Die Jüdin Angelika Schrobsdorff floh als Kind aus Nazi-Deutschland. Später verließ die Schriftstellerin Israel Richtung Berlin, weil ihr die israelische »Kriegerkaste, diese rohe, grobe und hartherzige neue Rasse«, Angst machte. Arno Luik hat sich vor 15 Jahren mit ihr unterhalten. Könnte sie heute noch so sprechen, ohne als Antisemitin diffamiert zu werden?
Sie hatte unzählige Liebhaber, große Autos, der Champagner floss, und sie schrieb mehrere Bestseller. Sie war mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre befreundet – ein aufregendes, erfülltes Leben, könnte man meinen. Und auch jetzt noch, mit ihren 80 Jahren, wirkt sie äußerst vital, wie sie in ihrer Berliner Wohnung für mich Kaffee kocht, Wein aufmacht, mit ihren Katzen redet und mit mir flirtet. Doch sie hat in diesem Sommer 2008 nur den Wunsch, möglichst bald zu sterben. Wenn es sein muss, will sie mit Gift nachhelfen. Selten habe ich einen Menschen getroffen, der so schonungslos brutal mit allem abgerechnet hat: dem Leben und sich selbst.
Frau Schrobsdorff, ich habe Ihnen etwas mitgebracht: einen stern, über 40 Jahre alt, von 1962. Mit einer großen Porträtaufnahme von Ihnen.
Mein Gott, oh Gott, warum müssen Sie mich so erschrecken, so quälen? Das Foto knallt mir ins Gesicht!
So wurde damals Ihr erster Roman Die Herren präsentiert.
Henri Nannen, der Chefredakteur, ein netter Kerl, war ganz versessen auf dieses Bild. Und jetzt erschüttert es mich. Das war einmal. Keine Falten, nichts. Damals hatte ich noch richtige Augen, jetzt habe ich künstliche Linsen! Fällt Ihnen das auf?
Nein.
Aber Sie sehen an dieser alten Aufnahme, dass Altern die größtmögliche Zumutung ist. Es ist grausam. Es ist eine erbarmungslose Gemeinheit, die man da über uns schüttet. Wer hat das bloß erfunden?
»Nein, ich halte nichts von diesem Leben«
Der liebe Gott – wenn es ihn denn gibt.
Wenn es ihn – woran ich nicht glaube – gäbe: Das hat er wirklich richtig gut falsch gemacht. Was er den Menschen damit antut! Aber vielleicht hat das ja alles einen tieferen Sinn? Besser wäre es, man könnte die Jahre abarbeiten – zurück in die Jugend!
Sie hoffen ja, dass das alles bald vorbei ist – das Altern, das Leben.
Das kann man wohl sagen. Ich möchte so schnell wie möglich weg sein. Total verschwinden. Das Leben – man wird durch dieses Leben geschleudert und gezogen, es wird einem dies und das angetan, und irgendwie würgt man sich durch. Nein, ich halte nichts von diesem Leben.
Es muss doch, mit Verlaub, auch für Sie noch schöne Momente geben!
Meine Zigaretten. Ich rauche wahnsinnig gern.
Ist das alles, was Ihnen noch Spaß macht?
Beinahe. Es gibt noch andere, sehr kurze Augenblicke, die einen für die Qual der Existenz entlohnen. Eine Amsel am Morgen. Wenn die Blüten rauskommen. Herrlich ist es, wenn ich am Grunewald sehe, wie die Hunde herumtollen und ins Wasser rennen. Die spielen ja wie kleine Kinder, das ist schön. Und dann gehe ich auch noch gerne ins »Clärchens Ballhaus«, drüben im Osten der Stadt. Da sieht man Menschen, die tanzen, unbefangen wie die Hunde am Grunewaldsee. Vollkommen selbstvergessen, jeder Schritt eine Welteroberung – das zu beobachten macht mir noch eine Freude. Aber das hilft mir nichts. Ich stecke in einer Sackgasse, ganz tief mit meinem Kopf stecke ich drin, und ich komme nicht raus.
