Demokratie ist keine Kuschelgruppe. Keine Einigung. Sie ist Kompromiss. Man muss sie aushalten können.
Roberto De Lapuente spricht mit Michael Andruck sein kürzlich erschienenes Buch »Im Moralgefängnis«.
Wieso enden unsere Meinungsverschiedenheiten in bitteren Fehden, die uns entzweien? Warum können wir nicht mehr gesittet miteinander streiten und freundlich auseinandergehen? Woher stammt das peinlich-laute Schweigen in Familien, unter Freunden, Kollegen und in den Medien? Ob Coronakrise, Gendern oder Ukrainekrieg: Dass die Gesellschaft gespalten sei und der private wie öffentliche Diskurs erodiert, hören wir seit Jahren. Doch an einer profunden Analyse der Gründe und Mechanismen mangelt es. Der Philosoph Michael Andrick zeigt, dass es ein Übermaß an Moralin ist, an der unsere Debattenkultur krankt: Spaltung ist eine Infektion der Kommunikationswege mit dem Virus der Moralisierung. Dieses Buch klärt auf, warum wir uns so stark voneinander entfremden konnten – und wie wir endlich wieder zueinanderfinden.
Michael Andrick ist promovierter Philosoph. Als Kolumnist schreibt er für die Berliner Zeitung und den Verbund Schwäbische Zeitung/Nordkurier. Sein Buch »Erfolgsleere« von 2020 analysiert das Leben und Funktionieren in der Industriegesellschaft, mit der er seit 2006 in der Wirtschaft Erfahrung sammelt. Für die stilistische Klarheit und Prägnanz seiner Texte erhielt er 2022 den Jürgen-Moll-Preis. Er lebt in Berlin und publiziert unter anderem in Freitag, DLF Kultur, Welt und Cicero.
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> Wieso enden unsere Meinungsverschiedenheiten in bitteren Fehden, die uns entzweien?
Wenns um grundlegendes geht (etwa darum, wer mir warum welche Substanzen injizieren dürfen soll) gibts nicht mehr viele Kompromissmöglichkeiten mit den übergriffigen Inhaber überlegener Moral.
Bei der Kriegstüchtigkeit ist das so ähnlich, aber (noch) nicht so unmittelbar individuell erlebbar.
Kompromisse nützen ausschließlich dem Maechtigeren
Warum ist das so? Weil die Demokratie die Herrschaftsform einer kapitalistischen Gesellschaft ist. Das heißt sie regelt und erhält den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit z.B. indem sie das Eigentum garantiert.
Ist das nun was Gutes und was Schlechtes? – Es ist was Schlechtes. Der Kompromiss geht von Gegensätzen aus und will an ihnen nicht rütteln. Mir wäre also die Kuschelgruppe, die Einigung anstrebt schon lieber. Das ist aber nur möglich in einer Gesellschaft, die die gesellschaftlich Gegensätze, insbesondere den Klassengegensatz aufgelöst hat und weiterhin beständig versucht aufkommende Gegensätze in der Gesellschaft aufzulösen.
Naja, die Herrschaft des Kapitals ist nicht die Herrschaft des Volkes. Auch dann nicht, wenn sich die Herrschaft des Kapitals als Demokratie bezeichnet.
Richtig
Daher auch nicht Demokratie, sondern Demokratur.
Wer will schon eine Pöbelherrschaft
die Pöbelherrschaft (Fachbegriff: Ochlokratie) ist nochmal eine spezielle Form der Demokratie, wo es nicht zwingend auf Mehrheiten ankommt.
Ich hab das oben besprochene Buch gelesen! Es ist ganz brauchbar, lohnt aber nicht zum Kauf, nur zur Ausleihe durch Bibliotheken.
Im Wesentlichen behandelt es die Frage, wie die Menschen untereinander gesittet mit einander umgehen sollen. In Deutschland wird der politische Diskus immer unversöhnlicher. Statt zu diskutieren, abweichende Meinungen auszuhandeln,,
werfen sich die Leute Glaubenbekenntnisse an der Kopf. Immer öfter zerbrechen persönliche Freundschaften.
Nicht behandelt wird die Frage, warum in allen westlichen Ländern sich der Diskurs so verschärft. In den US sind die Fronten so verhärtet, daß ein Bürgerkrieg nicht ganz ausgeschlossen werden kann, schließlich sind die Leute dort bewaffnet. Auch in Deutschland wird die politische Auseinandersetzung zwischen Regierungsfreunden und der Opposition immer härter. Befeuert wird dieser radikale Diskus durch die Herrschenden selbst. Diese sind offenbar am Ende ihres Lateins. In Berlin diskutiert die Polizei nicht, deeskaliert nicht, sondern schlägt brutal zu, verletzt bewußt Menschen. Davon ist in obigen Buch nichts zu lesen.
Wir leben in einer Zeit sich verschärfender Klassengegensätze. Weltweit hat sich der Westen blamiert, sein zivilisatorisches Modell ist KEIN Vorbild mehr für den globalen Süden.
Davon steht nicht in diesen Buch. Es sagt im wesentlichen, seit lieb zu einander, das ist gesünder. Aber die wirklichen Probleme, die zu dieser Situation geführt haben, bleiben ungenannt.
