
Für die einen ist er rechts – für die anderen nur Notwehr: Der gute alte Konservatismus. Darf man sich noch zu ihm bekennen?
Roberto De Lapuente sprach mit Markus Langemann, dem Herausgeber des »Clubs der klaren Worte«, der sich selbst einen Konservativen nennt.
De Lapuente: Sie sind konservativ. So lautet auch der Titel Ihres neuen Buches. Viele betrachten den Konservatismus als Spießigkeit – aber wie ein Spießer wirken Sie nun ganz und gar nicht. Was bedeutet es für Sie, konservativ zu sein?
Langemann: Konservativ zu sein heißt für mich, das zu bewahren, was sich bewährt hat – nicht das, was veraltet ist. Der Spießer ist ein Gefangener der Form, der Konservative der Hüter des Inhalts. Der eine poliert die Vase, der andere kümmert sich darum, dass die Blumen darin nicht verwelken.
De Lapuente: Sie üben – teils heftige – Zeitgeistkritik. Wenn ich Sie jetzt fragen würde, was Sie aus konservativer Sicht am augenblicklichen Zeitgeist vielleicht doch zu schätzen wissen: Was wäre das?
Langemann: Ich schätze die Geschwindigkeit, mit der der Zeitgeist seine Irrtümer produziert. Noch nie war es so einfach, Dummheiten in Echtzeit zu erkennen. Das ist auch ein Fortschritt. So muss man dem Zeitgeist zugestehen: Er sorgt für gute Unterhaltung. Früher musste man in den Zirkus gehen, heute reicht der Nachrichtenticker. Das ist immerhin effizient.
»Ich fühle mich nicht verfolgt, sondern gut unterhalten«

De Lapuente: Wie erklären Sie sich, dass es heute die Konservativen sind, die sich viel zentraler für Meinungs- und Redefreiheit einsetzen, als es die Progressiven tun? Denn das war zu anderen Zeiten auch schon mal genau andersherum.
Langemann: Geschichte liebt Rollentausch. Früher kämpfte die Linke für Freiheit, heute kämpft sie für Formulare. Das Freiheitsvakuum haben die Konservativen gefüllt – aus purer Notwehr.
De Lapuente: Fühlen Sie sich als Konservativer heute verfolgt? Oder doch nur einfach lächerlich gemacht?
Langemann: Ich fühle mich nicht verfolgt, sondern gut unterhalten. Wenn man heute als Konservativer gilt, nur weil man vollständige Sätze bildet und den Duden kennt, dann ist das fast schon eine Auszeichnung. Lächerlich gemacht? Vielleicht. Aber Lächerlichkeit ist die Uniform derer, die keine Argumente mehr haben. Ich trage sie mit Würde.
De Lapuente: Kritisch gehen Sie besonders mit Themen wie Social Media und Mode um. Was zeigen diese Alltagsbeobachtungen über den Zustand unserer Gesellschaft?
Langemann: Sie zeigen, dass wir mehr Wert auf das Schaufenster legen als auf den Inhalt des Ladens. Unsere Gesellschaft trägt das Digitale wie ein zu enges Kostüm – ständig bemüht, gut auszusehen, aber unfähig, sich frei zu bewegen. Social Media ist das Fitnessstudio des Egos. Seit der Coronazeit und der Einführung von Zoomzeugs haben viele Menschen ihre Würde verloren. Wer heute ohne Hose am Küchentisch arbeitet, den sehe ich morgen mit Bekleidung, mit der ich mir nach einem Unfall nicht mal das Bein abbinden würde. Bequemlichkeit in der Kleiderwahl wird über Würde gestellt. Der Trend zur geschlechtslosen Mode verrät mehr über die Verwirrung dieser Epoche als über ihren Fortschritt.
»Konservative restaurieren Werte, um sie wieder nutzbar zu machen«
De Lapuente: Der Gentleman taucht bei Ihnen als Figur auf, die Anstand und Haltung miteinander verbindet. Gentlemen gibt es im Alltag wenige – es sei denn, man stuft junge Herren in Jogginghosen als neue Gentlemen ein. Das Ideal des Gentlemans ist sicherlich anachronistisch. Glauben Sie, dass das Höfliche, das im Gentleman mitschwingt, noch eine Renaissance erleben kann?