Vor 70 Jahren mussten Sie, da Sie nach den Rassegesetzen der Nazis als Halbjüdin galten, mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester aus Berlin fliehen. Vor zwei Jahren sind Sie aus Jerusalem zurück in diese Stadt gegangen und …
Warum bin ich hier? Warum? Voller Entsetzen fragen mich das viele Menschen. Ich kann es nicht sagen.
»Eine neue Rasse hat sich in Israel entwickelt«
Vielleicht ist Deutschland Ihre Heimat.
Sind Sie wahnsinnig?
Vielleicht sind Sie hier, weil es sich leichter in der Muttersprache stirbt?
Es stirbt sich leichter in Deutschland, ja, das hoffte ich. Aber ich bin keine Deutsche. Heimat ist ein schönes Wort, und ich habe zwei Heimaten verloren: die deutsche und mein Jerusalem. In Jerusalem hatte ich mich fast mit dem Leben versöhnt. Es war das Schönste, was es gibt, und für einige Zeit war ich der glücklichste Mensch auf der Erde. Doch Israel hat sich in den letzten Jahren zu einer verrohten Gesellschaft entwickelt. Die alten Juden, die Kultur hatten, sind gestorben. Ich hatte ein unerhörtes Vertrauen in sie. Doch nun hat sich eine neue Rasse …
Was? Wie bitte?
Ja, eine neue Rasse hat sich in Israel entwickelt: roh, grob, hartherzig, mit Ellenbogen. Eine Kriegerkaste. Die Okkupationen, die sich ständig verschärften, färbten auch ab auf die Okkupanten. Ich habe einen Gerechtigkeitsfimmel. Und das Unrecht, das die Israelis gegenüber den Palästinensern begehen, hielt ich nicht mehr aus. Ich musste weg. Aber wohin denn? Wo soll eine alte Frau hin, die weiß, sie hat die letzte Schwelle ihres Lebens überschritten?
Und weil Sie Deutsch sprechen, sind Sie hier.
Ja, jahrelang habe ich alles Deutsche verweigert. Ich habe die Sprache über viele Jahre abgelehnt, es ist ja eine schwere Sprache mit Ecken und Kanten, Brüchen und Rissen. Aber sie ist auch wunderbar. Und es ist für mich nun einfach praktisch, wenn ich jemand anrufen und sagen kann: »Hören Sie mal zu, mein Klo stinkt. Bitte kommen Sie her und schauen Sie nach!« In der deutschen Sprache kann ich streng werden und laut, ich kann mit ihr fluchen und schreien, ich brauche nicht nachzudenken, was »sterben« heißt oder »Bettpfanne« – das hilft im Alltag.
»Bettpfanne« – ein wunderbares Wort.
Ja. Als ich nach Berlin zurückkam und durch die Stadt fuhr, hat mich überrascht, wie die deutsche Sprache mit Anglizismen verhunzt wird. Warum machen die das? Coffee to go! Zeitung to go! Shoppen ohne zu stoppen! So ein Quatsch! Wollen die, dass wir alle verblöden? Was tun die ihrer Sprache nur an? Wie verhöhnen und entwürdigen sie jene Menschen, die nicht Englisch gelernt haben?
»Man stirbt, was die Jungen nicht erahnen können, ja auch innerlich«
Sie regen sich ja richtig auf.
Ich bin zornig, ja. Was ist das bloß für eine Gesellschaft?
Sie sind Schriftstellerin – Sie könnten sich da einmischen.
Nein. Ich kann nicht mehr schreiben. Ich trau mich nicht mehr, ich seziere jedes Wort, und so verschwindet es. Ich habe keine Motivation mehr. Ich weiß einfach nicht, wofür ich noch schreiben soll.
Schreiben war doch aber der Sinn Ihres Lebens?
