haben gemeinsam mit Peter-Michael Diestel ein Plädoyer für Frieden und Völkerrecht veröffentlicht. Wie groß ist Ihre Sorge vor einem neuen Krieg, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des kürzlich bekannt gewordenen „28-Punkte-Planes“ der USA zur Beendigung des Krieges in der Ukraine? Hat dieser Plan diesbezügliche Sorgen möglicherweise etwas minimiert?

Unsere Sorge vor einem neuen Krieg ist unvermindert sehr groß! Nehmen wir etwa den Begriff „neuer Krieg“ und die politikwissenschaftliche Unterscheidung zwischen „altem Krieg“ und „neuem Krieg“: Nach einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik rücken als sogenannte „Neue Kriege 2.0“ bewaffnete Konflikte mit deren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Das ist in gewisser Weise eine Verschiebung des Kriegsbegriffs als Gewalt zwischen Staaten.

Diese Unterscheidung zwischen neuen und alten Kriegen klingt besorgniserregend…

Das ist sie in der Tat. Auch wenn wir mit den politischen Anschauungen des Politikwissenschaftlers Herwig Münkler nur selten übereinstimmen, so lohnt sich ein Blick in seine historischen Betrachtungen zum Thema „Krieg und Frieden“. In einem aktuellen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung bezeichnet er in einer für uns bedenkenswerten Weise den „hybriden Krieg“ als einen gewaltigen Klotz, der das „oder“ zwischen Krieg und Frieden eliminiert.

Wieviel hat Ihre Sorge vor einem Krieg mit der aktuellen Zuspitzung geopolitischer Entwicklungen zu tun? Die Weltlage ist sehr unübersichtlich geworden.

Jenseits der gerade beschriebenen wissenschaftlichen Anschauungen haben wir sowohl Angst vor weiteren Kriegen, als auch vor der Fortsetzung bisheriger Kriege, die zu einer atomaren Katastrophe führen könnten. Bei potentiellen weiteren Kriegen blicken wir etwa auf das Agieren der Trump-Administration gegen Venezuela, Kolumbien oder Nigeria. Bei der Fortsetzung bisheriger Kriege beziehen wir uns auf den Krieg in der Ukraine, aber auch auf den Krieg Israels gegen Gaza und die Tatsache, dass das sogenannte Friedensabkommen keine Garantie für einen Waffenstillstand bietet, was die immer wieder aufflammenden Angriffe Israels zeigen, obwohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dieses Abkommen gerade gebilligt hat.

Was nun Ihre Frage nach dem vor kurzem bekannt gewordenen neuen sogenannten „28-Punkte-Plan“ zur Beendigung des Krieges in der Ukraine betrifft, so hat sich ja gezeigt, dass insbesondere das Gros der EU-NATO-Staaten alles getan hat, um diesen Plan zu boykottieren. Leider scheint das gelungen zu sein.

Welche Rolle spielen diese NATO-Staaten dabei?

Eine kurze Zeit hatte ich die Hoffnung, dass dieser Plan eine gewisse Chance haben könnte, einen Schritt in Richtung der Beendigung der Kämpfe mit dem Ziel eines dauerhaften Friedens zu weisen. Anders der Politikwissenschaftler Johannes Varwick, der kurz nach Bekanntwerden des Planes davon sprach, dass „ein Pessimist ein gut informierter Optimist“ (übrigens ein Zitat von José Saramago) sei, und es deshalb schwer gefallen sei, „auch nur zu hoffen, der 28-Punkte-Plan des erratischen US-Präsidenten Donald Trump könne einen gangbaren Ausweg aus der Ausweglosigkeit vorzeichnen.“

Zumal die EU-NATO-Staaten keinerlei Zustimmung zu diesem Plan signalisieren.

Das sehe ich ebenso. Auch Varwick analysiert zu Recht, dass die NATO-Europäer mit ihren Alternativvorschlägen wohl weiterhin keine Zustimmung zu einem grundlegenden NATO-Verzicht der Ukraine geben und weiter auf uneingeschränkter Souveränität der Ukraine in Sicherheitsfragen bestehen. Die Ukraine, so heißt es im Plan der EU, werde nicht zur Neutralität gezwungen. Auch bei den territorialen Fragen solle es keine De-Facto-Lösungen – wie im Trump-Plan aber vorgesehen – geben, sondern lediglich ein Einfrieren an der aktuellen Frontlinie. Der Haken, so Varwick weiter: Russland werde diese europäischen Ergänzungen nicht akzeptieren. Die europäische Einflussnahme erwiese sich dann abermals als zwar gut gemeinte, aber doch als naive Kriegsverlängerungsstrategie. Mein Einwand gegen Varwick an dieser Stelle ist seine Formulierung, dass die europäische Einflussnahme gut gemeint sei, denn daran habe ich meine Zweifel.

Wie schätzen Sie die vor wenigen Tagen in Berlin stattgefundenen Gespräche zwischen der Ukraine, von NATO-Mitgliedsstaaten der EU sowie von Vertretern der Trump-Administration ein?

In meinen Augen bot sich ein merkwürdiges Schauspiel, das ich noch nicht abschließend beurteilen kann. Merkwürdig erschien zunächst der Rahmen für die Gespräche, die zunächst im Kanzleramt stattfanden, Kanzler Merz aber außen vor war, sondern wohl nur ein hoher Beamter eine Moderatorenrolle einnahm. Damit wurde der Eindruck vermittelt, als fänden die Gespräche allein zwischen der Ukraine und den USA statt. Man hörte dann immer etwas von „deutlichen Fortschritten“. In der Pressekonferenz aber, die wohl allein von Merz und Selenskyj bestritten wurde, war in etwa davon die Rede, dass man einem Frieden noch nie so nahe sei, wie in diesem Moment, bis zu einem Frieden aber dennoch ein gutes Stück des Weges zurückzulegen sei. Zehn europäische Regierungschefs und die Spitzen der EU, die nach den Verhandlungen und der Pressekonferenz in Berlin zusammenkamen, unterzeichneten eine Erklärung, mit der sie der Ukraine für die Zeit nach dem Krieg eine von Europa geführte multinationale Truppe in Aussicht stellen. Es handele sich, so der Wortlaut dazu in der Erklärung, um „eine von Europa geführte, aus Beiträgen williger Nationen bestehende ‚multinationale Truppe für die Ukraine‘ im Rahmen der Koalition der Willigen, die von den USA unterstützt wird. Diese Truppe wird bei der Regeneration der Streitkräfte der Ukraine, der Sicherung des Luftraums der Ukraine und der Gewährleistung sichererer Meere helfen, auch durch Operationen innerhalb der Ukraine.“

Diese Erklärung soll als Grundlage für einen Waffenstillstand dienen?

Ja, richtig. Diese Erklärung, die noch weitere Punkte erhält, wurde als Grundlage für einen Waffenstillstand bzw. für eine Friedensvereinbarung fast gefeiert. Zu diesem Eindruck muss man zwangsläufig gelangen, wenn man die Medienberichte über das Treffen sieht.

Aber was wird da eigentlich gefeiert?

Jedenfalls nach meinem Eindruck, dass die EU-NATO-Staaten offenbar das Gefühl haben, die Trump-Administration wieder stärker an sich herangezogen zu haben, nachdem die Sorge bestand, die USA könnten ihre Unterstützung für die Ukraine fallen lassen und sich im übrigen anti-europäisch ausrichten. Nach der neuen Sicherheitsdoktrin der Trump-Administration war das befürchtet worden. Nun aber scheint nach Ansicht der europäischen Verhandler wieder mehr Einigkeit zu bestehen, so dass die europäischen Sektkorken knallen können.

Ging es dabei wirklich um Frieden?

Russland hatte schon im Vorfeld von derartigen Verhandlungen, aber auch in den direkten Verhandlungen mit den USA immer deutlich gemacht, dass eine starke sogenannte „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, darin bestehe, genau solche Truppen in die Ukraine nicht zu entsenden. NATO-Truppen in der Ukraine würden als Feindestruppen, als Kriegspartei angesehen und bekämpft. Aber genau diese „rote Linie“ soll mit der Erklärung der Unterzeichner nun überschritten werden. Man setzt sich bewusst darüber hinweg. Nach meiner Einschätzung handelt es sich in Wirklichkeit um ein durchschaubares politisches Manöver, die Ukraine damit durch die Hintertür in die NATO aufzunehmen. Russland hat dies in einer unmittelbar darauffolgenden Reaktion zurückgewiesen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die an der Erklärung beteiligten politischen Akteure etwas anderes erwartet hatten. Leider muss die so gefeierte Erklärung damit als ein erneuter Versuch beurteilt werden, den Krieg in Wirklichkeit gerade nicht zu seinem Ende zu zwingen, obwohl man von dem russischen Regierungssprecher Peskow in den letzten Tagen hört, dass in den unmittelbar bevorstehenden Verhandlungen zwischen Russland und den USA in Florida auch über ausländische, eher neutrale, Truppenstationierungen in der Ukraine gesprochen werden könne.

Welche Rolle haben die USA beim Zustandekommen der Erklärung gespielt?

Das ist mir noch nicht völlig klar. Die Erklärung wurde von ihnen zwar nicht unterzeichnet, aber es heißt, dass Übereinstimmung bestünde. Wäre dem so, dann hätten die meisten NATO-Länder Europas ihr Ziel tatsächlich erreicht und allen Grund, dies zu feiern. Mit ernsthaften Friedensbemühungen hat das alles aber nichts zu tun. Stattdessen ist man versucht, dies letztlich als eine inszenierte Show zu betrachten.

Bereitet sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vor?

Ich halte es nach wie vor für nicht ausgeschlossen, dass sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet und einen solchen Krieg sogar beginnen könnte, und dies mit der unzutreffenden Begründung, dass auf eine russische Angriffsgefahr reagiert werden müsse. Gerade bei einem solchen Szenario ist die Gefahr eines Atomkrieges real und man wundert sich über politische und militärische Stimmen, die diese Gefahr klein reden oder gar für absurd halten. Man muss wohl davon ausgehen, dass die herrschenden Akteure dabei auf dem Boden der sogenannten „Spieltheorie“ stehen, mit der man zu dem Ergebnis gelangen kann, dass ein Gleichgewicht zwischen verfeindeten Atommächten existiert, aufgrund dessen die Atomwaffen nicht zum Einsatz kommen. Doch ist dieses Ergebnis keineswegs gesichert; es lässt sich auch nicht überprüfen. Selbst im „Kalten Krieg“, gab es Situationen, in denen die Welt sich kurz vor einem Ausbruch eines Atomkrieges befand.

Den offiziellen Äußerungen zufolge geht es um Verteidigung nicht um Kriegsvorbereitung…

Dass die NATO möglicherweise einen Krieg gegen Russland vorbereitet, ist kein Hirngespinst, sondern ergibt sich aus ganz konkreten Anzeichen. Friedrich Merz deklamierte, dass wir nicht im Krieg seien, aber auch nicht mehr im Frieden. Und Boris Pistorius sagte, deutsche Soldaten müssten im Ernstfall bereit sein, russische Soldaten zu töten. Diese Äußerungen werden in einen Zusammenhang mit der angeblich russischen Gefahr gestellt, gegen die beispiellos aufgerüstet wird. Außerdem wurde eine deutsche Bundeswehreinheit nach Litauen geschickt, die bis 2027 eine vollständige Einsatzbereitschaft mit 4.800 Soldaten erreichen soll. Anlässlich einer Fackelzeremonie der Panzerbrigade in Litauen sprach der Inspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Christian Freuding, auch nicht mehr davon, „kriegstüchtig“ zu werden, sondern „siegfähig“ zu sein. Und indem NATO-Generalsekretär Rutte vor wenigen Tagen explizit vor der russischen Kriegsgefahr warnte, und davor, dass wir es aufgrund dessen wieder mit den Kriegen unserer Großeltern zu tun bekämen, will er in Wirklichkeit die Gewöhnung an Kriege erreichen, will, dass Kriege wieder salonfähig werden. Es war übrigens jener Rutte, der noch Wochen zuvor erklärte, dass die NATO Russland militärisch weit überlegen sei. Wir sehen uns somit einer seit Jahrzehnten beispiellosen Kriegspropaganda ausgesetzt.

