Wir Kriegsenkel

Coverbild "Seht zu, wie ihr zurecht kommt", Blechdose mit Familienfotos von Sebastian Schoepp
Quelle: Westend Verlag

Wie die Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern die Babyboomer prägt – und was das für die aktuelle Diskussion über Krieg bedeuten kann.

Kriegsenkel, so nennt man Menschen, die keinen Krieg am eigenen Leibe erlebt haben, aber dessen seelische Nachwirkungen in sich tragen – oft, ohne es zu wissen. Sie haben die Traumata, die ihre Eltern und Großeltern auf der Flucht, im Bombenhagel oder an der Front durchgemacht haben, gewissermaßen in sich aufgenommen – durch Prägung oder sogar durch genetische Vererbung, wie wissenschaftliche Studien neuerdings behaupten.

„Maligne Introjekte“ nennt das die Psychiaterin Luise Reddemann, bösartige Einsprengsel aus einer gar nicht selbst erlebten Vergangenheit, die aus dem Unterbewusstsein heraus Verhalten und Weltempfinden beeinflussen können. Man spricht in solchen Fällen im Fachjargon von „transgenerationaler Trauma-Weitergabe“, die vor allem in einem von Krieg geprägten Land wie Deutschland sozialpsychologisch eine große Rolle spielen kann.

Leben mit angezogener Handbremse

Kriegsenkel wurden zwischen 1960 und 1980 geboren. In Ihnen lebt die mangelnde positive Zukunftserwartung früherer Generationen fort. Oft sind es Menschen, die mit Glaubenssätzen wie „Freu dich nicht zu früh“, „Stell dich nicht so an“ oder „Der Klügere gibt nach“ aufgewachsen sind. Sie führen dann ein Leben mit angezogener Handbremse, voller Zurückhaltung, die schon an Depression grenzt, ein gedämpftes Dasein, das eher abgelebt als genossen wird – stets in Erwartung irgendeines Unglückes, eines Missgeschicks oder einer Katastrophe, das alles Aufgebaute zerstört und alle Lebensträume beerdigt – so wie es im Zweiten Weltkrieg der Fall war.

In den meisten Familien wurde darüber nicht gesprochen, es herrschte die sprichwörtliche Sprachlosigkeit der deutschen Nachkriegszeit. Deshalb haben viele Kriegsenkel nicht die geringste Ahnung, welche Introjekte es sind, die sie plagen.

Doch immer mehr machen sich auf die Suche nach dem Urgrund für die eigene Verstörtheit. Der Hamburger Verein Kriegsenkel e.V. etwa hat in den vergangenen Jahren mächtig Zulauf gewonnen, Veranstaltungen sind ausgebucht. Ist dieses wachsende Interesse nicht eigentlich seltsam, jetzt, da die meisten Zeitzeugen verstorben sind? Gar nicht, sagt der Coach Sven Rohde vom Kriegsenkel e.V., der seit Jahren Seminare zum Thema hält, im Gegenteil: „Da geht ein Deckel auf.“ Dinge, die die Familienloyalität jahrzehntelang unter der Decke hielt, brechen plötzlich auf. Kriegsenkel fragen sich, warum die Eltern oder Großeltern außer ein paar oberflächlichen Anekdoten nie etwas erzählt haben – und warum sie sich selbst nie getraut haben, Fragen nach der Vergangenheit zu stellen. Es ist letztlich die Suche nach dem eigenen Ich, das neue Dynamik gewinnt, jetzt, da die Boomer, die die Kriegsenkel ja gleichzeitig sind, ins Bilanzalter kommen.

Seht zu, wie ihr zurechtkommt!

In meinem Buch „Seht zu wie ihr zurechtkommt“, das nun als Taschenbuch beim Westend Verlag erscheint, habe ich 2018 versucht, meine Eltern im Nachhinein zu verstehen. Ich bin Jahrgang 1964 und deshalb ein Kriegsenkel; zugleich aber ein Kriegskind, denn es waren meine Eltern, die noch direkt als junge Erwachsene am Zweiten Weltkrieg teilnehmen mussten, mein Vater (Jahrgang 1923) als Soldat an der Ostfront, meine Mutter (Jahrgang 1925) als Arbeiterin in der Rüstungsindustrie. Der Titel des Buches leitet sich aus einem Glaubenssatz meiner Mutter ab – eben, dass man „zusehen muss, wie man zurechtkommt“.

Diesen Satz hat sie immer wieder zu sich selbst gesagt, etwa, als sie 1945 vor anrückenden Roten Armee aus Gotenhafen fliehen musste. Gleichzeitig drückt der Satz das Gefühl aus, das einen als beruflich gestresster und vom Alltag restlos vertakteter Sohn überkommt, wenn man in Deutschland Pflege organisieren muss.

Oft bedarf es solch einschneidender Momente, damit die Kriegsenkel-Problematik an die Oberfläche gelangt, Lebenskrisen in den mittleren Jahren etwa, oder eben, wenn man die alten Eltern pflegen muss und plötzlich der Krieg mit am Bettrand sitzt; oder man sich fragt, woher nur diese rätselhafte emotionale Distanz rührt, die einen ein Leben lang von den Erzeugern getrennt hat und die liebevolle Zuwendung im Alter so schwer macht – so wie sich einst die traumatisierten oder emotional verschlossenen Eltern schwer getan hatten, dem Kind die liebevolle Zuwendung zu geben, die es gebraucht hätte.

Jugend in eine mentale Kapsel eingeschlossen

Es ging mir in dem Buch einerseits darum, die lebensverändernde Pflegezeit aufzuarbeiten – und gleichzeitig eine Antwort auf die Frage zu finden, wer meine Eltern eigentlich waren. Ich habe ihnen dafür posthum sozusagen nachspioniert, beim Wehrmachtsarchiv, beim Roten Kreuz, in Familiendokumenten, und habe mir daraus und aus ihren spärlichen Erzählungen ein Bild zusammengesetzt, das ihr für mich oft widersprüchliches Verhalten besser verstehen lässt.

Beide waren im Krieg nur knapp dem Tode entronnen. Was hatte das mit ihnen gemacht, und was machte das mit mir? Heraus kam das Bild von Menschen, die ihre Jugend in eine mentale Kapsel eingeschlossen hatten, in deren Unterbewusstsein Erinnerung gewütet haben mussten, von denen ich mir keine Vorstellung machte. Die Auseinandersetzung damit hat mir sehr geholfen, weil ich die Urgründe bestimmter eigener Lebenshemmnisse klarer benennen konnte.

