»Es wäre wichtig, die Grundfinanzierung an den Hochschulen wieder hochzufahren«

Bettina Stark-Watzinger, Humboldt-Uni, Fridays for Israel
Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Wissenschaft im Griff der (Identitäts-)Politik: Wie stark ist dieser Zugriff schon? Und wie sieht er aus?

Roberto De Lapuente hat mit Dr. Sandra Kostner gesprochen.

 

De Lapuente: Fürchten Sie sich vor allzu freier Meinungsäußerung, Frau Kostner? Ich spiele auf die Affäre um die Bildungsministerin Stark-Watzinger an, die Professoren abstrafen wollte, weil diese den protestierenden Studenten das Grundrecht der freien Meinungsäußerung zuerkannten.

Kostner: Nein, denn ich befasse mich schon länger mit der Frage, welche Folgen unliebsame Meinungsäußerungen für die Bewilligung von Forschungsgeldern oder die Möglichkeit Texte zu publizieren haben. Warum die Vorgänge im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nun für einen solchen Aufschrei gesorgt haben, hat meines Erachtens damit zu tun, dass erstens Beweise an die Öffentlichkeit gelangten, dass in einem Ministerium erwogen wurde, Wissenschaftler für politisch unliebsame Positionen zu sanktionieren, und dass zweitens vor allem Personen betroffen waren, die zuvor nicht die Erfahrung gemacht haben, dass sich ihre politischen Positionen negativ auf ihre wissenschaftliche Arbeit auswirken könnten. Wäre es seitens des BMBF zu einem Widerruf von Forschungsgeldern gekommen, wäre das ein direkter Eingriff der Politik in die wissenschaftliche Tätigkeit gewesen. Beruhigend ist an dieser Stelle, dass innerhalb der Ministerialbürokratie, die Problematik, Wissenschaftler für politisch inopportun gehaltene Meinungsäußerungen abzustrafen, umgehend als sehr problematisch erkannt und gestoppt wurde. Der Vorgang wäre jedoch ein guter Anlass, um sich einer viel weiter verbreiteten Praxis zu widmen, nämlich der Lenkung der Wissenschaft durch ein Anreizsystem. Dieses sieht so aus, dass politisch opportune Forschungsfragen oftmals mit Fördermitteln belohnt werden.

Plötzlich stehen auch Leute mit identitätspolitischer Agenda politisch auf der falschen Seite

De Lapuente: Ist systemisch nicht grundlegend etwas falsch, wenn Politiker auf diese Weise ermächtigt werden und Wissenschaftsfreiheit untergraben können?

Kostner: Das BMBF ist ein bedeutender Drittmittelgeber. So sind die BMBF-Ausschreibungen für viele Fachrichtungen, insbesondere diejenigen, die wenig Mittel aus der Wirtschaft erhalten, wichtig. Das ermöglicht es dem BMBF, Wissenschaftler mit Forschungsmitteln zu belohnen, die sich auf die Themen einlassen, zu denen das Ministerium Ausschreibungen veröffentlicht. Natürlich steht es jedem frei, sich auf die ausgeschriebenen Mittel zu bewerben. Wer sich jedoch dem vom BMBF vorgespurten Erkenntnisinteresse nicht anschließen möchte, geht leer aus. Und das ist gerade für diejenigen ein Problem, die darauf angewiesen sind, Drittmittel einzuwerben, um ihre Stelle zu sichern oder um eine Professur zu ergattern. An diesem Punkt zeigen sich die negativen Folgen der in den frühen 2000er-Jahren durchgeführten Hochschulreformen, die zum Ziel hatten, die Quantität und Qualität der Forschung zu steigern, indem sie Wissenschaftler in einen Konkurrenzkampf um Drittmittel schickten. Um Wissenschaftler zur Teilnahme am Wettbewerb um Drittmittel zu motivieren, wurde die Grundfinanzierung zurückgefahren. Infolge dieser Reformen stieg der Einfluss der Drittmittelgeber auf die Forschung. Ändern ließe sich dies nur, wenn die Grundfinanzierung wieder so erhöht würde, dass Wissenschaftler weniger abhängig von Ausschreibungen und somit freier wären, ihrem Erkenntnisinteresse zu folgen. Ich sage aber gleich dazu: Egal mit welchen Vertretern welcher Parteien Sie sprechen: Niemand plant das zu ändern.