Langemann: Der Gentleman wird zurückkehren – nicht als Mode, sondern als Notwehr. Nach einer Ära der Lautstärke wächst die Sehnsucht nach stilvollem Umgang. Es ist wie bei guten Manieren: Man bemerkt sie erst, wenn sie fehlen. Der Gentleman ist nie ganz verschwunden.
De Lapuente: Sie schreiben gegen das »große Egal« an, das »Anything goes« und die Beliebigkeit. Wie kann der Konservatismus Orientierung geben, ohne in Nostalgie oder Rückwärtsgewandtheit zu verfallen?
Langemann: Indem er das Gestern kennt, um das Morgen zu gestalten. Orientierung braucht Erinnerung. Nostalgie ist Flucht, Konservatismus ist Verantwortung. Und Konservatismus ist kein Museum, sondern eine Werkstatt. Wir restaurieren Werte, um sie wieder nutzbar zu machen – nicht, um sie zu vergittern.
De Lapuente: Das alte Konservative und die alte Linke hatten viele Schnittmengen: Respekt gegenüber jedermann etwa – oder die Bewahrung der Schöpfung. Manchmal waren nur die jeweiligen Begriffe andere. Anders gefragt: Steckt in diesem Markus Langemann nicht ein Stück weit auch ein Progressiver, vielleicht sogar ein Linker?
Langemann: Natürlich. Jeder echte Konservative hat ein progressives Herz – sonst würde er ja gar nichts bewahren wollen. Ich bin so konservativ, dass ich sogar die guten alten linken Werte bewahren will: Freiheit, Verantwortung und Solidarität. Ich bin ein Linker, der stehen geblieben ist, als die anderen weiter nach links marschierten. Aber der politische Kompass ist ohnehin kaputt – wer heute geradeaus denkt, gilt schon als radikal.
Markus Langemann ist Publizist, Autor und Medienunternehmer. Er gründete Sender, entwarf Formate für Leitmedien und prägte die deutsche Medienlandschaft. Heute zählt er zu den unverwechselbaren Stimmen eines unabhängigen Journalismus. Mit dem „Club der klaren Worte“ schuf er einen Ort für Debatte, Aufklärung und Widerspruch.
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„Aber Lächerlichkeit ist die Uniform derer, die keine Argumente mehr haben.“
das Lächerlichmachen des politischen Gegenübers ist leider weit verbreitet (auch hier).
Langemann bringt es auf den Punkt.
Gutes Gespräch.
Auch ich habe mich vor 60 Jahren über die Schnittmenge linken Denkens mit den Konservativen, gewundert. Seine Schlussfolgerungen dazu kann ich bestätigen.
Ich kenne den Mann nicht, aber er spricht Klartext.
Danke für das Gespräch, Roberto. Schön, mal jemanden reden zu hören/lesen, dem man zustimmen kann.
club der klaren worte…*lach
die sprache der charaktermasken.
das interview wimmelt von undeutlichkeiten.
Ich kann mich dem Herrn Langemann nur anschließen. Zeitlebens habe ich mich als „ links“ gesehen. Während die heutigen „ Linken“ immer weiter nach links gewandert sind, so das sie schon „ rechts“ sind, wollte und konnte ich meine Position nicht aufgeben. Ob man das nun konservativ nennt, ist mir egal. Danke Herr De Lapuente für den Artikel.
Wie der Respekt der ‚alten Koonservativen‘ vor den ‚alten Linken‘ aussah, kann euch jeder Kommi erzählen, der im adenauerschen Ranzstaat gelebt hat.
Freiheit und Gerechtigkeit sind nur Steckenpferde der linken Psychose.
In Wahrheit ruht in ihnen wie im NS Armut, Krieg und Zerstörung.
„Ich baue mir einen kalten Thron aus Stahl“ :Frauenfeind und arbeitsscheues Zionisten Werkzeug Karl Marx.
Ein interessantes Gespräch, danke an die Teilnehmer.
Vom Inhalt, möchte ich zustimmen.
Was mich jedoch beschäftigt ist die Frage der Mode? Diese angebliche Mode ist eine immer wieder kehrende Mode, nur zeitlich versetzt. Jetzt nun zur Frage der Ideologie : Ist die Mode wie die Ideologie, eine immer zeitversetzte Erscheinung?
Ja natürlich ist sie das, denn die Schafe müssen blöcken um ihren Schafsführer zu folgen.