Eigentlich hatte ich gedacht, dass diese Geschichte damit zwischen zwei Buchdeckeln abgelegt wäre – doch der Überfall Russlands auf die Ukraine hat alles noch einmal mit Wucht zu Tage gefördert. Auch da bin ich keineswegs der Einzige: Der Krieg habe bei vielen Kriegsenkel einen „emotionalen Aufruhr“ ausgelöst, wie Sven Rohde sagt. Nach dem Überfall Russlands auf das Nachbarland „haben sie sich persönlich wie überfallen gefühlt“. Sie hätten den Zweiten Weltkrieg zwar nicht selbst erlebt, „aber das Gefühl, ganz persönlich in einen Krieg zurückgeworfen zu werden“.

Konnte es vor diesem Hintergrund richtig sein, wieder Angriffswaffen in die Ukraine zu liefern?

Auch ich habe mir noch einmal die Feldpostbriefe Vaters aus der Ukraine von 1944 herausgesucht, zum Teil geschrieben auf Ansichtskarten mit deutscher Artillerie, die ins Feindgebiet feuert. Ich fragte mich vor allem: Konnte es vor diesem Hintergrund richtig sein, wieder Angriffswaffen in die Ukraine zu liefern? Hatte die russische Paranoia vor fremder Einmischung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nicht viel damit zu tun, dass die Wehrmacht – in ihren Kolonnen mein eigener Vater – vor nicht allzu langer Zeit dort war, um Eisen und Stahl zu säen? Und was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Ebenfalls frage ich mich, wie ich zu meiner Einstellung gelangt bin, denn die Ablehnung von Krieg und Waffenlieferungen ist keineswegs einhellig bei Kriegsenkeln. Die Generation der Boomer ist in dieser Frage nicht weniger gespalten, als der Rest der Bevölkerung. Ja, viele ehemalige Kriegsdienstverweigerer scheinen nun als Mittfünfziger plötzlich den Rekruten in sich zu entdecken. Warum ist das bei mir anders? Wie kommt man zu seiner Haltung?

Mir geht es dann wie Sigmund Freud, der 1915, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schrieb: „Von dem Wirbel dieser Kriegszeit gepackt, einseitig unterrichtet, ohne Distanz von den großen Veränderungen, die sich bereits vollzogen haben oder zu vollziehen beginnen, und ohne Witterung der sich gestaltenden Zukunft, werden wir selbst irre an der Bedeutung der Eindrücke, die sich uns aufdrängen, und an dem Werte der Urteile, die wir bilden.“

Vielleicht lag es an meinem Vater, ich denke dann daran, wie alle Forschheit von ihm abfiel, wenn ich mit ihm Cowboy und Indianer spielen wollte. Dann legte er die Plastikpistole nach wenigen Sekunden aus der Hand und sagte mit verschleiertem Blick: „Ick kann das nich…“

Die letzte Kugel

Ich glaube, es war Vaters verstörter Blick, der mich zum Gesinnungspazifisten gemacht hat. Dabei wusste ich, genau genommen, überhaupt nichts von meinem Vater. Erst die Demenz kurz vor seinem Tod zerriss den Schleier, den er sich selbst auferlegt hatte. Dann erzählte er, wie er vor seiner Gefangenschaft in der Ukraine die letzte Kugel für sich selbst aufgehoben hatte, dann aber nicht den Mut hatte abzudrücken. Vielleicht mag ich deshalb keine Waffen?

Manche Kriegsenkel scheinen geradezu gefangen zu sein in einem inneren Hin- und Her, das die inneren Konflikte ihrer Vorfahren widerspiegeln könnte – von denen sich viele ja nicht sicher waren, ob sie sich selbst als Opfer oder Täter betrachten sollten. Eine innere Ambivalenz in Geschichtsfragen könnte auch die deutsche Außenministerin kürzlich gelenkt haben, als sie einerseits – ganz kriegsenkelhaft – öffentlich an die Mahnung ihres Wehrmachtsgroßvaters erinnerte, bloß ja nie wieder einen Krieg anzuzetteln. Um nicht lange danach so aufzutreten, als sei ein neuer Krieg gegen Russland bereits die von ihr so empfundene – und gewollte – Realität.

Rufe vom Totenbett

Aber muss man nicht reagieren, wenn ein Nachbar überfallen wird, muss man nicht helfen? Das werde ich bei Diskussionen oft gefragt. Vielleicht ist das meine Art von Kriegsenkelhaftigkeit, dass ich nicht glaube, dass man Aggression mit Gegenaggression beantworten kann. Wahrscheinlich liegt meine Skepsis im Erbe der Gewalt begründet, die meine Vorfahren ausübten und die sie erleiden mussten.

Meine beiden Großväter haben im Ersten Weltkrieg gekämpft, mein Vater im Zweiten. Meine Mutter hat die Bombardements Berlins überlebt. Meine Tante war in Berlin 1945 tagelang von sowjetischen Frontsoldaten vergewaltigt worden. Ich hatte eigentlich gehofft, als erster in Generationen dieser Familie ohne Krieg auskommen zu können. Ist es so erstaunlich, dass ich es für eine immer wiederkehrende deutsche Hybris halte, sich mit den Russen anlegen zu wollen?

Wie Slavoj Zizek kann ich überdies an eine westliche moralische Überlegenheit nicht recht glauben – und schon gar nicht an eine deutsche. Ich halte es mit dem australischen Weltkriegshistoriker Christopher Clark, der gleich nach Beginn des Konflikts in einem Interview forderte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich denke dann an jene Menschen, die in Ost und West in der Nachkriegszeit am Drücker saßen und darauf verzichteten, ihn zu betätigen, weil sie noch wussten, was Krieg bedeutet. Diese Generation ist nun abgetreten und scheint uns vom Totenbett aus nachzurufen: „Nun seht mal zu, wie ihr zurechtkommt.“ Ich habe nicht den Eindruck, dass uns das besonders gut gelingt.