De Lapuente: Nun scheint die Professorenschaft durch diesen Vorfall mit Stark-Watzinger aufgewacht zu sein. Haben Sie das Gefühl, dass sich in der Professorenschaft grundsätzlich eine kritische Haltung zu dieser politischen Instrumentalisierung formiert oder vielleicht sogar schon formiert hat?

Kostner: Ein Teil der Wissenschaftler ist dadurch aufgewacht, wobei noch offen ist, ob dieses Aufwachen über den konkreten Vorgang hinausreicht. Betroffenheit ist zumindest oft der erste Schritt zu einer Wahrnehmungsänderung und nachfolgend zum Engagement für ein Freiheitsrecht. Die wesentliche Frage ist, wird dieses Engagement nur auf die eigenen Belange bezogen erfolgen oder wird es grundsätzlicher Natur sein, also sich gegen alle Formen politisch-ideologisch motivierter Eingriffe und Lenkungen richten. Ich vermute, das wird maßgeblich davon abhängen, ob Personen generell von der politischen Lenkungsmöglichkeit des Erkenntnisinteresses profitieren. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Ausschreibungen ihrer politischen Position entgegenkommen und wenn die Jurys aus Fachwissenschaftlern, die über die Mittelvergabe entscheiden, mit Personen besetzt sind, die ihre politische Position teilen.

De Lapuente: Die dürften zufrieden sein mit den herrschenden Verhältnissen …

Kostner: Grundsätzlich ja, wobei der Israel-Gaza-Krieg dazu geführt hat, dass erstmals insbesondere diejenigen, die ansonsten gerne abstreiten, dass es Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit gibt, auf der politisch unliebsamen Seite stehen. Sie erleben, dass ihre Meinung zu diesem Krieg nicht Staatsräson-kompatibel ist, und dass sie deshalb unter Antisemitismusverdacht geraten. Sie erleben, dass ein solcher Verdacht Folgen haben kann. Die Zufriedenheit mit den Verhältnissen dürfte so zumindest etwas eingetrübt worden sein.

Forschungsorientierte Gleichstellungs- und Diversitätsstandards kommen zum Tragen

De Lapuente: Standardfrage von mir an Professoren: Hat der Bologna-Prozess mit dieser politischen Unterwerfung der Hochschulen zu tun? Was er bei den Studenten auslöst wissen wir – wir haben ja in unserem letzten Gespräch darüber gesprochen. Aber was hat er für die Professoren verändert?

Kostner: Es ist nicht ganz so stark mit dem Bologna-Prozess verbunden. Bologna war ja nur ein Teil eines Reformpaketes. Dazu kamen die New-Public-Management-Ansätze, die Teil einer neoliberalen Denkschule sind. In den Neunzigern hieß es, man müsse Wirtschaftselemente sehr viel stärker in die Institutionen bringen. Der Beamtenapparat, der Staatsapparat sei zu träge. Man müsse ihn flotter machen, indem man Wettbewerb ins System bringt. Das war auch die Hauptbegründung dafür, dass man die Grundfinanzierung an den Hochschulen zurückgefahren hat. Man bekommt ja durchaus weiterhin Forschungsmittel, für die muss man sich jetzt aber bewerben.

De Lapuente: Wo reicht man denn so eine Bewerbung um Forschungs- oder Drittmittel ein?

