Das Bologna-Prozess hat Hochschulen zu Konformitätsschmieden degradiert. Wie konnte es dazu kommen?
Roberto De Lapuente im Gespräch mit der Historikerin Sandra Kostner.
De Lapuente: Im Cicero haben Sie neulich dargelegt, wie der Bologna-Prozess Konformität zum Erfolgsweg erhoben hat: Was sind die Mechanismen, die eine solche Anpassung bewirken?
Kostner: In erster Linie handelt es sich um systemische Faktoren, die nicht unbedingt aus der Bologna-Erklärung als solche abgeleitet werden können, aber mit der konkreten Umsetzung in Deutschland zu tun haben. Der Bologna-Prozess wollte ja erreichen, dass es ein Europa des Wissens gibt, also einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum, wo Studierende dann aus den verschiedenen europäischen Ländern von einem Land ins andere wechseln können. Dazu wollte man die Studiensysteme vergleichbar machen. Hierfür hat man aus dem angelsächsischen Raum das zweistufige Studiensystem mit Bachelor und Master übernommen. Und zum anderen hat man entschieden, dass es abgeschlossene Module gibt, sodass man leichter ins Ausland gehen kann.
»Diesen Druck hatten wir damals nicht«
De Lapuente: Klingt erstmal nicht grundsätzlich falsch.
Kostner: Das ist richtig. Das Problem liegt nicht in der Reformidee, sondern darin, dass die Umsetzung an vielen Hochschulen zu einer zu starken Verschulung der Studiengänge geführt hat. Diese wiederum war vor allem die Folge davon, dass für jedes Modul Credit Points vergeben werden, die die Stunden abbilden sollen, die an Arbeit anfallen, entweder im Seminarraum oder in der Vor- und Nachbereitung des Seminars. Und das war ein Signal an ganz viele Lehrende, zu sagen: wenn ich jemandem ganz konkrete Leistungspunkte gebe, dann kann es nicht sein, dass die Person diese Punkte nur bekommt, indem sie teilnimmt, sie muss auch etwas leisten. Dadurch wurde dieses Bachelor-Master-System in Deutschland total prüfungsfixiert. Es hat sich zwar inzwischen etwas abgebaut, aber es ist immer noch zu sehr auf Prüfungsleistungen fokussiert.
De Lapuente: Wie hat sich das zur Vor-Bologna-Zeit verändert?
Kostner: Vor Bologna war es so, dass die Abschlussnote die am Ende des Studiums abgelegten Prüfungen abbildete. Das signalisierte Studierenden: Ihr könnt Euer Studium dazu nutzen, intellektuell zu experimentieren und das Argumentieren einzuüben. Wenn Hausarbeiten nicht gut benotet wurden, konnte das viel leichter als Ansporn gesehen werden, in Zukunft besser zu werden. Heute zählt jede Note in die Endnote, sodass Studierende, von Anbeginn auf möglichst gute Noten achten. Anders gesagt: die für eine Hausarbeit erzielte Note erscheint aus studentischer Sicht wichtiger als intellektuelles Wachstum. Das ist nachvollziehbar, weil das System die Studierenden notenfixiert agieren lässt. Es ist aber intellektuell betrachtet problematisch, weil Studierende, um erfolgreich zu sein, intellektuell weniger riskieren. Dann kommen aber auch noch externe Impulse hinzu, also gesamtgesellschaftlich wirkende Impulse, etwa die Verengung des Meinungskorridors bei gesellschaftspolitisch wichtigen Themen, allen voran Transformationsagenden im Namen der Identitäts- und Klimapolitik.
De Lapuente: Neben der Anpassung: Hat der Bologna-Prozess nicht auch eine Verwässerung der Lerninhalte bewirkt?
Kostner: In manchen Studiengängen schon, das hängt jedoch nicht mit den Bologna-Zielen zusammen, sondern damit wie sie vor Ort an den Hochschulen umgesetzt wurden. Wesentlich allerdings im Hinblick auf die Studienanforderungen erscheint mir der in den frühen 2000er-Jahren intensivierte Akademisierungstrend. Internationale Vergleichsstudien zeigten, dass es in Deutschland weniger Hochschulabsolventen gibt als in anderen Ländern. Hinzu kam, dass gerade nach dem sogenannten PISA-Schock der Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung bzw. eines Hochschulabschlusses zu dem Gradmesser für Bildungsgerechtigkeit schlechthin erklärt wurde. So wurden berufliche Abschlüsse ab- und Studienabschlüsse aufgewertet. Jungen Menschen und ihren Eltern wurde vermittelt, dass ein Studium der Weg zum Erfolg ist. Viele hörten die Botschaften, wie die Entwicklung der Studierendenzahlen zeigt: Gab es im Jahr 2000 ungefähr 1,8 Millionen Studierende, waren es 20 Jahre später fast drei Millionen. Zugleich ist die Zahl der Studiengänge stark gestiegen. Vor der Umsetzung von Bologna gab es ungefähr 12.000 Studiengänge – jetzt sind es schon etwa 21.000. Interessanterweise gibt es mehr Master- als Bachelorstudiengänge, obwohl 1,7 Millionen in Bachelor- aber nur 600.000 in Masterstudiengängen eingeschrieben sind. Die Studiengänge sind daher auch im Masterbereich, der dazu gedacht war, dass Studierende sich wissenschaftlich vertiefen, oftmals verschult aufgebaut und bieten nicht hinreichend Freiräume für eigene Schwerpunktsetzungen.
»Man hat natürlich schon eine Lenkung des Studiums gewollt«
De Lapuente: Würden Sie so weit gehen und annehmen wollen, dass das der Grund für die Hochschulreform war: Die Studentenschaft einfangen und ruhigstellen?
Kostner: Wenn Sie sich gerade mal die Neunzigerjahre anschauen, dann war das kein Jahrzehnt, wo Studierende wirklich ruhiggestellt hätten werden müssen. Politisch inaktiv waren die schon ohne Hochschulreform. Und die kam bekanntlich erst etwas später. Insofern kann das jetzt nicht als unmittelbare Reaktion einer Bildungspolitik, die Wege gesucht hätte, Studierende auf den Konformitätspfad zu führen, begriffen werden. Ich denke, dass hier andere Faktoren ausschlaggebend sind.
De Lapuente: Ökonomische?
Kostner: Ja, Bologna fiel in eine Zeit, in der New Public Management en vogue war. Mit diesen Ansätzen wollte man Wettbewerbselemente in die Institutionen einführen. Ein ökonomischer Faktor war auch, dass Teile der Wirtschaft forderten, Studierende müssten so ausgebildet werden, dass ihre Kompetenzen unmittelbar anschlussfähig an den Arbeitsmarkt sind. Ein weiterer ökonomischer Faktor war, dass man die Studienzeit, die vielen in Deutschland als zu lang galt, verkürzen wollte. Studierende sollten nach 3 bis 4 Jahren Studium einen Bachelor erwerben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ein Masterstudium war v.a. für diejenigen gedacht, die sich wissenschaftlich weiterqualifizieren wollten, direkt nach dem Bachelor oder nach einigen Jahren Arbeitserfahrung. Zudem wollte man auf diese Weise die Studienabbrecherquote senken. Die ist aber nach wie vor ja relativ hoch. Jeder Dritte bricht noch sein Bachelor- und jeder Fünfte sein Masterstudium ab. Die Reform hat an dieser Stelle also nicht den großen Erfolg gebracht.
»Ich glaube, die Studierenden heute sind zielstrebiger als meine Generation«
De Lapuente: Vor den Neunzigerjahren waren Hochschulen durchaus auch ein Hort der Rebellion. Haben Sie den Eindruck, dass sie heute ein Ort für die Reaktion sind? Stichworte wären: Cancel Culture und Einengung des Debattenraumes – wie Sie es vorhin schon in einem Nebensatz erwähnten.
Kostner: Ich würde diese Phänomene auch als reaktionär bezeichnen. Aber paradoxerweise sehen sich diejenigen, die das Canceln betreiben oder den Meinungskorridor verengen als progressiv. Wichtig ist mir darauf hinzuweisen, dass nicht alle Hochschulen und Fachbereiche gleichermaßen von einem ideologisch motivierten Klima der Unfreiheit betroffen sind. Es sind im Wesentlichen die ohnehin für gesellschaftspolitische Themen offenen Fachbereiche, also Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften, die das hervorbringen. In diesen Fachbereichen ist der Anteil an ideologisch motivierten Wissenschaftlern und Studierenden in den letzten Jahren angestiegen. Ihr Ziel ist es, Forschung und Lehre zu nutzen, um ihre Weltanschauung durchzusetzen. Manche von ihnen gehen dabei so weit, dass sie zu freiheitsfeindlichen Mitteln greifen, allen voran der moralischen Diskreditierung, sozialen Ausgrenzung und institutionellen Bestrafung Andersdenkender.
De Lapuente: So sind aber doch hoffentlich nicht alle Studenten …
Kostner: Die große Mehrheit der Studierenden agiert nicht so, sie ist relativ unideologisch und duckt sich eher weg vor diesen ideologischen Strömungen als sich diesen aktiv zu stellen und in die argumentative Auseinandersetzung zu gehen. Das ist zum einen ein Spiegel des gesamtgesellschaftlichen Klimas, das sich viele wegducken. Aber zum anderen eben auch, dass sie schon von der Schule aus sehr stark darauf gedrillt sind: Wichtig ist, dass du gut vorankommst, einen guten Abschluss machst und deinen Weg im Leben gehst. Gerade wenn ideologische Positionen in freiheitsfeindlicher Manier von Lehrenden vertreten werden, werden sich viele überlegen, ob sich Widerspruch lohnt oder ob es nicht klüger ist zu schweigen, weil man sonst Nachteile erfahren könnte, z.B. bei der Benotung.
De Lapuente: Also provokativ gefragt: Die Studenten sind heute gar nicht doofer als noch vor einem Vierteljahrhundert?