Wir fabulieren über Sachen, aber lösen nicht die Probleme, die diese Welt besitzt.
Weder das eine oder andere ideoligische Problem hatte jemals eine Lösung vorangetrieben.
Das ist des menschliche Manko, das er das Denken nicht mehr praktiziert.
Meines Erachtens ist das Links-Rechts-Schema weitgehend ungeeignet, einfach deshalb, weil darunter jeder etwas anderes versteht.
Für zielführender halte ich die Benennung konkreter Achsen:
sozialistisch / kapitalistisch
progressiv / konservativ
individualistisch-liberal / kollektivistisch-autoritär
pazifistisch / interventionistisch
Volksherrschaft / Elitenherrschaft
und ja, gerne auch:
unten / oben
Wohl die meisten interpretieren den jeweils erstgenannten Begriff als „irgendwie links“, dehnen diese Bezeichnung damit aber auf zu viele Felder aus, obwohl nicht direkt Gemeinsamkeiten bestehen.
Nur, weil irgendwelche Parlamentspräsidenten sich gezwungen sahen, jede neu hinzugekommene Partei in ein Links-Rechts-Schema zu pressen, um ihnen anschließend Sitzplätze zuordnen zu können, müssen wir uns dem nicht unterordnen. Oder meint hier jemand, die marktradikale FDP sei soetwas wie eine „Mitte“?!?
Wie viel klare Worte verträgt eigentlich so ein Club? Oder ist er – wie alle Clubs – bloß ein Etablissement für eine bestimmte Klientel – und für andere wiederum reglementiert?
Darf man in Ihrem da über Genitalverstümmelung und Gewalt gegen Männer debattieren?
Zweifel am Verschwinden von Rudolf Diesel anmelden, an der offiziellen Darstellung der NSU-Morde, 9 / 11 oder dem Amri-Komplex?
Für die Freigabe von Drogen, Prostitution und Inzest plädieren?
Die Hölle als – verglichen mit der Erde – aufregenden, würdevollen Spaßpark im Post-Live-Segement beschreiben?
Gegen Nuklearenergie wettern?
Mohammed / Jesus / Buddha / Beckenbauer / daine Mudda karikieren?
Festhalten, dass Deutschland zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen hat und jeweils den zweiten Platz belegte?
Russland / China / den Iran / Kuba / Nordkorea verstehen?
Fragen über Fragen.
Früher nannte man das „Pragmatismus“. Oder „Hirneinschalten“. Mit „konservativ sein“ muss so was gar nichts am Hut haben.
Da erscheint mir das Polieren aber noch sinnvoller. Eine gepflegte Form besteht nämlich länger als ihr so Moden unterworfener wie sonstig austauschbarer Inhalt. Den zu konservieren ist schwierig, weil Leben nun mal Wandel bedeutet. Heißt: Die Blumen sind nach ein paar Tagen hinüber, dann braucht man neue – und dann? Wer liefert die? Fleurop? Wer baut die an, wer pflückt die? Kenianische Kinderhände? Kanaken in holländischen Gewächshäusern? Überhaupt – wer sagt, dass die Blumen von heute morgen noch „in“ sind? Da bestellt man sich zwanzig gelbe Astern und dann sind plötzlich umbrafarbene Narzissen der Renner! Nein – wer dagegen poliert, schafft immerhin noch Stabilität und gibt einem funktionierenden Gerüst / Guss den Vorzug gegenüber kurzfristigem Genuss / Konsum.
Ein fortschrittlicher Gesell‘ würde ohnehin einfach eine Pflanze vorsichtig in einen Topf geben und sie dann hegen, pflegen und ihr überwintern helfen, sodass man noch im nächsten Jahr etwas von ihr hat.