Kostner: Beispielsweise beim vorhin schon erwähnten BMBF. Der wichtigste und renommierteste Drittmittelgeber in Deutschland ist aber die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die vom Bund und den Ländern finanziert wird. Im Jahr 2023 hatte die DFG 3,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Wer so viel Geld zu verteilen hat, verfügt über Macht. In einer idealen Welt würde die Vergabe der Drittmittel allein nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen. In der Realität menschelt es aber. So erfordert es einiges an Charakterstärke von den Mitgliedern der mit Fachwissenschaftlern besetzten Jurys, Anträge zu bewilligen, die geeignet sind, die eigenen Forschungsergebnisse infrage zu stellen. Seit einigen Jahren kommen zudem fachfremde Kriterien bei der Mittelvergabe zum Einsatz. Die DFG hat 2008 die sogenannten Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards eingeführt, die 2022 um den Aspekt Diversität erweitert wurden. So soll nun bei der Vergabe von Forschungsgeldern berücksichtigt werden, inwieweit die antragstellende Hochschule, die Forschungsorientierten Gleichstellungs- und Diversitätsstandards umgesetzt hat. Konkret wird geprüft, ob Hochschulen Gleichstellung und Diversität durchgängig und sichtbar auf allen Ebenen verfolgen, etwa bei der Personalauswahl. Die DFG listet eine ziemlich breite Palette an zu berücksichtigenden Diversitätsaspekten auf, wie: Geschlecht, sexuelle Identität und Orientierung, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, chronische Erkrankung, soziale Herkunft. Die DFG geht aber noch einen Schritt weiter und erhebt die Berücksichtigung von Intersektionalität, also die Verknüpfung verschiedener Diversitätsaspekte bei einer Person – Beispiel: weiblich, nichtweiße Hautfarbe, muslimisch – zum entscheidungsrelevanten Kriterium.

Die DFG übernimmt eine gesellschaftspolitische Rolle

De Lapuente: Professoren müssen also regelrecht ein Interesse daran haben, dass diese Diversitätsregeln durchgesetzt werden, weil sie sonst kein Geld für die Forschung generieren können?

Kostner: Ja, und genau das beabsichtigt die DFG damit ja auch. Sie verlässt bewusst ihre eigentliche Funktion im Wissenschaftssystem – die Förderung von Forschungsvorhaben nach wissenschaftlichen Kriterien – und übernimmt eine gesellschaftspolitische Rolle. Und sie weicht gezielt ihre politische Neutralität zugunsten einer spezifischen politischen Richtung auf. In diesem Fall der Identitätspolitik, deren Hauptziel die Abbildung genau der Identitätsgruppen in allen Institutionen ist, die von der DFG aufgelistet werden. Die DFG politisiert sich so selbst und sie nutzt ihre Macht im System, um Hochschulen und Wissenschaftler in die gewünschte gesellschaftspolitische Richtung zu lenken. Die Lenkung wirkt sich in zwei Richtungen aus: Hochschulen haben ein Interesse daran, bei der Diversitätsbewertung gut abzuschneiden, damit ihre Wissenschaftler erfolgreich Mittel einwerben können, während Wissenschaftler ein Interesse daran haben, dass ihre Hochschulen möglichst diversitätsorientiert aufgestellt sind, um ihre Chancen bei der Mitteleinwerbung zu verbessern. Klar, kann man sich sagen, unter diesen Voraussetzungen bewerbe ich mich nicht um Mittel bei der DFG oder man kann sich sagen, ich reiche meine Anträge ein, ohne mich auf diese wissenschaftsfremden Vorgaben einzulassen. Beides ist vor allem für diejenigen keine kluge Strategie, die sich auf Professuren bewerben möchten, weil DFG-Forschungsgelder eine wichtige Währung bei der Chance auf eine Professur sind. Es ist aber auch eher selbstschädigend für diejenigen, die aus Reputationsgründen DFG-Mittel einwerben möchten oder für die diese Mittel aus unterschiedlichen Gründen von besonderer Bedeutung sind. Insofern entfalten die DFG-Vorgaben einen normierenden Charakter, und das auch in Bezug auf die Forschungsthemen, zu denen es nicht ratsam ist, Anträge zu stellen. Das dürfte alle Fragestellungen betreffen, die potenziell mit der Diversitätsagenda im Konflikt stehen.

De Lapuente: In aller Kürze, Frau Kostner: Wie war das denn, als die DFG diese Diversitätsregeln 2022 bekanntgab? Gab es denn da überhaupt Widerstand?