Das verschärfte politische Klima ist KEIN Kommunikationsproblem. Vielmehr verschärfen sich weltweit die Klassengegensätze. Das äußert sich im globalen asymmetrischen Krieg zwischen den Kolonialisierten und den westlichen Unterdrückerstaaten, der gerade begonnen hat.
Divide et impera. “Man” darf es nur nicht übertreiben mit dem Dividieren…. Aber wenn “man” mit seinem Latein am Ende ist, bleibt wohl nur “mehr desselben”, bis es knallt.
Das Problem ist, in Deutschland, wohl auch im gesamten Westen, gibt es keine organisierte systemkritische Kraft die in der Lage wäre eine Änderung des bestehenden imperialen Systems zu organisieren.
In Deutschland sehen wir die AfD und die Wagenknecht-Truppe als einzige größere systemkritische Kraft. Kleinere politische Gruppen, die das Richtige wollen, zerstreiten sich sofort.
Die weltweite Rechtsentwicklung bringt aber keine grundsätzliche Lösung. Vielleicht können die Rechten die Kriege beenden/einfrieren. Das wäre schon was. Aber ich glaube den Rechten kein Wort!
@ Freedomofspeech sagt:
“Die weltweite Rechtsentwicklung bringt aber keine grundsätzliche Lösung.”
Ich wage mal einen Blick in die Glaskugel: Der Rechtspopulismus scheint die Funktion zu haben lästige Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu absorbieren und ins Nirwana zu leiten. Denn es wird langsam deutlich, dass sie sich letztlich der Macht des Kapitals unterordnen. Ihre Ideologie wird entsprechend angepasst: Zu Werten wie Familie, Heimat und Nation kommt dann noch die europäische, westliche oder weiße Kultur und Zivilisation, und schon passen sie bestens in die transatlantische Schicksalsgemeinschaft. Meloni hat es bereits vorgemacht und auch Le Pen scheint auf dem Weg dahin. Bei der AfD dauert es wohl etwas länger, aber immerhin sind sie mit der Unterstützung Israels schon voll auf Atlantik-Kurs.
@garno
könnte die “bedingungslose” Unterstützung des Verhaltens der faschistoiden Regierung Israels eventuell eine wichtige Überlebensstrategie sein?
Man stelle sich vor die Jungs bekämen auch noch “Haue mit der Antisemitismus Keule” 🙂
Demokratie ist Verzicht auf Illusion.
Wo es Leben gibt, gibt es notwendigerweise auch Tod. Wo es Licht gibt, gibt es notwendigerweise auch Schatten. Wo es Frieden gibt, gibt es notwendigerweise auch Krieg. Wo es Oben gibt, gibt es notwendigerweise auch Unten. Wo es Gutes gibt, gibt es notwendigerweise auch Böses. Wo es Freude gibt, gibt es notwendigerweise auch Leid. Leben kann nicht ohne Tod sein, Licht nicht ohne Schatten, Frieden nicht ohne Krieg, Oben nicht ohne Unten, Gutes nicht ohne Böses, Freude nicht ohne Leid. Manche Dinge können nicht sein ohne ihr Gegenteil.
Das Paradies ist die Abwesenheit von Freude, weil es per Definition die Abwesenheit von Leid ist. Das Paradies ist ein Denkfehler, eine Illusion. Das Eine kann es nicht dauerhaft ohne das Andere geben. Existenz ergibt sich aus Widerspruch. Die Ablehnung des Gegenteils ist eine nihilistische Haltung. Die Auflösung von Widersprüchen kann niemals gelingen, weil es gegen die Logik und die Natur ist.
Darum wurde die Demokratie erfunden.
Wir können nur bestehen, wenn wir die Dinge zusammen mit ihrem Gegenteil akzeptieren und das Widersprüchliche als Reichtum erkennen.
Das ist sehr richtig beschrieben. Der Befund ist nur derart abstrakt, dass das Vielen nicht begreiflich ist. Das wissen die Mächtigen, also verkaufen sie Illusionen mittels Propaganda, die vor allem auf schwarz-weiß Schubladen und einfache Feinbilder setzt. Dahinter lassen sich die wirklich verfolgten Interessen der Mächtigen sehr gut verstecken. Was lässt sich dagegen setzen? Aufklärung! So gut wie es nur geht. Die klare Benennung von Interessen und die aufrichtige Bereitschaft Aller, Interessengegensätze fair auszuhandeln. Im nationalen und internationalen Rahmen. Die klare Benennung von Interessengegensätzen kann im öffentlichen Raum nur durch freie Medien funktionieren, die ihrer Aufgabe gerecht werden. Wenn die freien Medien dieser Aufgabe gerecht werden würden, wären wir als Gesellschaft zumindest schon mal auf einem besseren Weg und die ganze Veranstaltung namens Demokratie würde ihrem eigenen Anspruch mehr gerecht werden. Gerade in den letzten Jahren ist aber eher das Gegenteil passiert. Schwarz-weiß Schubladen überall und Spaltung ohne Ende. Ein sicheres Zeichen für sich verschärfende Kämpfe um materielle Ressourcen, der klassische Interessengegensatz überhaupt. Die Reife einer Gesellschaft zeigt sich darin, ob sie Ressourcenkämpfe dauerhaft gewaltlos gestaltet. Eine Demokratie wird anderen System dann überlegen sein, wenn sie das dauerhaft hinbekommt. Dafür brauchen wir aber dringend den Willen zur Wahrheit und das Ende von schwarz-weiß Vereinfachungen. Der Schlüssel liegt in uns Allen, vor allem aber bei denen, die uns ständig mit Propaganda zumüllen und damit nicht aufhören wollen.