Und ein Freiheitlicher ließe die verdammten Allergieschleudern einfach in ihren Beeten und schaute ihnen beim Wachsen zu. Er topft sie nicht um, er zwängt sie in keine Vasen, er will sie nicht formen, biegen und brechen. Ihm genügt, dass sie aus eigener Kraft gedeihen – manche vielleicht gerade, manche vielleicht krumm. Andere wieder wild, andere ordentlich, dritte dann überraschend. Aber alle eint, dass sie echt und authentisch bleiben dürfen. Der Freiheitliche nimmt in Kauf, dass manche der Blumen verkümmern, andere wuchern und dass das Ganze nie ganz kontrolliert werden kann. Und auch nicht muss. Denn gerade im Unvollkommenen, im Durcheinander, erkennt er den Wert: dass Leben sich selbst organisiert, ohne dass da jemand ständig poliert, sät, stützt, topft, häkelt, oder ersetzt. Was sind dagegen die Schnittblumen anderes als identitäre Massenware? Kurzfristige Moden, austauschbarer Plunder, (von der Deutsch-EU) genormter Tand? Abgeschnitten, längst erkaltet wenn sie eintreffen und sprichwörtlich tot? Und selbst im Tod noch in Fesseln gelegt, bevor man sie irgendwann einfach achtlos in den Müll schmeißt – genau wie die Vase, die man aus Gusto durch eine andere ersetzt? So wie man eben Gesetze, Moral und Co. KG gerne nach Gusto ersetzt?
Und was hat man davon? Ist es nicht vielmehr traurig, wenn man „Dummheiten in Echtzeit“ erkennt – und sieht, dass niemand etwas ändert? Ändern will? Oder zumindest kaum einer? Oder dass die anderen vielmehr einen als den Dummen beschimpfen und die „Dummheiten“ gar nicht als Dummheiten verstanden wissen wollen?
Die Gesellschaft ist der Zirkus, Herr Langemann. Und da liegt eines der Probleme.
Wer ist „die“ Linke? Meinen Sie die Partei – also die Linkende? Oder ist für sie die Linke ein monolithischer Block? Welche Linke kämpfte denn für die Freiheit, Herr Langemann? Waren das nicht vornehmlich so pöse Leute wie Goldman, Maîtrejean, Misař? Schon zu deren Lebzeiten gab es ja bereits längst andere Linke, die alles in Parteien, Anträgen und Parteianträgen organisieren mussten und dem Geist des Bürokratismus, dem Unlebendigen, den Vorzug vor dem Lebensbejahenden gaben? Einige davon nannte man dann Sozialdemokraten. Und besonders unlebendig wurden dann Typen wie Kolonialmeier-Noske und dieser Sattler aus Heidelberg, nach dem später eine gewisse Stiftung benannt wurde (Arbeitermörder-Ebert-Stiftung).
Aha. Welches Freiheitsvakuum füllen die denn so? Das ökonomische? Das musste nie gefüllt werden, das zu füllen war gar nicht nötig, so wie sich alle drum gebalgt haben, dieses Loch zu stopfen. Und ein Loch war es, zumindest ein geistiges.
Nochmals: Bei welchen Themen setzten sich denn sogenannte „Konservative“ genau für Meinungs- und Redefreiheit ein? Bei Abtreibung? Jesuskarikaturen? Ausländern? Waffenverboten? Oder ist es nicht eher so, dass diese – genau wie die letztlich nicht weniger rechten, da systembejahenden, Spießgesellen von Liberalen, Sozialdemokraten und Woken – nur immer genau dann „Freiheit“ für sich entdecken und für sie kämpfen, wenn sie mal von einem Problem, wenn sie mal von einer Unfreiheit betroffen sind? Insofern könnte das mit der Notwehr hinhauen – aber auch nur fallbezogen, temporär. Wenn sie eben von Symptomen betroffen sind, dann schreien sie nach Vadder Staat. Wollen ihre Goodies zurück.
War doch während des Maßnahmenregimes auch so. Plötzlich sahen sich einige Rechte eingeengt und entdeckten dann, dass mal „was getan werden müsse“. Kaum hatte ihr Staat ihnen ihre Privilegien wiedergegeben oder zumindest genügend Goodies wieder aus der Tasche geholt, trotteten sie ihm schön brav hinterher. Und die Leute, die für echte Freiheit einstanden, standen wieder allein im Regen. Die waren eben dafür, an die Wurzel des ganzen zu gehen, die anderen wollten nur Symptombekämpfung – und Wurzelbehandlung für die Schwächsten.
Das ist eher eine Signatur von Verfall.