Kostner: Nein, keineswegs. Wir Menschen sind soziale Wesen, als solche passen wir uns stark an die Kontexte an, in denen wir uns bewegen. Und es sind ebenjene Kontexte, die sich verändert haben. So wurde in der Bologna-Universität zu einer der wichtigsten Fragen für viele Studierende in Bezug auf Seminarinhalte: Ist das prüfungsrelevant? Und wenn sie dann Nein sagen, dann schalten viele ab. Dieses Verhalten ist m.E. auch eine Folge des Bologna-Prozesses, weil das System Studierenden signalisiert, dass sie bestimmte Seminare belegen müssen und ab Tag 1 gute Note erzielen müssen. Mein Eindruck ist, dass die heutigen Studierenden zielstrebiger sind, als meine Generation es war, weil wir an den Unis mehr Freiraum hatten. Wir mussten gar nicht so zielstrebig sein oder wir waren nicht so darauf gedrillt, zielstrebig vorzugehen.
»Mein Eindruck ist, dass man damals sehr viel sagen und argumentieren konnte«
De Lapuente: Was finden Sie persönlich besser? Diesen Weg, den sie hatten, auf dem sie sich austesten konnten? Oder dieses enge Korsett, das wir heute für Studenten ersonnen haben?
Kostner: Rückblickend bin ich sehr froh darüber, dass ich vor der Einführung des Bologna-Systems studiert habe. Wir hatten deutlich mehr Freiheiten. In meiner Erinnerung konnten wir damals auch viel unbefangener Argumente zur Diskussion stellen als dies heutzutage der Fall ist. Das hat jetzt erstmal direkt nichts mit Bologna-System zu tun, aber es verstärkt zumindest, dass viele Studierende schon mit einer gewissen gesellschaftlich vorgeprägten Selbstzensur an die Unis kommen.
De Lapuente: Wir leben am Rande eines Krieges, der sich jederzeit zu einem kontinentalen Krieg auswachsen könnte. Auch an den Universitäten regt sich wenig Aufruhr. Sie haben mit Ihrem Kollegen Stefan Luft ein Buch mit dem Titel »Ukrainekrieg. Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht« herausgegeben. Schweigt man im Hochschulbetrieb auch, weil dort Angst herrscht, sich hervorzuwagen?
Kostner: Das hängt stark davon ab, wie die Hochschule aufgestellt ist – ob es dort Personen gibt, die Andersdenkende bekämpfen. Also wenn sie zum Beispiel an der LMU im Bereich der osteuropäischen Geschichte sind und wissen, dass sie dort eine Kollegin haben, die in den Sozialen Medien Personen, die von ihren Positionen abweichen, massiv diskreditiert, dann ist es naheliegend, sich die Frage zu stellen: Was bedeutet das für mich im direkten beruflichen Umfeld, wenn ich so ein Buch veröffentliche? Es war auf jeden Fall hilfreich, nicht vor dieser Frage zu stehen. Ich hätte zwar das Buch trotzdem herausgegeben, wäre aber das Projekt mit einer viel größeren inneren Anspannung angegangen.
De Lapuente: Wie ist bei diesem Thema der Umgang mit den Studenten?
Kostner: Der Beginn des Krieges fiel in die vorlesungsfreie Zeit – im April ging das Semester los. Da haben mich Studierende auf den Ukrainekrieg angesprochen. Ich habe einen Moment überlegt: Wie stelle ich jetzt meine Überlegungen dazu dar? Ich verfuhr wie auch sonst, d.h. ich habe ihnen einfach verschiedene Blickpunkte aufgezeigt. Perspektiven, wie man das sehen kann und dann habe ich gefragt, wie sie die Argumente für oder wider bewerten würden. Also wo sehen Sie stärkere Argumente, wo sehen Sie empirische Lücken – und wo halten sie die Indizien für Argumente für zu schwach?
»In der Wissenschaft wird der Gesellschaft noch viel mehr an Kreativität und Innovationen entzogen«
De Lapuente: Klingt wie ein klassisch demokratisches Vorgehen. Für und wider, pro und contra, abwägen …
Kostner: Vor einigen Jahren haben mich Studierende gefragt: Wo stehen Sie eigentlich? Ich wollte wissen, warum sie das jetzt wissen wollten. Sie meinten, ich sei die einzige Lehrende, bei der sie überhaupt keine Idee hätten, wo ich eigentlich politisch stehe. Damals ging es besonders um die Migrationsfrage. Bei all den anderen wüssten sie immer, wo sie positioniert seien. Sie fänden es gut, dass sie es nicht wüssten bei mir, weil sie das Gefühl hätten, sie könnten wirklich offen sprechen. Anderseits verunsichere sie das dann doch. Ich antwortete, was ich ihnen vorher schon mehrmals sagte: »Sie können bei mir für ganz unterschiedliche Perspektiven argumentieren. Es kommt nur darauf an, dass Sie argumentativ stringent vorgehen und dass Sie es gut belegen können. Und wenn Sie dann zu einer Argumentation kommen, die meiner Meinung hundertprozentig diametral widerspricht, kriegen Sie trotzdem eine Eins.« Daran sieht man natürlich, dass sie im Bologna-System sozialisiert worden sind und sich inhaltlich am Lehrenden ausrichten wollen.
De Lapuente: Wenn die Hochschulen nachhaltig ausfallen als Hort des freien Gedankenaustausches: Was bedeutet das für unsere zukünftige Gesellschaft?
Kostner: Das ist ein großes Problem, weil die Hochschulen nicht der einzige, aber ein wichtiger Motor für Kreativität und Innovation für jede Gesellschaft sind. Wenn sich Studierende dort zu stark selbst Konformität auferlegen, wird diese Haltung später auch in die Gesellschaft getragen. Und das ist für jede Gesellschaft eine Bürde. Die Studierenden sind natürlich nur eine Seite dieser Entwicklung. Der andere Teil – und da geht der Gesellschaft vielleicht sogar noch mehr verloren – sind die Wissenschaftler. Da greifen ja ähnliche Prozesse. Nicht über Bologna, sondern über die Public-Management-Reformen. Dort wird der Gesellschaft noch viel mehr an Kreativität und Innovationen entzogen, als es jetzt direkt nur über die Studierenden ist.
Sandra Kostner studierte Geschichte und Soziologie an der Universität Stuttgart und promovierte an der University of Sydney. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin des Masterstudiengangs “Migration, Diversität und Teilhabe” an der PH Schwäbisch Gmünd. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migrations- und Integrationspolitik, die Zukunft von Demokratie und Liberalismus im Westen sowie Konfliktforschung.
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Die Variante: Gute Idee – nur in D schlecht umgesetzt ist im pol. Alltag nicht unbekannt. Hier vertreten von einer “Historikerin”. Die vermutlich de Prozess der konformistischen Anpassung selbst durchlaufen hat. Oder wie`s im Merkspruch heißt: das eine was man will und das andre was man kann.
“Hier vertreten von einer „Historikerin”.. ”
… und als Soziologin, naturgemäß selber akademisch-affimierender Teil der neoliberalen Gesellschaft, ist sie am Wenigsten in der Lage, wahrlich Erhellendes – geschweige denn Ursächliches – zum Thema beizutragen. Ganz im Gegenteil trägt die Soziologie zur Verschleierung der Zustände bei…
Ein wirklich interessanter Beitrag, in dem meine eigenen Erfahrungen mit heutigen Studenten bestätigt und vertieft werden.
Da ist inzwischen mehr als eine ganze Generation junger Leute verdorben worden.
Die heikle Frage ist natürlich, ob bzw. wie es gelingen könnte, den freien Geist wieder an die Hochschulen zu bekommen?
Unwillkürlich fällt mir die Gründung der Freien Universität Berlin im Jahre 1948 ein, mit der auf die ideologische Gleichschaltung der eigentlichen Berliner Universität, also der Humboldt-Universität im Ostteil der Stadt, reagiert wurde. Allerdings wurde diese Neugründung durch viel Geld und politische Unterstützung aus den USA gefördert.
Trotzdem meine ich, dass man um das Projekt der Neugründung einer privaten Hochschule, später vielleicht auch mehrerer, mit freiheitsbewussten Professoren und alternativem Profil nicht herumkommt. Die Frage ist, ob das finanzierbar wäre? Eine andere Frage wäre, ob man Studenten an solche freien Hochschulen bekommt, obwohl man dort nicht die Bologna-Abschlüsse erwerben würde?
An eine Reformierbarkeit der vorhandenen Hochschulen innerhalb überschaubarer Zeiträume glaube ich nicht, dagegen spricht schon allein das Berufsbeamtentum der Hochschullehrer und die Abhängigkeit dieser Hochschulen vom Staat.
“Freier Geist” durch Privatisierung am Wettbewerb ausgerichteter Lehren?
Neoliberaler geht’s nicht…
Ich habe nicht geschrieben, dass es sich um solche (neoliberalen) Geldgeber handeln sollte. Weshalb auch? Die größeren Unternehmen würden ja gar keine Notwendigkeit sehen, die heutigen Hochschulen zu ändern. Die Unis sind ja schon auf ihre Interessen zugeschnitten.
Nein, das müssten und sollten schon Geldgeber sein, die aus dem konservativen Milieu stammen. Kapitalstarke Leute die selbstverständlich nicht links-sozialistisch ausgerichtet sind, aber trotzdem eine gewisse Distanz zur Ideologie des globalisierten Neoliberalismus haben und ein freies Geistesleben sowie eine andere, freie Lehre befürworten. Solche Leute gibt es.
Ich nehme aber mal an, dass Ihnen das nicht gefallen würde.
@Wolfgang Wirth
“Da ist inzwischen mehr als eine ganze Generation junger Leute verdorben worden.”
Es gehören immer ZWEI dazu, die EINEN die verderben wollen und die ANDEREN die sich verderben lassen!
Ich bezweifele – bzw. schließe aus – dass junge Menschen vor allem nach Durchlaufen unserer “Bildungseinrichtungen” ein Bewusstsein für derlei Verderbtheit haben.
@ Chefkoch01
Das haben Sie nett formuliert!
Ja, das schließe ich auch für die ganz große Mehrheit der Studenten aus. Die kennen ja auch nichts anderes mehr.
@Otto0815
Na ja, dem Gruppendruck ist gerade für junge Menschen schwer auszuweichen. Hinzu kommt, dass gerade die meinungsbildenden und für “progressiv” gehaltenen Gruppen (auch innerhalb der Studentenschaft) sowohl den Bologna-Prozess als auch die woke Gleichschaltung der Hochschulen wohlwollend oder zumindest nur mäßig kritisch begleitet haben.