Eine Kriegspropaganda mit ahistorischen Vergleichen?

Eine Kriegspropaganda, zu der auch gehört, dass Merz Putin mit Hitler vergleicht. Putins Ziel sei „die Wiederherstellung Russlands in den Grenzen der alten Sowjetunion“, sagte er jüngst auf dem CSU-Parteitag. Wenn die Ukraine falle, dann werde ihm das nicht reichen, genauso wenig wie 1938 Hitlerdeutschland das Sudetenland gereicht habe. Damit setzen sich Johannes Varwick und Fabio de Masi auf Focus Online dezidiert auseinander. Man wird nicht lange warten müssen, bis jene berechtigten kritischen deutschen Stimmen zu den ahistorischen Äußerungen von Merz in eine Schublade gesteckt werden mit ganz ähnlich klingenden Vergleichen aus Russland, wie sie beispielsweise Außenminister Lawrow zu Merz anstellte. Vergleiche, die zwar ebenfalls zu kritisieren sind, die jedoch dazu benutzt werden können, dass es dann in Deutschland vielleicht bald nicht mehr nur „Wie Merz in Russland zur Hassfigur aufgebaut wird“, heißt, wie wir jüngst bei Spiegel-Online lesen konnten. Sondern: „Wie Merz in Russland und von Intellektuellen und gewissen Politikern in Deutschland zur Hassfigur aufgebaut wird!“ Kritische Stimmen, die dann in üblicher Weise als „Meldungen auf Geheiß des Kremls“ abgetan werden.

Sie scheinen damit auch die mediale und politische Einschränkung der Diskursräume im Hinblick auf kritische Stimmen zum Ukraine-Krieg anzusprechen. Sehe ich das richtig?

Zunächst will ich aus aktuellem Anlass darauf hinweisen, dass die EU ihre Sanktionspolitik gegen bestimmte Personen fortsetzt, die öffentlich die EU-Politik gegenüber Russland kritisieren, wie es der frühere Oberst der Schweizer Armee Jacques Baud tut. Bisher betrifft die verhängten Sanktionen zwar nur wenige Personen, aber wenn einmal der Anfang gemacht ist, dann können sich solche Maßnahmen unter bestimmten Umständen auch schnell ausweiten. In Deutschland sieht sich eine ganze Reihe von Personen, die die deutsche Ukraine-Politik und die deutsche Haltung gegenüber Russland kritisieren, nicht nur an den Pranger gestellt und ausgegrenzt, sondern mitunter auch staatlichen wie öffentlich-rechtlichen Restriktionen ausgesetzt. Die Einschränkung der Diskursräume und der Meinungsfreiheit, im Übrigen nicht nur hinsichtlich des „Ukraine-Krieges“, sondern auch in Bezug auf andere sensible gesellschaftliche Themen, erfolgt in Deutschland auch durch die Strafjustiz, wie die Richterin Clivia von Dewitz in einem aktuellen Beitrag in der NZZ nachweist.

Als Juristen messen Sie die aktuellen Entwicklungen am Umgang mit dem Völkerrecht und attestieren der Weltpolitik eine „verheerende Abkehr von völkerrechtlichen Grundprinzipien“. Was genau meinen Sie damit?

Sowohl die Kriege in Gaza und der Ukraine als auch die möglichen neuen Kriege in Venezuela, Kolumbien oder Nigeria sind Beispiele dafür, wie das Völkerrecht eklatant missachtet wird. Es handelt sich in jedem einzelnen Fall um Angriffskriege oder um die Drohung damit. Bei der Tötung von Zivilisten durch die Trump-Administration unter dem mutmaßlichen Vorwand des Drogenschmuggels und Terrors handelt es sich um völkerrechtswidrige extralegale Hinrichtungen. Auch Israel hatte kein Recht, die zunächst legitime Selbstverteidigung zu genozidalen Tötungen palästinensischen Lebens in Gaza zu missbrauchen. Eben so wenig ist die NATO berechtigt, ihre zunächst erfolgte legale Hilfe bei der Selbstverteidigung der Ukraine in einen Stellvertreterkrieg zu verwandeln. Und auch der Angriff der USA gegen Iran war eine eklatante Verletzung des Gewaltverbotes.

Mein Eindruck ist, dass Sie in ihrem Buch die Abkehr von völkerrechtlichen Grundprinzipien zwar anhand der Kriege in der Ukraine und in Gaza herleiten, aber von einer viel weiter gehenden Entwicklung ausgehen.

Das ist richtig. Indem der Fokus des Buches auf Frieden und Völkerrecht liegt, umfasst die Frage nach der Abkehr von völkerrechtlichen Grundprinzipien nicht allein die genannten Kriege und in deren Kontext die Missachtung des Völkerrechts. Der Blick muss darüber hinaus auf die sonstigen gewaltvollen Konfliktherde der Welt gerichtet werden. Da das Völkerrecht universelle Geltung beansprucht, insbesondere das Gewaltverbot und das Friedensgebot, muss die Aufmerksamkeit auch den derzeitigen anderen Kriegen und bewaffneten Konflikten gelten, wie beispielsweise der derzeit wohl größten humanitären Katastrophe der Welt, dem Bürgerkrieg im Sudan mit bisher 150 000 getöteten Menschen, 14 Millionen Vertriebenen, sowie rund 25 Millionen vom Hunger Bedrohten.

Statt vom Völkerrecht wird im öffentlichen Diskurs ja immer häufiger von einer „regelbasierten Ordnung“ gesprochen. Was steckt hinter dieser Diskursverschiebung?

Wir kritisieren, dass das Völkerrecht und seine Grundprinzipien weder bei der Verhinderung von Kriegen noch bei der Beendigung dieser eine nennenswerte Rolle spielen. Mehr und mehr ist zu beobachten, dass jene herrschenden politischen und militärischen Kräfte, denen im Zusammenhang mit den aktuellen Kriegen eine Missachtung des Völkerrechts vorgeworfen wird, phrasenhaft behaupten, dass sie das Völkerrecht einhielten, es aber „die anderen“ seien, die es verletzten. Zumeist wird bei den Argumenten zur Verteidigung nicht einmal das Wort „Völkerrecht“ erwähnt. Es ist offenbar viel einfacher, die Schlagwörter „regelbasierte Ordnung“ zu erwähnen, weil dann nicht mehr begründet werden muss, was nicht zu begründen ist – dass das Völkerrecht verletzt wird.

Welche Konsequenzen hat es, wenn sich Regierungen hinter der „regelbasierten Ordnung“ verstecken und das Völkerrecht missachten?

Aus unserer Sicht hat das weitreichende Konsequenzen, zumal ja zur „regelbasierten Ordnung“ auch noch eine „wertebasierte Ordnung“ hinzugedichtet wird. Die Regeln der Ordnung sind dann nicht allein mehr normativ, sondern können zugleich moralisch konnotiert sein. Die Moral gewinnt die Oberhand über das Recht. Das führt dazu, dass bei der Berufung auf eine „regelbasierte“ oder „wertebasierte“ Ordnung das Friedensgebot der UN-Charta sowie des Grundgesetzes in den Hintergrund gerückt wird. Der Weg zum Frieden wird in Stärke und Abschreckung oder der völligen Abkehr vom Frieden gesehen. Es gilt dann: Frieden durch Krieg!

Sie weisen zu Beginn des Buches daraufhin, dass Sie wie auch Ihr Mitautor keine Völkerrechtswissenschaftler sind. Warum steht dennoch das Völkerrecht im Mittelpunkt Ihrer Betrachtungen?

Wir halten es für legitim, uns mit unseren juristischen Erfahrungen und aufgrund unserer politischen Überzeugungen gerade im Hinblick auf die Frage nach Krieg und Frieden zum Völkerrecht zu äußern. Wie vorhin schon angedeutet, gibt es in der deutschen Völkerrechtswissenschaft leider nicht allzu viele kritische Stimmen, die sich hörbar gegen den herrschenden politischen Kriegskurs der Bundesregierung wenden. Der Fokus der deutschen Völkerrechtler liegt – wenn mich mein Eindruck nicht täuscht – hauptsächlich auf der Kritik völkerrechtswidrigen Handelns Russlands. Deshalb ist für uns ein universeller juristisch-politischer Blick auf das Völkerrecht und seine grundlegenden Regeln, vor allem das Friedensgebot und das Gewaltverbot so wichtig. Wir wollen zeigen, dass eine friedliebende Politik im Völkerrecht ihren Verbündeten findet.

Das ist ein schöner Satz. Das heißt, wer am Frieden festhalten will, der muss am Völkerrecht festhalten?

So ist es. Von dem Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck wird im März kommenden Jahres ein Buch erscheinen, das konkreter die juristischen Mechanismen – auch in ihrer praktischen Anwendung – beschreibt, mit denen Völkerrecht und Menschenrechte gestärkt werden können, und wie umgekehrt die Stärke von Völkerrecht und Menschenrechten gegen das Recht des Stärkeren in Stellung gebracht werden kann. Unsere Erfahrungen als in der DDR studierte Juristen, dass im untergegangenen System die Politik das Recht vereinnahmt hatte, hat unsere Sicht auf das Recht, auch auf das Völkerrecht, gerade seit den 1990er Jahren kritisch geprägt. Die Politik muss dem Recht dienen und darf es nicht missachten. Das gilt auch für das Völkerrecht.

Zurück zum Ukrainekrieg: Sie kritisieren scharf den Angriff Russlands auf die Ukraine, sagen aber auch, dass der Westen die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands jahrelang ignoriert habe. Welchen Charakter hat der Krieg in der Ukraine vor dem Hintergrund seiner Konfliktgeschichte?

Russlands Angriffskrieg verletzt das Völkerrecht – konkret das Friedensgebot und das Gewaltverbot – in erheblicher Weise. Einen Krieg gegen die Souveränität der Ukraine zu führen, wäre aus völkerrechtlicher Sicht allenfalls dann gerechtfertigt gewesen, wenn ein Angriff auf Russland vorgelegen hätte oder unmittelbar zu erwarten gewesen wäre. Das war nicht der Fall. Russland handelte deshalb auch nicht in Ausübung des völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrechtes bzw. von Nothilfe nach Art. 51 UN-Charta. Das gilt im Übrigen auch für die Rechtfertigung, Russland habe sich gegen die ukrainischen Angriffe auf die Donbass-Republiken zur Wehr gesetzt. Die im Donbass auf dem Staatsgebiet der Ukraine sich befindenden Oblaste sind keine anerkannten Völkerrechtssubjekte. Um das völkerrechtliche Nothilferecht legal auszuüben, hätten sie das aber sein müssen. Auch hätte es eines UN-Sicherheitsratsbeschlusses bedurft.

Gibt es seitdem dazu neue Entwicklungen? Ich habe von einer erfolgreichen Klage Russlands beim Internationalen Gerichtshof (IGH) gehört. Können Sie dazu etwas sagen?