Kostner: Meines Wissens nach hielt sich das in engen Grenzen. Das ist im Sommer 2022 von der DFG veröffentlicht worden. Ich habe Anfang November 2022 bei einem Vortrag zur Wissenschaftsfreiheit diese DFG-Standards erwähnt und sie einer kritischen Betrachtung unterzogen. In der FAZ wurde darüber berichtet und kurz danach bekam ich von der DFG eine E-Mail, dass sie sich gerne zum Gespräch mit mir treffen wollten. Zu dem Gespräch ist es dann aber nicht gekommen. Ich vermute, dass der Grund dafür war, dass kurz danach zwei Professoren der Uni Frankfurt einen kritischen Gastbeitrag in der FAZ zu den DFG-Standards veröffentlichten. Ich war in der FAZ ja nur mit ein paar Aussagen zitiert worden, während die Frankfurter Kollegen einen längeren Beitrag verfasst hatten. Und so denke ich, dass die Aufmerksamkeit der DFG sich auf diese verlagerte. Der geringe Widerstand gegen diese wissenschaftsfremden Entscheidungskriterien für die Mittelvergabe ist in meinen Augen jedoch bedenklich. Erstens, weil Wissenschaft auf diese Weise politisiert wird. Und zweitens, weil eine einmal vollzogene Politisierung erfahrungsgemäß weitere nach sich zieht. So würde es mich nicht wundern, wenn irgendwann Forschungsorientierte Klimaneutralitätsstandards eingeführt würden, die Forschungsförderung davon abhängig machten, wie klimaneutral die Hochschule des Antragstellers einzustufen ist.

 

Sandra Kostner studierte Geschichte und Soziologie an der Universität Stuttgart und promovierte an der University of Sydney. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin des Masterstudiengangs „Migration, Diversität und Teilhabe“ an der PH Schwäbisch Gmünd. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migrations- und Integrationspolitik, die Zukunft von Demokratie und Liberalismus im Westen sowie Konfliktforschung.

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21 Kommentare

  1. Die Vergabe von Forschungsgelder nach politischen Kriterien geht schon in Ordnung und die Kritik daran muss entschieden zurückgewiesen werden.
    Wozu braucht man in Deutschland Universitäten, die sich auf Leistung und Erkenntnisgewinn fokussieren, wenn die ökonomische Basis erodiert und in der Politik esoterische Vorstellungen und Lösungsversuche die Hegemonie haben? Ist erkennbar unnütz.

    Angesichts des lautstark demonstrierten Selbstbewusstseins der neuen wokeschistischen Eliten – Studienabbrecher, akademische Hochstapler und Betrüger – werden wir den Wissenswettbewerb mit den aufstehenden asiatischen Nationen zweifelsfrei gewinnen. Klar, wenn jährlich 250.000 junge Inder Mathe studieren, nachdem sie eine Aufnahmeprüfung bestanden, von der ein deutscher Matheprof erklärt, dass seine Studenten das nicht schaffen würden, können sich Zweifel regen. Aber die lassen sich leicht zerstreuen, wenn man darauf verweist, wie sehr es den Indern an schwulen Matheprofs oder auch an Transen mangelt. Da können die sich drehen und winden, so viel wie sie wollen. Das kriegen die nicht gebacken.

    Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Seit weit über hundert Jahren, seit es sowas wie linke Gesellschaftskritik gibt, gehört dazu die Prognose der finalen Krise des Kapitalismus. Der erwies sich leider als sehr viel widerstandsfähiger, als man erwartete.
    Nur jetzt ist es doch ist es doch soweit. Die Umwandlung der Gesellschaft in eine, in der Inkompetenz, Faulheit und Dummheit zu tragenden Säulen werden, kann er nicht überstehen.

    1. @ 1211

      Der Reichtum und die daraus resultierende Macht des Kapitalismus puffert “Inkompetenz, Faulheit und Dummheit” doch erheblich ab, sodass er noch eine Weile dahinvegetieren und auch noch allerlei Übel über die Menschheit bringen kann.

  2. Ein Land, das aus ideologischen Gründen seine Energieerzeugung zerstört und seine industrielle Basis abschafft, braucht keine Forschung und Entwicklung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Eine Bevölkerung, die diese Voodoo-Zauberer in der Politik, die die 99% ärmer und die 1% reicher macht, auch noch wählt und für diese Politik zahlreich demonstriert, mit einer solchen, in der Masse verblödeten Gesellschaft , ist reale Wissenschaft eh vergeudete Mühe…

    1. @Ronald

      Ein Land, welches aus ideologischen Gründen seine allgemeine Hochschulreife durch das aufspalten von Fächern in Grund-und-Leistungskurs entwertet und dem sogar noch eins drauf setzt durch die Möglichkeit, bestimmte Fächer abzuwählen, so das am Ende nur ein ‘Abi’ raus kommt, schafft auch keine Forschung und Entwicklung mehr, weshalb die industriellen Basis getrost weg kann.
      Was eventuell in der Leichtindustrie noch funktionieren könnte wären Töpfe und Pfannen.