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50 Kommentare

  1. Es ist ja gerade das Kreuz mit der vor allem westdeutschen „Vergangenheitsbewältigung“, dass sie ausschließlich auf die eigenen Erfahrungen der zivilen Bevölkerung fokussiert ist und damit eigentlich keine ist.
    Die Verbrechen in der Sowjetunion spielen bis heute überhaupt keine Rolle, obwohl Millionen Deutscher daran direkt oder indirekt beteiligt waren und darüber, vielleicht sogar verständlich, nicht sprachen. Sie waren in die Ausrottung der slawischen Völker, nicht nur der Juden, die nichtjüdischen Opfer stellten sogar den größten Teil, verwickelt.
    Auch die Regierungen und Medien klammerten dies aus, jammerten sogar über das schreckliche Schicksal der dafür „Verfolgten“ und deren Familien. Sie organisierten darüber hinaus die Flucht von Zehntausende Nazi-Verbrechern vor der gerechten Strafe.
    Unter diesen Bedingungen konnte nur die verlogene heutige Kriegsbereitschaft in Form der „Unterstützung der Ukraine“ entstehen und der Revisionismus der Ergebnisse des 2. Weltkrieges die Oberhand gewinnen.
    Auch deshalb bin ich überhaupt nicht „stolz, ein Deutscher zu sein“, wobei solcher Stolz überhaupt nur ein Dummenstolz sein kann. Man kann es nicht sein, wenn noch alle Tassen im Schrank sind. Man kann nicht mal stolz ein Mensch zu sein, wenn man sich den Umgang des Menschen mit den Tieren und der Natur zu Gemüte führt.

    1. Bin zu 💯% Ihrer Meinung.
      Den Deutschen fehlt eindeutig, die Aufarbeitung ihrer Geschichte, ihrer Taten und die Busse dafür…sie haben nie gelernt, Demut zu zeigen, ausser beim Staat Israel 😡 der heute zu 💯% zu verachten und scharf zu verurteilen , ist. Denn auch sie sind vom Opfer zu Täter geworden.

      1. Ich fühlte mich gerade eben noch genötigt, Sie zurechtzuweisen, von wegen : „Wie können Sie – als Deutscher ! – es wagen, den Staat Israel als verachtungs- und verurteilungswürdig hinzustellen ?
        Ein paar Kommentare weiter erfahre ich, dass Sie Jüdin sind !
        Wir Deutschen werden vor lauter Vergangenheitsbewältigungsdruck langsam aber sicher kirre !
        Die Mehrheit der deutschen Nazi-Enkel – glauben Sie es mir – WILL BÜSSEN, sagt uns doch bitte WIE !!
        Ich habe mich – als Biodeutscher – nicht fortgepflanzt, ich hasse mein Volk und mich selbst und werde niemals für Deutschland in den Krieg ziehen – was denn noch ?

  2. also ich mutmaße seit letztem jahr, daß mich eventuell neanderthalergene determinieren, erectus wär mir echt lieber (die sind halt hübscher und „gewitzter“), aber da die so querbeet gevögelt hatten, sind meine neanderthaler ja anteilig n bissel erecti, vielleicht 🙄 ….egalwie, glaub ich, daß ich dehalb mit neuzeitlicher waffentechnik iwie null was anfangen kann und bei gefahr immer nach den besthandlichsten knüppeln ausschau halt und sie gegebenenfalls so lange als „krückstock“ mit mir durchn wald schleppe bis ich mich dessen nicht mehr bedürfend fühle….
    ich hab so richtig null ne meinung zu „waffenlieferungen“, aber steh voll auf hordenschutz, neanderthalmäßig kleine horde halt…. ka, also naja, ….mit all dem zwischenballast (neanderthalergene bis heutige gene) …..naja, ich kann darüber kein buch schreiben, echt nicht, das bring ich nich fertig, weder über noch unter mich….meine mutter sagte immer (und sagts noch) „da muß an halt durch!“ und mein vater „indianer kennen keinen schmerz!“ , denk das is die kombi von erectus+neanderthaler und ich stelle mich dem mit seßhaftwerdung……is nicht so einfach, wenn man -genetisch bedingt- immer unterwegs war, aber trotz dieser determinanten gelinkt gewöhnung und vielleicht ja auch epigenetik, wenngleich ich keine nachkommen mehr in die welt setzen mag unds -hoffentlich- demnäxt auch absolut/total….end-gültig unmöglich sein wird….
    (sorry, mußte sein 🙄 , bin schon wieder weg ….)

    1. Es dürfte diese Kennzeichnung des Neandertalers, die der nationalistische Geschichtsschreibung Ende des 19. Jahrhunderts entspringen soll, nicht allzusehr mit der Realität zu tun haben.
      Im Gegenteil, der Homo Sapiens hat mit seiner „Neugier“ die Erforschung der Umwelt und damit die Voraussetzungen für deren Ausbeutung auf den Weg gebracht. Dem Neandertaler schreibt die Geschichte einen größeren Respekt gegenüber der Natur zu. Seine Gene hätten vermutlich bewirkt, dass die kapitalistische Ausbeutung dieser stärker hinterfragt worden wären.

      1. siehst, deshalb „mag ich hier nich“….macht nix….
        letztes jahr wurd der neander ja gefeiert und zudem festgestellt, daß das ausrasten des körpers einiger covid-schnupfen-kämpfenden mit „zuville neandertaler-gene“ zu tun haben soll, wo ich -wie ja schon gesagt- sehr viel lieber ville erectus-gene hätt, die sind so coole socken gewesen, des glaubste kaum 😉 …..
        naja…man kann nich alles haben, ich weiß *heul* ….

  3. Zu „In den meisten Familien wurde darüber nicht gesprochen, es herrschte die sprichwörtliche Sprachlosigkeit der deutschen Nachkriegszeit.“:

    Tja, „sprichwörtliche Sprachlosigkeit“ herrscht im obigen Artikel über das Nazi-Regime.
    Haben etwa keine der deutschen „Kriegsenkel“ Eltern bzw. Großeltern gehabt, die – oft durch die HJ gedrillt – überzeugte Nazis gewesen waren oder das NS-Regime auch ohne ideologische Überzeugung auf die eine oder andere Weise unterstützt haben?
    Haben die alle bis Kriegsende rein gar nichts gewusst von den NS-Verbrechen?

    Hat sich in dieser Hinsicht vielleicht auch etwas „vererbt“?
    Oder warum herrscht hierzulande jetzt „Sprachlosigkeit“ gegenüber dem, was in der Ukraine wieder aufblüht?
    Zur schnellen Veranschaulichung nochmals der kurze Trailer einer NBC-Doku über militärische Asow-Kinderferienlager, die nach 2014 staatlich gefördert überall Ukraine aufgebaut worden sind:
    https://www.youtube.com/watch?v=CpV16BQfbrQ

    Zeigt einfach die erste Minute dieses Videos Bekannten, die glauben, es sei nur „russische Propaganda“, dass die Ukraine ein „Nazi-Problem“ hat.