Ja, man wird sich noch näher damit befassen müssen, dass der Internationale Gerichtshof, nicht zu verwechseln mit dem Internationalem Strafgerichtshof, am 5. Dezember dieses Jahres mit einer Mehrheit von elf zu vier Stimmen eine Klage Russlands angenommen hat. Gegenstand der Klage ist der Vorwurf, die Ukraine habe an der Bevölkerung des Donbass Völkermord begangen. Florian Rötzer hat hier auf Overton zu Recht darauf hingewiesen, dass damit noch keine Entscheidung in der Sache getroffen wurde. Vielmehr ging es um die Klärung, ob Putin behaupten könne, die Ukraine begehe seit 2014 an der Bevölkerung der beiden „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk Völkermord. Erinnern wir uns: Dieser Vorwurf diente Putin als Grund für die „Spezielle Militäroperation“, wie er den Krieg gegen die Ukraine nennt, um damit die Bevölkerung zu schützen.

Was sagen Sie zu dem Streit über die Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland? Auch dies ist ja Teil des „28-Punkte-Plans“?

Die Ukraine wie auch die Staaten, die die Ukraine unterstützen, halten daran fest, dass diese Gebietsabtretungen, die Russland verlangt, und die auch im 28-Punkte-Plan zunächst verankert waren, aufgrund der Annektierung völkerrechtswidrig seien und einem „gerechten Frieden“ nicht entsprächen, zumal die Verfassung der Ukraine dem entgegenstehe. Völkerrechtlich ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Ein Waffenstillstandsabkommen oder ein Friedensvertrag, die völkerrechtliche Verträge sind, wären völkerrechtswidrig, wenn sie völkerrechtswidrige Gebietserlangungen anerkennen würden. Nur die Ukraine könnte freiwillige Gebietsabtretungen im Interesse eines Waffenstillstandes oder Friedens wirksam erklären.

Aber?

Angesichts der Realität des Kriegsgeschehens stellt sich das Problem, wie lange von Seiten der Ukraine und des Westens gekämpft werden soll, bis ein „gerechter Friede“ wirklich zu erlangen ist. Die Zahl der getöteten Soldaten hat schon jetzt ein verheerendes Ausmaß erreicht. Auch das Leid der Zivilbevölkerung ist viel zu verheerend, als dass ein Waffenstillstand bzw. ein Friedensschluss immer weiter hinausgezögert werden sollte. Das wirft im Übrigen auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Erlangung eines „gerechten Friedens“ auf. Dieser Problematisierung wird von Seiten der Ukraine und des Westens in aller Regel entgegengehalten, dass ein sogenannter „Diktatfrieden“ strikt verhindert werden müsse.

Das heißt, Sie halten die Gebietsabtretungen für nicht so kritikwürdig wie die Bundesregierung?

Auch wenn die Annektierung der Krim und der Donbass-Gebiete als völkerrechtswidrig beurteilt wird – Stimmen aus der Wissenschaft sprechen mitunter jedoch auch von völkerrechtlicher Sezession -kollidiert hier die Forderung nach einem „gerechten Krieg“, also der Verhinderung von Gebietsabtretungen, mit dem Erfordernis nach einer Waffenruhe mit dem Ziel des Friedensschlusses. Ich spreche mich dafür aus, dass dieses Erfordernis ebenfalls im Einklang mit dem Völkerrecht steht, konkret mit dem Friedensgebot. Wenn feststeht, dass die Ukraine und der Westen den Krieg gegen Russland nicht gewinnen können, dann muss im Interesse des Friedens der Realität des Krieges Rechnung getragen werden. Das wäre keine „Belohnung“ Putins für „seinen Krieg“, wie oftmals postuliert wird, sondern einzig und allein die Ausübung von Friedensvernunft bzw. Friedensklugheit. Neuerdings wird von Selenskyj allerdings behauptet, dass die Ukraine Gebiete zurückerobern würde, wobei er sich konkret auf Kupjansk bezieht und dies als ein Auftakt für weitere Rückeroberungen sieht.  Dies wird von Russland vehement dementiert. Selenskyj spricht sogar davon, dass die Rückeroberung von Kupjansk bei den „Berliner Verhandlungen“ eine wichtige Rolle zu Gunsten der Ukraine gespielt habe.

In welchem Verhältnis steht Friedensvernunft zur sogenannten Friedensgerechtigkeit?

Es zeigt sich doch, was auch historisch im Grunde immer der Fall war: Friedensschlüsse werden in aller Regel aus einem Krieg heraus getroffen. Jene, die sich beharrlich gegen Friedensvernunft wenden und „Friedensgerechtigkeit“ verlangen und die entgegen der Faktizität auf der Einhaltung des zutreffenden völkerrechtlichen Grundsatzes beharren, dass bei Verletzung der Staatensouveränität keine dies anerkennenden völkerrechtlichen Verträge geschlossen werden dürfen, handeln im Interesse der Fortsetzung des Krieges, ob sie das nun wollen oder nicht. Da hilft es dann auch nicht, der russischen Seite vorzuwerfen, so gerechtfertigt das auch sein mag, dass diese ihrerseits keinen Frieden will. Vielmehr zeigen sich hier die Grenzen des Völkerrechts und der Suche nach Friedensantworten gerade im Interesse des Friedens.

Spielt bei Ihren Überlegungen auch eine Rolle, dass eine weitere Eskalation des Ukraine-Krieges auch einen Atomkrieg provozieren könnte?

Erlauben Sie mir noch einmal einen Verweis auf Johannes Varwick. Er sagt, dass die auf dem Schlachtfeld geschaffenen Fakten nicht durch eine realistische Frontbegradigung auf politischer Ebene begleitet würden. Vielmehr „entstünde eine dauerhafte Konfrontation zwischen Europa und Russland – mit der Ukraine als instabilem Kern dieser Auseinandersetzung. Unkontrollierte Aufrüstung, permanente Eskalationsrisiken, Dauerkonfrontation – und trotzdem eine verheizte Ukraine. All diese wäre dann die politische Realität der kommenden Jahre und vermutlich Jahrzehnte.“ In der Tat ist also die Gefahr, die sich hieraus ergibt, die eines Atomkrieges, der Vernichtung der Menschheit an sich. Es ist immer wieder frappierend, dass dies selbst von den wenigen kritischen Völkerrechtswissenschaftlern, die sich zu Fragen der Völkerrechtswidrigkeit Russlands äußern, aber auch die Haltung des Westens kritisieren, nicht thematisiert wird, und wenn doch, dann diese Gefahr klein geredet bzw. als Überdramatisierung angesehen wird. Es sind vor allem kritische Politikwissenschaftler und kritische Journalisten, die eine solche Gefahr erkennen und ansprechen.

Ein weiteres Argument der russischen Führung ist die angenommene Bedrohung Russlands durch die NATO-Osterweiterung. Insbesondere die Aufnahme der Ukraine in die NATO war mehrfach in Aussicht gestellt worden.

Ich möchte daran erinnern, dass die Bush-Regierung 2003 den völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen den Irak ebenfalls als eine Bedrohungssituation skizzierte, um den Übergriff zu rechtfertigen, was sich, wie wir inzwischen wissen, als Bedrohungslüge herausstellte. Demgegenüber kann die von Russland empfundene Bedrohungssituation durch die NATO zwar nicht als Lüge bezeichnet werden. Die Behauptung Putins, dass ein Angriff auf Russland oder die Krim bevorstand, ist aber kaum verifizierbar und zumindest hinsichtlich eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs zu bezweifeln. Für Russland besteht kein Recht auf präventive Selbstverteidigung. Das wäre letztlich nur bei Unmittelbarkeit des bevorstehenden Angriffs und bei Vorliegen eines UN-Sicherheitsratsbeschlusses der Fall gewesen.

Muss nicht dennoch die Vorgeschichte betrachtet werden?

Das muss sie in der Tat. Trotz der aufgezeigten Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs darf die Vorgeschichte nicht außer Acht gelassen werden. Es bleibt eine Tatsache, dass Russland zu diesem Krieg provoziert worden ist und sich dazu hat provozieren lassen.  Wenn es die USA und die NATO gewollt hätten, dann wäre der Angriff Russlands auf die Ukraine zu verhindern gewesen, so jüngst Harald Neuber in der Berliner Zeitung. Günter Verheugen und Petra Erler arbeiten das in ihrem Buch „Der lange Weg zum Krieg“ detailliert heraus. Überzeugend widerlegen sie die „unerschütterliche deutsche Wahrheit“, „dass der Ukraine-Krieg ein anlassloser Überfall des aggressiven Russlands auf ein friedvolles demokratisches Land ist, getrieben von dessen imperialen Gelüsten und Vernichtungswut.“ Sie zeigen auf, dass der Westen für die eigene militärische und politische Expansion legitime russische Sicherheitsinteressen missachtete, und sie beschreiben den Krieg zu Recht als einen Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland. Das wurde er spätestens, als der Westen den Friedensschluss, der im Frühjahr 2022 möglich war, verhinderte. Ich möchte in diesem Zusammenhang nochmals betonen, dass die NATO-Europäer selbst jetzt noch, wo sie sich angeblich so für Frieden zwischen Russland und der Ukraine einsetzen, es nicht kategorisch ausschließen, dass die Ukraine Mitglied der NATO wird, wie auch die eingangs des Interviews erwähnte Erklärung der „Berliner Verhandlungen“ zeigt, mit der man der Ukraine die Stationierung von NATO-Truppen als Sicherheitsgarantie zusagt. Daran ist zu sehen, dass legitime Sicherheitsinteressen Russlands nach wie vor bewusst missachtet werden sollen.

Was ändert die Einordnung des Krieges als Stellvertreterkrieg am Recht auf Selbstverteidigung?

Weil sich der Krieg zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt hat oder in diese Richtung entwickelt worden ist, ist es fragwürdig, noch von einer gerechtfertigten Selbstverteidigung der Ukraine gem. Art. 51 UN-Charta zu sprechen. Das besondere Eskalationspotential des Stellvertreterkrieges besteht nunmehr darin, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht mehr nur eine abstrakte Gefährdungssituation ist, sondern durch die Einsatzmöglichkeiten von NATO-Waffen, die weit in Russland zum Einsatz gebracht werden können, zu einer realen atomaren Gefahrensituation geworden ist, der entschieden entgegengetreten werden muss. Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass die Entwicklung dieses Krieges von einem provozierten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu einem Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland – wodurch die Selbstverteidigung der Ukraine ihre zunächst vorhandene Angemessenheit verlor – mich dazu veranlasst, nicht mehr bloß von den Ukraine-Krieg zu sprechen, sondern den „Ukraine-Krieg“ in An- und Ausführungszeichen zu setzen. Mir geht es darum, mit solcher Metapher die Komplexität der Einschätzung dieses Krieges zu verdeutlichen.

Die Auffassung zur Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs wird nicht überall geteilt. Demgegenüber erkenne ich in Ihrem Buch einen wohltuend differenzierten Blick.