      Grüße

  3. Der Wissenschaftsbereich steht aktuell sehr unter Druck.
    Abhängigkeit vom Staat. Abhängigkeit von der Wirtschaft. Abhängigkeit von den Verlagen mit ihren überteuerten Preismodellen. Abhängigkeit von Ideologien.
    Dazu kommt das auch die Universäten selbst mit aussieben, wenn man sich die Fälle von Guerot bis Meyen anschaut.
    Wir haben wahrscheinlich mittlerweile so viel Beeinflussung wie seit dem Mittelalter nicht mehr, wo man dem örtlichen Fürsten gefallen musste.

  4. Datum: 19. Juni 2024 um 12:56:55 MESZ: An Stark-Watzinger und Verteiler

    “Betreff: Statement von Lehrenden an Berliner Hochschulen … — Antisemitismus / Hamasterror — “Fördergeld Affäre”

    Sehr geehrte Frau Stark-Watzinger,

    I.) stark war das nicht, was Sie bisher erklärten und wie Sie handelten, sondern ein Skandal Amtsführung. Lassen Sie mich als Ihr Souverän, der Sie bezahlt, zunächst klipp und klar feststellen: fachlich und charakterlich sind Sie für Amt und Mandat, insbesondere für die Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ungeeignet, da offenkundig überfordert:

    · Lange überfällige Reformprojekte mit Blick auf Schule und Universität haben Sie seit Amtsantritt nicht in Angriff genommen.

    · Sie lassen nach meiner Einschätzung zu, dass die Arbeit Ihres Hauses weiterhin ideologisch einseitig und unerträglich unterwandert ist und wird. Damit gefährden Sie die Unabhängigkeit Ihres Ministeriums, damit stellen Sie bzw. Ihr Handeln eine signifikante Gefahr für ein freies Schul- und Bildungssystem in Deutschland dar.

    · Eine Spitze dieses Eisberges ist die Causa Sabine Döring. Zu Ihrem bisherigen Wirken in diesem Zusammenhang bleibt mit Friedrich Schiller festzuhalten: „Das war kein Heldenstück, Octavio!“

    · Ihr Auftreten in der Öffentlichkeit als oberste Repräsentantin von Schule / Universität / Bildung Deutschlands – auch während der Pressekonferenz zu diesem Anlass – lässt sehr zu wünschen übrig und ist vollkommen unakzeptabel. Ja, Ihre zur Schau gestellt Arroganz, wie im Falle Döring, macht mich „fassungslos“. „Fassungslos“, ein zur Zeit sehr häufig verwendeter Begriff des politischen Gesinnungsterrorjargons der Eigentlichkeit in Berlin, um Empörung zur Schau zu stellen bzw. in der Öffentlichkeit zu provozieren ( Stichwort „Hass und Hetze“. Auch so eine Gegenwarts-Politik-Lieblingsfloskel. ).

    Der Fisch stinkt immer vom Kopf, immer. Auch ‚in der Ampel‘. So auch in Ihrem Falle, in der Causa Stark-Watzinger / Döring: „Nichtsdestotrotz“ wollen Sie allen Ernstes der Öffentlichkeit erzählen ( Ihre entsprechende „Erklärung“ vom 16.06.2024 ), dass Sie von der ins Werk gesetzten ‚Gesinnungsschnüffelei‘ Ihrer Staatssekretärin, welche Sie selber ins Amt gehievt haben, erst am 11.06.2024 erfahren haben wollen?

    Ich behaupte mit Nichtwissen, dass Frau Döring Ihr Einverständnis sehr wohl voraussetzen konnte, weil sie Sie und Ihre Einstellung zur Thematik kritischer WissenschaftlerInnen ( Stichwort „Cancel Culture“ ) sehr gut kennt. Ich mag mir darüber hinaus gar nicht vorstellen, was in Ihrem ehrenwerte Hause noch alles ‚gesinnungsschnüffeltechnisch‘ gegen Hochschulen und kritische MitarbeiterInnen derselben / daselbst in Arbeit ist! Das ist nach meiner Lesart ein Fall für das BKA und den Verfassungsschutz. Rein vorsorglich, Sie verstehen. Ich will Sie vor sich selbst schützen.