    Es gibt im Netz jede Menge solcher von westlichen Medien (!) erstellte Reportagen aus militärischen Kinderlagern in der Ukraine, alle aus den Jahren vor 2022.
    Trainer und Kinder tragen darin oft die Schwarze Sonne auf T-Shirts usw. und skandieren bei Schießübungen Sprüche wie: „Wir zielen nie auf Menschen, sondern nur auf Russen“.
    Ansonsten werden darin Nazi-Zitate, z. B. aus der Goebbels-Rede 1:1 übernommen, bei Lagerfeuer-Romantik deklamiert.

  4. Mein Eindruck bei diesem Kriegsenkel-Diskurs geht es letztlich um die Fortsetzung der Opfer-Erzählung, die uns von den Großeltern und Eltern in der Nachkriegszeit übermittelt wurde.
    Ich bin aufgewachsen mit den Fluchterzählungen meiner Mutter, mein Vater schien irgendwie immer zu bedauern, dass er zu jung war um in den Krieg zu ziehen und seinem lange bestehenden Interesse am „Unternehmen Barbarossa“ merkte man immer wieder die Bewunderung für die deutsche „Kriegskunst“ an. Bei anderer Gelegenheit brach er in Tränen aus, als er bei einer Doku über den Mord von Sarajewo bemerkte, dass damit die ganze Scheiße anfing.
    Ich erfuhr eigentlich nur Opfererzählungen aus persönlicher Perspektive oder aber dass die BDM-Zeit so wunderbar war mit Singen und Sportwettkämpfen.
    Die Tätergeschichte der Großeltern musste ich selbst heraus finden, z.T. gegen den Widerstand der Familie.
    Und die, weil verschwiegenen, weiter vererbten Täteranteile sehe ich als die eigentlichen malignen Introjekte an und sie scheinen mir gerade wieder belebt zu werden in der Leidenschaft, mit der Russen gehasst und Ukrainer in ihrem Wahn bejubelt werden.
    Und tatsächlich erlebe ich nach wie vor bei Freundinnen, die am Kriegsende geboren wurden, also 7 Jahre älter sind als ich, dass sie ‚die Russen‘ als das Übel der Welt sehen, nicht glauben wollen, dass ihre Soldaten-Väter an Verbrechen dort beteiligt gewesen seien und, wirklich geäußert in Bezug auf die Vergewaltigungen nach dem Krieg, dass Deutsche dort ähnliches getrieben hätten. Man schüttelt sich, wenn man solche Blindheit mitkriegt.
    Mal ganz nebenbei, die Vergewaltigugen deutscher Frauen nach dem Krieg fanden durch sämtliche Alliierten statt, nur das Bild vom russischen Vergewaltiger-Gen wird aber bis heute, wie man sieht, gepflegt.
    https://www.deutschlandfunk.de/zweiter-weltkrieg-massenhafte-vergewaltigungen-durch-100.html

    Und mal ganz grundsätzlich, wie sieht es aus mit den Kriegskindern und -enkeln in den Ländern aus, die von Deutschland überfallen wurden, allen voran den Ländern der ehemaligen SU und Polens, die einem erklärten rassistischen Vernichtungskrieg ausgesetzt waren?!
    Mir scheint ungleich wichtiger, die Tätergeschichten unserer Familien zu bearbeiten, das bringt uns erst wirklich in eine erwachsene Position.

    Ich hatte als Jugendliche in einem surrealistischen Bild einen Baum aus Händen gemalt, eine Hand als Wurzel, die Äste endeten in Händen. An dem ganzen Baum verlief eine dicke Blutspur, sie sollte meinem Empfinden nach aus den Händen kommen, so in Anlehnung an die durchstoßenen Hände von Jesus. Zwanzig Jahre später zeigte ich in der Psychoanalyse dieses Bild und die Analytikerin fragte, ob das Blut aus den Händen komme oder an den Händen sei. Ich erwiderte, offenbar sei es doch an den Händen, entgegen meiner bewussten Absicht. So sah also mein Familienstammbaum aus und noch mal 10 Jahre später hatte ich dann alles raus gekriegt, auf beiden Seiten, auch das Verbrechen des mir unbekannten Großvaters.

    1. Ich sehe das genauso.
      Bin zwar keine Deutsche, aber 1963 geb. Abstammung Algerischer Juden nach Paris geflüchtete Familie, in die Schweiz gegebenes Pflegekind, bis heute hier wohnend…Familie zerstückelt in Paris Schweiz England und Israel.
      Sehe das mit der Aufarbeitung der deutschen Bevölkerung genauso. Denn es wurde nur aufgearbeitet noch verbüsst.
      Sehen sich meistens als Opfer , selten als Täter.
      Meine Urfamilie hat eine sehr negative Einstellung gegenüber den Deutschen oder gar der deutschen Sprache.
      Aber wenn ich Israelis sehe, bekomme ich agressionen, denn diese „Opfer, sind zu Tätern geworden.
      Ich würde nie in meinem leben ein Fuss auf israelischen oder auch deutschen Boden stellen.
      Hingegen nach Russland 💯pro schon

  5. Der Autor meint, dass in den meisten Familien über den Krieg nicht gesprochen wurde, ich denke, dass das eine Schutzbehauptung vieler Familien ist, ebenso wie die Behauptung derer Großeltern von den Verbrechen »nichts gewusst zu haben«.

    Auf die Frage des Autors, ob es vor diesem Hintergrund richtig sein konnte, wieder Angriffswaffen in die Ukraine zu liefern, lautet eine der Antworten, dass manche der Versuchung – endlich eine Rechnung mit Russland zu begleichen – einfach nicht widerstehen können, und Klagen wie die, dass die Sieger immer Recht haben, deutet auch darauf hin.

    Fremde »Einmischung« in die unmittelbare Nachbarschaft Russlands ist eine Untertreibung, diese »Einmischung« besteht in der Aufstellung von Raketen, die auf Russland zielen, dass Russland nicht bereit ist so etwas hinzunehmen hat mit »Paranoia« nichts zu tun, die USA waren sogar bereit einen Atomkrieg zu riskieren um die Aufstellung von Raketen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu verhindern.

    Erschreckender als die mangelnde Sensibilität, deutsche Panzer an die Ukraine zu liefern die Anhänger von Nazi-Kollaborateuren wieder gegen Russland rollen lassen, ist die Unfähigkeit der Bürger zu erkennen, dass mit den Waffenlieferungen an die Ukraine nicht unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere »westlichen« Werte verteidigt werden, sondern der Versuch der USA einen unliebsamen Zeitgenossen möglichst zu schaden.