Wir wollten mit unserem Buch zu einem differenzierten Diskurs beitragen, der das Völkerrecht miteinbezieht. Im Völkerrecht liegt der Weg zur Erlangung des Friedens, mit ihm lässt sich aber auch das dieses Recht missachtende Verhalten von NATO und EU messen. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Das Völkerrecht und die UN-Charta sind universell. Die Schlussfolgerung daraus für die Zukunft lautet, dass Geopolitik nicht mit Krieg erzwungen werden darf, weder von Seiten des Westens, noch von Russland. Das heißt, die Herstellung einer multipolaren Welt unter Zurückdrängung der bipolaren oder unipolaren Welt auf der einen Seite und die Abwehr dieses Bestrebens durch Krieg auf der anderen Seite ist völkerrechtswidrig. Stattdessen bedarf es des friedlichen Willens und der friedlichen Anstrengung aller Staaten. Für die Zukunft liegt es also an der Politik der Staaten, wie das Völkerrecht als Rechtsordnung zwischen den Staaten eingehalten wird. Das muss als Lehre aus dem „Ukraine-Krieg“ bedeuten, möglichen kriegsfördernden Bedingungen von vornherein vorzubeugen, indem von dem Grundsatz der Gleichheit der Staaten ausgegangen wird. Und das bedeutet, die Sicherheitsbedürfnisse der Staaten gegenseitig anzuerkennen und ihnen Rechnung zu tragen. Im Übrigen heißt das auch, dass die Staaten – auch wenn das gegenwärtig vielleicht ein „frommer Wunsch“ ist – ihre Praxis der „Doppelmoral“ in Bezug auf das Völkerrecht aufgeben müssen.

Könnten Sie diesen Aspekt der „Doppelmoral“ im Hinblick auf das Völkerrecht noch etwas ausführen? Der war ja auch im Buch Thema.

Ja, das will ich hier anhand eines anderen Beispiels als im Buch tun. Vorausgeschickt sei, dass es nach der Lesart des politischen Zeitgeistes ja immer „die anderen“ sind, die das Völkerrecht verletzen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Haltung gegenüber dem Internationalen Völkerstrafrechtsgerichtshof (IStGH). Der IStGH erließ im Jahre 2023 Haftbefehl u.a. gegen Putin wegen des Vorwurfs mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Im November 2024 erließ der IStGH Haftbefehle u.a. gegen den israelischen Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Galant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Mitgliedsstaaten des IStGH, darunter Deutschland wären verpflichtet, beide Personen zu inhaftieren, wenn sie deren Territorium betreten würden. Bundeskanzler Merz wiederholte, was er schon im Wahlkampf gesagt hatte: Er habe Netanjahu zugesagt, „dass wir Mittel und Wege finden werden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er festgenommen worden ist“. Ganz anders dürfte das ablaufen, würde Putin Deutschland betreten.

Hat nicht auch Trump Sanktionen gegen den IStGH wegen angeblichen Machtmissbrauchs erlassen?

Richtig. Das war im Februar dieses Jahres und ganz aktuell vor wenigen Tagen. Die Sanktionen erfolgten aufgrund der Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant. Orchestriert wurde das durch Schmähungen und Diffamierungen des IStGH durch Netanjahu und andere Regierungsmitglieder Israels. Dem Gerichtshof wurde auch vorgeworfen, aufgrund des Erlasses der Haftbefehle das Völkerrecht verletzt zu haben. Der Völkerstrafrechtler Kai Ambos hat über die Sanktionen gegen den IStGH durch die USA im Verfassungsblog jüngst ausführlich berichtet und die Rechtslage beschrieben.

Wie hat eigentlich Russland reagiert?

Nach einem Bericht von Beck Online zog Russland auf eigene Weise gleich, indem ein Moskauer Gericht unlängst mehrere Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs in Abwesenheit zu langen Haftstrafen verurteilt hat. IStGH-Chefankläger Karim Khan wurde zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt, neun Jahre davon Verbüßung in einem Gefängnis und der Rest in einer Strafkolonie für Schwerverbrecher. Er habe von Februar bis März 2022 illegale Strafverfahren gegen russische Staatsbürger eingeleitet. Der IStGH habe zudem rechtswidrige Haftbefehle erlassen. Acht Richter des IStGH wurden zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und 15 Jahren verurteilt. Es bleibt dazu noch zu sagen, dass weder die USA, noch Israel und auch nicht Russland Mitglieder des IStGH sind, was ihnen keinen Freibrief für ein derart völkerrechtswidriges Verhalten, das sie nun gerade dem IStGH vorwerfen, gibt. Und auch Kanzler Merz hätte aus völkerrechtlicher Sicht keine Befugnisse, eine Festnahme von Netanjahu in Deutschland zu verhindern, zumal Deutschland festes Mitglied des IStGH ist.

Lassen Sie uns vielleicht noch etwas nach rauszoomen: Wie sehr hat die Rede des ehemaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz von der „Zeitenwende“ die Bundesrepublik verändert, und steht sie im Einklang mit dem Friedens- und Gewaltverzicht des Grundgesetzes?

Das Wort „Zeitenwende“ ist nicht neu. Wir finden es in verschiedenen Disziplinen der Geisteswissenschaften und können es historisch zumindest bis Max Weber zurückverfolgen. Der Erste und Zweite Weltkrieg waren Zeitenwenden, der Zusammenbruch des faschistischen deutschen Staates nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch, die Errichtung der „Berliner Mauer“ im Jahre 1961 ebenso wie auch ihr Fall 1989. Auch die Auflösung der Sowjetunion und schließlich die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands durch den Einigungsvertrag im Jahre 1990 waren Zeitenwenden. Und nicht zuletzt auch der 2003 auf einer Lüge basierende Angriffskrieg der USA, Großbritanniens und einer sogenannten „Koalition der Willigen“ gegen den Irak war es – ebenso wie der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien vier Jahre zuvor.

Und heute?

Olaf Scholz benutzte das Wort in seiner Regierungserklärung drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine für die aus seiner Sicht deshalb notwendigen Veränderungen in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Unter Politikwissenschaftlern wird davon gesprochen, dass sich der Charakter der Zeitenwende unter anderem dadurch zeigt, dass sie den Bruch mit der jahrzehntelangen Entspannungspolitik unter Willy Brandt herbeiführte.

Also war die Zeitenwende nicht nur herbeigeredet, sondern ein tatsächlich herbeigeführter Umbruch?

In seiner Rede sagte Scholz, im Kern gehe es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf und ob wir Putin gestatten, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Westen im Irak- oder Jugoslawienkrieg angemahnt hätte, dass die Macht nicht das Recht brechen dürfe oder man Kriegstreibern wie Bush und Rumsfeld Grenzen setzte. Vor diesem Hintergrund erweist sich die „Zeitenwende“ á la Scholz in den historischen Kriegs-Kontexten als Phrase. In Kontexten von realer Entspannungspolitik indes läutete sie in der Tat einen politischen und militärischen Umbruch ein.  Wir bezeichnen diesen Umbruch allerdings als einen systemimmanenten Umbruch. Dies hängt mit unserer kapitalismuskritischen Haltung zusammen, wonach auf Bertolt Brecht zurückgehend Kapitalismus und Krieg unmittelbar zusammenhängen.

Konsequent zu Ende gedacht heißt das, es ist nicht allein Putin, der die Uhren zurückdrehen will…

Die Kriege der Großmächte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren in ihrem Wesen kapitalistische Kriege. Der Verweis von Scholz ist insofern richtig. Allerdings scheint sich die kapitalistische Welt gegenwärtig wieder in einer Phase zu befinden, in der tatsächlich nach Kräften die Uhren zurückdreht werden. Der Kapitalismus will das nicht verhindern, er befindet sich gegenwärtig in einer neuen entfesselten Phase. Offenbar täuscht sich Scholz über das aggressive Wesen dieses Kapitalismus, möglicherweise gerade aufgrund der stattgefundenen Entspannungspolitik früherer Jahrzehnte, die allerdings auch das Ergebnis eines „Kalten Krieges“ zwischen NATO und Warschauer Vertragsstaaten war. Nach Wegfall der Systemauseinandersetzung hat der Westen seine Sicherheitsinteressen über jene Russlands gestellt. Hierin liegt ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des „Ukraine-Krieges“.

Heißt, der nächste große Krieg ist unaufhaltsam?

Hängen Kapitalismus und Krieg zusammen? Eindeutig ja! Besteht eine Unabwendbarkeit, gewissermaßen ein Gesetz, das alternativlos zu befolgen sei? Ganz klar nein! Gerade hierin liegt die aktuelle Dichotomie des Zusammenhangs zwischen Kapitalismus und Krieg. Philipp von Becker sprach in der Berliner Zeitung kürzlich davon, dass das westliche Kriegs- und Aufrüstungsnarrativ paradox sei. Einerseits werde Putin als böser Wahnsinniger dargestellt, der ganz Europa unterwerfen und angeblich nicht verhandeln will – auch wenn die Verhandlungen in Istanbul und mehrere Äußerungen aus jüngster Zeit das Gegenteil nahelegen. Andererseits basiere die westliche Eskalationsstrategie, Waffen mit hoher Reichweite zu liefern, aber darauf, dass Putin kein irrationaler Wahnsinniger ist, der einen atomaren Gegenschlag auf einen NATO-Staat ausführen würde.

Das bedeutet, der Westen geht eigentlich gar nicht davon aus, dass Putin angreifen wird?

Genau das schreibt Becker. Seiner Meinung nach ist es viel wahrscheinlicher, dass die auf weitere Aufrüstung drängenden Falken in den USA und Europa in Wirklichkeit gar nicht an einen russischen Angriff auf die NATO glauben, aber dieses Bedrohungsszenario nach außen vertreten, um Milliarden von Euro und US-Dollar in die Rüstungsindustrie zu pumpen. Mit dieser Charakterisierung muss Ihre Frage, ob die „Zeitenwende“ im Einklang mit dem Friedens- und Gewaltverzicht des Grundgesetzes steht, selbstredend mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden.

Immer wieder sprechen hochrangige Vertreter der Bundesregierung von der neuen deutschen Führungsmacht. Welche Rolle spielt Deutschland in der neuen geopolitischen Gemengelage Ihrer Meinung nach?

Bundeskanzler Merz hat auf einer Bundeswehrtagung am 7. November 2025 betont, dass die Bundeswehr die stärkste konventionelle Armee Europas, und zwar so schnell als möglich, werden solle. Wir Deutschen hätten erkannt, dass Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr und die Bedrohung durch Russland real sei. Er begründete dies mit der Größe und Verantwortung Deutschlands. Und Boris Pistorius behauptete auf derselben Tagung, dass sich Russland für einen weiteren Krieg rüste und nicht von dem Versuch ablassen werde, weitere Grenzen zu verschieben.

Das heißt, diese Erzählung wird als Grund dafür genommen, immer weiter aufzurüsten?

Meiner Wahrnehmung nach verhält es sich so. Erneut genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestages 14 weitere militärische Vorhaben für die Bundeswehr im Wert von 1,9 Milliarden Euro. Und der Rheinmetall-Vorstandsvorsitzende Armin Papperger hob hervor, dass die Ostflanke militärisch geschützt werden müsse, deshalb werde auch in Ländern wie Bulgarien, Rumänien oder Litauen investiert. Auch bei Atomwaffen will Deutschland eine Führungsrolle in Europa einnehmen, indem es sich um die sogenannte Teilhabe an Atomwaffen in Frankreich und Großbritannien bemüht. Offenbar reicht die Bereitstellung von Trägersystemen für die im Land stationieren US-amerikanischen Atombomben in Büchel nicht mehr aus. Ein eklatanter Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht.