Die Studenten kennen ja auch nichts anderes mehr.
@ Wolfgang Wirth
Ich korrigiere mich:
Die Studentenschaft hat den Bologna-Prozess vor 15 bis 20 Jahren nicht begrüßt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Studentenproteste_in_Deutschland_2009
Ich zitiere:
“11.12.1947
Wahlen zum 2. Studentenrat an der Berliner Universität (Vulgo Humboldt-Universität)
Die Wahlbeteiligung beträgt 75,5%. Die 30 Mandate verteilen sich wie folgt: SED: 3, CDU: 3, SPD: 2, LDP: 1, Parteilose: 21. In der Philosophischen Fakultät erhält der Vorsitzende der SPD-Hochschulgruppe, Otto Stolz, mehr als zwei Drittel der gültigen Stimmen. Die Juristische Fakultät wählt den Vorsitzenden der CDU-Hochschulgruppe, Ernst Benda, den späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.”
https://web.fu-berlin.de/chronik/chronik_1945-1948.html
Seltsame Art von “ideologischer Gleichschaltung”.
“Reagiert” wurde mit der Gründung der FU Berlin wohl eher auf die ökonomische und noch ausstehende politische Spaltung Deutschlands durch die Währungsreform (20. Juni) in den Westsektoren, darunter denen Berlins, die von sowjetischer Seite mit der sog. Berlinblockade beantwortet wurde. Der Gründungsaufruf zur Gründung der FU erfolgte am 23. Juli.
Ach ja:
“Januar 1948
Entnazifizierung der Berliner Universität
Durch die Entnazifizierung der Berliner Universität verlieren 349 Mitglieder des Lehrkörpers ihre Stellungen.”
https://web.fu-berlin.de/chronik/chronik_1945-1948.html
Ich bin mir sicher, dass diese 349 “Mitglieder des Lehrkörpers” sich anschließend vehement für die Gründung einer richtig Freien Universität eingesetzt haben. Herr Wirth weiß natürlich, dass die westdeutschen Hochschulen nach 1945 nicht entnazifiziert wurden. Ein Entzug der Lehrerlaubnis wie im Fall Heidergger stellte die absolute Ausnahme dar.
Wer dazu mehr hören möchte sei beispielsweise auf den Vortrag von Prof. Sandkühler “Philosophie im Nationalsozialismus” verwiesen.
https://www.youtube.com/watch?v=nX2wSMb3ZJ4
Auch interessant:
“25.5.1948
Aufruf des “Tagesspiegel” an “ganz Deutschland”
In einem Artikel ruft der Tagesspiegel dazu auf, eine private Stiftung für eine freie Berliner Universität zu gründen. Die Professorenschaft der Humboldt-Universität habe sich mit wenigen Ausnahmen “der Tyrannei gefügt”.” <—- LOL
https://web.fu-berlin.de/chronik/chronik_1945-1948.html
Im übrigen existierte im britischen Sektor Berlins natürlich bereits eine "freie Universität", nämlich die TU Berlin.
@ Besdomny
Na, Sie kennen sich ja gut aus.
Ich möchte Ihnen gar nicht widersprechen, zumal Sie ja den zentralen Punkt meiner Gedanken – Notwendigkeit einer Art von Neubeginn im deutschen Hochschulwesen – nicht bestritten haben.
P.S.
Es kommt ja wohl nicht darauf an, ob jemand im Dritten Reich als Professor tätig war, sondern darauf, was er in dieser Zeit getan und veröffentlicht hat.
So soll es ja auch Hochschullehrer aus der DDR gegeben haben oder vielleicht sogar immer noch geben, die wegen nur geringer politischer Belastung / Vergehen im SED-Staat nach 1990 weiterhin gelehrt haben. Darüber ärgern Sie sich ja wahrscheinlich nicht.
Macht euch mal keine Unnötige Sorge, die Akademische Ausbildung wird auf Kriegswirtschaft umgestellt, und da zählt nur Effizienzsteigerung und Qualität.
Räder müssen Rollen für den Sieg
verzagte Dinge sagt man nicht, die Front erwartet Zuversicht.
»Sie können bei mir für ganz unterschiedliche Perspektiven argumentieren. Es kommt nur darauf an, dass Sie argumentativ stringent vorgehen und dass Sie es gut belegen können. Und wenn Sie dann zu einer Argumentation kommen, die meiner Meinung hundertprozentig diametral widerspricht, kriegen Sie trotzdem eine Eins.«
Belegte Stringenz
– auf dem Boden der “freiheitlich-demokratischen Grundordnung”?
– auf der Basis der herrschenden politisch-ökonomischen Bedingungen?
– auf der Grundlage eines gedachten prospektiven oder utopischen Systems?
– oder wie oder was?
Kann ein Student Kriege, Genozide, Faschismus etc. stringent mit Belegen argumentativ rechtfertigen oder gar fordern und dafür eine Eins bekommen?
Entweder erfasst Frau Kostner den Bedeutungsgehalt ihrer eigenen Aussagen nicht oder sie versteht das Verdikt, Freiheit sei immer auch die Freiheit des Andersdenkenden, nicht oder sie führt Übles im Schilde.
Es wird immer mühseliger, eine Restübereinstimmung als Voraussetzung für gelingende Diskurse zu finden.
Z.B. sind Staaten, die ohne Wenn und Aber imperiale Interesse verfolgen, für einen Friedensdiskurs nicht zu haben. Sie sind dafür völlig untauglich.
Z.B. sind Selbstmordattentäter, die ihr Leben verlieren wollen, für einen Diskurs über Lebensrettung völlig unzugänglich.
Z.B. sind Neoliberale für einen Diskurs zur sozialen Angleichung jenseits der angeblich segensreichen Wirkungen des freien Marktes völlig ungeeignet.
usw. usw.
Offensichtlich war die “Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse”, die sich eine ganze “Gäng” überwiegend sozialdemokratischer und weiblicher Kultusministerinnen europaweit auf die Fahnen geschrieben hatte, nur ein VORWAND!
Tatsächlich war damals das Auslandsstudium weit verbreitet, und zwar nicht nur im Denglischen, sondern auch in wirklichen Sprachen und Kulturen quer durch die Welt! – Also wurde eine hochbürokratische Lösung für etwas gesucht, das gar kein Problem darstellte!
Deshalb hatten wir, die damals als Student*innen an den Unis gegen die Einführung des Bologna-Systems protestierten, einen Verdacht gegen diese “Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse”. Sie war nur vorgeschoben! Tatsächlich ging es um die Verschulung und das ständige Schielen auf die Prüfungsrelevanz von viel mehr Präsenzstunden, abzusitzenden “Modulen” (früher “Sitzscheine” genannt) – auf Kosten der stärker selbstbestimmten, eher forschenden und mäandrierenden Seminare im Lande der einstigen Dichter und Denker (heute: Faktenschecker, Narrativ-Controller).
Als ein Ergebnis von Bologna ist das Auslandsstudium sogar zurückgegangen. Also hat Bologna hat das Gegenteil seines Vorwands erreicht. Aber wen interessiert das heute noch? (Für Denglisch gibts’ ja Apps, und Trips zu Gastfamilien können sich die buchen, die das nötige Geld haben.)
Auch das Lesen von Büchern durch Student:innen ist extrem stark zurückgegangen. Bücher und Bildung sind nicht prüfungsrelevant.
“Rückblickend bin ich sehr froh darüber, dass ich vor der Einführung des Bologna-Systems studiert habe.”
Genauso wie Sandra Kostner gings’ mir auch. Mit Diplom schloss ich ab, während gerade erst begonnen wurde, die allerersten Studiengänge auf “Schmalspur” umzustellen – wie wir das in unseren Protesten gegen diese Reform nannten. “Schmalspur” meinte den Bachelor: Bis dahin gab es die Zwischenprüfung und Studienabbrecher, die zum Arbeitsamt in Umschulung und dann in die Berufe gingen.
Bologna brachte auch die “Generation Praktikum” hervor oder ging mit ihr einher. Diese Abqualifizierung der Abschlüsse im Arbeitsleben, ihre ganz klar schlechtere Bezahlung wird kaum diskutiert.
Und politisch heißen die Lektionen:
— Als die Sozialdemokratie satte Mehrheiten in Europa hatte, aber nichts draus machte und auch nicht wusste, was sie draus machen sollte.
— War die “Förderung des Auslandsstudiums” eine ähnliche Mogelpackung wie die EU als “Union des Wohlstands und Friedens”?
“Tatsächlich war damals das Auslandsstudium weit verbreitet, und zwar nicht nur im Denglischen, sondern auch in wirklichen Sprachen und Kulturen quer durch die Welt! – Also wurde eine hochbürokratische Lösung für etwas gesucht, das gar kein Problem darstellte!”
Doch. Tat es und leider ist es oft immer noch so. Die deutschen Studiengaenge, insbesondere im Ingenieurwesen, wurden eben nicht anerkannt. Mit einem “alten” Diplomingenieur in USA, Kanada, Australien oder sonst wo als Ingenieur zu arbeiten, war ohne ein weiteres lokales Studium oft nicht moeglich. Erst recht galt das fuer Architekten. Man wurde und wird teilweise immer noch als Techniker eingestuft. Anders ist es als Ingenieur mit Projektleitungserfahrung. Da geht es dann wieder leichter. Man arbeitet aber nicht als verantwortlicher Ingenieur, Entwickler oder Architekt.
Die Hoeflichkeit dieser Laender gebietet es, Studienabschluesse “brilliant” oder “excellent” zu finden, aber die tatsaechlichen Karriereaussichten sind absolut begrenzt ehe man nicht ein Gleichwertigkeitsverfahren oder aber ein Anerkennungsverfahren eines Boards durchlaufen hat, welches Jahre / Jahrzehnte dauern kann. Aerzte koennen aehnliche Lieder singen. Deswegen fahren in Kanada viele davon Taxi um sich ueber Wasser zu halten.
Das Selbstbild der Deutschen stimmt nicht mit der Realitaet ueberein. Der Bologna-Prozess war ein Schritt in die richtige Richtung, zumindest in Europa eine Vergleichbarkeit zu erreichen, sicherlich mit Verbesserungsbedarf da oder dort. Mein persoenliches Bestreben waere ein Pflicht-Auslandsjahr fuer alle Studenten innerhalb Europas bei einer Partneruni, damit es gegenseitig anerkannt wird. Erasmus wird dem ganzen nicht gerecht.