Ja, es gab mir das Gefühl der Befreiung, des Glücks. An der Schreibmaschine konnte ich alles, lachen und weinen, ich legte meine Hände auf die Tasten, und sie schnurrten los. Schreiben war eine Art Droge, Erlösung. Das ist nun weg. Ich habe keine Worte mehr. Das ist das Ende. Man stirbt ja nicht nur gesundheitlich, zerfällt nicht nur körperlich. Man stirbt, was die Jungen nicht erahnen können, ja auch innerlich. Man wird kälter und kälter. Ich kann nicht mehr weinen. Ich bin innerlich erstarrt.
Vor ein paar Monaten waren Sie bei Maischberger, Titel der Talkshow war: »Die neuen Alten: Klüger, begehrter, glücklicher«.
Das ist doch Quatsch mit Soße. Es mag ja reizende Omis geben, die mit ihren Enkelkindern nochmals aufblühen und glücklich sind. Aber die Natur lässt sich nicht betrügen, sie holt uns ein und rollt über uns hinweg.
»Ich verbrachte Stunden vor dem Spiegel in Anbetung meines eigenen Bildes«, schrieben Sie in Ihrem Roman Die Herren. »Ich fand mich schön, und ich muss es wohl auch gewesen sein, denn es gab leider keinen Menschen, der mir das nicht gesagt hätte.«
Das stimmt, und meine Mutter hat deswegen etwas sehr Dummes gesagt: »Du wirst dich an den deutschen Männern rächen.« Das war ein Befehl für mich, eine Mission, die ich erfüllen musste.
»Ich habe mir Arroganz und Härte und Stolz antrainiert«
Aber in einem Brief, 1949, klagt Ihre Mutter, dass Sie hundert Liebhaber hätten und …
Hundert? Es waren Hunderte! Ich habe diesen Rachefeldzug also mehr als erfüllt. Mein Aussehen war meine Waffe, und diese Waffe war unschlagbar. Die Männer führten mich zum Essen aus, und es endete immer im Bett.
»Eine Begierde«, schreiben Sie in den Herren, »pochte dumpf und ekelerregend in meinem Leib«.
Ja. Aber den Schritt von der Leidenschaft zur großen Liebe habe ich nie gewagt. Stattdessen habe ich mir Arroganz und Härte und Stolz antrainiert, beschlossen, nie etwas zu empfinden. Ich habe nie geliebt.
Das hört sich schlimm an.
Ich war ein zerstörtes Kind. Wenn man eingestuft wird als Mischling ersten Grades, sich immer verstecken muss, immer Angst hat, wenn man dann auch noch seine Mutter dahinsiechen sieht – das bringt man nie weg. In mir ist eine fürchterliche Gespaltenheit. Minderwertigkeitskomplexe. Mit 24 war ich ein Stück Dreck. Ich wollte Macht, Macht ausüben. Ich habe vielen Männern Schmerzen zugefügt. Ich habe mich verhalten wie ein Mann, und sie waren es nicht gewohnt, dass man sie einfach sitzen lässt. Ich bin ja immer plötzlich weggelaufen, keine Szene, keine Kräche, nichts, ich war einfach weg. Wenn sie dann anriefen, habe ich geschwiegen, vielleicht noch gesagt: Auf Wiedersehen.
Und nun sitzen Sie hier – ohne Mann, allein.
Das ist nur gerecht, es fällt alles auf einen zurück. Aber wenn ich die Männer in meinem Leben durchgehe, möchte ich mit keinem zusammen sein. Ich habe meine Katzen, die halten mich noch am Leben. Ich schaue zum Fenster raus, ich lebe in einer überalterten Gegend und sehe meine Zukunft vorbeigehen: Alte mit Wägelchen und Stöckchen und Krücken – beängstigend.
Gab es einen Augenblick, in dem Sie wussten: Nun bin ich alt?
Ja. Es war nach meinem 70. Geburtstag, da habe ich einen Strich gemacht und mich davongestohlen, ich hab mich kastriert, sterilisiert, so hat es auch Simone de Beauvoir getan.
»Ich frage mich ja ununterbrochen, was die Leser bloß in meinen Büchern finden, sind die verrückt?«
Ich versteh nun kein Wort.