100% 👍👍👍
Der Kerl heißt AndrAck, nicht AndrUck.
Wäre schön, wenn die Redaktion ihren Typo korrigiert.
Auf dem Cover steht Andrick.
Andrack ist der Kerl, der mit Harald Schmidt die Show gemacht hat.
Wenn wir schon beim philosophieren sind…
Unter Annahme, dass Demokratie das sei, wie es sich aus dem Begriff definiert. Nämlich die Herrschaft des Volkes, dann stellen sich mir folgende Fragen: Wenn das Volk herrscht, braucht es denn überhaupt Vertreter? Gerade in der heutigen Zeit wo über jede politische Entscheidung in kürzester Zeit die gesamte Bevölkerung elektronisch abstimmen könnte? Wenn Vertreter, also Politiker für die demokratische Idee an sich grundsätzlich nicht erforderlich sind, braucht es dann noch Wahlen?
Darüber hinaus, ist die Demokratie im Sinne Herrschaft des Volkes nicht auch eine Form von Diktatur? Die Diktatur der Mehrheit. Theoretisch kann doch auch die Mehrheit einen Konsens darüber finden, dass eine bestimmte Minderheit entrechtet, verfolgt oder gar ausgelöscht werden müsse. Insofern schließt selbst die reinste Form der Demokratie die Tyrannei nicht zwangsläufig aus.
Damit eine Demokratie nicht in die Tyrannei entgleisen kann, wird sie mit einem Rechtssystem ausgestattet und in drei Gewalten gegliedert: Legislative, Exekutive und Judikative. In der Verfassung sind Menschenrechte garantiert und somit auch Minderheiten geschützt. Eine Demokratie, die Menschenrechte und die Gewaltenteilung missachtet, verdient diesen Namen nicht mehr.
Nun ja die herrschende Mehrheit könnte grundsätzlich Schutzmechanismen auch aushebeln oder gar nicht erst implementieren. Das wäre dann immer noch eine Demokratie, streng nach der Definition.
Auch kann man sich zum Beispiel anschauen wozu eine s.g. Demokratie in Israel, welche mit solchen Schutzmechanismen ja ausgestattet ist in der Lage sein kann.
Das geschieht gerade, wobei es möglicherweise eine laute Minderheit oder eine geringfügige Mehrheit ist, die das tut. Die Zahl der Nichtwähler steigt mit jeder Wahl und die Parteien tun oft nicht das, wofür sie gewählt wurden. Repräsentanten braucht es schon, denn “das Volk”, der Souverän ist ja inzwischen eine große Gemeinschaft und sie ist alles andere als homogen. Ausgeloste Bürgerräte könnten helfen.
Ich denke, das Parteiensystem ist “durch”, denn die Vertreter sind zurechtgeschliffen, bevor sie überhaupt in die Verantwortung kommen. Wenn wir weniger Berufspolitiker haben, ist die Gefahr der Einflussnahme von Außen, seien es Lobbies, seien es andere Staaten oder Geheimdienste, geringer. Einige Koordinatoren und Repräsentanten nach Außen werden gleichwohl benötigt.
Geschätzter russischer Hacker!
Ich weiß nicht, woher Eure russische Sympathie für das angeblich so demokratische Israel kommt? Wirkt da der „alte Stalin“noch nach?
Selbst nach bürgerlichen Kriterien war Israel nie eine „richtige Demokratie“. Von dieser unvollkommenen Demokratie waren aber die Palästinenser/Araber immer ausgeschlossen. Sie werden gehaßt und barbarisch unterdrückt. Israel war immer eine Ethnokratie, die scheindemokratische Rechte nur den Menschen gewährte, die man selbst als jüdisch definierte. Das erinnert stark an den Siedlerstaat Südafrika. Was findet Putin denn so toll an diesen ethnokratischen Israel? Das heutige Russland ist doch ein multiethnischer Staat, weiterentwickelt als Israel!
Möglicherweise hast du mich missverstanden verehrter Freedomofspeech? In Russland wird Israel ziemlich scharf kritisiert, viel schärfer als in Deutschland denkbar wäre.
Vorschläge, Maßnahmen gegen den Gazastreifen zu ergreifen, die einer Blockade Leningrads während des Zweiten Weltkriegs ähneln, sind inakzeptabel, erklärte der russische Präsident Wladimir Putin auf einem Gipfel in Kirgisistan.
Undenkbar, dass offizielle Vertreter Deutschland, das so sagen könnten.
Zumindestens erhebt Israel formal den Anspruch eine “richtige Demokratie” zu sein.
Aber ich möchte eigentlich grundsätzlich anzweifeln, dass es so etwas wie “richtige Demokratie”, streng im Sinne der Definition überhaupt irgendwo gibt, jemals gegeben hat oder grundsätzlich geben kann. Freilich schmückt man sich gerne mit dem Begriff. Sogar in Nordkorea.
Sorry, war wohl ein Mißverständniss!