Ihr Beispiel hinkt: “USA, Kanada, Australien” sind nicht im Bologna-System der EU.
Und noch ein zweites Mal hinkts, weil Sie den springenden Punkt gar nicht kennen: die gegenseitige Anerkennung von Studienabschlüssen – darum gehts. Auf Gegenseitigkeit durch die Diplomatie der Akademischen Auslandsämter der Universitäten.
Aber in Ihrem Nichtwissen FORDERN Sie den Umbau des gesamten Universitäts- und Prüfungssystems, nur damit einige Hände voll Ingeniööre besser in USA arbeiten können.
Welche Hybris der Ingäniööre. Die toppt sogar die Hybris der Bologna-Monstermacher.
Meine Güte Estragon. So viel heiße Luft und Grütze in einem kurzen Text. Geht’s Ihnen nicht gut?
Es ist richtig, dass der Bologna-Prozess sich auf Europa bezieht. Er hatte aber zur gleichen Zeit auch direkte Auswirkungen auf die internationale Anerkennung in den englischsprachigen Ländern. Stw. Washington D’accord Abkommen. Der deutsche gute alte Diplom-Ingenieur war eben nicht anerkannt. Ich weiß das deshalb so genau, weil wir durch solche Prozesse durchgegangen sind. Von daher zieht Ihre Behauptung über meine “Unwissenheit” nicht.
Die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen ist ein Gewinn nicht nur für Europa, sondern insbesondere für die Studenten und ermöglicht europäische Flexibilität.
Haben Sie ein Problem mit Ingenieuren? Nicht nur Sie. In Deutschland bevorzugt man Genderforschung statt Naturwissenschaften. Z.B. stehen 7 Lehrstühlen für Nuklearforschung 170 oder mittlerweile mehr Lehrstühle für Genderforschung gegenüber. Das sind die, die die bahnbrechenden Erfindungen machen, die Häuser Brücken, Häfen und Schienen bauen und vor allem die zukunftsfähigen umweltfreundlichen Arbeitsplätze schaffen.
Also, lieber Estragon, doch eher mal einen Gang runterschalten, bevor man so sinnlos um sich tritt.
“Lehren heißt nicht ein Fass zu füllen, sondern eine Flamme anzuzünden”
– Heraklit –
Das Bolognasystem, dessen Einführung ich an einer naturwissenschaftlichen Fakultät erleben musste, ist auf das Füllen von Fässern ausgerichtet. Die verwässerten Inhalte können keine Flamme mehr erhalten.
Die Kreativität und Eigeninitiative bleibt auf der Strecke.
Auch die Akkumulation von Wissen und Können ist durch die Zerstückelung und das System der Credit Points stark erschwert worden. Was vor 2 Semestern erlernt wurde, braucht bereits heute nicht mehr gewusst zu werden.
Ein schönes Heraklit-Zitat! –
Der Spruch der Medizinstudenten vor ihren endlosen Multipe Choice-Prüfbögen:
Das Vermögen des erfolgreichen Prüflings besteht darin, ein Telefonbuch in kürzester Zeit auswendig zu lernen
und es dann bis zum Lernen für die nächste Prüfung wieder zu vergessen.
Ich hoffe
der Genderstern war ein typographischer Ausrutscher?
Fuer die Geisteswissenschaften mag das zutreffen, dass man das so empfindet. Geisteswissenschaftler scheinen auch eher ein diskussionsfreudiges Publikum zu sein.
Ingenieurstudiengaenge waren schon immer “verschult”, weil der Stoff ansonsten gar nicht anders zu bewaeltigen ist. Vermutlich ist es in anderen STEM Faechern ganz aehnlich. Wie es der Zufall will, sind nahezu saemtliche Maenner in unserer Familie Ingenieure verschiedener Richtungen aus 3 verschiedenen Generationen, die noch leben. Sie hatten alle einen aehnlich “verschulten” Stundenplan mit teilweise 40 und mehr Pflichtstunden pro Woche. Lernen und Aufgaben kamen noch obendrauf.
Die Abbruchquoten waren auch von jeher immer sehr hoch. Damals wie heute. Von daher wundern mich die Klagelaute ueber “Verschulung” schon sehr. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren 20 Semester “Studienzeit” bei Geisteswissenschaftlern und Lehrern keine Seltenheit. Es wurde allerdings auch nicht wirklich studiert. Es war eher eine Reise ins Erwachsenwerden. 😉
Ingenieurwissenschaften haben auch das “Problem” mit der Realität umgehen zu müssen.
Entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht.
Das Problem irgendwelche Realitäten berücksichtigen zu müssen haben die anderen Wissenschaften nicht in dem Maße.
Ok Jura und Mathe sollten streng logisch sein, Medizin auch Evidenz-basiert. Aber schon Medizin hat mit ihrem Objekt, dem Patienten einen eigenen Kosmos vor sich, in dem es keine absoluten Gewissheiten gibt.. Da kann eine Therapie einmal funktionieren, einmal nicht. Aber sonstige Fächer, da kann Wissenschaft ziemlich frei drehen…
-Reise ins Erwachsen werden ist gut gesagt. Da hat man oft den Eindruck der Weg ist das Ziel….
Ich lese “Lehrende” und “Studierende” UND lese nicht weiter!
Dieser Neusprech geht einfach nicht in meinen Kopf – schade -, denn der Inhalt ist bestimmt wertvoll; so jedoch leider nicht, für mich.
Hallo GH et.al.
zustimme Satz 1. Widerspreche Satz 2. Mit der These: wer anstatt Dozies und Studies was Sie Neusprech nennen nur`s Gerundium kann kann keinen “bestimmt wertvollen Inhalt” produzieren. Ums polemisch zuzuspitzen: Scheiße gehört inn´ Arsch und nicht inn´ Kopp. Genauer: die Form kann nur die Form des Inhalts sein (nach Hegel).
Was willst denn anderes erwarten? Nur noch Grützköppe unterwegs.
Sie sind damit nicht alleine.
Ich habe nach dem zweiten entsprechenden Lapsus aufgehört zu lesen.
Ich lese „Lehrende“ und „Studierende“ UND lese nicht weiter!
Ob sie das sind so 7-8 Stunden am Tag ? Denn Sie müssen ja auch mal Schlafende, Essende, Kackende, Fickende sein.
Gewiss sind es aber sehr oft Halluzinierende, und das 24/7
Ich habe es zwar gelesen und mir einfach gedacht, dass Studenten, jedenfalls die meisten von ihnen, gelegentlich auch Studierende sind, aber genervt hat es mich auch.
Keine Ahnung, warum Menschen bewusst falsches Deutsch entsetzen, von dem sie wissen, dass 80% der denkbaren Rezipienten es ablehnen, obwohl sie doch eine Aussage um diese Leser vermitteln wollen.
Ach, wollte er das? Da habe ich jetzt aber schon interessantere und weniger gruselige „urban legends“ gelesen. Und vor allem welche mit weniger Europa-Pathos.
Bologna wurde zum Zwecke der kapitalistischen Durchdringung auch noch der hintersten Gesellschafts- und Bildungsbereiche institutionalisiert, um Staat und Markt mit wohlgeformten Menschenmaterial zu versorgen. Schneller, höher, weiter und vollgestopft mit allen Irrungen und Wirrungen der herrschenden Leeren (Als Lehren kann man viele der Glaubenssätze nun wirklich nicht bezeichnen, man zieht höchstens welche für sich daraus).
Kostner bemerkt die ökonomisch-systemischen Hintergründe weiter unten sogar in Ansätzen selbst.
Abgeschlossene Module. *gacker* Abgeschottete trifft es besser.
Dann: War für das „leichter ins Ausland gehen“ nicht eigentlich Erasmus gedacht, das zehn, fünfzehn Jahre vor Bologna begann?
Und es mag ja sein, dass man bei Kostner oder den Instituten mancher Mitforisten (inzwischen) „dank Bologna“ leichter ins Ausland kann. Ich erinnere mich gut, wie mir noch im Bachelorstudium Anfang der 10er Jahre gesagt wurde, dass die meisten Lehrveranstaltungen der Partneruniversität (!) nicht ohne Weiteres anerkannt werden könnten, ich also nach „Erasmus“ noch zusätzliche Veranstaltungen an meiner Alma Mater zu besuchen hätte.
Das war dann neben dem Finanziellen für mich der Grund so ein Auslandsjahr überhaupt nicht einzulegen. Unter der Hand galt „Erasmus“ – und das nicht zu unrecht – ohnehin als „Partyjahr“ für Leute aus der saturierten Mittel- und den Oberschichten. Sex- und Sauftourismus für Akademiker eben. Die einen gehen zum „Springbreak“ nach Spanien, die anderen verbringen gleich den ganzen „Spring“ dort.
Früher, in der nicht guten aber alten Zeit, konnte man sich durchaus einfach noch in ein Seminar oder eine Vorlesung setzen. Ja, einfach so. Heute muss man sich erst in die Veranstaltung „einbuchen“, hoffen, dass sie nicht überlaufen ist und darf dann bei entsprechendem Losglück oder kurzfristig entdeckten Tauschpartner, nach Veranstaltungsbeitritt jedes Mal den Anmeldebogen mit seiner Unterschrift füllen. Ganz schlimm ist es, wenn man als Fachfremder in ein Seminar will, das einen bloß interessiert. Da muss man auf einen Dozenten vom „alten Schlag“ hoffen und ein nicht sonderlich interessantes Thema setzen (Marx, irgendwas mit Archäologie oder Religion). Aber auch dort muss man dann eine „Gegenleistung“ erbringen, sprich ein „Referat“, eine „Sitzungszusammenfassung / -protokoll“ und / oder einen „Studierendenkommentar“. Hört sich so toll an wie es ist und das beste daran: wenn du dann als Soziologie-, Geografie- oder was auch immer für ein fachfremder Student – pardon: Studierender – beispielsweise eine Veranstaltung zu den Ringen des Varus oder der Saturnschlacht (eventuell auch andersrum) besucht hast und drei „Gegenleistungen“ erbrachtest, wird dir der Spaß dann nicht einmal in deinem Fach als „übergreifende Kompetenz“ anerkannt.