Und was gilt heute denn nicht als „konservativ“? Ich bin konservativ, sozialkonservativ. Ich dusche kalt, lese papierne Bücher (auf einer Parkbank – höchst verdächtig!), rasiere mich täglich (heute muss jeder einen Bart haben, am besten dieses halbzerfranste Ding vom Söder, das aussieht als sei sein Rasierer kaputt), mache Eigengewichttraining (Panzerkörper! Nazi-Körperkult!), bin überpünktlich (Nazi! Nazi!), habe einen geordneten Schreibtisch (Eichmann!), habe die Kontrolle über mein Leben, weil keine Jogginghose (Lagerfeld!), wechsle meine Partner nicht öfter als meine Unterhose (Hitlerist !) und mag Hunde (Blondi!). Aber ich mache meine individuellen Vorlieben und Neigungen doch nicht zum Gebot für meine Mitmenschen. Zumindest nicht mehr (war früher selber bolle rechts) und zumindest bemühe ich mich nun. Der Rechte dagegen sagt: Ich rasiere mich täglich, also bin ich der geilste und alle anderen müssen sich auch rasieren. Dann drückt er seine Mode durch, weil er so seine Beziehungen hat – und schwuppdiwupp gibt es die Rasierpflicht oder die Bartwachstumssteuer.
Also hat er jetzt keine Argumente mehr? Hä?
„Lächerlich“ ist letztlich doch nur, was man als lächerlich empfindet. „Arschloch“ ist ein Wort und „Kamillenhandcreme“ ist auch eines. Ob eines von beiden oder gar beide beleidigend, lächerlich machend oder sonst was sind, liegt nicht in den Worten selbst begründet, sondern in „unserer“ Beurteilung. Das wird oft von außen aufgeladen. Der Stoiker würde meinen, dass jemand, der sich beleidigt fühlt, bereits zugelassen hat, dass fremde Worte über sein Innerstes herrschen. Und davon müsse man sich freimachen. Nun – das mag jeder für sich selbst entscheiden. Nur darf daraus nie folgen, anderen den Mund zu verbieten.
Und ich Dussel dachte immer, dass die oktroyierten Maßnahmen oder der Umgang mit Ungeimpften unwürdig gewesen waren…
vs.
Ja, was denn nun, Langemann? Entweder es zählt der Inhalt des Menschen oder sein Schaufenster. Wenn der Inhalt zählt, kann Ihnen ja wurscht sein ob er Jogginghose, „geschlechtslose Mode“ (Was ist das genau für Sie? Zählen Jeans bereits dazu?) oder den Oxford Check à la Altlandrebell trägt. Davon abgesehen: wer bestimmt denn, was „modisch“ ist? Wieder nur irgendeine Clique an der Spitze, die ihre Stils und Styles dann via angeschlossener Rundfunkanstalten, „Experten“ und „Kenner“ dem gesellschaftlichen Unterbau vorsetzt mit dem Befehl „Friss!“ (Was dieser freilich tut – und dem ganzen Schmarrn auch noch allzu oft hinterherrennt wie der Pawlow seinem Würstelmeister.)
Überhaupt: Was jucken Langemann die Klamotten anderer Leute? Das ist doch in der Tat mal rechts (und keineswegs konservativ, denn das beinhaltet durchaus auch den Respekt vor individueller Freiheit), sich über das Aussehen und die Kleidungswahl anderer zu ergehen und ihnen dann Vorschriften zu machen und Maulaffen darüber feilzuhalten, was sie daheim zu tragen haben. Ein Konservativer dagegen verführe nach dem Prinzip: Leben und leben lassen. (Ich konzediere, dass er in öffentlichen oder formellen Kontexten wie einer Beerdigung die Nase rümpfen könnte. Aber auch dann eher unter Hand oder das ganze für sich bewahrend. Mein (sehr konservativer) Großonkel und ich waren bei meines Vaters „Beerdigung“ sicher mehr als overdressed, aber wir haben uns dann bloß mit Blicken verständigt.)
Okay, okay. Langemann ist der Inhalt wohl durchaus wichtig – aber er habe sich gefälligst auch im äußeren Erscheinungsbild zeigen. Da ist man dann wieder beim Reglementieren und Vorschreiben. Da braucht es dann den Staat. Spätestens da wird’s dann rechts.
Cheffe, wer oder was ist 1 Gentleman? Oder meinst Du Gentleman, den Rapper?