Auch ich bezweifle ob die Menschheit zu „richtiger Demokratie“ überhaupt in der Lage ist. Also wird es auf irgenteine Form von Herrschaft hinauslaufen. Diese sollte aber das“Volkswohl“ und vor allen den Frieden, Voraussetzung für Wohlstand, sichern.
Die westliche Herrschaftsform ist dazu nicht in der Lage, da hilft auch keine Psychologie „seit nett zu einander“
Prosecco sagt:
“Damit eine Demokratie nicht in die Tyrannei entgleisen kann, wird sie mit einem Rechtssystem ausgestattet …”
Grundlage dieses Rechtssystems ist jedoch immer (jedenfalls in der kapitalistischen Demokratie) die Macht des Kapitals (die sich auf die Ideologie des Liberalismus stützt), die nicht infrage gestellt werden darf. Entsprechend sind Regularien ins Rechtsystem eingebaut. Es handelt sich also in Wirklichkeit um eine Diktatur des Kapitals. Im Übrigen gibt es genügend Beispiele wo Demokratien dieses Typs “in die Tyrannei” entgleisen. Und vermutlich sind wir schon wieder auf gutem Weg dahin.
In kapitalistischen Demokratien ist die Chance gross, dass Gesetze die bestehene Wirtschaftsordnung und damit auch die Ungleichheit fördern. Keine Frage. Es gibt aber auch Interessenvertretungen der Arbeit. Es ist die Entscheidung der Wähler, wem sie ihre Stimme geben.
@Prosecco sagt:
“Es gibt aber auch Interessenvertretungen der Arbeit. Es ist die Entscheidung der Wähler, wem sie ihre Stimme geben.”
Nur ändert das gar nichts daran, dass die Macht des Kapitals erhalten bleibt. Die ist nämlich im liberalen Rechtsverständnis zu einem Naturgesetz mutiert.
Dass die Macht des Kapitals in einer kapitalistischen Demokratie erhalten bleibt, ist eine Binsenwahrheit. Sonst wäre sie ja nicht kapitalistisch. Natürlich ist Kapital im Kapitalismus immer mächtiger als Arbeit. Sonst würde das System ja Laborismus heissen. Oder meinetwegen Kommunismus.
Die Demokratie erlaubt es den Bürgern aber, der Macht des Kapitals die Macht der Arbeit oder die Macht des Gemeinwohls entgegenzusetzen. Und genau das geschieht in Demokratien auch. Der Klassenkampf ist nicht tot. Er hat nur an Kraft und Dynamik verloren, weil a) in den letzten 100 Jahren immer mehr Arbeiter wirtschaftlich aufgestiegen sind und b) das Kapital immer raffiniertere und effektivere Herrschaftstechniken entwickelt hat (z.B. in Form der Globalisierung).
Nun müssen sich die wirtschaftlichen Absteiger etwas einfallen lassen, um den Klassenkampf wieder zu intensivieren. Das geht auch mit demokratischen Mitteln.
Es gibt kein Naturgesetz für die Allmacht des Kapitals.
“Die Demokratie erlaubt es den Bürgern aber, der Macht des Kapitals die Macht der Arbeit oder die Macht des Gemeinwohls entgegenzusetzen. Und genau das geschieht in Demokratien auch.”
Ja wo geschieht das denn? Ich bitte um Nachweise oder Beispiele.
Das liberale Recht ist doch so ausgelegt, dass letztlich das Kapital immer der bestimmende Faktor ist. Die Macht der Arbeit oder die Macht des Gemeinwohls ist ein Zwerg im liberalen Recht.
Tatsächlich hat der Neoliberalismus die Macht der Arbeit und des Gemeinwohls in den letzten 30 Jahren verzwergt. Die Reichen wurden steuerlich entlastet, Sozialleistungen abgebaut, Menschen in den Mittel- und Unterschichten gegeneinander aufgehetzt.
Was geblieben ist, ist nicht wenig. Nämlich ein System, in dem jeder Bürger nur eine Stimme hat, egal, wie reich er ist. Wenn die Hälfte der Bürger nicht mehr wählen geht und die andere Hälfte mehrheitlich Konservative und Liberale wählt, ist das Ergebnis eben so, wie es ist. Das hat aber nichts mit dem Recht zu tun, sondern mit dem Wahlverhalten der Bürger.
Wie gesagt: Die Bürger müssen erwachen und wieder lernen, für ihre Interessen zu kämpfen. Die Mittel dazu haben sie in einer Demokratie. Man kann nicht das System dafür verantwortlich machen, wenn das Volk seine Rechte nicht ausübt.
War es vielleicht der Wähler, der den Neoliberalimus einführte? Oder waren es die Sachzwänge, die vom Kapital diktiert werden?
Die Verantwortung in einer Demokratie trägt nicht der Sachzwang, sondern der Wähler.
Als gelernter EXUdSSRler kennen Sie natürlich Begriffe „Diktatur des Proletariats“ oder „demokratische Diktatur des Volkes“ wie es in der späten Sowjetunion hieß. Sicher wäre dies heutzutage durch die moderne Elektronik leichter machbar als zu Zeiten Lenins.