    1. Zustimmung, ich habe an den selben Stellen gestutzt.
      Aber vielleicht ist das eben auch eine Folge des Opferdiskurses der ‚Kriegsenkel‘.

  6. Kriegsenkel haben keine Psychomacke. Kriegsenkel sind vorsichtig, gewissenhaft und verantwortungsbewusst.
    Deshalb findet man keine ihrer
    Vertreter in der Politik des Landes.

    1. Ich bin auch Kriegsenkel. Aber das hält mich nicht davon ab, die derzeitige Situation realpolitisch zu analysieren und zu verstehen, dass dahinter schnöde geo- und wirtschaftspolitische Interessen stehen. Abgesehen davon, dass hier alle Klischees über den “bösen Iwan“ auftauchen, halte ich es für ein starkes Stück, den Russen “Paranoia“ vorzuwerfen.

      1. Wären die russischen Kriegsenkel nicht vorsichtig, gewissenhaft und verantwortungsbewusst, hätten sie den Westen bereits in Schutt und Asche gelegt.

        Auf den A.F. dunning-kruger-Clown ( oben ) möchte ich nicht weiter eingehen.

        1. Hallo Gerda,
          mein Post sollte eigentlich nicht als Antwort rausgehen…liegt an der etwas nervigen “Menü-Führung“ von OM.
          Gruß AeaP

    2. Scholz oder Pistorius dürften sehr wohl Kriegsenkel sein. Auch vdL gehört der Generation an…. vorsichtig, gewissenhaft, verantwortungsbewusst??? Wem gegenüber? Irgendwelchen US-Konzernen und der NATO? Sie gehört halt einer Elite an, ihr Bewusstsein ist elitär.

      1. nach der Definition Kriegsenkel im o. Artikel – geboren zwischen 1960 und 1980 – ist nur Pistorius ein Kriegsenkel. Scholz, von der Leyen und auch ich sind 1958 geboren und fallen daher – warum auch immer – aus dieser Gruppe heraus.
        Allerdings ist meine Familie sowieso eine Besonderheit, da sowohl die Eltern meiner Mutter als auch die Eltern meines Vaters jüdische Nachbarn hatten. Meine Großeltern haben daher die Meinung vertreten, dass man es eigentlich gewusst haben müsste.

  7. Vorsicht und Zurückhaltung hat doch uns als Kriegsenkel nicht geschadet!
    Diese Bescheidenheit und Zurückhaltung vermisse ich bei der heutigen Jugend, vor allen der umweltbewußten grünen Jugend aus „guten Hause“. Diese ist doch so von Kriegsgeilheit besessen und versinkt in Geschichtslosigkeit so daß ich fragen muß: Was haben wir da als Kriegsenkel bei der Erziehung falsch gemacht?

    1. „Was haben wir da als Kriegsenkel bei der Erziehung falsch gemacht?“

      Gar nichts. Die Kriegsversehrten in Schulen, Betrieben und im öffentlichen Raum kann man nicht simulieren.
      In Deutschland werden Kinder nur “ großgezogen“, die Eltern ziehen und eines Tages sind die Kinder groß.
      Eine Erziehung zum Frieden in Friedenszeiten erfordert etwas mehr Mühe.

    2. Anscheinend Alles, was mensch nur falschmachen kann ! Ich zitiere aus dem Buch „Der allgegenwärtge Antisemit“ von Moshe Zuckermann : „vom ’schwarzen Loch Auschwitz‘ hat sich das jüdische Kollektiv in der Welt bis zum heutigen Tag nicht erholt; fraglich, ob es sich je davon erholen wird können “ ; Mit einem ähnlichen „Kollektivtrauma“ wird das „slawische Kollektiv“ geschlagen sein. Wenn sich Opfer-Kollektive wie aktuell Ukraine vs. Russland, Palästinenser vs. Israelis tragischerweise gegenseitig bekämpfen, dann sollten wir Deutschen – als Verursacher besagter Kollektivtraumata – wenn überhaupt, dann nur als neutrale Vermittler und Friedensstifter in Erscheinung treten, und wenn wir das nicht vermögen, dann sollten wir – so wie es eine Russin hier im Forum gefordert hat – besser „still sein“, und – so meine Meinung – idealerweise aufhören, als Nation zu existieren!

  8. Welche Folgen es hat, wenn Deutsche vor allem den Opferdiskurs pflegen, kann man hier anschauen, das maligne Introjekt in Aktion:
    “ Der in Berlin lebende jüdische Fotograf Adam Broomberg, der für seine Arbeiten über die Grausamkeit und Irrationalität von Gewalt bekannt ist, geriet ins Visier des Antisemitismusbeauftragten der Stadt Hamburg, Stefan Hensel.
    Hensel hat soziale Medien und verschiedene Zeitungen genutzt, um jeden, der die BDS-Bewegung unterstützt, als „antisemitisch“ anzugreifen. Seine Kampagne gegen Broomberg erregte den Zorn des Fotografen, der in Südafrika geboren wurde und ein intimes und sehr persönliches Verständnis der Apartheid hat.

    Broomberg erklärte gegenüber dem Kunstmagazin Hyperallergic, er sei über diesen Angriff bestürzt:

    „Dass ein Beauftragter für Antisemitismus seinen ersten und sehr heftigen Angriff auf einen Juden richtet und das Leben und den Beruf eines Juden aufs Spiel setzt, ist eine absolute Ironie. … Ich habe gerade meine Mutter beerdigt, die den Holocaust erlebt hat, und ich komme zurück und werde beschuldigt, ein hasserfüllter Antisemit zu sein, der den Terrorismus gegen Juden befürwortet. Ich könnte nicht jüdischer sein. Das hat mich zutiefst getroffen.““
    https://www.telepolis.de/features/Antisemitismus-als-Waffe-Frankfurt-cancelt-Konzert-von-Roger-Waters-7543212.html?seite=2

    1. Dieser Schwachsinn gehört hier nicht hin, weil es um Effekte aus dem Bereich der
      Persönlichkeitspsychologie geht.
      Um Sozialpsychologie geht es nicht.

    2. Es wäre aufschlußreich zu erfahren, wer die Leute sind, die Adam Broomberg oder Jeremy Corbyn Antisemitismus vorwerfen.