Unter den sogenannten Gentleman-Tugenden begegnet man ja meistens Ableitungen der antiken Kardinaltugenden oder verwandten Denkrichtungen, landet also bei Eigenschaften wie Höflichkeit, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Mut, Besonnenheit, Rücksichtnahme, Verantwortung, Selbstkontrolle… ich schreib das Buch nicht ganz ab. Und gerade Geschichten wie Gerechtigkeit, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Mut (zur Wahrung der Freiheit), ja selbst Besonnenheit (innere Freiheit über äußere Zwänge) sind ja Fertigkeiten, die für eine friedliche und freiheitliche Gesellschaft durchaus maßgebend sein können. Keine staatlich verordneten Zwänge, sondern Fähigkeiten, die ein freies, konsensuales, einander achtendes wie helfendes Miteinander vorantreiben. „Das ist aber eine kapitalistisch-imperialistische Ellbogengesellschaft, die auf Aufrüstung und Raubkriege setzt @ Altlandrebell.“ Achso. Ja, dann kann das Zeug doch auf den Müll.
Davon abgesehen: wie kann ein Ideal bitte anachronistisch werden? Idealzustände werden ja seltenst verwirklicht. Ein Ideal ist ja per definitionem etwas Zeitübergreifendes oder Utopisches, etwas, das i.d.R. nur erstrebt, doch nie erreicht wird und nicht unbedingt von der Wirklichkeit abhängt. Es ist fluid und bleibt ungreifbar. Insofern kann es auch nur schlecht altern. Altern – und aus der Mode fallen – können allein die Rahmenbedingungen oder Denktraditionen um so ein Ideal herum, sodass es dann von vielen Leuten eben nicht mehr als erstrebenswert angesehen wird. Aber dass ein Ideal nicht mehr erstrebt wird – von wem eigentlich nicht? Und ist Quantität bei Idealen so entscheidend? – sagt ja noch nichts darüber aus, dass es automatisch veraltert sei. Vielleicht veraltern / verknöchern auch einfach die Leute oder die Umstände.
Die meisten Leute, die sich „konservativ“ nennen, restaurieren allenfalls Sachwerte, versuchen die Gesellschaft in ein Freilichtmuseum zu überführen und sperren alle hinter welche Gitter auch immer, die nicht ihren Moden, Manieren, Idealen und Kleidungsgeboten folgen wollen.
Bin gespannt, wann Ihre „Konservative“ anfangen Leninstatuen zu bewahren, marxistische Lehrstühle oder anarchistische Katechismen…
Immerhin einer, der sich noch erinnert, dass Freiheit zum Linkssein gehört. Aber verraten Sie das bitte nicht der Linkenden oder den sich „links“ nennenden Wokisten. (Das mit der Solidarität auch nicht, die zelebrieren die auch nur zum 01. Mai in altbekannten Sprechblasen und Parteitagsbeschlüssen.)
Die marschierten bloß nicht nach „links“. Das habe ich letztes Jahr schon hier anzureißen versucht. (Darunter entspannte sich übrigens bereits der Diskurs, warum man sehr wohl weiterhin zwischen „links“ und „rechts“ unterscheiden solle. Weil hier bestimmt wieder die einunddrölfzigste Debatte zu kommt.)
Das galt man auch früher bereits. Stichwort: „Ein falsches Wort – schon biste Kommunist!“ Und dass der politische Kompass kaputt ist, ist durchaus zutreffend. Leute, die für Auslandseinsätze, Aufrüstung, Hartz IV, Austerität, Massenüberwachung, Impfpflichten, Genderi und Gendera eintreten, gelten heute weiterhin als „links“, „liberal“ oder gar „linksliberal“. Andererseits – für die Rechten war ja auch Hitler immer „links“, denn er war „nationalSOZIALIST“…
Ehrlich gesagt hatte ich mir von diesem Gespräch etwas mehr Substanz und Tiefgang versprochen.
So hätte man durchaus Jordan B. Petersons Buch „Konservatives Manifest“ erwähnen können, denn so viele zeitgenössische Konservative gibt es ja nicht.
Auch ein kurzer Rückblick auf die gedanklichen Grundlagen dieser Richtung sowie auf Edmund Burke hätte nicht geschadet.
So frage ich mich, ob dieses Buch von Langemann für mich denn überhaupt etwas Neues bringt … ?
Die Konservativen sind dazu da, das zu bewahren, was Linke gegen den erbitterten Widerstand der Konservativen errungen haben.
Lächel. Sehr schön.