Aber ich bezweifle stark, ob das deutsche Volk „politisch reif“ genug wäre für eine solche Herrschaftsform. Ich befürchte, liese man die Deutschen abstimmen wie sie wollten, würden die doch die Todesstrafe wieder einführen und die Ausländer rausschmeißen.
Was bleibt wäre die Herrschaft einer „gebildeten Elite“, einer Technokratie. Mit dieser Herrschaftsform ist China bisher nicht so schlecht gefahren. Das setzt aber voraus, das die dort herrschende konfuzioanisch/kommunistische Elite in der Lage ist sich immer wieder selbst in Frage zu stellen und zu erneuern.
Glauben Sie, eine deutsche Elite wäre dazu in der Lage?
Die deutsche (und westliche) Elite ist von der Macht des Kapitals korrumpiert (das Kapital hat sich bekanntlich im Westen angesammelt). Die wollen, dass ihre Länder die dominante und neo-koloniale Stellung in der Welt behalten, dafür kämpfen sie. Die Kontrolle und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in der Welt hat sie reich gemacht und ihnen sogar Freiheiten und Demokratie erlaubt, das wollen sie behalten. Hier an irgendwelche moralischen Aspekte zu appellieren ist vergebliche Mühe.
Die Frage ist, ob überhaupt irgendein Volk, würde man ihm die Herrschaft uneingeschränkt überlassen in der Lage wäre zu vermeiden in die Tyrannei zu entgleisen. Insofern muss man sich fragen, ob die reinste Demokratie im Sinne der Definition nicht mit Tyrannei gleichzusetzen ist?
Bemerkenswert ist, dass die Menschen in Nordkorea in überwältigender Mehrheit sich aufrichtig für die glücklichsten Menschen der Welt halten. Und darüber hinaus aufrichtig davon überzeugt sind, dass deren nationaler Führer ausschließlich den Interessen des koreanischen Volkes dient. Man sollte ihnen dabei keine Unmündigkeit unterstellen. Und auf der anderen Seite, würde man die Menschen in USA oder europäischen Ländern befragen würde wohl kaum eine Mehrheit sich so zufrieden geben. Nimmt man das zum Maßstab so müsste man feststellen, dass Nordkorea viel näher an der Demokratie ist als etwa Deutschland oder Frankreich.
Generell bin ich der Meinung, das im arabisch/asiatischen Kulturkreis ein besseres Verständnis der Gemeinschaft vorliegt als im überindividualistischen westlichen Kulturen. Evolutionsbiologisch ist der Mensch ein Gemeinschaftstier und eine Ansammlung von Induvidualisten ist nicht überlebensfähig.
Wir erleben gerade weltweit einen „Kulturkampf“, Gemeinsinn versa Eigennutz. Sicher hängt diese Frage auch mit den Kapitalismus zusammen, aber nicht nur. Interessanterweise hat doch gerade in Asien eine spezielle Form des Sozialismus überlebt, in Europa aber nicht. Dies hat wohl etwas mit Kultur zu tun??
“Interessanterweise hat doch gerade in Asien eine spezielle Form des Sozialismus überlebt, in Europa aber nicht.”
In Europa hatte sich der Reichtum angesammelt. Und die Reichen streben bekanntlich nicht zum Sozialismus. Das ist eher Sache der Armen und Abhängigen. Gemeinsam kann man besser überleben und sich wehren.
Oh, es wird intellektuell, dachte ich. Spinoza, schau an. Um dann aber in plumpe AfD-Werbung umzukippen.
Die Parteien sind alle in Konkurrenz, da wo die Grünen jetzt verloren haben, sitzt jetzt ein Schwarzer. Warum soll die AfD in dieser Konkurrenz eine Besonderheit sein? Das ist ihre unkritisch übernommene Eigendarstellung.
Ein Parteienkartell gibt es bezüglich der Ukraine, das ist wahr. Aber genau das ist nun abgewatscht worden. In Sachsen haben AfD und BSW zusammen insgesamt 45 Prozent (laut Umfrage) und könnten damit die Regierung bilden. Wenn die Regierenden diese zwei los werden wollen, müssen sie sich in der Ukrainefrage bewegen. Das ist nun mal das Ergebnis der Europawahl.
Er macht sich lustig über Özdemir, der sich Sorgen macht, wenn die AfD die Apparate besetzt. Ich nämlich auch. Der Verfassungsschutz hat alle Vorgängerorganisationen des NSU, also Thüringer Heimatschutz, Blood&Honour und die Marschnerzelle, gegründet, finanziert und geleitet. Ob er dabei die Rückendeckung der Politik hatte, ist bis heute unklar. Aber wenn da die AfD sitzt, dann hat er die.
Und das findet der lustig? Ich nicht.
Der Moral ist immer auch ein Anspruch auf Absolutheit inne: wahr, richtig und gerecht! Damit wird dann ausgeblendet dass Moral sich immer auch über Doppelmoral definiert! Empirisches Beispiel: Die Grünen, z. B. in personam Baerbock, Habeck, Hofreiter, etc., etc. !
In der Tat, die Demokratie ist keine Kuschelgruppe. Es ist doch das Kant-Jahr. Fragen wir mal, was er dazu meint:
“Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie im eigentlichen Verstande des Wortes notwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider einen (der also nicht mitstimmt), mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.”