Ich habe die Lust abgeschnitten, das Verlangen nach sexuellen Beziehungen. Ich hatte ja mehr als genug davon. Ich sagte: Schluss mit dem Unsinn! Es ist einerseits ein wahnsinniger Verlust, aber, andererseits, die sexuellen Beziehungen, die ich hatte, waren auch eine absolute Zeitvergeudung. Im Grunde ist es ja immer wieder dasselbe. Langweilig.
Sie haben sich heftig gegen das Älterwerden gewehrt, Sie haben sich liften lassen und …
… ich habe auch meine Schenkelchen gebürstet, jeden Tag, den Gott werden ließ. Und als ich damit aufhörte, wusste ich, was die Glocke geschlagen hat. Man gewöhnt sich an die Falten, aber trotzdem ekele ich mich. Ich bin ein Oberästhet. Ich könnte mich immer noch wunderschön anziehen – aber ich weiß ja, wie ich unter den Kleidern aussehe. Eigentlich schwimme ich gerne, ich liebe das Wasser, und es gibt hier wunderbare Seen – aber ich zeige mich nicht mehr im Badeanzug. Mein Wunsch nach perfekter Ästhetik nimmt im Alter zu – das ist verrückt und schmerzhaft. Wenn ich die anderen Alten sehe, und ich bin wahrlich nicht wie sie, gegen sie könnte ich immer noch einen Preis gewinnen, dann ekelt es mich.
Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken …
… sehe ich, dass ich es vergeudet habe. Ich war klug, intelligent und habe nichts aus mir gemacht. Ich habe meine Mutter entsetzlich gequält, weil ich mich von ihr brutalst losgerissen habe, habe meinen Vater, der ein Bauunternehmer und sehr preußisch war, enttäuscht, weil ich nicht die höhere Tochter geworden bin, in die er investiert hat. Ich habe mich enttäuscht, weil ich furchtbar faul bin. Ich habe alles versaut.
Sie haben doch 13 Bücher geschrieben, darunter mehrere Bestseller, ein paar Ihrer Bücher wurden verfilmt – Sie können doch zufrieden mit sich sein!
Nein, das Schreiben war eine Besessenheit, eine Obsession, keine Leistung von mir. Es war einfach schön, frühmorgens an der Schreibmaschine zu sitzen, Tee und Zigaretten neben sich zu haben und loszuschreiben. Ohne Konzepte, ohne Gedanken an irgendwelche Leser. Ich frage mich ja ununterbrochen, was die Leser bloß in meinen Büchern finden, sind die verrückt?
»Meine schreckliche Vitalität lässt mich nicht sterben«
Der amerikanische Schriftsteller John Updike zieht »einen gewissen Trost« aus dem Gedanken, dass seine Bücher, auch wenn er nicht mehr lebt, gelesen werden – deswegen, so Updike, »lege ich Wert darauf, dass bei Neuauflagen Druckfehler bereinigt werden«.
Ach was, mir ist es doch scheißegal, ob da noch Fehler drin sind. Ich wünsche mir die völlige Auslöschung, die Bücher sollen auch weg. Ich will spurlos verschwinden. Ich will verbrannt und verstreut werden, ich will nichts übrig lassen, keinen Ort, wo man hingehen kann, nichts.
Sie reden so traurig und sind doch so vital.
Meine schreckliche Vitalität lässt mich nicht sterben. Und ich knipse diese Vitalität an, wenn Menschen kommen, die finden mich dann wahnsinnig amüsant. Die wissen gar nicht, wie es in mir tatsächlich aussieht. Wenn ich allein bin, bin ich traurig. Ich habe keine Worte mehr, bin einsam, leer, einsam, einsam, einsam. Ich sitze auf dem Scherbenhaufen meines Lebens.
Und Sie denken an den Tod.
Ständig. Ich hoffe auf ihn. Lieber heute als morgen wäre ich tot. Ich muss nur zuvor sehen, wo ich meine jüngste Katze unterbringe. Als Fünfjährige machte ich ein Gedicht, meine Mutter musste es für mich aufschreiben: »Was soll ich auf der Erdenwelt/Ich habe keinen Mann, ich hab kein Kind/Was soll ich auf der Erdenwelt/Ich möchte lieber ins Himmelszelt.« Mein Tod wäre für mich eine Befreiung.