Ja, aber ist das denn anderswo großartig anders? Der Stadel beginnt doch bereits in der Grundschule. Das „Projekt Kind“ muss aufs Gymnasium geschleift werden wie das „Projekt Hund“ zweimal täglich zum Auskoten. Anders geht’s nicht. Und was braucht man fürs Gymnasium? Gute Noten, zumindest in Regionen, wo es noch auf die Gymnasialempfehlung ankommt. Der Druck beginnt also bereits in Klasse 1, wenn nicht bereits in Vorschule und Kindergarten, wo man die Kinder, des Deutschen oder ihrer sonstigen Muttersprachen noch nicht formvollendet mächtig, bereits mit Englisch, Französisch und Fachchinesisch beschallt (im Mutterleib bereits mit Bach – letzteres ist sicherlich nicht schlecht, aber meine Kinder bekämen natürlich sanftere Klänge vorgesetzt. Dimmu Borgir oder Camouflage zum Beispiel). Ist das Kind dann auf dem „Gymi“ muss es natürlich mithalten – nicht, dass es wegen seiner „abgesackten“ Noten noch als verhaltsauffällig oder freigeistig veranlagt gilt. Also gibt es Ferienkurse, Nachhilfe und wenn nötig mobilisiert man noch Omas, Tanten und Cousins. Die ganze Staatssicherheit eben, das „Projekt“ darf ja nicht scheitern. Jede Note wird dann explizit auch in der Oberstufe wichtig, da sie ja ins „Abitur“ einfließt. Jede missglückte BK-Arbeit, jede vergammelte Bioklausur. Alles. Und die Abiturnote ist ja wiederum entscheidend in Hinblick auf die „Uni“, da viele Hochschulen – selbst in den so verpönten Geisteswissenschaften – sich mit NCs abschotten. Von Privatschulen ganz zu schweigen. Also muss man über diese Hürde rüber. Und wie schafft man das? Na, mit Prädikatsnoten.
Überspitzt gesagt: die Notenfixierung beginnt im Mutterleib und korreliert obendrein mit der Notenschwemme (Leseempfehlung: Matuschek).
Hör doch auf! Hör. Doch. Auf.
Aber bei genauerem Hinsehen ist es eine Abwertung von beiden. Das Handwerk wird madig gemacht – heute ärgert und wundert man sich über „Fachkräftemangel“ – und durch die Verschulung und Verbildung der „Unis“ zugleich deren Abschlüsse sukzessive entwertet. Was will man mit einem Haufen Sprechblasenwiederkäuern, Fachidioten und Leuten, die nur als Wackeldackel taugen? Immerhin muss man sie in der Regel nicht zwei Mal täglich in den Park zum Erleichtern führen. Andererseits – wo es bereits Elternabende und Safespaces an Universitäten gibt, ist vermutlich auch das nicht mehr weit. Windeltragen soll ja bei manchen bereits in sein.
In der Tat! Das Geraune von den alles beeinflussenden 68ern ist – genau: Geraune. Mag sein, dass es in der BRD in den 1970ern und 1980ern für Studenten mehr Freiheiten und mehr Protestmöglichkeiten als von Seiten heutiger Studierenden gab. Aber die 68er waren eine Minderheit, insbesondere diejenigen, die das Revoluzzertum ernstnahmen und am Ende nicht bei der taz, im Sozialministerium oder in der Villa Reitzenstein landeten. Die große Masse changierte auch früher bereits zwischen Passivität und Systemaffirmation. Wer anders handelte – der bekam Berufsverbot und Isolationshaft.
Und die pseudolinken 68er fanden ihre Spiel-, Gestaltungs- und Arbeitswelt in den Sozial-, Umwelt- und Kulturministerien, wo sie ihre alten Forderungen, völlig entkernt und um 180° gewendet, systemgerecht einbringen konnten. Der heutige Genderismus und Pseudoumweltschutz hat dort eine seiner Wurzeln.
Nope, da gehe ich nicht mit. Es ist genau andersrum – diese Leute setzen keine Weltanschauung durch, sie verteidigen eine. Nämlich die herrschende. Wo sind die Woken denn mit Systemkritik, mit Hinterfragen von Markt und Staat, mit EU-Unrecht oder NATO-Kriegen groß aufgefallen? Sie sind genauso neoliberal, transatlantisch und identitär wie ihre genuin-kapitalistischen oder nationalradikalen Widersacher. Der einzige Unterschied liegt vielleicht in letzterem, der jeweiligen Identitätsausprägung – wo BWL-Justus an 72 Weisheiten des Marktes, die vollzeitdeutschen Ingos und Detlefs an 72 Leitkulturregeln und die Al-Achmeds von nebenan an 72 Jungfrauen im Paradies glauben, glauben die Woken eben an 72 Geschlechter. Aber Systemkritik? Andere Weltanschauung? Im Leben nicht.
In was für einem System lebt man bitteschön, wenn sich junge Menschen dort verunsichert fühlen, wenn sie mal “wirklich offen sprechen” können? Die Frage darf sich jeder selbst beantworten. Mit den viel zelebrierten Werten wie Demokratie, Freiheit, Trallala hat so ein System m.E. nicht viel am Hut.
Den Drill sah ich als ich nach dem Ende der offiziellen Ende der Pandemiemaßnahmen noch eine Veranstaltung besuchte. 90 % der Insassen kamen wie zum Ba-Ba-Banküberfall in den Seminarraum (wenn auch ohne Strumpf vom Palmers, aber dafür mit Maske vom Spahn). Ein Kommilitone und ich ernteten die ersten Sitzungen mehr als irritierte Blicke weil wir beim fleißigen Plasteschnüffeln nicht mitmachen wollten und immer unmaskiert kamen (wenn die gewusst hätten, dass ich auch noch ungeimpft bin…). Spätestens mit den ersten Sommertagen hatte sich das Problem aber weitestgehend gelöst, da wirklich nur die Treusten der Treuen bei 30, 35 ° C und Südlage weiter ihre Lungenfolter aufsetzen wollten. Aber die Leute waren wirklich gut gedrillt und auch beim damals gerade „virulent“ werdenden Thema Ukraine stets darauf bedacht – wie die Studenten Kostners bei der Migration – ja nicht „falsch“ aufzufallen. Altlandrebell hat sie natürlich immer kostenlos versucht auf den Pfad des Glaubens zurückzuführen. Einige waren ganz schockiert, als sie erfuhren, dass es auch peer-reviewte Papers gibt, die zeigen, dass wirklich Nazis auf dem Maidan waren. *gacker*
Zum Schluss noch ein weiteres alltagsempirisches Beispiel aus dem Hause Ruber: Ich besuchte mal ein Seminar zu gesellschaftspolitischen Menschenbildern. Mit zwei Kommilitonen stellten wir den „Homo Oeconomicus“ vor und zerrissen seine Grundannahmen theoretisch wie praxisnah mit viel Liebe zum Detail. Kam beim grünen Dozenten aber nicht so gut an. Er fand die Kritik zu „dogmatisch“ und „theoriefixiert“ und unser Handout (zwei Doppelseiten, TNR 12, 1,5 Zeilenabstand) zu „voluminös“. Eine andere Gruppe gestaltete ihr zwanzigminütiges Referat in Gestalt eines „Theaterstücks“ zum Wandel des Frauenbilds, inklusive angeklebten falschen Bärten, tiefer Kopfstimme und der zentralen Prämisse Frauen würden bis heute in allen Lebenslagen systematisch in Deutschland benachteiligt. Zum Abschluss gab es eine Art bunten und so einseitigen wie einseitigen Flyer (Handout konnte man es nicht wirklich nennen), inklusive Adresse des Frauennotrufes (Männerhäuser wurden irgendwie nicht erwähnt, weil es Gewalt gegen Männer ja nicht gibt). Mein einer Referatspartner erlaubte sich dann die zentrale Prämisse der „Referent*innen“ (alles Frauen) zu hinterfragen. Kam auch nicht allzu gut an, war vermutlich zu faktenorientiert. Endresultat: Wir bekamen eine 3,3; die Theatertruppe eine 1,0 (die waren ja auch „kreativ“). War mein mit Abstand am schlechtesten bewertetes Referat im ganzen Studium. Hätte ich auch eine 1,0 bekommen, wäre mein Gesamtschnitt am Ende übrigens auch 1,0 gewesen. So bin ich eben Hartzer mit einem Master von „nur“ 1,1. *gacker*
Zum Glück hatte ich aber auch Dozenten, die nicht betonierte Ideologen (ob pro-Woke, pro-NATO, oder wie auch immer pro-Sys) waren, sondern liberal im Sinne von meinungsfreiheitlich. Dafür hatte ich dann Schwierigkeiten meine Abschlussarbeiten bei wissenschaftlichen Verlagen zu veröffentlichen – an denen wollte sich thematisch schlicht niemand die Finger verbrennen und am Ende noch die Antifa am Stand haben (fast wortwörtlich so von potentiellen Verlegern mir geschrieben). Das Verlagsfeedback hat dann freilich meine Prüfer mehr überrascht und erschüttert als mich, den pösen Systemkritiker und Staatsdelegitimierer.
@ Altlandrebell
wünsche einen guten Vormittag zu haben!
Haben Sie gut geschrieben. Eine zutreffende und gewohnt kernige Lektüre.
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Nur einige kurze Ergänzungen zu den Studienbedingungen in den 1970er und 1980er Jahren:
Ein sehr wichtiger Unterschied zu heute bestand unter anderem auch darin, dass es innerhalb der Professorenschaft eine viel größere Meinungsbandbreite gab als heute.
Da tummelten sich dann an einem Fachbereich, nehmen wir mal Geschichte, meistens Leute mit sehr unterschiedlicher politischer Ausrichtung, die sich zwar gegenseitig nicht unbedingt mochten, aber alle gleichermaßen anerkannt waren. Die heute gegebene geistige Anähnelung bzw. Gleichschaltung war noch überhaupt nicht da. Sie schien auch gar nicht vorstellbar und unmöglich und wäre – im Falle, dass sie irgendwo trotzdem gegeben gewesen wäre (wie z.B. ausnahmsweise bei den Politologen vom Otto-Suhr-Institut der FU Berlin) als anrüchig und nicht wirklich seriös oder ernstzunehmend angesehen worden.