Diese Aufzählung unterstreicht, dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen möchte…

Mehr noch: Deutschland beansprucht diese Rolle geradezu. Deshalb unterwirft sich die Bundesregierung der US-Administration und geriert sich als europäischer „Musterschüler“, wie die Stationierung US-amerikanischer Mittelstrecken-Raketen ab 2026 deutlich zeigt. Eine solche Unterwerfung fand auch statt, als Deutschland der Forderung von Trump, die Militärausgaben um fünf Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, unmittelbar zugestimmt hat. Aber auch bei der Negierung jeglicher europäischer Friedensdiplomatie steht Deutschland an vorderster Front. So wurde der vor kurzem unterbreitete Vorschlag des russischen Außenministers Lawrow für einen Nichtangriffspakt zwischen Russland und der NATO unter Einschluss von völkerrechtlichen Sicherheitsgarantien kategorisch abgelehnt.

Zeigt diese Reaktion, dass es aktuell in der deutschen Außenpolitik keinerlei Spielraum für Friedensgespräche und Entspannungspolitik gibt?

Zumindest ist in der deutschen Außenpolitik wenig Spielraum, aber auch diesbezüglich eine Bereitschaft zu doppelten Standards erkennbar. So vertritt Deutschland aus historischen Gründen eine Staatsräson gegenüber Israel. Auch wenn die Praktizierung dieser Staatsräson Kritik verdient, erwächst aus den an Juden begangenen Gräueltaten des Holocaust eine besondere historische deutsche Verantwortung, die nicht zuletzt auch darin besteht, dem in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Antisemitismus konsequent entgegenzutreten, freilich unter Beachtung dessen, dass allein Kritik an der israelischen Regierung in den meisten Fällen nicht antisemitisch ist. Das faschistische Deutschland trägt aber auch Schuld an den 27 Millionen sowjetischen Opfern während des deutschen Angriffskrieges auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Müsste eine auch daraus erwachsene Staatsräson nicht dazu führen, dass Deutschland gerade keine führende militärische Rolle – für die die gegenwärtige Feindschaft mit Russland der Ausgangspunkt ist – beansprucht?

In jedem Falle sollte die Bundesregierung ein Interesse daran haben, gegen die immer stärker umgreifende Russophobie vorzugehen.

Auch darauf will ich hinaus. Wir erleben seit Beginn des „Ukraine-Krieges“ eine beispiellose Russophobie. Wenn Politiker wie Matthias Platzeck nach Russland reisen, weil sie politischer Vernunft gehorchend der Auffassung sind, dass Russland in die Nachkriegsordnung einbezogen werden müsse, erfolgt lautstarker politischer Protest verbunden mit Diffamierungen und der Unterstellung der Putin-Nähe.

Hat diese Russophobie möglicherweise auch historische Wurzeln?

Die deutsche Feindschaft gegenüber Russland, wie wir sie heute erleben, nährt in der Tat den Verdacht, dass deutsche Politik zumindest unterbewusst den gegen die Sowjetunion verlorenen Zweiten Weltkrieg nachträglich gewinnen will. Dazu passen die Bestrebungen, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umzudeuten und die Rolle der Sowjetunion gering zu schätzen, wie nicht zuletzt die jüngste Diskussion über die sowjetischen Ehrenmäler in Deutschland zeigt.

Gibt es Ihrer Ansicht nach eine Alternative zu der angestrebten neuen deutschen Führungsrolle?

Wer sagt, dass diese Führungsrolle nur militärisch sein muss? Wie viel Humanismus läge darin, Deutschland würde sich an vorderster Stelle für diplomatische Bemühungen um einen Friedensschluss mit Russland starkmachen und sich innerhalb der EU, von der – mit Ausnahme einiger weniger Staaten – aktuell keine wirklichen Friedensaktivitäten ausgehen, dafür einsetzen? Stattdessen erleben wir, dass Deutschland jenes Land innerhalb der EU ist, das gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit rechtswidrigen Mitteln versucht, eingefrorene russische Zentralbankvermögen in Höhe von mindestens 140 Milliarden Euro, mittlerweile werden bis zu 200 Milliarden und gar darüber hinaus genannt, zur Finanzierung der Ukraine einsetzen zu können. In Wirklichkeit geht es aber auch hier um die Verlängerung des Ukraine-Krieges.

Wäre eine beabsichtigte Verlängerung des Ukraine-Krieges auch auf diese Weise nicht ziemlich rücksichtslos gegenüber der Bevölkerung und im Hinblick auf das Eskalationspotential purer Wahnsinn?

Dieses Vorhaben hat nach einem Bericht der Berliner Zeitung den renommierten US-amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs veranlasst, vor einem Finanzkollaps in Europa zu warnen. Und Sachs geht noch weiter, indem er vor einem politischen Aufruhr in der EU warnt, falls der vorhandene Widerstand mehrerer EU-Staaten einfach von Deutschland übergangen werden würde. Daraus könne sich eine tiefe Krise innerhalb Europas, insbesondere im Hinblick auf die Vergeltungsmaßnahmen Russlands entwickeln. Der englische Anwalt für Völkerrecht Robert Volterra hat in einem Interview mit Michael Maier – ebenfalls in der Berliner Zeitung – die Völkerrechtswidrigkeit dieses Vorhabens jüngst klar benannt. Ich füge noch hinzu, dass sich sogar die Frage nach der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der völkerrechtswidrig handelnden politischen Akteure stellen könnte. Hierzu müsste § 9 des Völkerstrafgesetzbuches geprüft werden (Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte). Das mag in den Ohren des politischen und völkerrechtlichen Zeitgeistes zunächst abwegig klingen, aber das haben Fragen nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von obersten politischen Machthabern meistens an sich. Reflexartige Abwehr jedoch vermag die Frage nach der Schutzfunktion des Rechts vor politischem Machtmissbrauch nicht einfach beiseite wischen, und so verhält es sich auch für den Fall völkerrechtswidriger Aneignung russischen Staatsvermögens.

Die EU-Spitzen haben in der letzten Nacht über die weitere finanzielle Unterstützung der Ukraine auch unter Verwendung des eingefrorenen russischen Staatsvermögens verhandelt. Wissen Sie schon Näheres dazu?

Bei diesen Verhandlungen in der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat sich gezeigt, dass das gerade von Merz und von der Leyen angestrebte Vorhaben in der von ihnen gewollten Weise nicht erreicht worden ist. Im Ergebnis bleibt das russische Vermögen eingefroren, die EU finanziert die Ukraine durch einen zinslosen Kredit von 90 Milliarden Euro. Russland soll das Vermögen erst zurückerstattet bekommen, wenn es der Ukraine Entschädigungszahlungen leistet. Es wird sich freilich zeigen, ob die Behauptung von Merz, dass das völlig völkerrechtskonform sei, der Völkerrechtslage wirklich entspricht. Der Kanzler dürfte mit dieser Äußerung mal wieder einen seiner berüchtigten verbalen Schnellschüsse abgegeben haben.

Die aktuelle Aufrüstung ist historisch. Sie kostet Milliarden. Wie gefährdet ist unser Sozialstaat?

In unserem Buch haben wir versucht, herauszuarbeiten, dass die in unseren Augen hemmungslose Aufrüstung den Sozialstaat ernsthaft bedroht. Es geht um die Frage: Sozialstaat oder Rüstungsstaat. Beides geht nicht, wenn der Militäretat auf fast das Dreifache des Jahres 2024 steigen soll, um das anvisierte Ziel von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Der Armutsforscher Christoph Butterwege sieht die Gefahr, dass der kriselnde Finanzmarktkapitalismus auf ein Konjunkturprogramm nach Art des Rüstungskeynesianismus setzt und auch in Deutschland ein militärisch-industrieller Komplex entsteht.

Geht es nur darum, das Geld für die Aufrüstung aus den Sozialtöpfen zu holen oder sprechen wir von einem grundlegenden Angriff auf den Sozialstaat?

Darauf weist der Sozialethiker Franz Segbers hin. Er legt dar, dass die militärische Aufrüstung ein Vorwand für die Absicht ist, das neoliberal-konservative Projekt durchzusetzen und den bisherigen Sozialstaat mit sozialen Rechten für alle in einen autoritären Sozialstaat umzubauen. Leistungen sollen nicht mehr nach Bedarf und Hilfebedürftigkeit zugeteilt werden, sondern werden mit einer sanktionierenden Bestrafung bis zur Androhung des kompletten Leistungsentzugs verknüpft. Die Prämisse laute: Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Das Recht auf Existenzsicherung werde dabei abgeschafft und in ein Tauschgeschäft von Leistung und Gegenleistung umgeformt. Erst vor diesem Hintergrund werde der Angriff des autoritären Sozialstaats in seiner ganzen Schärfe erkenntlich.

Häufig wird argumentiert, dass die schuldenfinanzierte Aufrüstung Sozialkürzungen vermeiden würde. Wie sehen Sie das?

Auch hier sei auf die fundierten Ausführungen von Segbers verwiesen. Er argumentiert, dass die Reform der Schuldenbremse eine militärische Aufrüstung ohne Grenzen ermöglicht und für Aufgaben wie die Bekämpfung von Armut, bessere Kitas und Schulen, Gesundheit und Pflege, Rente, Kunst und Kultur, Schwimmbäder und Bibliotheken, den ökologischen Umbau auch künftig kein Geld da sein wird oder nur dann, wenn es an einer anderen Stelle zu Umschichtungen im Haushalt kommt. Deshalb schlägt er eine steuerpolitische Wende vor, die darin besteht, die Vermögenden stärker steuerlich zu belasten. Wenn dies nicht erfolge, würden sowohl die sozialen Menschenrechte als auch die Klimagerechtigkeit auf der Strecke bleiben.

Nun verbirgt sich ja hinter dem Begriff „Zeitenwende“ nicht nur die Strategie, immer mehr Milliarden in die Rüstung zu stecken. Es gibt gleichzeitig auch einen militaristischen Umbau unserer Gesellschaft. Welchen Bestand haben im Kriegsfall unsere Grundrechte?

Im Grundgesetz sind die Maßnahmen im Verteidigungsfall geregelt (Art. 115 a ff. GG). Dieser korrespondiert in der Regel mit der Vorschrift über den Einsatz der Bundeswehr (Art. 87 a Abs. 3 GG), ferner mit dem Spannungsfall (Art. 80 a Abs. 1 GG) und dem Bündnisfall (Art. 80 a Abs. 3 GG), dem Zustimmungsfall (Art. 80 a Abs. 1 GG), sowie mit dem inneren Notstand (Art. 91 Abs. 1 GG). Das Zusammenspiel dieser Vorschriften im Hinblick auf die Einschränkung von Grundrechten ist aber schwer zu durchschauen. Es handelt sich um ein Netz von Vorschriften, auf deren Grundlage eine Reihe spezieller Gesetze erlassen werden kann, mit denen die Grundrechte unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden dürfen. Die schwierige Durchschaubarkeit scheint gewollt zu sein, denn einige dieser Normen gehen zurück auf die gegen großen Protest insbesondere der außerparlamentarischen Opposition angenommenen Notstandsgesetze aus dem Jahre 1968.

Heißt das, dass die Möglichkeit, die Grundrechte staatlich einzuschränken gegeben ist, aber so explizit und durchschaubar nicht im Gesetz steht?

Genau das ist unsere These.  Einzig Art. 115 b Abs. 2 GG besagt klar, dass soweit es die Verhältnisse während des Verteidigungsfalles erfordern, durch das Bundesgesetz für den Verteidigungsfall bei Enteignungen entgegen dem im Grundgesetz geregelten Normalfall vorläufige Entschädigungsregelungen zu treffen sind, sowie bei Freiheitsentzug entgegen dem im Grundgesetz geregelten Normfällen abweichende längere Fristen angewendet werden dürfen.

Wie ist der Punkt mit den Enteignungen zu verstehen?