Sie kokettieren.
Nein. Mein Tod wäre eine Erlösung.
Sie könnten sich ja umbringen.
Ich bin dafür – noch – zu feige. Ich kann mich auch nicht gewalttätig umbringen. Ein guter alter Freund von mir, wesentlich jünger als ich, ist auf ein Dach gestiegen und hat sich rücklings runterfallen lassen. Das schaff ich nicht. Aber ich weiß auch, dass ich in keines dieser Pflegeheime gehe mit zu wenig und total unterbezahltem Personal. Glauben Sie, ich möchte eine Windel angezogen bekommen? Ich bin in meinem Leben so entwürdigt worden, immer, von Anfang an, dass ich nun wenigstens in Würde sterben möchte. Ist denn das zu viel verlangt? Ich habe nur Angst, dass mir ein so schöner Abgang nicht vergönnt wird, und deswegen habe ich mich versichert.
»Ihr Deutschen mit eurer Euthanasie, ihr seid immer noch im Griff von Hitler«
Was heißt das?
Ich bin Mitglied von zwei Sterbehilfe-Organisationen, und ich habe dazu einen Arzt, der in diesem Sinne auf mich achten will. Ich möchte jemanden dahaben, falls ich das Gift ausspucke, ich will nicht wieder aufwachen und die Hälfte meines Gehirns verloren haben.
Für die Kirchen ist die aktive Sterbehilfe Sünde, für den katholischen Bischof Karl Lehmann »die Zersetzung der Menschlichkeit«.
Die Kirchen können mich – ich weiß nicht was! Jaja, ihr Deutschen mit eurer Euthanasie, ihr seid immer noch im Griff von Hitler! Das kotzt mich an. Die einzig barmherzige Einstellung des Menschen ist für mich, den Menschen nicht elendig krepieren zu lassen.
So wie Sie reden, müssten Sie demonstrieren mit dem Slogan: »Mein Tod gehört mir!«
Ja, all die alten Krüppel, die vielen Alten, die in Pflegeheimen armselig und entwürdigt vor sich hin vegetieren und todtraurig sind, die müssten für einen Tod in Würde kämpfen.
Der Literaturprofessor Hans Mayer hat sich vor ein paar Jahren, als 94-Jähriger, zu Tode gehungert.
Das habe ich mir auch schon überlegt, aber es dauert so lange. Ich bin dafür zu hipperig.
Soll ich Sie umbringen?
Ja, das wäre es, das ist ein guter Gedanke.
Ich kann es nicht.
Ich weiß.
Angelika Schrobsdorff wurde 1927 in Freiburg geboren. Ihre Mutter entstammte dem jüdischen, ihr Vater dem preußischen Großbürgertum. Sie wuchs in Berlin auf, flüchtete 1938 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Bulgarien, wo sie bis 1947 blieb. Ihre Großeltern wurden in Theresienstadt ermordet; ihr Bruder, der auf französischer Seite kämpfte, fiel 1945. 1962 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Die Herren, der in Bayern verboten wurde. Begründung: Sie als Jüdin würde sich darin so negativ schildern, dass es Antisemitismus hervorrufe. 1971 heiratete sie in Jerusalem den Regisseur Claude Lanzmann, wohnte mit ihm jahrelang in Paris, bevor sie 1983 nach Israel zurückkehrte. Dort galt sie, weil sie mit den Palästinensern sympathisierte, als Nestbeschmutzerin. Schrobsdorff hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, ihr größter Erfolg: Du bist nicht so wie andere Mütter. 2006 kam sie nach Berlin zurück: »Es stirbt sich leichter in der deutschen Sprache.« Das geschah am 30. Juli 2016.
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Ein großartiges Interview mit einer coolen “Alten”. Danke dafür.
Heute würde sie dafür ihre Art verachtet. Krasse Zeiten, in die wir uns drücken lassen!