Spätestens im Hauptstudium, also in etwa dem, was heute “Masterstudium” genannt wird, wählte man sich dann seine Professoren ganz bewusst aus. Es bestand im Studium also nicht nur im Hinblick auf die Art der belegten Veranstaltungen, sondern auch auf die Ausrichtung des Professors die Möglichkeit, eigene Interessen und Schwerpunkte zu verwirklichen. Das war sehr wichtig, denn ein Lernen ohne ein gewisses Mindestmaß an intrinsischer Motivation und Neugier ist bekanntlich ein schlechtes Lernen!
Ich habe es im Studium wirklich nie erlebt, dass ein Student wegen seiner Meinung angegriffen wurde – zumindest erinnere ich mich nicht daran. Kritik gab es in der Regel für Formfehler wie z.B. für schlechtes Zitieren, Gliederungsfehler, zu geringes Literaturverzeichnis, Nichtberücksichtigung wichtiger Lehrmeinungen oder für zu oberflächliche oder gar sachlich falsche Äußerungen. Disziplinprobleme durch Studenten gab es ohnehin nicht – wenn man mal von einigen absichtlichen Störungen in Lehrveranstaltungen konservativer Professoren absieht.
Es deutet viel darauf hin, dass die Verengung des anerkannten Meinungskorridors nach der Jahrtausendwende mindestens ebenso viel Schaden angerichtet hat wie der Bolognaprozess mit seinen albernen “Modulen” und komischen Namen wie z.B. “Bachelor”. Was ist ein Bachelor? Wie ist überhaupt die deutsche Übersetzung dafür? Weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht.
Hinzu kam, dass auch in den Prüfungskommissionen ganz überwiegend eine gewisse Meinungsbandbreite normal war, sodass es für einzelne Prüfer gar nicht möglich war, allzu geringe Anforderungen und absurde Bewertungen durchzusetzen. Und die Note 1 war in vielen Fachbereichen – wenn man mal von jenen absieht, die auch schon um 1980 herum von 68ern gekapert und übernommen worden waren – wirklich eine absolute Ausnahmenote. Schon auf eine 2,0 war man stolz, und eine 3,0 war zwar nicht schön, aber keine Katastrophe, denn man hätte ja auch durchfallen können.
Dass ein Student in seiner entscheidenden Abschlussprüfung versagte, kam erheblich häufiger vor als heute. Das betraf allerdings besonders die Staatsexamensprüfungen, da der Vorsitzende der Prüfungskommission gar kein Hochschullehrer war und den Prüfling meistens kaum kannte. Ich habe erzählen hören, dass die Durchfallquote beim Erstversuch in manchen Fachbereichen an die 50 % betragen haben soll. Da war so mancher froh, wenn er nach einer Stunde(!) mündlicher Prüfung mit einer 3 nach Hause ging. Allerdings gibt es ja heute im damaligen Sinne kaum noch wirklich mündliche Abschlussprüfungen, sodass das Problem des Durchfallens in gewisser Weise entfällt. Oder anders gesagt: Wer heute sein Studium nicht schafft, der scheitert ja schon bei den Anforderungen für die kleinen Teilprüfungen – warum auch immer. Und mit Chat GPT o.ä. sind dann auch die schriftlichen Arbeiten nicht mehr so schwer. Wenn doch nur das Zitieren nicht wär … !
Ein weiterer Unterschied zu heute bestand damals darin, dass es noch nicht diese Vielzahl kleiner, sehr spezieller und teils auch direkt auf den Arbeitsmarkt zugeschnittener Studiengänge gab. Viele Studiengänge waren also allgemeiner und umfassender angelegt und bei manchen heutigen Studiengängen hätte man damals gesagt: “Ach was, das soll ein Studium sein? Dieses kleine Gebiet.”
Guten Abend @ Wolfgang Wirth,
grüße Sie!
Zunächst hierzu und dann will ich Ihnen entweder hier oder unter einem anderen Artikel endlich zu unserer letzten Diskussion kurz antworten.
Die meisten Punkte bei diesem Interview sehen wir glaube ich ähnlich, daher hier etwas „anekdotischer“.
Das sehe ich auch so, auch wenn ich die damalige Zeit nicht golden skizzieren würde (ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie es getan hätten). An meiner Universität dominierten dagegen Dozenten, die allesamt durch die Bank pro-transatlantisch / pro-EU und pro-Neoliberalismus waren. Unterschiede zeigten sich allenfalls nach Alter, Identität und Mode. Da war dann der Hauptunterschied, ob jemand genderte oder nicht, oder ob er der einen (neoliberalen, transatlantischen) Strömung zuneigte oder einen anderen (neoliberalen, transatlantischen). Der Unterschied in den Strömungen war freilich meistens, dass sie dasselbe sagten, nur in anderen Worten, und sich dabei in völlig unwichtigen Nebendetails beharkten.
Viel Spaß heute, wenn man entweder an einer Massenuni studiert, wo man zu irgendwem gelost wird, der gerade frei ist und dann vielmehr dessen Schwerpunkt und die erwünschten Interessen zu verfolgen hat, oder in einem Orchideenfach landet, wo es ohnehin nur einen Dozent*ix gibt, dessen Schwerpunkte und Interessen dann eben maßgebend sind.
Was mich jetzt bloß wieder darin bestätigt, dass die „68er“ weitaus weniger an den Universitäten ausgeprägt waren, als man fürderhin glaubt. Die große Masse der Studenten war auch zu Ihrer Zeit nicht mit Sit-ins und politischen Happenings beschäftigt.
Nein, das begann früher. Das rollte bereits seit den 1980ern an, nahm durch die zweite Wende (1989 / 90) und die Säuberung der Ostuniversitäten an Fahrt auf und galoppierte ab dem Antritt der „Third-Way-Sozialdemokraten“. Heute ernten wir die ersten Früchte, aber die richtige Ernte steht erst noch ins Haus. Aber das wir ja schon mal ausführlicher besprochen.
„Junggeselle“ oder historisch „Ritter“. Im Grunde ist der „Bachelor“ somit eine Art „Geselle“ und der Master ein „Meister“. Nur mit weniger Tiefe als bei den entsprechenden handwerklichen Lehrberufen. Also im Grunde feinster anglisierter Druidentee. *lach*
Das war ja auch beim Abitur so. Ein 2er oder 3er Abitur gilt heute als mittelschwere (ersteres) bis enorme (letzteres) Katastrophe. Als meine Mutter Abiturientin war (Anfang der 70er) waren das dagegen Durchschnittswerte oder wie Sie schreiben bei einer 2,0 sogar ein Anlass zum Stolz. Selbiges galt im Studium, wie Sie auch skizzierten, oder eben der Ausbildung.
Heutige mündliche Prüfungen alternieren in ihrer Dauer, an meiner Alma Mater waren 40 Minuten vorgesehen (für zwei Themen). Da ich mich mit dem Prüfer aber intellektuell bei einem der Themen „verquatschte“, wurden letztlich doch 60 Minuten daraus, da auch der Protokollant nicht auf die Zeit geachtet hat. *lach* Geschadet hat’s nicht, wir hätten uns noch den Rest des Abends weiter unterhalten können und die Note stand auch sehr schnell und ohne Diskussion fest…
Ja, oder sogar bei den ersten Klausuren im ersten Semester. In den ersten Monaten wird sehr kräftig ausgesiebt und mitunter mehr oder weniger direkt verlangt, dass Prüfungen mit bestimmten Noten bestanden werden (zumindest in meiner Fachrichtung).
Gruß
Altlandrebell
@Altlandrebell
Interessant, wie Sie Ihre Hochschulerfahrungen beschreiben.
Meine sind ja schon ein Weilchen her … 40 Jahre und mehr.
Nur ganz kurz zur Verengung des Meinungskorridors:
Ja, das begann natürlich schon in den frühen 1990ern, doch fiel es mir erst später stärker auf.
Ein Grund für diese Verengung mag auch sein, dass um das Jahr 2000 herum jene letzte Generation in den Ruhestand wechselte, die noch nicht in stärkerem Maße durch “68” geprägt war und die sich andere Muster und Maßstäbe bewahrt hatte.
Ruhestand ab ca. 2000 minus 65 Jahre =gleich Jahrgang ca. 1935.
Wer etwa aus dem Jahrgang 35 kam, der war 1968 schon 33 Jahre alt und innerlich schon so geprägt und gefestigt, dass er auch danach in den 1970er bis 1990er Jahren nicht mehr so sehr anders wurde.
(Es hatte ja damals auch geheißen: “Trau keinem über 30.”)
Und diese Pensionierungs- und Verrentungswelle um 2000 herum fiel dann ungefähr zusammen mit dem Triumph neoliberaler Positionen unter Schröder.
Aber ich fasse mich jetzt kurz, das Abendbrot steht an.
Gruß
Guten Abend nochmals @ Wolfgang Wirth,
hoffe, Sie hatten ein gutes Abendbrot.
Ein interessanter Gedanke, der mit der Pensionierungswelle.
Ich greife nun aber mal wie versprochen ein paar der älteren auf:
Mhm, interessante Spiegelung. Hörte woanders letztens das genaue Gegenteil. Dabei empfinde ich mich eigentlich als so zynisch und pessimistisch wie immer. Einige Themen hier lassen einen aber durchaus die Krallen ausfahren. Bei anderen mische ich gar nicht mal mehr mit. Geht mir da wohl wie Ihnen – Sie scheinen die Artikelreihe des Herrn Schleim ja zum Beispiel nicht sonderlich zu mögen.
Dessen Serie ist übrigens keine Werbung, sondern nur die übliche Spiegelung von dessen Blog auf „spektrum.de“. Jeder Artikel, den er dort veröffentlicht, wird schlicht auch hier eingestellt. Herr Schleim beschäftigt sich momentan wohl einfach viel mit dem Thema und das ist sein gutes Recht. Zudem erscheint es wohl etwas „geballter“, weil einige andere Autoren gerade nicht so viel schreiben (auch mein nächster Artikel kommt wohl erst nach dem Urlaub des Chefredakteurs). Das ist dann insgesamt aber eher ein Argument für mehr Autoren bei „Overton“. Vielleicht wollen Sie ja etwas zu negativen Aspekten des Drogenkonsums schreiben oder der Redaktion einen Autor empfehlen?