Das Problem ist die strikte Trennung der ausführenden Gewalt von der gesetzgebenden Gewalt. Wenn eine Regierung die Gesetzte vollzieht, die sie sich selbst gegeben hat und diese wie den Privatwillen eines Regenten handhabt, dann ist es mit dem republikanischen Staatsprinzip nicht weit her. Dann hilft auch eine Demokratie nicht mehr, denn diese ist ja nur die Staatsform. Dann haben wir zwar die Staatsform der Demokratie, aber in der Regierungsform “Despotism”, welche ja gerade die natürliche Regierungsform der Demokratie ist um mit dem Begründer der Aufklärung zu sprechen. Gesetzgeber und Vollstrecker sind in einer Person bzw. in einer Entität, welche die Herrschergewalt besitzt.
Es ist ja bald Wochenende, da ist doch genügend Zeit, über diese Zusammenhänge mal zu reflektieren und die Konsequenzen der Trennung von Staatsform und Regierungsform zu betrachten sowie diese zugegebenermaßen theoretischen Überlegungen an der bundesdeutschen Realität zu spiegeln.
Habt eine schöne Zeit!
Sie argumentieren klug, aber eurozentristisch!
Kant ist „nur“ ein europäischer Denker, denkt und argumentiert in europäischen Kategorien. Diese sind zum großen Teil kolonialistisch „verseucht“. Das ist das Problem der weißen Frauen und Männer, der White Supremacy.
Sie müssen andere Denker, Denker aus Asien, Arabien und Afrika in ihre Überlegungen aufnehmen. Schon mal was von Konfuzius gehört oder gar gelesen? Schon mal was von Frantz Fanon gehört. Ein alter schwarzer antikolonialistischer Denker, der in Frankreich als Psychiater arbeitete von vor 40 Jahren „Die Verdammten dieser Erde“ schrieb?
Mich nervt am europäischen Denken diese Selbstbezogenheit auf Europa. Europa ist keineswegs der Nabel der Welt und schon gar nicht der Mittelpunkt der menschlichen Zivilisation.
Denken Sie am Wochenende mal darüber nach, dann sehen Sie die „europäische Demokratie“ anders!
“Europa ist keineswegs der Nabel der Welt und schon gar nicht der Mittelpunkt der menschlichen Zivilisation.”
Nein, das haben ihnen inzwischen die USA streitig gemacht. Aber auch die stehen in europäischer Tradition des imperialen Neokolonialismus, der sich ideologisch auf ein missionierendes Christentum und darauf folgende Aufklärung stützt. Die gaben (und geben immer noch) die Rechtfertigung die Welt beherrschen zu müssen. Besonders deutlich wird das mit seiner Hybris im amerikanischen Exzeptionalismus oder auch mit Bidens proklamierten Kampf der Demokratien gegen Autokratien und Diktaturen.
Aber real beherrschen die USA die Welt immer noch mit dem Dollar und natürlich mit dem Militär.
Das Prinzip “Demokratie”, werte Freunde ist der Gegensatz zum Prinzip “Rechtstaat”.
In einer Demokratie entscheidet das Volk, mit Mehrheit. Entscheidet die Mehrheit, dass alle mit Fußpilz ertränkt werden, werden alle mit Fußpilz ertränkt. Entscheidet die Mehrheit, dass alle Schielenden gevierteilt werden, werden alle Schielenden gevierteilt – das ist Demokratie.
Rechtstaat ist, wenn eine winzige Clique hochprivilegierter, hochbezahlter Akademiker nach Belieben entscheiden kann was sie will: die Richter der höchsten Instanzen.
Ein freies Volk wird niemals Entscheidungen, wie die oben angeführten, treffen; die hochprivilegierten Richter immer Entscheidungen im Interesse elitärer Minderheiten. Typisch: die BVG-Richter verbieten eine von der Mehrheit des Volkes geforderte Mietobergrenze – natürlich sind alle Richter Hausbesitzer.
Demokratie oder Recht(s)staat – ich bin Demokrat!
@ Prosecco sagt:
“Die Verantwortung in einer Demokratie trägt nicht der Sachzwang, sondern der Wähler.”
Richtig, nur leider haben wir keine Demokratie, sondern eine Diktatur des Kapitals.
“nur leider haben wir keine Demokratie, sondern eine Diktatur des Kapitals.”
Wenn wir eine Diktatur des Kapitals hätten, würden Privatarmeen die skrupellose Ausbeutung der Sklaven sicherstellen und der Manchesterkapitalismus wieder eingeführt. Das wäre das Schlaraffenland der Profitmaximierer. Dieses Schlaraffenland existiert nur in den Köpfen von Leuten, welche die Abhängigkeiten des Kapitals nicht auf dem Schirm haben. Dazu gehören u.a. rechtliche Rahmenbedingungen, funktionierende Märkte, qualifiziertes Personal, Kaufkraft usw.
Die “Diktatur des Kapitals” ist eine hohle Kampf-Floskel.
Ähm,tun diese das gesaget gerade ?
Der Punkt der Kritik besteht einfach darin, was wissen wir zu ein Hundertprozent? Wir wissen nur das was wir möglicherweise Wissen dürfen.
Lebten wir in einer realen Demokratie, dann wüssten wir.
Das tut aber keiner, stattdessen, fabulieren wir über Nomen die in kleinster Weise transparent sind. Stattdessen beschäftigen die Leute sich mit nichts sagenden Agenden.