      Menschen wie die Schauspieler Hans Söhnker oder Hardy Krüger, oder der Krupp-Manager Berthold Beitz, die während des 2. Weltkriegs zahlreichen Juden das Leben gerettet haben gehören ganz bestimmt nicht zu denen, die anderen leichtfertig Antisemitismus vorwerfen.

      Dieser ungerechtfertigte Antisemitismus-Vorwurf ist deshalb besonders infam, weil er sich oft gegen Leute richtet, die mit ihrer Kritik an der Politik Israels, den Juden einen weit besseren Dienst erweisen, als die Springer-Presse, die vorgibt alles O.K. zu finden, was israelische Politiker anrichten.

      1. Naja, in Bezug auf Corbyn denke ich, ist dieser infame Vorwurf schlicht eine Waffe, um einen unliebsamen Rivalen zu demontieren.
        Und bei Broomberg geht es wohl einerseits um diese Kriegsenkel-verschobene Schuld-Problematik und dann muss so ein AS-Beauftragter ja schließlich auch sein Amt und sein Gehalt rechtfertigen.
        Und besonders pikant ist es, wenn „arische“ Nachfahren der Täter jüdische Nachgeborene des Antisemitismus bezichtigen und damit wiederum bestimmen, wer Jude ist oder nun im Speziellen, wer ein guter(!) Jude ist.

  9. Fuer mich stellt sich diese Herausforderung anders. Im lichte von Reinkarnation und Karma: ‚warum habe ich mir diese (Kriegs-) Eltern ausgesucht?‘ Ich bin Jahrgang 1948 und in Norddeutschland geboren und frage mich noch immer was dieser ‚Generationenkonflikt‘ gerade in the 60ern des letzten Jahrhunderts als eine (teilweise) Grundlage fuer mein spaeteres Handeln und in meiner Gefuehlswelt bewirkt hat. Da lass ich schon mal die Genetik und Freud beiseite … das Thema Reinkarnation und Karma hat das Potential diese ganze Thematik (Kriegskind etc.) auf den Kopf zustellen und auf ein kreativeres Gleis zu ruecken und damit gleichzeitig mehr Verantwortung fuer unsere eigenen Schicksale zu uebernehmen. Nur mal so als Denkanstoss …

  10. „Aber muss man nicht reagieren, wenn ein Nachbar überfallen wird, muss man nicht helfen?“ In dieser Frage steckt die gesamte westliche Propaganda schon drin.
    Erstens in der ausgedrückten Ereignisinterpunktion. Der Versuch, die westliche Machtsphäre auszuweiten, hat 2013 / 4 auf dem Maidan einen ersten Höhepunkt erlebt, dann weitere, dann Tage vor dem russischen Angriff noch einen – siehe die OSZE-Tagesprotokolle -, um erst dann zu dem zu werden, was wir heute sehen.
    Zweitens in der impliziten Definition, was Hilfe bedeuten könnte, nämlich militärische Unterstützung. In Wirklichkeit bestünde Hilfe in Hilfe zum Kriegsabbruch. Vor einem Jahr waren Verhandlungen im Gang, inhaltlich bereits recht fortgeschritten. Sie wurden von westlicher Seite abgewürgt, Boris machte den Emissär.
    Drittens drängt sich die Gegenfrage auf, warum hier das nur ansatzweise zutreffende Wort ‚Nachbar‘ vorkommt. Sollen sich auf die Opfer westlicher Aggression beziehende Fragen abgewürgt werden? Von Vietnam bis Granada, Irak, Libyen, Syrien, Jemen gibt es da grosse Auswahl (hier eine Auflistung bis zur Jahrtausendwende: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/USA/kriege.html ). Seit wann ‚helfen‘ Staaten anderen im Kriegsfall – humanitäre Hilfe stellt niemand in Frage -, oder anders, was bedeutet das dann?

    Vor dem ersten Golfkrieg wurde versichert, es werde sich um den letzten Krieg handeln, man habe ja grundsätzlich gewonnen, nur dieses letzte Monster müsse noch in die Schranken gewiesen werden…

    1. Da gibt es gerade einen ziemlich Augen öffnenden Artikel auf Telepolis über die Jakarta-Methode. https://www.telepolis.de/features/Die-Jakarta-Methode-Massenmorde-unter-falscher-Flagge-7542812.html
      Und wie üblich vorne dran CIA &CO, einschließlich des BND.
      Aber bei der Documenta wurden die indonesischen Künstler, die darauf mit ihrer Kunst hinwiesen, eben auch auf die Beteiligung des Mossad, umgehend des Antisemitismus bezichtigt und in der neokolonialistischsten Weise arrogant gemaßregelt. Denn wir stehen ja für die Opfer/Juden (da kann man so oder so lesen!)
      Dazu gibt es ein interessantes Buch „Gefühlte Opfer“ https://www.perlentaucher.de/buch/ulrike-jureit-christian-schneider/gefuehlte-opfer.html

    2. Die USA werden erst aufhören, wenn sie die unumschränkten Herren der Welt sind. Ob ihnen das gelingt oder werden sie zusammenbrechen, wie das römische Imperium zusammengebrochen ist? Vielleicht muss man sich einmal damit abfinden, dass die Phase der „einzigen Weltmacht“ vorüber ist und man eine solche Position nicht für immer halten kann?

  11. Hallo Sebastian Schoepp,
    die fast 27 Millionen ermordeten Russen (nur WK II) durch Deutsche sind eben NICHT präsent – aber es ist eben auch NICHT präsent, daß es zZ ein deutsches Buch gibt, welches Klarheit schafft: Herrman Ploppa – „Hitlers Amerikanische Lehrer“ – WER weiterdenken kann – versteht auch (vllt) warum wir bis heute !!! KEINEN Friedensvertrag haben – ES GÄRT im „Untergrund“ – damit dies aber NICHT bewußt werden kann – ist die „C-Traumatisierung“ obendrauf gesetzt worden – Sollten Sie Fragen haben – Sie dürfen sich an mich wenden

  12. Dan Bar-On (1938 – 2008) Psychologe, Therapeut, Holocaust- und Friedensforscher:

    Schwerpunkte seiner Arbeit waren Dialog / Aufarbeitung / Trauma / Konfliktbewältigung der Beteiligten und Nachfahren; zwischen den Generationen, zwischen Juden und Deutschen, zwischen Israelis und Palästinensern.
    Nachruf: https://de.qantara.de/inhalt/nachruf-auf-dan-bar-on-dialoge-gegen-die-mauern-des-schweigens-und-der-feindschaft (unter dem Nachruf sind weitere Leseempfehlungen)
    Kurz vor seinem Tod durfte ich einen beeindruckenden Vortrag von ihm erleben. Auch als Person hat er den Raum mit seinem ruhigen, besonnenen Wesen gefüllt.
    Viele Aufzeichnungen gibt es leider nicht von ihm. Folgendes Video / Gespräch empfehle ich um einen Eindruck von ihm und seiner Arbeit zu bekommen:

    Der israelische Psychologe Dan Bar-On im Gespräch
    https://www.srf.ch/play/tv/sternstunde-religion/video/der-israelische-psychologe-dan-bar-on-im-gespraech-mit-brigitta-rotach–eine-aufzeichnung-vom-4–september-2004?urn=urn:srf:video:a164a7e9-d4e8-41dc-9e33-6e62701a85d1
    „Doch gerade traumatische Erinnerungen werden oft mit Schweigen ummauert. Der israelische Psychologe Dan Bar-On hat das in seiner Pionierarbeit mit Nachkommen von Holocaust-Opfern und Kindern von Nazi-Tätern immer wieder erlebt. Vergleichbare Erfahrungen machte er aber auch mit Israelis und Palästinensern. In seinen Workshops ging es darum, in der direkten Begegnung mit den Feinden die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Denn, davon war Dan Bar-On überzeugt, das Erzählen und Zuhören hilft, die eigenen Gefühle, aber auch die der anderen Seite zu verstehen und monolithische Bilder von Gut und Böse zu erschüttern. (…)“

    Buchtipps:
    Dan Bar-On: Die Anderen in uns. Dialog als Modell der interkulturellen Konfliktbewältigung.
    Dan Bar-On: Erzähl dein Leben! Meine Wege zu Dialogarbeit und politischer Verständigung.
    weitere Buchtipps auf Wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Dan_Bar-On#Werke_(Auswahl)

      1. Ja A.F., das kann man nicht anders sagen. Wie wichtig wäre seine Arbeit für die nachfolgenden Generationen und zu Konfliktlösungen auch heute noch!
        Ich habe selten so eine Empathiefähigkeit bei einem Menschen gesehen und auch mit diesem Problem (dass auch er sich erst auseinandersetzten musste, um das zu ermöglichen), beschäftigt er sich.

        Leider finde ich nicht die richtigen, würdigenden Worte, um ihn und seine Arbeit zu beschreiben. Daher an diejenigen, die ihn noch nicht kennen, bitte selbst einmal ein Bild machen. Es lohnt sich.

        Seine Herangehensweise, dass Konfliktlösungen gesellschaftlich „von unten nach oben“, sowie von „oben nach unten“ angegangen werden müssen, finde ich wichtig. Dem Menschen muss die Möglichkeit / Hilfe für eine Art Katharsis gegeben werden, um Trauma, Hass, Scham, Schuld auflösen zu können und so ein friedliches Zusammenleben / miteinander wieder möglich zu machen.
        Seine Arbeit zeigt Lösungsansätze für Konflikte weltweit.

  13. In allem was wir „Wissen“,bleibt eine einzige Frage :
    Was ist Wahrheit?
    Das familiäre Wissen, das regionale Wissen, das nationale Wissen…,oder das aufgetragene Wissen in Form der narrativ angebenden?
    ‚Heute‘ existieren Menschen die an alles glauben,was ihnen vermittelt wird. Ist das wahr?
    Letzte Woche hatten wir hier die Forschung, was haben wir daraus gelernt?
    Ich schreibe nichts, warum?, weil alles sich darum dreht den Menschen zu manipulieren…
    Und nicht sich darum dreht den Menschen zu entwickeln (im geistigen Sinne).

  14. Ich bin nur eine Enkelin ohne Krieg, trotzdem kann ich mir bestimmte Dinge vorstellen, auch wenn sie mir noch nie zugestossen sind: Kreissäge + Finger – tut bestimmt weh, muss ich nicht erst ausprobieren; Feuer + Öl: keine gute Idee, es gibt darüber höchst glaubwürdige Berichte; Waffen + Menschen + Krieg: unermessliches Leid, Tote, Verletzte und für immer seelisch verkrüppelte Menschen, auch das muss ich aber nicht erstmal selbst evaluieren. Was sollte mir also im Weg stehen, um kompromisslos für Frieden zu sein?
    Aber ja, natürlich ist es ein Gebot der Menschlichkeit, „Schwächeren“ oder dem Nachbar zu helfen. Ein Gebot. Keine Pflicht. Wer Hilfe leisten kann und möchte, sollte rational das Nutzen und den möglichen Schaden seiner Hilfe abwägen und über die geeigneten Hilfsmittel nachdenken. Die Verlängerung des Leidens um der sog. Gerechtigkeit willen ist keine Hilfe und ein Helfer, der sich selbst und andere in existenzielle Gefahr bringt, erhöht das Leid um ein Vielfaches.
    Ärzte und Krankenschwester retten Leben, Waffen nicht.

    1. Ja Hekla, ich muss auch nicht erst auf die heiße Herdplatte fassen um zu wissen, dass das keine gute Idee ist. Selbst als Kind nicht. Man kann sich natürlich auch ohne eigene Kriegserfahrung gut vorstellen, dass es furchtbar grausam sein muss.
      Aber es gibt da trotzdem einen großen, einen riesen Unterschied zu den Menschen, die echte Kreigserfahrung hatten. Wenn man die hat, dann ist das miese Gefühl gegenüber Krieg nicht nur in der Vorstellung, sondern es steckt im ganzen Körper, in den Nerven, in den Muskeln, in den Organen, in den Knochen. Das produziert noch einmal einen ganz anderen und viel heftigen Widerwillen gegen Krieg; einen der nicht diskutierbar ist.

      Daher denke ich auch: Wäre der zweite Weltkrieg nicht schon fast 80 Jahre vorbei, würde man mit dem Ukraine-Krieg noch ganz anders umgehen.