Mir selbst ist das Thema eigentlich wumpe – wie Sie wissen bin ich im Persönlichen sehr wertkonservativ und habe noch nie freiwillig Drogen konsumiert (auch keinen Alkohol). Doch selbst wenn ich weltanschaulich in diesem Punkt anders „tickte“, würden mir mein Asthma und meine Schwerbehinderung vom Konsum jeglicher Drogen (ob Cannabis, Alkohol oder was auch immer) abraten. Übrigens: Bereits das beliebte „Glaserl Wein“ ist schädlich, gerade für bestimmte Personengruppen, und akkumuliert sich über die Jahre – womit ich es Ihnen zugleich selbstverständlich nicht verbieten will, denn ich bin ja auch sehr libertär und jeder soll mit seinem Körper machen und ihm zuführen, was er möchte.
Unter den herrschenden Bedingungen erfolgt freilich jede Form von „Liberalisierung“ (aber auch „Verbot“!) bestimmter Güter stets in herrschaftssichernder, marktkonformer und somit kommodifizierender Weise – ob Drogen, Prostitution, Abtreibung etc. Die Warnungen vor Cannabis erachte ich gleichwohl als überzogen, Herr Schleim hatte da ja auch durchaus nachvollziehbare Studien zu verlinkt.
Aber nochmals zurück zum eigentlichen: Ich weiß nicht, ob ich jetzt radikaler bin oder einfach die Themen momentan sehr unschön sind und man dann quasi automatisch „galliger“ und lakonischer zu kommentiert. Natürlich weiß man auch aus der Forschung, dass mit längerer Arbeitslosigkeit bestimmte persönliche Verhärtungen zunehmen können, womöglich schreibe ich deswegen über die Zeit etwas „galliger“. Und die Verhältnisse geben ja nun auch wahrlich keinen Anlass zur Freudenstürmen; die werden ja von Tag zu Tag eher trauriger. An den Sommer will ich gar nicht denken, insbesondere, wenn die NATO ihren Ritt nach Odessa unternehmen wird. Die kontinentalen Anteile der „Blauen Banane“ stehen auf jeden Fall im kommenden Großkrieg weit oben auf der sprichwörtlichen russischen Abschussliste. Alles Prozesse, die die von Ihnen bei mir beobachtete Verbitterung nähren könnten.
Natürlich bin ich auch Utopist! Ich glaube auch an Gott oder zumindest irgendeine andere höhere Ordnungsmacht, die den Kosmos und das Leben erschaffen hat. Mag sein, dass sich am Ende weder Revolution noch Gott bewahrheiten. Wobei ich zumindest es ziemlich traurig fände, wenn der Urknall und alles weitere wirklich einfach nur „aus dem Nichts“ gekommen wäre und nicht einmal eine der vielzitierten „Launen der Natur“ dahintersteckte. Solange habe ich einfach den Glauben, dass all den Prozessen – den guten wie den schrecklichen – ein tieferer Sinn innewohnt.
Also die Hippies ganz sicher nicht; ich bezweifle, dass man bei denen oder anderen Verfechtern „antiautoritärer Erziehung“ besser aufwüchse. Ist nämlich immer noch mit dem Oktroyieren von Weltbildern verbunden. Vielleicht nicht schwarze Pädagogik, aber eben wie Sie schreiben „anderer Zwang“.
Was andere Kulturen angeht – ich bin kein Anthropologe oder Ethnologe. Ich denke aber, dass es Kulturen gegeben hat, die der westlichen in vielen Dingen – vielleicht nicht der Technik, aber eben anderen Bereichen – sehr wohl voraus waren. Auch hier nochmals der Verweis auf Arno Gruen.
Natürlich, wie geschrieben, wollte ich weder alle Stammesgesellschaften gleichsetzen noch idealisieren. Gruen thematisierte eben bloß Schilderungen von Dingen, die anders und beispielsweise kindgerechter abliefen, da weniger auf Erziehen, denn auf Bilden fokussiert. Das fand ich immer ansprechend und wichtig. Vielleicht reiche ich da mal das ein oder andere Beispiel nach oder packe es in einen Artikel.
Nein, denke ich nicht. Ich habe sie nur nicht in den Vordergrund gerückt. Ich bin mir ihrer bewusst, lese sie aber nicht deterministisch und für jede Gesellschaft(sform) gleich wirksam. Wobei ich mit dem neoliberalen Ausdruck „Sachzwang“ meine Probleme haben – solch einer wird ja gerne mal konstruiert, um den Leuten einen bestimmten Sachverhalt als „alternativlos“ zu verkaufen.
Ich würde sagen: Sachzwänge sind immer Herausforderungen mit denen man offen und intensiv arbeiten sollte. Der Mensch hat viele Potentiale und sehr viele davon sind ungenutzt. In meinen Augen inhibiert gerade das herrschende System deren Nutzung, zum Teil aus schlichtem Machterhalt und Angst vor Konkurrenz.
Es wird sich vielleicht in einer anderen Welt auch nicht jeder Sachzwang lösen lassen, aber eine schöpferische, bildungsoffene und wissensinteressierte Gesellschaft, in der – anders als in der hiesigen – auch wieder mehr geforscht und experimentiert oder auch mal Härten für die Oberen in Kauf genommen würden, um etwas zu erreichen, die könnte so einige Herausforderungen lösen.
Die Technik bleibt aber immer artifiziell und somit vom Menschen gemacht. Ich bleibe dabei: der Mensch muss seine Neugier, seinen Findergeist und seine Kreativität (wieder)entdecken. Damit ließe sich bereits viel gewinnen und auch für Folgeprobleme und nicht intendierte Konsequenzen ganz neue Beantwortungsmöglichkeiten finden. Gerade auch solche, an die man heute noch gar nicht denkt. Irren ist menschlich, aber Lösen und Erfinden eben auch.
Danke für den Buchtipp. Das Werk kommt auf meine Bestellliste.
Zugleich habe ich wohl in diesem Punkt ein anderes Weltbild als Sie – die Technik verwandelt nicht bloß, sie bleibt immer zurückgekoppelt an ihren Schöpfer. Das System bedient sich der Technik um die Beherrschten zu Rädchen zu machen. Doch man kann den Prozess potentiell auch auf den Kopf stellen – die Beherrschten könnten ja die Technik benutzen, um zu aktiven Gestaltern ihrer Umwelt zu werden anstatt nur passiv in einem System zu funktionieren. Das bedeutet dann aber mal vom Smartphone, Lenkrad oder der Glotze aufzublicken und sich mit der Technik, die in ihnen steckt, zu beschäftigen.
Ich nehme mich da selbst übrigens beileibe nicht von aus – ich habe gar nichts mit Technik am Hut, da ich immer ein „Kopfmensch“ und „Sprachenkind“ war. Ich bin sogar ziemlich technikfeindlich, da ich weder Smartphone, noch Auto noch Glotze besitze. Ihnen hier einen Text am PC zu schreiben, ist für meine Verhältnisse schon viel. Ich spüle noch selbst ab, ziehe Kerzen elektrischem Licht vor und setze auf Schallplatten. Aber keine Sorge – ich werde morgen keine Maschinen stürmen. Lieber helfe ich sie gegen die Versklaver zu wenden. Und diese sind in der Regel noch immer menschlich, allzu menschlich.
Ich schrieb bewusst allzu oft und nicht etwa „ständig“, „häufig“ oder „immer“. Ich habe das eben nicht verallgemeinern wollen (verzeihen Sie, wenn es so rüberkam), aber eben darauf hinzuweisen versucht, dass viele Kinder eben gerade nicht in ein Land geboren werden, in dem sie gut und gerne aufwachsen können. Da genügt ein Blick auf die Verhältnisse vor unseren Fenstern.
Und das Ganze fängt eben im Kreißsaal an, wenn die werdende Mutter wie ein Möbelstück herumgerückt, angebrüllt und in eine alles andere als positiv erinnerungswürdige Geburtssituation versetzt wird. Ich habe unter dem anderen Artikel gestern Links eingefügt, u.a. zum Umgang mit Gebärenden während des Pandemieregimes. Ich könnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, eine Partnerin wie einen Mantel an der Rezeption abzugeben und dann zu wissen, dass Sie allein, unter Schmerzen in einem gekachelten Raum maskenbewehrt schreien darf, während ich draußen in Frieden einen Tee schlürfe oder mit den Pflegern schwätze.
Sie sind vermutlich auch Vater und hatten ihren Kindern eine angemessene Kindheit bescheren können (hoffe ich zumindest). Ich komme dagegen aus einer anderen Klasse, einer anderen Umwelt und bin mit ganz anderen Entwicklungen und einem ganz anderen Elternhaus aufgewachsen. Zudem würden meine Kinder in ein viel schrecklicheres Land und eine noch viel härtere Gesellschaft (zumindest für Andersdenkende) geboren als der, in der Sie, Ihre Kinder und ich, einmal aufgewachsen sind. Das wird übrigens Gegenstand meines nächsten Artikels – ich denke, dass Sie sich an dem sehr reiben werden und freue mich bereits auf Ihren Ein- und Widerspruch.
Das kann man freilich auch andersherum lesen – Harmoniestreben beispielsweise kann sehr wohl durch wirtschaftliche Selbständigkeit begünstigt werden. Wenn Menschen in der Lage sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und für sich selbst zu sorgen, fühlen sie sich ja oft durchaus ausgeglichener und zufriedener. Das kann aber auch zur Sucht werden oder man kann auf Teufel komm raus alles versuchen (müssen) um seine Selbstständigkeit zu erhalten. Was wiederum zum Verbiegen führt und zu Anpassungsdruck, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben und seinen Lebensstandard zu erhalten. Nicht nur in die „Ich-AG“ gezwungene, sondern auch viele andere Unternehmer müssen ja im herrschenden System ständig in der Lage sein, sich an potentiell von heute auf morgen verändernde Staats-, Gesellschafts- und Marktbedingungen anzupassen, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich dauernd weiterzuentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu verhindern, dass sie boykottiert werden, weil sie nicht den Moden des Regimes folgen.