@ Prosecco
Na gut, dann haben wir eben eine zivilisierte Diktatur des Kapitals – die mit ihren Sachzwängen letztlich den Diskurs bestimmt.
Übrigens haben Sie immer noch kein konkretes Beispiel genannt wo das nicht der Fall ist.
Ein Beispiel: die real existierende Demokratie der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt immer noch viele Menschen in Deutschland, die von den Steuerabgaben der Reichen profitieren.
https://www.deutschland.de/de/topic/wirtschaft/steuern-in-deutschland-einkommenssteuer-kurz-erklaert
Diese staatlich organisierte Umverteilung von Oben nach Unten finden Sie in praktisch allen “zivilisierten Diktaturen des Kapitals”.
Das ist nur ein Beispiel von mehreren.
“Diese staatlich organisierte Umverteilung von Oben nach Unten finden Sie in praktisch allen „zivilisierten Diktaturen des Kapitals“.”
Da machen Sie sich etwas vor, denn die Reichen werden immer reicher und die Armen bleiben arm. Es kann also keine “Umverteilung von Oben nach Unten” stattfinden. Die “staatlich organisierte Umverteilung” ist lediglich ein Trostpflaster um Revolten vorzubeugen. Das ist auch der Grund warum es vom Kapital zähneknirschend toleriert wird.
Sind Sie generell gegen das Kapital? Sie wissen ja, dass Kapital einfach eine Ressource ist. Eine Ressource ist an sich nichts Schlechtes. Es kommt darauf an, was man damit macht und wie man sie verteilt. Die Kapiitalismuskritik verteufelt einfach das Kapital. Das ist mir zu einfach.
Ich kritisiere das Recht des Kapitals sich ungezügelt vermehren zu dürfen. Ein Grundpfeiler des liberalen Kapitalismus, der ja behauptet, dass genau das zum Wohle der Gesellschaft wäre.
Sie behaupten, es gebe „ein Recht des Kapitals, sich ungehindert vermehren zu dürfen“. Nennen Sie mir bitte das Gesetz, das dieser Behauptung zugrunde liegt. Meines Wissens darf Kapital auch ganz legal entwertet werden.
Da muss ich passen, ich bin kein Jurist.
Im Kaptalismus sind alle Kapitalisten gezwungen ständig zu investieren und ihr Kapital zu vermehren.
Aber es gibt die tendenziell fallende Profitrate, die dafür sorgt das sie Folge-Investitionen nicht mehr lohnen wie die Erstinvestition und das Folgeinvestionen im Prinzip schlechter als Erstinvestionen sind (Mit Lohndrückerei und “Steuerbetrug”, also den legalen Freiräumen, versuchen die Kapitalisten dem gegenzuhalten, meist vergeblich.
Deshalb wird heute das meiste Geld am Finanzmarkt verdient oder eben mit obskuren Sachen wie Krieg denn da wird praktisch zweimal kassiert einmal für Munition+Waffen die ständig erneuert werden müssen und dann natürlich am Wiederaufbau. (und die angeblichen Bodenschätze der Ukraine wären dann der dritte Grund).
Allein: Am Ende (wann auch immer) wird man wieder vor den selben Problemen wie am Anfang stehen. Denn die Profitrate sinkt natürlich kontinuierlich weiter. Eine neue Idee muß her, vielleicht eine Impfung gegen ein heimtückisches Virus, die Kolonisierung des Mars, der Bau von Pyramiden in Brüssel? Eine neue europäische Mauer zu Russland? Egal hauptsache es wird wieder Geld verbrannt und die wahren Probleme werden nicht angegangen weil sich das ja “nicht lohnt”. So läuft das halt im Kapitalismus wieder und immer wieder …. Man war schon mal weiter – aber davon will ja niemand etwas hören.
Verantwortung kann nur haben, wer auch das Verantwortete bestimmen,beeinflussen oder abschaffen kann. Dementsprechend hat kein Ankreuzgläubiger bzw. “Wähler” in der sogenannten “repräsentativen Demokratie” auch nur die geringste Verantwortung da nach der Ankreuzzettelfarce bzw. “Wahl” die angekreuzten Individuen und Organisation in keinster Weise mehr vom Wahlvieh beeinflussbar sind. Die Wahlmöglichkeit, auf einem Zettel ein Kreuz zu machen das dann in jeder Hinsicht irrelevant ist birgt keine Verantwortung.
Demokratie ist Kompormiss.
Kompo – Kompormo – Komporno – Kompornomiss – Kompostporno ?
Und wo ist der Rest des Interviews?
Wie auf Youtube ein Ausschnitt aus einem Interview im Februar.
@Russischer Hacker:
“Herrschaft des Volkes” ist nicht inhaltlich bestimmt. “Herrschaft des Kapitals” i s t inhaltlich bestimmt. Hier soll die Herrschaft der Kapitalvermehrung nützen. Jetzt kann man sagen, dass die Herrschaft des Volkes, dem Volk nützen soll. Bloß was ist der Nutzen des Volks?