Danke für den Text.
Ja, wer weis wie die Buchautorin heute ausgegrenzt würde im Jahr 2023?
Die die den Antisemitismusvorwurf als Kriegspropaganda, oder Ausgrenzungsmodell für Andersdenkende bzw. Meinungsgegner – Auch für die eigenen jüdischen Mitmenschen in- und außerhalb von Israel mißbrauchen, nicht nur in Kriegszeiten, erweisen dem Kampf gegen den realen Antisemitismus, und andere real existierende Vorurteile, einen Bärendienst.
Ein hochaktueller Fall der gerade denen einen Bärendienst erwiesen hat, die gegen den Antisemitismusvorwurf wird hier geschildert, und besprochen:
“[….]Wenn Vorverurteilung mächtig schief läuft | SinansWoche DIE SHOW[….]”
Link:
https://www.youtube.com/watch?v=L_VWA-MdOvA
Das Satire-Video, dass in diesem Link von Sinan besprochen wird ist hier zu finden:
“[….]Die Lüge des Gil Ofarim[….]”
https://www.youtube.com/watch?v=dhLNjFWQpAI
Gruß
Bernie
Ein wahrlich verrücktes Interview. Ich kenne die Schriftstellerin nicht, aber ihre Antworten sind so grundehrlich und schonungslos. Was würde sie zur Gegenwart in ihrer verlorenen Heimat Israel wohl sagen? Und ja, alt werden und sein ist deprimierend. Die Last der vergangenen Jahre drückt immer schwerer. Sie musste nach dem Interview noch 8 Jahre lang in dieser Stimmung bleiben. Welcher Mut.
Ob man sich vom Alter so herunterziehen lässt, liegt ja an einem selbst. Sieht man ja schon an ihrer Reaktion auf das alte Sterntitelbild, daß sie da nicht mit sich im Reinen war. Andere Leute sehen ein altes Foto von sich und und werden nostalgisch und freuen sich. Es kommt auf einen seobst an, wie man mit dem Altern und dem Alter umgeht.
Die anderen Antworten von Frau Schrobsdorf sind aber klar und direkt und ehrlich. Wundert kich deswegen daß sie so mit ihrem Alter hadert.
I
Hadern ist nicht das richtige Wort. Ich trauere nicht meiner Jugend nach, sondern der verlorenen “Leichtigkeit des Seins”. 😉
@ Redaktion
Immer und immer wieder nur der Nahostkonflikt.
Ja, er ist ein wichtiges Thema, aber er verdrängt hier seit Wochen den Blick auf anderes.
Gibt es denn keine anderen wichtigen Themen auf der Welt??
Wir kleinen Leute ändern doch an der Situation in Nahost ohnehin nichts – weder als Artikelschreiber noch als Leser.
Gruß
Also meines Erachtens ist der aktuelle Nahostkrieg überhaupt nicht Thema, er zieht sich eben schon viel zu lange durch die Geschichte, für mich war der Text sehr gut und hochinteressant, obwohl mir die Person völlig unbekannt ist!
Wenn die kleinen Leuten den Arsch hochbekämen könnten wir das ändern. Gegen Millionen auf der Straße in Eurooa, Amerika, in der Levante können die Mächtigen auch nichts ausrichten. Netanjahus Regierung und Macht hägt ja auch an einem ganz dünnen Faden, wie man an den andauernden Protesten vor dem jüngsten Krieg sehen konnte. Netanjahu hat ungefähr das halbe Volk gegen sich. Diese Regierung wird doch nur vom Krieg noch an der Macht gehalten, weil man im Krieg eher nicht die Regierung wechselt und neu wählt.
Was die eingeschränkte Themenauswahk betrifft muss ich Ihnen zustimmen, aber Overton Magazin hat nur eine kleine Redaktion. Aber man könnte ruhig etwas breitet die Themen streuen, weil fünf Artikel hintereinander über den Ukraine-Russlandkrieg oder eben jetzt über den jüngsten Krieg in Nahost istdoch ein sehr kleines Overtonfenster.