    II.) Die ersten beiden Absätze Ihrer „Erklärung“ wie auch die letzten beiden belegen, welchen ideologisch einseitigen und wesentlichen Stellenwert die Phänomene Antisemitismus und Hamasterror bei Ihnen haben. Das lässt Rückschlüsse auf Ihre Amtsführung bzw. den Spirit Ihrer Amtsführung und somit auf Ihr Verständnis von sog. Wissenschaftsfreiheit zu. Und das war Ihrer Staatssekretärin natürlich nicht unbekannt, denn sonst würde diese dieses Amt nicht bekleidet haben. Wollen Sie den Souverän, die Öffentlichkeit für dumm verkaufen?

    Das „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ und die damit verbundenen Anliegen sind dringlicher denn je! Denn die Doppelmoral in Deutschland bzgl. Israel / Palästina ist schier unerträglich. Sie mögen das unter ‚Antisemitismus‘ / Israelfeindlichkeit subsumieren. – Selbstredend bin ich entschieden der Ansicht, dass nicht das Existenzrecht usw. Israels sog. ‚dt. Staatsraison‘ sein müsse ( Olaf Scholz, Sie kennen diesen Unfug ), sondern allein 1) „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ und 2) die „Charta der Vereinten Nationen“. Hiervon ist Deutschland jedoch entfernter denn je. Ganz im Sinne der USA-Doktrin. Dies belegen die Antworten des Auswärtigen Amtes auf Anfragen von Sevim Dagdelen in den Kontexten Krieg / Naher und Mittlerer Osten usw. Dies belegt die Haltung der Bundesregierung zur Anklage seitens des ICC in Den Haag gegen Israel. Die Bundesregierung delegitimiert damit das Völkerrecht mindestens seit dem Irakkrieg. No less no more!

    Als Staat muss sich Israel – wie jeder andere Staat auch – an den völkerrechtlichen Standards messen lassen. Punkt.

    Die Verbrechen von Hamas und Israel sind grausamst und unentschuldbar in der Tat – und haben eine Vorgeschichte, welche allerdings stets aus politisch-geostrategischem Kalkül ausgeblendet wurde und weiter wird ( dto. Krieg in der Ukraine ). Mit der ‚Ausblendung‘ der Vorgeschichte seit 1948 belegen Sie, denn diese erwähnen Sie in Ihrer „Erklärung“ nicht, dass Ihnen ebenfalls, wie so vielen PolitikerInnen ( Baerbock, Roth, Kiesewetter, Hofreiter … ), das Verständnis für historisch-politische Zusammenhänge fehlt. Oder soll ich derlei harmlos geschichtsvergessen nennen? Nein, Sie alle sind nicht geschichtsvergessen, denn dafür haben Sie Berater!

    Ferner: Es war seitens der Lehrenden in ihrem Statement überhaupt nicht notwendig, auf den Terror der Hamas einzugehen ( Absatz 2 Ihrer „Erklärung ), denn

    a) das Anliegen der Lehrenden war ein ganz anderes

    b) seit dem 7. Oktober 2023 wird mehr oder weniger pausenlos über die Perfidie der Hamas berichtet. Insoweit darf man das Wissen darüber voraussetzen. Allgemeinwissen muss nicht ständig und überall wiederholt werden. Es sei denn, man will Gesinnungsterror betreiben. Aber den wollen wir doch alle nicht, nicht war, Frau Stark-Watzinger?

    c) Vielmehr zeugt Ihre „Erklärung“ m. E. von einer Art Absicht zur Volksverhetzung, von der Absicht, jenen Zustimmung zur Hamas unterstellen zu wollen, den Lehrenden nämlich, weil sie nicht explizit ( schon wieder ) auf den Hamasterror eingegangen, weil sie kritisch sind. Diese Art der Ausgrenzung ist ‚sehr beliebt‘ seit dem Jahre 2015 – und noch ‚beliebter‘ seit dem 24.02.2022. Diese Ausgrenzung wird hoffentlich das Vertrauen seitens der Lehrenden – mindestens an Berliner Hochschulen – in Politik, mithin in Ihre Amtsführung, zerrütten.