Enteignungen lassen sich jenseits von Art. 115 b Abs. 2 GG für den Verteidigungsfall erproben. Nach einer aktuellen Spiegelreportage befindet sich in Kiel ein weitläufiges Areal der Stadt, das die Stadtverwaltung „Zukunftsquartier“ nennt. Hier sollte eigentlich ein neues Stadtviertel entstehen, klimaneutral, innovativ und attraktiv gelegen. Es sollte zum Herzstück des sozialen Wohnungsbaus für 5000 Menschen werden, mit Schule und Schwimmbad. Seit mehr als zehn Jahren plant die Stadt dieses Viertel, endlich hat die Idee Kontur angenommen. Doch nun will die Bundeswehr hier einen Marinestützpunkt errichten. Würde sich die Stadt Kiel diesem Vorhaben, das ganz im Kontext der „Verteidigung gegen die russische Gefahr“ steht, verweigern, entstünde die reale Situation der Enteignung. So jedenfalls steht es im Landbeschaffungsgesetz, das der Bundeswehr erlaubt, im Interesse der Landesverteidigung Grundstücke zu beschaffen. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass die Bundeswehr in ganz Deutschland ihre Bauvorhaben vorantreibt, was mit Überlegungen für Enteignungen einhergeht, was juristisch unterhalb von Art. 115 b Abs. 2 GG angesiedelt ist, woran – wie gesagt – letztlich aber die Realisierung der speziellen Enteignungsform im Verteidigungsfall erprobt werden kann.

Aber Sie haben bereits darauf hingewiesen, die Möglichkeiten zu Einschränkung der Grundrechte gehen weit über die Enteignungsoption hinaus. Könnten Sie dies noch etwas ausführen?

Vom Wortlaut her kommt Art. 17 a GG eine zentrale Bedeutung zu. Denn diese Vorschrift betrifft Grundrechtseinschränkungen zu Verteidigungszwecken, und zwar nach Abs. 1 die Einschränkung der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und des Petitionsrechts, was nur auf Angehörige der Streitkräfte und des Ersatzdienstes zutrifft, sowie nach Abs. 2 die Einschränkung der Grundrechte der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung, was für jedermann gilt. Die Systematik und das Zusammenwirken der zuerst genannten Vorschriften des Grundgesetzes sind nicht einfach zu erfassen. Unsere Sorgen, die aktuell werden könnten, beziehen sich darauf, dass der Spannungsfall nicht definiert ist und dass es trotz Definition des Verteidigungsfalles nicht ausgeschlossen ist, eine Umdeutung vornehmen zu können im Hinblick darauf, was es in Art. 115 Abs. 1 GG heißt, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Diese Feststellung, wie überhaupt jene des Verteidigungsfalles, liegt im Ermessen der zuständigen Organe, was auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit betrifft.

Das heißt, die Fälle, nach denen die Notstandsgesetzgebung greift und auf deren Grundlage unsere Grundrechte eingeschränkt werden können, sind nicht klar definiert?

Das ist unser Eindruck. In der Gemengelage des derzeitigen Kriegsgeschehens gibt es nach unserer Auffassung keine Garantie, dass ein Verteidigungsfall nach Art. 115 Abs. 1 GG klar festgestellt wird, sondern dass die Grenzen zwischen Verteidigung und Angriff in Wirklichkeit fließend sind. Dass dem so sein kann, zeigt die Entwicklung von einem Verteidigungskrieg der Ukraine zu einem Stellvertreterkrieg der NATO. Und dass das alles nicht zu weit hergeholt ist, davon zeugen die Forderungen von CDU-Politikern, wegen der Drohnenangriffe, die Russland zugerechnet werden, den Spannungsfall in Deutschland auszurufen.

Möchten Sie in diesem Zusammenhang auch noch etwas zum Thema der Wehrpflicht sagen?

Ich halte das neue „Wehrdienstgesetz“ (sogenanntes Wehrdienst-Modernisierungs-Gesetz), das auf die Wiedereinführung der Wehrpflicht hinausläuft und am 1. Januar 2026 in Kraft treten soll, für ausgesprochen problematisch. Der Bundestag hat das Gesetz bereits beschlossen, der Bundesrat muss noch seine Zustimmung erteilen, was für den 19.12.2025 vorgesehen war. Ob das Gesetz in Kraft treten kann, wird von dem Abstimmungsverhalten jener Bundesländer ankommen, an deren Regierungen die Parteien Die Grünen, Die LINKE sowie BSW beteiligt sind. Aus friedenspolitischer Sicht müsste dem Gesetz die Zustimmung verweigert werden, denn es liegt ganz im Trend einer deutschen Sicherheits- und Außenpolitik, die vorrangig in Militarisierung und Aufrüstung besteht. Ich stimme jenen politischen Stimmen zu, die kritisieren, dass die junge Generation von heute unter dem Vorzeichen der Kriegstüchtigkeit mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben für Militarisierung und Aufrüstung herhalten soll, weil sich die Bundesregierung einer verantwortlichen, auf Diplomatie und Deeskalation setzenden Außenpolitik verweigert. Im „Wehrdienstgesetz“ ist festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt. Im Hinblick auf die vorhin von mir beschriebenen Einschränkungsmöglichkeiten der Grundrechte im Spannungsfall und im Verteidigungsfall sind damit die von der Wehrpflicht erfassten Männer (aber auch in den geregelten Fällen der Freiwilligkeit von den erfassten Frauen) unmittelbar davon betroffen. Explizit begründet wird das Gesetz – wie kann es anders sein – mit der militärischen Bedrohung durch Russland. Die juristische Kritik, die schon am Gesetzesentwurf geäußert wurde und nun im Wesentlichen wohl auch für das beschlossene Gesetz gilt, halte ich für völlig relevant; sie wird von Vereinen wie dem Grundrechtekomitee, der Gesellschaft für Freiheitsrechte, aus der Wissenschaft wie auch aus der Anwaltschaft vorgetragen. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzesentwurfes wurde etwa von dem Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler im Verfassungsblog dargelegt.

Noch ein Wort zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung, wozu Sie sich im Buch ebenfalls äußern.

Unsere Sorge ist, dass der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung die Tür aufgemacht hat, um Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen im Kriegsfall verbieten zu können. Es ist gut, dass sich rechtswissenschaftliche Stimmen, wie die von Kathrin Groh im Verfassungsblog, dagegen wenden. Verwiesen sei zudem auf einen aktuellen Fall aus Freiburg, der eine Tendenz zum Ausdruck bringt, auch das Strafrecht gegen Kritiker der Bundeswehr und des Krieges in Stellung zu bringen.

Es geht um den 18-jährigen Bentik aus Freiburg, der von einem Jugendoffizier der Bundeswehr angezeigt wurde, richtig?

Bentik hatte sich mehrfach gegen Besuche von Bundeswehroffizieren an seiner Schule ausgesprochen und rief zur Blockierung, zumindest aber zum Boykott solcher Besuche auf. Dafür drohte ihm die Schulleitung Disziplinarmaßnahmen an. Nach einem neuerlichen Besuch eines Jugendoffiziers an seiner Schule erschienen auf dem Instagram-Account der Schulzeitung zwei Memes, die den Auftritt des Jugendoffiziers satirisch kritisierten. Der Jugendoffizier stellte daraufhin Strafanzeige wegen Beleidigung. Fast noch schockierender war das Auftreten eines Bundeswehroffiziers auf der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen am 30.11.2025. Er trug ein „Make Russia small again“-Shirt und legte nach Medienberichten voller Stolz und Pathos dar: „Wir sind die Partei, die das Bollwerk gegen den Faschismus im Osten ist. Gegen den Faschismus im eigenen Land und gegen das faschistoide Regime von Putin“.

In Ihrem Buch halten Sie sich nicht mit Appellen an die Bundesregierung auf, sondern rufen zum Aufbau einer neuen Friedensgegenmacht auf. Welche gesellschaftlichen Akteure müssten dafür zusammenfinden und wie schaffen wir es, gemeinsam Druck zu machen?

Vielleicht ist das die schwierigste Frage überhaupt, denn von deren realisierbarer Antwort hängt auch unsere Hoffnung auf Frieden ab. Es ist ja nicht so, dass es in Deutschland keine Friedensbewegung gäbe. Wir übersehen nicht die ermutigenden Zeichen wie die Antikriegsdemonstrationen am 3. Oktober dieses Jahres in Berlin und Stuttgart oder der Kasseler Friedensratschlag Anfang November und seit neuestem auch die Bewegungen von Schülerinnen und Schülern gegen den Wehrdienst. Aber nach unserem Eindruck ist die deutsche Friedensbewegung zu zersplittert. Für die Formierung einer wirklichen Gegenmacht bedürfte es einer größeren Einigung als bisher. Vielleicht wäre ein Weg, dies über inhaltlich „kleinste“ gemeinsame Nenner zu erreichen.

Was wäre ein solcher kleinster gemeinsamer Nenner?

Sich beispielsweise einheitlich strikt gegen die Anwendung von Atomwaffen auszusprechen. Das würde allerdings bedeuten, sich damit nicht nur gegen die Bundesregierung zu stellen, sondern auch vehement gegen den gerade vollzogenen Kurswechsel der Führung der evangelischen Kirche, mit dem behauptet wird, Atomwaffen seien für die Sicherheit unverzichtbar. Dieser Kurswechsel – verbal in der Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche vollzogen – bedeutet, dass ein Atomkrieg für machbar gehalten wird. Denn die Formel, dass Atomwaffen allein der Abschreckung und damit der Sicherheit dienen würden, wäre mehr als naiv.

Historisch war die Welt mehrfach am Rande eines atomaren Krieges.

Historisch hat sich gezeigt, wie leicht es zu einer atomaren Konfrontation kommen kann – etwa während der Kubakrise 1962 oder durch Fehlalarme in Frühwarnsystemen, wie denen der Sowjetunion im Jahre 1983. Die atomare Gefahr heute ist ungleich höher. Sogar der Spiegel fragte kürzlich sorgenvoll, ob wir in das Zeitalter der nuklearen Vernichtung schlittern. Übrigens weist die deutsche Sektion der Internationalen Vereinigung von Juristinnen und Juristen gegen Atomkrieg (IALANA) überzeugend nach, dass ein umfassendes völkerrechtliches Regelwerk zu Nuklearwaffen existiert und dass auch Deutschland dieses Regelwerk eklatant missachtet. Gerade aufgrund dieser Klarheit im Völkerrecht sollte die Friedensbewegung sich zumindest in dieser Frage einig sein und sich geschlossen für atomare Abrüstung einsetzen. Ist eine solche Geschlossenheit erst einmal hergestellt, wäre das eine Grundlage dafür, dass man sich auch in anderen Fragen annähert.

Damit schließt sich auch der Kreis zur eingangs gestellten Frage nach unserer Angst bzw. unserer Sorge vor einem neuen Krieg, der sich als Weltkrieg erweisen könnte. Durch gemeinsame Friedensaktivitäten dem entgegenzuwirken, ist die Botschaft, die wir vermitteln wollen, denn mit uns teilen diese Angst und Sorge weite Teile der Menschheit.

Abschließend möchte ich Ihnen noch folgende Frage stellen: Ein Beitrag von Ihnen in der Berliner Zeitung vom letzten Wochenende trägt die Überschrift: „Man müsste ein neues Völkerrecht erfinden“. Was meinen Sie damit, gerade auch im Hinblick auf Friedensvernunft und Friedenshoffnung?