Dieser “Nahostkonflikt” ist im negativen Sinne sehr bedeutsam. Weil er wie kein anderer auf engstem Raum den Irrsinn zum Ausdruck bringt, der das Leben der Menschen prägt. Da wird von einer Weltorganisation eine Regelung getroffen, die noch nach 75 Jahren nicht vollzogen ist und stattdessen immer wieder und immer wieder Tod und Zerstörung zelebriert. Und die Menschheit schaut zu, ändert nichts, palavert und palavert. Ist das nicht pervers?
Großartiger Text. Ist nicht gealtert.
Danke.
Dieses Interview trieb mir Tränen in die Augen.
So ehrlich, so offen, schonungslos. Das kann ich nicht.
Und die Zurückhaltung und Präzision des Interviewers, wirklich großartig.
In Sachen Nahost-Konflikt reiht sie sich ein in eine Riege aufrechter Menschen, die auch das Tun der eigenen Regierung kritisieren und selbst nicht scheuen, der einst vermeintlichen Heimat den Rücken zu kehren. Wer von denen, die Thema und Haltung kritisieren bringt wenigsten die Courage auf, gegen den Mainstream die eigne Regierung zu kritisieren, vom Mut zur Auswanderung (wohin?) gar nicht erst zu reden. Chapeau der alten Dame für ihre Offenheit. Chapeau aber auch dem Arno Luik, dem es mit seinen Fragen immer wieder zu gelungen scheint, seinen Interviewpartnern den Eindruck zu vermitteln, dass es vier-Augen-Gespräche sind und auch bleiben. Einzigartige Dokumente grosser Menschlichkeit, ob gruselig geschäftig (Hartmut Mehdorn) oder eben um Würde ringend, wie im vorliegenden Fall. Ein Leseereignis sind all seine Interviews.
Langsam reicht es immer nur über Israel oder Ukraine zu diskutieren bitte mehr über unsere eigene Misere mit dieser Regierung die uns zerstört.
ein grosses Dankeschoen an Arno Luik und Overton fuer das grossartige Interview einer tollen Frau.
Ich kannte Frau Schrobsdorff nicht, werde mir aber in naechster Zeit ein Buch von ihr besorgen.
Einfach grossartig, solche Personen muessten unsterblich sein, ihr Wunsch waere es nicht gewesen,
ihre Buecher sind es auf jeden Fall.
Danke an die Redaktion und Arno Luik für sein schaffen bzw. geschafften Arbeit.
An vielen Stellen im Text erschien mir meine Mutter, je älter sie wurde,, desto mehr hatte die sich von ihrem Leben distanziert.
Und wenn ich mir mein Leben genauso reflektiere, sind viele Momente vorhanden wo ich mich frage: Wozu?
In den 90’zigern hatte ich einen Urlaub in NZ vollbracht, in Christchurch sprach mich ein Zeuge Jehova an und fragte was ich von Gott halte? Meine damalige Aussage war :
Würde es einen Gott geben, hätte er niemals Hitlers Schurken alles durchgehen lassen!
Heute 30 Jahre später vertrete ich die Meinung, es war nicht Gottes Werk, da er nur Zuschauer von den satanischen Kräften war und es liegt an einem jeden Mensch selbst, daß zu erkennen.
Danke fürs hervorkramen.
Solche ehrlichen aufrechten Menschen sind selten, scheinen immer seltener auch an die Öffentlichkeit zu dringen.
Der Text ist wahrlich nicht gealtert. Ob man sie heute verachten würde ? Vermutlich aber kaum noch eine Bühne geben in den Mainstream-Medien, da ist seichte Unterhaltung mit Tendenz zur Verdummung scheinbar angesagt.
Spontan musste ich an folgendes Lied denken, so was wird ja auch konsequent nicht gesendet.
https://www.youtube.com/watch?v=9_XakstATwM&list=OLAK5uy_mAh_dVfqslcKjNCaGCd9XodAebor9jaM4&index=1
Ehrlichkeit und Selbstreflektion scheinen tatsächlich Auslaufmodelle