    Insgesamt bedrückt mich, dass offensichtlich seit ca. 2015 gleichsam mit Medien-Stasi-Methoden wieder gegen deutsche Hochschulen / WissenschaftlerInnen gesinnungsterroristisch vorgegangen wird. Ihre Aussagen in den Absätzen 3, 5 ff. sind Lippenbekenntnisse. Mehr noch, Sie sind eine bodenlose Infamie!

    III. Fazit: Amtsführung einseitig ideologisch, ja ungenügend, Vertrauen zerstört: Deshalb fordere ich Sie zum unverzüglichen Rücktritt auf! Machen Sie den Weg frei. Gehen Sie wieder zur Bank, ins Finanzwesen. Zählen Sie Erbsen. Das passt besser zu Ihnen.

    Keine Grüße

    Roland Weinert [ drs. phil. ]
    Magister Artium ( Universität zu Köln, Köln, D )
    Master of Business Administration ( Universität St. Gallen, St. Gallen, CH )”

        1. @Roland Weinert

          “Nie und nimmer hat sie eingenmächtig gehandelt in so einer delikaten Angelegenheit.”

          Steht außer Frage – nur – wer gab die ‘Anregung’ dazu?
          Die Möglichkeit besteht durchaus, daß die am Ende einzigst auf dem Tisch liegt.

          Grüße

    1. Man fragt sich manchmal wirklich welche Denke die haben. Dem Bürger wirft man vor undemokratisch zu sein, wenn er die “falschen” Parteien wählt, selbst bezeichnet man sich als Oberdemokraten, verhält sich aber wie ein Autokrat.

  5. Danke für das (wieder) sehr interessante Gespräch.

    Nur am Rande:

    Erstmittel = Grundfinanzierung
    Zweitmittel = Fördermittel von öffentlichen Einrichtungen (wie BMBF, DFG)
    Drittmittel = Fördermittel aus privaten Einrichtungen (Stiftungen, der Wirtschaft)

    Der Unterschied zwischen Zweit- und Drittmitteln wird oft nicht gemacht.

    P.S. Und wenn man die Erstmittel erhöht, bekommt man dann wieder mehr Vetternwirtschaft?

    1. @Stephan Schleim

      “P.S. Und wenn man die Erstmittel erhöht, bekommt man dann wieder mehr Vetternwirtschaft?”

      Meinen Sie damit, es wäre dann noch mehr möglich als unter den Bündischen eh schon läuft?
      Dann werde ich mich ernsthaft damit auseinandersetzen, in meinem Alter ein Studium aufzunehmen.
      Bei den Schlagenden werd ich schon unterkommen, müssen ja nicht wissen das mir Jünger als wunderbarer Schriftsteller, ansonsten einer mit Vollklatsche gilt.

      Grüße

    2. Zweitmittel sind zusätzliche öffentliche Gelder des die Einrichtung/ HS tragenden Bundesländer zur Grundfinanzierung. Zu den Drittmitteln gehören alle öffentliche Forschungsförderungen des Bundes, der EU, dem weiteren Ausland sowie aus anderen Bundesländern und natürlich alle privat eingeworbenen Mittel.

      1. >>und natürlich alle privat eingeworbenen Mittel.<<
        und welchen EInfluss haben die privat eingeworbenen Mittel auf die Hochschulpolitik?

  6. Doch, genau diese Diversität ist das Problem.
    Das propagiere ich seit 1974!
    Zu viele verschiedene Lebensmodelle auf einem Fleck, macht am Ende das Leben für alle unerträglich und sorgt für Krieg.
    Aber, das wollt ihr alle nicht verstehen.

    1. >>Zu viele verschiedene Lebensmodelle auf einem Fleck, macht am Ende das Leben für alle unerträglich und sorgt für Krieg.<<
      Grundgütiger Schwachsinn! Für Kriege braucht es möglichst viele gleichgeschaltete Lebensmodelle. Erst ein verblödeter, gleichgeschalteter Pöbel kann dazu missbraucht werden, am Reißbrett geplante Kriege, Progrome oder so weiter in die Tat umzusetzen, irgendwas in der Art wie: Ein Volk, ein Reich, ein Putin oder Chrupalla oder so ähnlich…. Lieber nicht!