Dazu muss ich etwas weiter ausholen, bin mir aber vorher schon bewusst, dass meine Antwort – auch für mich selbst – nicht befriedigend ausfällt. Zunächst möchte ich dem möglicherweise entstehenden Eindruck vorbeugen, dass Peter-Michael Diestel und ich zu einseitig kritisch auf den Westen blicken. Wir sehen sehr wohl das Problem, dass auf Seiten Russlands ebenfalls das Interesse an einer Verlängerung des Krieges zu bestehen scheint, jedenfalls bis die aus Sicht Russlands notwendige Beseitigung aller Ursachen für den Konflikt mit dem Westen und der Ukraine vertraglich fixiert sind. Aber allein die Weigerung Putins, mit Selenskyj zu verhandeln, weil er ihn nicht als legalen Präsidenten ansieht, sondern als Repräsentant des „Kiewer Nazi-Regimes“ – und zwar lange bevor das enorme Ausmaß an Korruption durch die ukrainische Führung bekannt wurde – führt  ja nicht automatisch dazu, dass bei Neuwahlen in der Ukraine ein für Russland und den Frieden positives Wahlergebnis erzielt wird.

Zumal die militärischen Äußerungen Putins dessen Anspruch auf den gesamten Donbass nahelegen…

Gert Meißner schreibt im Freitag, dass zum Kontext der primär militärtaktischen Strategie gehöre, „was Putin am 2. Dezember vor Journalisten erklärte, man suche keinen militärischen Konflikt mit den europäischen NATO-Staaten, scheue ihn aber auch nicht. ‚Wir haben nicht vor, mit Europa zu kämpfen. Aber wenn Europa plötzlich mit uns kämpfen will und anfängt, dann sind wir direkt bereit. Daran sollte man nicht zweifeln‘“ Außerdem i frage ich mich, warum Russland eine Waffenruhe zumindest an Weihnachten bisher so kategorisch ablehnt. Wenn das eine Reaktion darauf sein sollte, dass der Westen den Vorschlag Russlands im Jahre 2023 für eine Waffenruhe zum orthodoxen Weihnachtsfest strikt abgelehnt hat, so wäre die damit zum Ausdruck kommende Haltung des „So wie Du mir, so ich Dir“ nicht im Interesse von Friedensvernunft.

Sind Ihnen zu der russischen Position über die Beendigung des Krieges auch kritische Auffassungen aus der Wissenschaft bekannt?

Der russische Experte und Analyst des „Ukraine-Krieges“, Alexander Kouzminov, vertritt in Globalbridge die Auffassung, dass es sowohl Russland, als auch den wichtigsten EU-NATO Ländern nach wie vor darum gehe, dass die jeweils andere Seite zur Kapitulation gezwungen werde. Die Prognose, die Kouzminov für einen Frieden des „Ukraine-Krieges“ abgibt, ist generell besorgniserregend und hat mit Friedensvernunft wenig zu tun. Ich wünschte sehr, Kouzminov würde sich irren.

Nicht im Klaren bin ich mir darüber, und das gebe ich offen zu, dass es innerhalb linker Wissenschaft und Bewegungen, seien diese international oder national, eine wohl doch recht weit verbreitete Auffassung gibt, dass der von Russland gegen die Ukraine geführte Krieg den Grund in einem Imperialismus Russlands habe, so beispielsweise nachzulesen in einem Beitrag in dem von mir sehr geschätzten linken Magazin Jacobin von Oleksandr Kyselov, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Uppsala. Meine diesbezügliche Unklarheit mag aber auch damit zusammenhängen, dass es mir schwerfällt, die in meinen Augen völlig zersplitterte (weltweite) Linke in ihren Auffassungen zu Krieg und Frieden real einzuschätzen. Mein Eindruck aber ist, dass so manche dieser Positionen sich nicht wirklich von Friedensvernunft leiten lassen. Mich beschäftigt, warum das so ist.

Kommen wir zurück zu Ihrem Beitrag in der Berliner Zeitung

Darin, wie aber schon zuvor, habe ich mich auch zu Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ geäußert, weil ich in dieser Schrift eine wichtige Grundlage für ein Völkerrecht als Friedensrecht sehe. Danach wird der Friedenszustand auf der Grundlage der Vernunft durch das Völkerrecht zur unmittelbaren politischen und moralischen Pflicht. Das freiheitsgesetzliche Rechtsdenken Kants rezipiert mit der Idee des ewigen Friedens den Begriff des „gerechten Krieges“ kritisch und hebt ihn zugleich auf. Für wirkliche Friedensschlüsse ist danach der Waffenstillstand die Voraussetzung. Ein Waffenstillstand hingegen, der bloß erfolgt, damit der Krieg weitergeht oder künftige neue Kriege geführt werden können, ist nach Kant kein Friedensschluss, sondern nur ein Aufschub der Feindseligkeiten.

Was genau heißt das bezogen auf die Gegenwart?

Was wir gegenwärtig erleben, ist nicht etwa ein wünschenswertes „Zurück zu Kant“, sondern ein weites Zurückfallen hinter Kant, sowohl von Seiten der NATO und der EU, wie auch von Seiten Russlands. Der von mir sehr verehrte Rechtsphilosoph Hermann Klenner, der im Januar des kommenden Jahres seinen 100. Geburtstag feiert, hat vor diesem Zurückfallen hinter Kant schon zu Beginn des „Ukraine-Krieges“ gewarnt. Klenner hat mich kürzlich auf Albert Einsteins resignative Behauptung, die ich nicht kannte, hingewiesen, wonach es Völkerrecht nur in den Lehrbüchern zum Völkerrecht gebe. Ist es das, was mit dem Titel einer kürzlich erschienen Flugschrift von kritischen deutschen Intellektuellen aus Ost wie West (Alexander Rahr, Antje Vollmer, Daniela Dahn, Dieter Klein, Hans-Eckardt Wenzel, Ingo Schulze, Marc Bülow, Michael Brie, Peter Brandt, Petra Erler) gesagt werden soll: „Lasst alle Hoffnung fahren“? Nein, das ist es nicht!

Optimismus als gut informierter Pessimismus?

Naja, der Titel geht weiter und heißt im zweiten Teil: „Zornige Blicke“. Können wir uns also im Zorn vereinen und gerade daraus solidarische Friedenshoffnung schöpfen? Nur beim Eintritt in die Vorhölle sollte nach Dantes „Göttliche Komödie“ alle Hoffnung fahren gelassen werden, schreibt Daniela Dahn zu Beginn ihres Beitrages in der erwähnten Flugschrift. Alle Blicke in der Flugschrift sind zornig, aber alle Blicke sind letztlich Blicke des Friedens.

Könnten Sie dafür ein Beispiel geben?

Der Blick von Marco Bülow ist mutig auf das Völkerrecht als Friedensrecht gerichtet und betrifft deshalb konsequenterweise nicht allein den „Ukraine-Krieg“. In Prägung der Prosa von Albert Camus bekennt sich Bülow zu einer Friedenserzählung, die eine friedlichere und solidarische Welt bewirken kann.  Aber sie müsse von Mut beseelt sein, der einen Kulturkampf mit positiven Emotionen zu einem Lebensgefühl erwecke. Es sind solche Gedanken von Menschen, die zugleich Friedensakteure sind, die mich mit ihnen verbinden und weiterhin zu einer aktiven Hoffnung auf ein Völkerrecht, das ein konsequentes Friedensrecht ist, veranlassen. Freilich bedarf es dazu weitreichender juristischer Veränderungen, wie eine Reformierung des UN-Sicherheitsrates durch Neubesetzung mit Staaten des Südens sowie durch Auflösung des jetzigen Vetorechts, das in der Vergangenheit Frieden allzu oft verhindert hat. Nur möglich ist das allerdings durch Friedenspolitik und konsequente Absage an Kriegspolitik, was von der erwähnten gesellschaftlichen Friedensgegenmacht eingefordert werden muss. Auf den Einwand der Aussichtslosigkeit oder der Naivität würde mir spontan Friedenssänger Konstantin Wecker einfallen: „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen.“

 

Prof. Dr. Jörg Arnold ist Strafrechtswissenschaftler im Ruhestand am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg im Breisgau. Er hat in der Vergangenheit mehrfach zu Fragen des Zusammenhangs von Frieden und Recht publiziert; unter anderem hat er 2004 gemeinsam mit Kai Ambos das Buch „Der Irak-Krieg und das Völkerrecht“ herausgegeben sowie gemeinsam mit Albin Eser über „Vergangenheitspolitik und Transitionsstrafrecht“ geforscht. Dabei wurden auch die Möglichkeiten von Friedensschlüssen durch Recht untersucht.

Ulrike Eifler ist Journalistin, Autorin und Politikerin (Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE). Hauptberuflich ist sie als Gewerkschaftssekretärin in Würzburg tätig.

Redaktion

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Die Redaktion unseres Magazins: Florian Rötzer und Roberto De Lapuente.
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23 Kommentare

  1. Also nochmal für alle.
    Die Kriege dienen heutzutage einfach nur dazu, die Umverteilung von unten nach oben zu beschleunigen, Menschenleben auszulöschen, und eventuell vorhandene Ressourcen unter Kontrolle zu bringen um den Besitzstand der herrschenden Klasse zu wahren.

  2. Dass Sie Ihren Verlag, dessen Programm wie auch dessen BücherInnen usw. verkaufen wollen, ist sehr und mehr als okay. Ich ‚liebe‘ Ihren Verlag ob des Verlagsprogrammes.

    Gleichviel: Ich finde es jedoch – sehr milde-gelinde formuliert – des Betrinkens würdig, äußerst schlimm, fragwürdigst und unterhalb aller Vernunft, dass gerade auch auf dieser Verlags-Verkaufs-Platform Kategorien wie „Friedenstüchtigkeit“ und „Weltwohl“ ( im Sinne von expliziten Begriffsdefinitionen als Teil eine Gegenkultur ) nicht stattfinen. Ja, das ist Versagen in nuce.

  3. Jörg Arnold, Sie haben gemeinsam mit Peter-Michael Diestel ein Plädoyer für Frieden und Völkerrecht veröffentlicht.

    Peter-Michael Diestel und das Recht. Ein verurteilter Betrüger erklärt uns das Recht! 🥳

    Genau mein Humor!

    Oder wie hat mir das ein DDR sozialisierter Mitbürger voller Empörung mal erklärt: „Der Mann hat mit dem Volkseigentum zur persönlichen Bereicherung geschachert, wie die Treuhand und sich am Raub von Volkseigentum beteiligt.“ Und noch empörter: „Volks(eigentums*)verräter!

    Das wird hier immer lustiger; – allerdings ohne wirklich Spaß zu haben.

    /

    *Einfügung von mir

    1. …derweil führen nicht verurteilte (weil nie angeklagte) Betrüger die EU-Staaten…..
      Und bei denen geht es um Milliarden und Billionen an Steuergeldern, nicht um ein paar hunderttausend gesparte DDR-Mark, wie bei Diestel.

      Und der größte Raub an DDR-Vermögen war neben der Konfiszierung des Volkseigentums durch den Feindstaat BRD und dem von Kohl durchgesetzten Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ bei Immobilien vor allem das Geschäft mit den DDR-Banken, die an westdeutsche GEschäftsbanken nicht nur praktisch verschenkt wurden, sondern auch noch mit erfundenen „Altschulden“ aufgepumpt,. die dann an diese Westbanken ausgezahlt wurden, die nie auch nur einen Pfennig in der DDR investiert hatten. Da ging es aber auch nur um 200 Milliarden Euro….

      https://www.tagesspiegel.de/meinung/schulden-ohne-suhne-1233985.html

      so what?