Da sind wir wohl wieder beim Utopismus und Sie sind der konservativere von uns beiden – ich habe die Hoffnung nämlich noch nicht aufgegeben, dass andere Gesellschaftsorganisationen andere Prägungen und Phänomene hervorbringen. Was man noch nicht ausprobiert hat, kann man ja noch nicht kennen oder abschätzen – und das schreibe jetzt ausgerechnet ich.
Ansonsten gibt es für mich nicht „die“ Technik und zudem nicht in losgelöster Form. Da stehen immer Leute dahinter – mögen Sie anders sehen.
Wie geschrieben – dass, was wir beide oder andere vielleicht als „zum deutschen Nutzen bestimmt“ erachten, muss mit deren Interessensvorstellungen nicht kongruent gehen. Das Handeln dieser Leute mag nichts mehr mit einem Deutschland zu tun haben, wie wir beide es vielleicht gerne hätten. Aber sehr viel mit dem realen, heutigen Berliner Deutschland.
Anderes, positiveres Beispiel: Viele haben vor fünfzig Jahren ja auch nicht verstanden, welcher Nutzen in Brandts Ostpolitik lag. Die wurde als Ausverkauf deutscher Interessen gelesen. War sie das? Heute mag man an einen Ausverkauf an Brüssel denken – doch wer ist „Brüssel“? Und wer wird verkauft? Was? Brüssel ist nur ein Vehikel im System, ein Prellbock und eine Ablenkung von den wahren Gestaltern und den tatsächlichen Herrschenden.
Und so kommt es auch hier darauf an. Leute wie Selmayr oder die zahlreichen anderen aus deutschen Landen nach Brüssel entsandten Herr- und Frauschaften repräsentieren sehr wohl deutsche Interessen. Nicht ihre und nicht meine, aber die von gewissen deutschen Kapital- und sonstigen Machtgruppen. Und glauben Sie mir – ihre „Assets“ sichern diese Leute ab. Das ist wie beim Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg. Die Baracken und die Wohnsiedlungen der Ford-Arbeiter in Köln wurden zerbombt, aber die Fabrik blieb mysteriöserweise fast unversehrt und lieferte ab Mai ’45 bereits wieder Lastwagen.
Das Problem ist daran m.E., dass der Staat schlicht kein amorphes Gebilde ist. Er existiert nicht einfach als über uns allen schwebender Leviathan, sondern besteht aus bestimmten Institutionen und Organisationen. Er ist ein Ordnungsgefüge, in der einer bestimmten Gruppe (unter vielen konkurrierenden) eine privilegierte Stellung zukommt. Und wer ist diese Gruppe? Die jeweils dominierende Elitenfraktion…
Sie mögen vieles hier anders sehen, zumal ich aus Kapazitätsgründen oft nicht richtig ins Detail gehen konnte. Vielleicht hätte ich mich nur auf ein, zwei Punkte beschränken und meine Gedanken hierzu ausführlicher darlegen sollen. Aber womöglich können Sie mit dem ein oder anderen Gedanken doch etwas anfangen.
Ansonsten wünsche ich Ihnen einen guten Abend und verbleibe bis zum Wiederschreiben
Ihr
Altlandrebell
@ Altlandrebell
Guten Mittag und danke für Ihre umfangreiche Antwort.
Sie haben so viel und so interessant geschrieben, dass ich versucht bin, erneut umfangreich zu antworten. Um Ihre Zeit zu schonen verkneife ich es mir aber, zumal die Überschneidung unserer Vorstellungen nun doch größer ist als zunächst gedacht. Dies gilt auch für die Themen „Deutschland und die EU“, „Handhabung der Drogenpolitik“ und „Prägung bei Hippies und Naturvölkern“. Manches ist zudem bloß Definitionssache, etwa das Verständnis von „deutsche Interessen“ oder es müsste tiefer erörtert werden, wozu hier aber nicht der Raum ist.
—
Dissens besteht jedoch bei dem wichtigen Thema „Prägung des Menschen durch technische Verhältnisse“. Mit „Sachzwänge“ meinte ich dort übrigens nicht von Menschen bewusst herbeigeführte Sachzwänge (z.B. ökonomische), keine Ergebnisse von Politik, nicht etwas, was man beeinflussen könnte, sondern so etwas wie unvermeidliche Auswirkungen, unvermeidbare Folgen nun einmal gegebener Dinge. Und zu diesen Dingen gehört nicht nur die Biologie des Menschen (seine Natur), sondern eben auch gerade die Technik.
Ja, der Mensch schafft die Technik, aber er kontrolliert nicht wirklich deren Folgen. Umgekehrt! Ich glaube, Friedrich Georg Jünger behandelt in „Die Perfektion der Technik“ diese Dinge, die Sie angerissen haben – allerdings skeptischer als Sie.
Wir sollten dieses sehr wichtige und komplexe Thema vertagen!
—
Sie haben ganz recht: Die politische Situation insbesondere im Hinblick auf das erschreckend schnelle Umschalten von Politik und Medien in Richtung auf Militarisierung und „Kriegsfähigkeit“ macht einen schier sprachlos. Klar, da wird man galliger und lakonischer, und als jüngerer Mensch, der noch mehr Zeit vor sich haben sollte, um so mehr! Andere bedrückende Fehlentwicklungen kommen hinzu. Möge sich zudem Ihre persönliche Situation verbessern!
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Mit Freude habe ich Ihre Gedanken zu den Dingen hinter den Dingen gelesen. Sie merken schon: Ich meine jetzt nichts Politisches, sondern eher etwas Metaphysisches. Man braucht ja Quellen und belastbare Fundamente in dieser nebligen und gefährlichen Zeit …
Ich wünsche Ihnen ein schönes Frühlingswochenende. Ich werde es mit dem Garten, mit meiner besseren Hälfte und wohl auch etwas mit Uwe Johnsons „Jahrestagen“ verbringen.
Gruß
Wolfgang
Früher schloss man das Studium mit einem Doktortitel ab.
Als man mehr Akademiker brauchte, als man Führungsposten
hatte, wurde das Diplom vor dem Doktortitel eingeschoben.
Jetzt, wo man noch mehr Akademiker braucht, hat man den
Bachelor eingeschoben.
Mal sehen, wie das Sieb weiterentwickelt wird.
MfG SoDa
Sehr gutes Interview! Gerne mehr davon. Ich kann es persönlich und beruflich bestätigen; gehöre wohl zur letzten Generation Prä-Bologna (2000-2005).
Man könnte noch die Perspektive der sozialen Gerechtigkeit ergänzen: Ich habe z.B. über die Jahre immer wieder Studierende gesehen, die zwar schlau sind und hart arbeiten, doch aus bildungsfernen Umgebungen kommen (das war bei mir selbst so). Die haben erst einmal ein paar Jahre nötig, um sich an der Uni einzufinden. Am Ende werden sie dann vielleicht gut bis sehr gut, haben aber aufgrund des Noten-Fetischs am Ende eine schlechtere Durchschnittsnote als andere. D.h. sie kommen am Anfang z.B. nicht in die begehrten Honours-/Elite-Programme und am Ende nicht in die besten Masterprogramme.
Zur Bologna-Reform könnte man noch ergänzen, dass es nicht nur um Standardisierung und Vergleichbarkeit ging, was bis heute nicht realisiert wurde, sondern ausdrücklich auch um Marktmechanismen und Wettbewerb. Die echte Bologna-Erklärung ist und bleibt die Magna Charta Universitatum.
Und den Konformitätszwang gibt’s natürlich unter Wissenschaftlern ebenso: Die, die keine feste Stelle haben, schicken einem dann z.B. vorab eine E-Mail mit der Frage, ob sie einen als Gutachter angeben dürfen. Aus der Antwort schließen sie dann darauf, wie positiv das Gutachten aussehen könnte. Dabei sollen die Gutachten offiziell für “objektivere” Bewertungen sorgen. Und Kollegen zu kritisieren kann sowieso den Karriere-Tod bedeuten, denn die begutachten morgen vielleicht den eigenen Forschungs- oder Beförderungsantrag. Viel Spaß!
@ Stephan Schleim
Eigentlich verhält es sich inzwischen so, dass die (Abschluss)note nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung mehr ist. Sie ist eine Mindestvoraussetzung für Elite- und sonstige Programme bzw. den potentiellen Zugang zu einem Arbeitsplatz. Ihr Besitz bedeutet jedoch beileibe nicht den tatsächlichen Eintritt in ein solches Programm oder den Arbeitsmarkt. Entscheidend werden vielmehr das Vorweisen von Auslandsaufenthalten (als “Diversity- / interkulturelle Kompetenz”), spezifischen Ehrenämtern oder Freiwilligendiensten (als “soziale Kompetenz”) und Softskills (wie Praktika, Sprachen als Zusatzkompetenzen und Erfahrungsnachweis, kurz “Kompetenz-Kompetenz” [Wortspiel]). Und natürlich Schnelligkeit; man sollte das alles am besten in weniger als zehn Semestern schaffen und nicht wie Altlandrebell behinderungsbedingt erst nach der doppelten Zeit. Seilschaften (Stipendiatenprogramme, Ehrenämtler, Tutor- o.ä. Dasein unter bestimmten Voraussetzungen) und die gute alte Korruption (vulgo Vitamin D) sind natürlich auch immer dienlich. Sowie inzwischen immer mehr die richtige politische Haltung – nicht zwangsläufig nachgewiesen durch ein Parteibuch, aber den Besuch entsprechender Veranstaltungen, das Durchlaufen bestimmter Tätigkeiten und Ausüben bestimmter Funktionen und Rollen etc. – Ethnizität und Geschlecht.
In der Tat.
In meinem Fachgebiet (Konfliktforschung) würde ich nachdrücklich niemandem raten die Donbass- / Ukraine-Positionen von Autoren wie Richard Sakwa, Ivan Katchanvski, John Mearsheimer oder Anna Matwejewa zu vertreten. Die sind zwar weitaus schlüssiger und argumentativ überzeugender als die Gegenseite, aber die Mehrheitsströmung (70 % der Papers und Bücher zu dem Thema darstellend) agitiert dermaßen unverhohlen aggressiv und exklusiv, dass man sich damit jegliche Zugangsmöglichkeit zu Stellen und Journals verbaut. Oder Schwierigkeiten bekommt seine – für den Promotionserwerb notwendigen – Veröffentlichungen abgedruckt zu kriegen.