Der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist, dass Herrschaft des Kapitals den Zweck der Herrschaft angibt, Herrschaft des Volkes aber nicht, es ist bloß eine formale Bestimmung. Das Volk soll irgendwie herrschen, aber was das Volk will, wozu es herrschen soll bleibt dabei offen. Deshalb ist Herrschaft des Volkes und Herrschaft des Kapitals nicht unbedingt ein Widerspruch. Wenn das Volk Kapitalismus will und das tut es, kann das Volksherrschaft sein und Herrschaft des Kapitals.
Zudem unterstellt Herrschaft ja immer einen Gegensatz in der Gesellschaft. Wozu eine Gewalt, wenn es in der Gesellschaft gar keine Gegensätze gibt, die gewaltsam geregelt werden müssten. Eine volksnützliche Herrschaft ist also ein Widerspruch in sich, weil sie als Herrschaft Gegensätze unterstellt, während gleichzeitig ihr Zweck sein soll allen, dem ganzen Volk zu nützen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass wenn es so eine volksnützliche Herrschaft gibt, dann muss daran etwas faul sein. Denn wenn es Herrschaft ist, gibt es auch einen systemischen, gesellschaftlichen Gegensatz.
Genau. Eine Trennung von Volk und Regierung, die die Staatsgewalt innehat, braucht es überhaupt nur dann, wenn die Staatsgewalt einen irgendwie gearteten Gegensatz im Volk oder gegen das Volk gewaltsam zu entscheiden hat.
Die Demokratie ist die Herrschaftsform einer kapitalistischen Gesellschaft, weil das Volk ein Volk von Eigentümern ist. Diese brauchen eine gesellschaftliche Gewalt, die das Eigentum schützt und garantiert. Das Eigentum und seine Vermehrung ist der gemeinsame Zweck, der alle Volksgenossen verbindet und überhaupt erst zum Volk macht. Eine Herrschaft wird benötigt, weil das Privateigentum einen Gegensatz enthält. Es garantiert dem Eigentümer die exklusive, private Verfügung und schließt damit alle anderen Gesellschaftsmitglieder aus. Dieser Ausschluss lässt sich nur mit einer allumfassenden, totalitären Gewalt aufrecht erhalten. Die Eigentümer sind also zugleich Unterworfene und diejenigen die die Staatsgewalt brauchen. Das ist das grundlegende Verhältnis, das eine Staatsgewalt im Innern notwendig macht. Das Volk benutzt das Eigentum also unabhängig von der Klassenzugehörigkeit als Einkommensquelle, abhängig von der Klassenzugehörigkeit aber in ganz unterschiedlicher Weise. Die einen müssen ihre Haut zu Markte tragen und besitzen nur ihre Arbeitskraft, die sie zeitweise verkaufen. Die andere besitzen Kapital kaufen damit Produktionsmittel und Arbeitskraft, die sie ausbeuten können. Die Arbeitskraft hat nämlich die wunderbare Eigenschaft, dass sie mehr Wert erschafft als ihre Reproduktion kostet. Die Differenz kommt demjenigen zugute, der die Arbeitskraft in seinem Produktionsprozess anwendet, also dem Kapital. Nutzen und Schaden sind eindeutig verteilt, aber beide Klassen brauchen die Staatsgewalt. Auch das Leben und die Reproduktion der Arbeiterklasse ist von Vermehrung des kapitalistischen Reichtums abhängig gemacht worden. Die Vermehrung kapitalistischen Reichtums ist also das Allgemeinwohl, dem der Staat dienen, das er voranbringen soll.
Auf dieser gemeinsamen Grundlage gibt es verschiedene Ansichten, wie der Erfolg der Nation zu erreichen sei. Die einen fordern eine gerechtere Verteilung des Reichtums, die anderen stört die Verschmutzung der Umwelt, die Beeinträchtigung des Weltklimas, die anderen stellen die Bedürfnisse der Unternehmer in den Vordergrund. So war es zumindest mal. Seit geraumer Zeit vertreten alle Parteien mit wenigen Ausnahmen, dass dem Wirken des Kapitals keine Grenzen mehr auferlegt werden dürfen auch wenn diese Grenzen dem Selbstschutz des Kapitals dienen, weil die Konkurrenz der Kapitale sich ruinös auf seine Grundlagen auswirkt. Das ist der Neoliberalismus. Resümierend kann man sagen, dass die Parteien in der Demokratie, gesellschaftliche Gegensätze auf Basis einer grundlegende Gemeinsamkeit beackern, die ich oben beschrieben habe. Die Gemeinsamkeit erklärt, warum nicht nach jeder Wahl ein Bürgerkrieg ausbricht. Denn der Wahlverlierer muss sich ja freiwillig in Opposition begeben, er muss seine Niederlage anerkennen. Das tut er aber nur, weil und solange die Gemeinsamkeit der Demokraten (der Erfolg der Nation) Vorrang vor den Gegensätzen hat. Ist die gemeinsame Grundlage gekündigt, kommt es tatsächlich zum Bürgerkrieg.
Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit auf jeden Fall.
Das wäre aber tatsächlich die Kündigung einer gemeinsamen Basis in der Gesellschaft und würde den exzessiven Einsatz von Gewalt erfordern. Mit Gewalt gegen Einzelne hat die Demokratie kein Problem. Aber die Effektivität dieser Herrschaftsform liegt ja gerade darin, dass sie mit dem Willen der Untertanen herrscht, ihn einspannt für ihre Vorhaben.