      Ps. Diestel hat die „unter Wert“ erworbene Immobilie wieder zurück gegeben und wurde zu 9900 Mark Strafe auf Bewährung plus Geldbuße von 20.000 Mark verurteilt. Von von der Leyen dagegen verlangt man noch nicht mal die Herausgabe der SMS/Whatsapps, mit denen sie 35 Milliarden Euro Steuergelder vernichtet hat. In Diestels DDR-Mark umgerechnet, waren das 700 Milliarden Mark Schaden….

      1. Elberadler

        so what?

        Es geht nicht um die Höhe des Betrages, es geht um‘s Prinzip. Und der fängt auch beim Versuch an.

        Es ist ein wenig peinlich, hier auf das Prinzip verweisen zu müssen:

        „Der Kassiererin, die in der Öffentlichkeit oft als Emmely bezeichnet wurde und mit bürgerlichem Namen Barbara Emme (1958–2015)[1] hieß, war vorgeworfen worden, zwei ihr nicht gehörende Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben; ihr wurde fristlos gekündigt.“

        https://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Emmely

        Es ist ein Beispiel dafür, wie mit zweierlei Maß nicht gemessen werden darf.

  4. Der schlechte Mann benutzt in seinem Aufsatz den Term „Völkerrecht/völkerrechtlich“ 83 Mal. Angesichts der nun geänderten politischen Weltlage, dahingehend, dass die zentralen geopolitischen Akteure wie Russland und USA das Völkerrecht als normatives Frame für ihre Aussenpolitik kategorisch ablehnen -mit der Folge, dass in der welt-kapitalistischen Staatenkonkurrenz nur noch das Recht des Stärkeren gilt- stellt sich die berechtigte Frage, in welcher von der realen Welt entkoppelten fiktiven Welt von zwar gut gemeinten, aber irrelevanten,Postulaten der schlechte Mann lebt.

    Der schlechte Mann ist deshalb so schlecht, weil er die Welt -so wie sie ist- nicht analysiert, sondern extremistisch mit aus der bürgerlichen Philosophie des 19 Jhrdt abgeleiteten idealistischen Postulaten überzieht, damit die Brutalität der welt-kapitalistischen Staatenkonkurrenz-Realität unsichtbar bleibt.

  5. Von der verlogenen offiziellen Propaganda (Demokratie usw) und den geistigen Totalausfällen, die sich tagtäglich von den deutschen Wochenschauen hirnwaschen lassen, muss man hier glücklicherweise gar nicht erst anfangen, die Propagandaopfer tummeln sich woanders.

    Unschuldige junge Menschen in den völlig sinnlosen Tod schicken können, ist die ultimative Machtbestätigung für Psychopathen.

    Natürlich geht es vor allem um Geld und Macht, insofern sind einige gewillt, den Psychos Logik zuzuschreiben.
    Das ist zur Analyse der Finanzströme und Strukturen hilfreich.
    Die Verbrecher müssen dingfest gemacht werden und das geht vor allem durch Aufdeckung.

    Aber die Motivation geht noch tiefer: die Niedertracht der verbrecherischen Absichten lässt sich daran erkennen, dass sich Geld und Macht auch mit nicht ganz so massenmörderischen Absichten erreichen ließen.
    Dieser Aspekt sollte nicht ganz aus den Augen verloren werden, um das Gesamtbild zu erkennen, so dass bessere Vorhersagen gemacht werden können.
    Wie ticken die Verbrecher und was sind sie gewillt zu tun?

    Schon zu Corona war es völlig überflüssig Tests durch tiefes, schmerzhaftes Stechen in die Nase durchzuführen. Speichelabgabe wäre genauso aussagekräftig gewesen.

    Die Art der Macht, die diese Psychopathen ausüben wollen, ist eine sadistische. Es widerspricht in vielen Fällen sogar der Geldmach-Logik zu sadistisch zu sein, denn das mindert Gewinne und führt zu ungewollter Aufmerksamkeit.

    Psychopathen wollen Blut und Leiden.
    Deshalb sollten wir um so motivierter sein, den sinnlosen, flächendeckenden Gemetzeln, die sie planen, entgegenzutreten.
    Denn wenn es losgeht – und daran arbeiten sie mit Hochdruck – wird hier alles in Schutt und Asche gelegt. Die setzen sich ab oder finden das super, wir müssen es ausbaden.

      1. Das, was Gandhi gemacht hat, war gut. Je mehr erkennen, was wirklich läuft, desto besser. Aufdeckung von Lügen und Widersprüchlichkeiten.

        Ich kenne Art 20 GG.
        Aber die Möglichkeit eines Honeypot kann nicht ausgeschlossen werden 🙂

    1. Thomas

      Psychopathen wollen Blut und Leiden.

      Haben Psychopaten eigentlich Angst vor den anderen Psychopathen? Und wenn ja, müssten diese dann nicht zuerst die anderen Psychopathen bekämpfen, um selber „Blut und Leiden“ quasi ungestört verbreiten zu können?
      Oder haben die keine Angst vor Blut und Leiden und sind neben Sadisten gleichwertig Masochisten in Personalunion?
      Oder ist das eine Psychopathen-Rotfront, die sich gegen alle außer Psychopathen selbst richtet?

      In ihren Ausführungen steckt doch der Wurm drin.

      1. Keine Ahnung worauf Sie mit Ihrem „Wurm“ hinauswollen, aber eins schließt das andere nicht aus.

        Es gibt viele Studien über Psychopathen und darin ist aufgeschlüsselt, welche Ausprägungen möglich sind: sehr viele.

        Ihre Ausführungen sind an mehreren Stellen unlogisch: die extremneoliberalen Blackrock-Merz und vdL als „Rotfront“ zu bezeichnen halte ich für wirr. Oder Sie müssen ausführen, was Sie meinen.

        Psychopathen können auch gemeinsam metzeln. Ich befürchte, dass die gemeinsamen Vorstellungen von möglichst viel Blut Eitelkeiten übertünchen könnten.

        So oder so ist es nicht im Interesse der Bevölkerung geschlachtet zu werden.
        Und das Haupt-„Argument“ ist immer: so weit würden die doch nicht gehen. Das halte ich für naiv.

  6. Herr Arnold wirft Russland einen Angriffskrieg vor. So, so. Ein Verteidigungsfall lag nicht vor?
    Nach sehr langem Zögern hat Russland im Januar ´22 die Dombasrepubliken anerkannt und
    nach deren Volksabstimmung in die russische Föderation aufgenommen. Ab diesem Monent
    hat die Ukraine russisches Gebiet angegriffen! Die Sonderoperation war ein Schritt zur Verteidigung!
    Insbesondere, als das Elendski Atomwaffen vom Westen gefordert hat und die etwas verwirrte
    kurzfristige Regierungscheffin von England, Liss Truz ihm diese tatsächlich liefern wollte.
    Es scheint, dass der Mainstream das mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg jetzt schon
    so oft breitgetreten hat, dass das sich jetzt schon in den Geschichtsbüchern verfestigt. Warum auch
    nicht. Der Angriff auf Dresden durch die Amerikaner, wird in den Geschichtsbüchern bald auch so
    gedeutet, dass dabei mehr Menschen geboren wurden als getötet.

  7. Die staatlichen Gesetze sind dazu da, das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen. mit Gerechtigkeit haben sie nur eingeschränkt zu tunl Das Völkerrecht dient der Unterdrückung der Völker, Rechtssubjekt sind nämlich die Staaten, die unversehrt bleiben müssen. Rechtsobjekte sind die Völker, Die Ukraine zum Beispiel war und ist kein Volk, sondern ein völlig missratener und korrupter Staat, in dem Menschenrechte ignoriert werden, und in dem ein selbst unterdrücktes und betrogenes Volk andere Völker unterdrückt und betrügt, die aber nicht das Recht haben, sich abzutrennen.
    Ich finde, dass rechtlichen Fragen ein viel zu großes Interesse entgegen gebracht wird, weil der Sieger entscheidet, wie der Frieden aussieht. Und dieser sieht für den Verlierer umso schlechter aus, je frecher und sophistischer er dem Sieger gegenüber tritt. Das hat Trump auch gesagt, dass die Russen mit jeder von der Ukraine ungenutzten Gesprächsgelegenheit ihre Ansprüche erhöhen. Sie entschädigen sich damit für die Fortsetzung des Krieges.

    1. Ein wenig differenzieren sollte man schon: Es sind die Russen die sich auf das Völkerrecht berufen. Die USA berufen sich auf die von ihnen selbst kreierte regelbasierte Ordnung.

  8. Wir leben leider in einer Welt, in der geschriebene Gesetze nicht das Papier Wert sind, auf denen sie stehen. Ausnahmslos all diese „Regeln“ werden nach Bedarf und Geldbeutel gebeugt, auch die UN-Charta und das Grundgesetz. Das war zwar schon immer so, aber nun gibt man sich noch nicht einmal mehr große Mühe, das zu vertuschen. Nur Leute mit vorgerfertigtem Gehirn und Seitenblindheit glauben noch an sowas. Aber selbst etwas minderbemittelten Leuten müsste doch langsam auffallen, wohin der Hase läuft. Am letzten Wochenende verkündete man, dass Selenskyj bereit wäre, vorerst auf eine Natomitgliedschaft zu verzichten, allerdings sollten dann Natotruppen in der Ukraine „den Frieden sichern“. Sind die Köpfe vom Koks wirklich so hohl geworden oder soll gezielt provoziert werden? Weiter lehnt Selenskyj nach wie vor ab, Gebiete an Russland abzutreten, das gäbe die Verfassung nicht her. In der Verfassung steht aber auch die beabsichtigte Natomitgliedschaft, die er wohl vorerst nicht mehr abstrebt. Also ich denke, dass ich früher, als Weihnachtsmann verkleidet, glaubwürdiger gegenüber unseren Kindern rüberkam. Nächstes Ding, was eine Beleidigung für Jeden mit IQ über Zimmertemperatur darstellt: Merz drohte, die EU könne zerfallen, wenn das russische Vermögen unangetastet bleibt, und nun? Nächstes und aktuelles Ding: Der Focus rechnet vor, dass die von Deutschland zu tragenden Risiken bei dem 90-Milliarden-Kredit für den Einzelnen Peanuts sind. Aber allerorts fehlt Geld, und da die 90 Milliarden vermutlich nie zurückgezahlt werden, sind diese genauso zu betrachten, wie die bisherigen verbrannten Gelder (die man zum Teil laut Kushner in Monaco findet), und dafür müssen wir länger arbeiten und höhere Krankenkassenbeiträge berappen. Das hat natürlich nichts mit der Ukraine zu tun, und mit Energielieferkettem schon gleich gar nicht. Windräder rechnen sich ja bekanntlich schon, bevor sie den Waldboden vernichten oder sich auf dem Meer gegenseitig den Wind wegnehmen, der dann am Ende auch noch dem Wettergeschehen fehlt und damit für Boden- oder Meereserwärmung sorgt.
    Und mit dieser intellektuellen sowie „humanen“ Vorbildfunktion wollen wir zukunftsfähig und konkurrenzfähig bleiben oder werden?
    Vielleicht lassen sich die Aktionen ja für Hollywoodkomödien vermarkten, alles andere fällt aus.

    1. Nochmal, der Krieg wird gegen UNS geführt,
      Niemand von denen, möchte den Krieg beenden, weil sie dabei UNS abzocken können.
      Die wollen UNS verkaufen , weil das Finanzsystem den erforderlichen Mehrwert nicht mehr bringt.
      Die wollen UNS vernichten.

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