      1. Du verkehrst das wieder ins Gegenteil, genau wie es die Mainstreammedien es auch machen.
        Es geht hier nicht um Gleichmacherei.
        Zu viele Köche verderben den Brei.
        Ich beschäftige mich ja auch schon seit 50 Jahren mit dieser Problematik, und komme immer wieder zu dem gleichen Ergebnis.
        Es geht hier um grundlegende Lebensmodelle, die eben nicht ohne Nachteile für alle, zb, durch einen gewollt repressiven Staat unter einen Hut zu bringen sind.
        Ich sagte schon Anfang der 80er, das Integration nicht funktionieren kann.
        Wir bekommen gerade die Quittung dafür und wie man weiß habe ich nichts mit diesem Chrupalla und Konsorten zu tun…denn ich komme genau von der anderen autonomen Seite, der die Rechten immer bekämpft hat, aber eben ohne an den Schnittmengen vorbei zu sehen, wie es die Linke und die Grünen machen.

  7. Wir sollten uns auch fragen, ob wir nicht abgesehen von den unbedingt notwendigen Studiengängen für die Nachkommenschaft potenter Investoren an den Elitehochschulen nicht gänzlich auf das gemeine Hochschulwesen verzichten sollten, da sich die jungen Leute direkt umso weniger dem Dienst an der Waffe verweigern, je geringer ihr Bildungsgrad ausfällt. An der Ostfront werden in jedem Fall in der Masse weniger ausstudierte Oberbefehlshaber als blutjunges Kanonenfutter benötigt. Meister Pistorius hat das Kriegshandwerk schließlich auch von der Pieke an gelernt, als er noch der Wehrpflicht unterlag und den einen oder anderen Schützengraben ausheben musste. Ob wir überhaupt einen Bedarf an Hochschulen haben, sei daher dahingestellt. Vielleicht könnte schließlich auch ein Waffentraining in der Grundschule bzw. Kaserne ausreichen, um Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen. Je dümmer die Masse der Bevölkerung ist, umso leichter lässt sie sich manipulieren. Hierzu befinden sich die Protagnisten der herrschenden Machtblöcke und solcher, die es werden wollen, in erbittertem Wettstreit und deren Ziel ist nicht die allgemeine Bildung sondern die Anpassung von Bildung an ihre selbstsüchtige Interessenlage.

  8. Natürlich muss sich jede öffentliche Förderung auch nach dem Zweck der Förderung fragen. Gesellschaftliche Ansprüche wie Gleichstellung, Diversität etc. gehören selbstverständlich dazu. Die vorgestrige Kritik daran greift ins Leere, wir leben doch schließlich nicht mehr im Mittelalter
    Die Forschungslandschaft leidet durch eine unzureichende Grundfunanzierung, welche die zu jeder Wissenschaft gehörende Redundanz zerstört und deren Irrtümer bestraft.

    Aus gleichem Grunde kurzsichtig ist die Ausrichtung an kurzfristig verwertbaren Ergebnissen und die leistungsorientierte Mittelvergabe. Sie bindet nur unnötig Arbeitskraft an büokratische Antragsverfahren mit ungewissem Ausgang.

    Was Wissenschaft neben einer stärkeren Grundfinanzierung bedarf, ist viel mehr Raum zur (Selbst)Reflexion. Die Wissenschaftsadministration bedarf einer tiefgreifenden Demokratisierung. Noch viel wichtiger müssen die feudalen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Professur und Mittelbau aufgehoben werden. Erst eine Demokratisierung der Arbeitsverhältnisse mit Aufwertung des wissenschaftlichen Mittelbaus (Entfristungen, mehr Eigenverantwortung in Forschung und Lehre, kollegialer Arbeitsbedingungen) bei gleichzeitiger Relativierung der überhöhten Stellung der Professoren ermöglicht wirklich die für Wissenschaft so dringende Selbstreflexion und kollegiale, gemeinsame wissenschaftliche Arbeit. Wissenschaft argumentiert, sie befiehlt nicht. Letztlich muss das feudalaristokratische Ständesystem an Hochschulen zugunsten von mehr Gleichheit überwunden werden.

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