      1. @Two Moon: natürlich kann man echte Erfahrung und eine Ahnung davon nicht gleichsetzen.
        Aber das würde dann auch bedeuten, dass das Wissen um die Ungeheuerlichkeit von Kriegen nur begrenzt weitergegeben werden kann und jede 3., 4. Generation zwingend diese Erfahrung machen muss, damit es vielleicht ein Paar Jahre Ruhe geben kann. Das lässt mich zweifeln, denn wie Sie auch schreiben, die heisse Herdplatte… hatten nicht auch schon die Steinzeitmenschen eine Vorstellung davon, dass Agressionen und Gewalt im eigenen Überlebensinteresse eingehegt werden müssen? Auch bei den Urvölkern gibt es streng ritualisierte Handlungen, die der Befriedung von Konflikten und der Vermeidung von Gewalt dienen. Und wir im aufgeklärten Europa sagen heute, dieser Krieg muss sein…??
        Ich habe eher den Eindruck, dass im Westen Europas uraltes, basales Menschheitswissen verloren geht – begraben unter einem völlig nutzlosen und amoralischen Schrotthaufen von Ersatzreligionsideologien.

        1. Aber das würde dann auch bedeuten, dass das Wissen um die Ungeheuerlichkeit von Kriegen nur begrenzt weitergegeben werden kann und jede 3., 4. Generation zwingend diese Erfahrung machen muss, damit es vielleicht ein Paar Jahre Ruhe geben kann.

          Ja, aber ich fürchte genauso ist es! Das Wissen oder besser die Erfahrung kann nur begrenzt weitergegeben werden, was ja irgendwie auch logisch ist.
          Einige Zeit nachdem ein Krieg in die Vergangenheit gedriftet ist, wird es wieder wesentlich einfacher das aggressive Potential im Menschen auf kriegerische Aktivitäten hin zu leiten.
          Deswegen glaube ich auch, dass es nur wenig hilft die Erinnerung an Kriege wie z.B. WW2 immer möglichst frisch zu halten. Das hilft vielleicht eine gewisse Zeit, Aber irgendwann zieht es bei den Nachgeborenen nicht mehr so richtig, wie aktuell gut zu erkennen.

          Ich denke das Problem liegt vor allem im Umgang mit Aggressionen. Unsere Kultur ist da, denke ich, nicht besonders ehrlich. Man tut hier so als könne man sämtliche Aggression einfach unterdrücken, willensmäßig versteht sich. Ich glaube aber nicht, dass das so einfach geht. Dafür sind wir zu sehr Natur. Irgendwo kriecht die Aggression dann aus einem anderen Loch heraus, wenn man das eine zugedrückt hat. Und für alle Löcher haben wir nicht genug Hände.
          Doch ich denke wenn man anders mit Aggression umgehen würde, dann würde sie auch nicht in solch zerstörerische Kriege fließen. Und ich stimme dir zu, es macht Sinn sich mal anzuschauen wie es Steinzeitmenschen und Urvölker gemacht haben. Die hatten in der Tat Rituale oder Gesetze und Verhaltensweisen, die das Ausmaß von Aggressionen in Grenzen hielten.

          Ich glaube aber nicht, dass solch altes Menschheitswissen nur in Westeuropa verloren gegangen ist. Ich finde der Rest der Welt sieht da zum allergrößten Teil auch nicht besser aus.

          Dem „amoralischen Schrotthaufen von Ersatzreligionsideologien“ kann ich allerdings wieder zustimmen. Sehr schöner Ausdruck 🙂

  15. Wie viel Verleugnung und Abwehr in diesem Artikel. Und Geschichtsrevisionismus und Ignoranz gegenüber offen zugänglichen Fakten. Für mehrere hundert Jahre wurde Russland immer wieder angegriffen, die USA und diverse weitere „wertewestlichen“ Staaten reden offen über Pläne, Russland zu „balkanisieren“ oder gleich zu vernichten, und dann schreibt der Autor von „Paranoia“ der Russen. Und das von einem „Enkel“ derjenigen, die für zig Millionen Tote vor allem in Russland verantwortlich sind.

    Oder sollen mit dieser Sichtweise die Verbrechen der Vorfahren hintenherum doch noch gerechtfertigt werden?

    🙄

    1. Die Charta der Vereinten Nationen bezeichnet nicht den Krieg selbst als Verbrechen, sondern kennzeichnet bestimmte Arten seiner Begründung und Formen der Durchführung als verbrecherisch. Das Recht als Rahmen für die Unterscheidung von Gut und Böse verhindert das sogenannte Böse nicht, sondern versucht durch Strafe den Rechtsfrieden wieder herzustellen. Dieser Versuch lässt aber Tote nicht wieder auferstehen. Dass bei Tod und Sterben hauptsächlich der „eigenen“ Toten gedacht wird, entspricht deshalb meines Erachtens den begrenzten Fähigkeiten des/der Menschen.
      Die gegenwärtige Praxis den alltäglichen Tod, das Sterben so weit irgend möglich der Aufmerksamkeit der Mitmenschen zu entziehen, ist das zentrale lebensferne Element des gegenwärtigen Alltags. Gleichzeitig entstand in den sozialen Medien eine nach außen gewendete Trauerkultur, die den Tod fremder Menschen vernutzt, indem sie vorrangig der Darstellung der eigenen Empathiefähigkeit dient.
      Millionen Tote werden nicht erfahren, sondern gezählt. Die Annahme, ferne Tode und Tote könnten Mitleiden hervorrufen, dürfte nicht richtig sein. Was den Menschen daran hindern könnte, dem anderen ein Wolf zu sein, ist die Vernunft – nicht das Einfühlungsvermögen. Individuell und gesellschaftlich. Das wird m. E. durch Psychologie und Psychiatrie bestätigt, die sich mit dem einzelnen Menschen beschäftigen. Menschenmengen, insbesondere obrigkeitlich organisierte, würde ich nicht als Kollektive bezeichnen, denn ihnen fehlt das Einverständnis zu einer bestimmbaren grundlegenden Gemeinsamkeit. Die Zugehörigkeit zu einer Alterskohorte ist eine wissenschaftliche Hilfskonstruktion, keine erlebte oder erlebbare Realität.

  16. Ich bin es echt leid, meine Lebenszeit mit den inhaltslosen Elaboraten bürgerlicher Intellektueller zu verbringen, die immer und prinzipiell am Problem vorbei schreiben und reden. Sie sind wir Laborratten, die nicht wissen, dass sie Laborratten sind und die Neonlampe an der Decke für die Sonne halten. Prof. Mausfeld beschreibt das in seinen Büchern als Tiefenindoktrination.

    1. sie halten sich für „labor-betreibende“ …
      nimm mal den „irischen lebenslauf“ von flann o brian (heißt auch „das barmen“) …..volkskundler studieren „das irische“ (gut, da sinds britische, keine irischen, aber wurscht) und ziehen also so im armen irland rum, wo die heizung die zwei schweine unterm bett -sehr vernünftig übrigens! 😉 ….naja und diese volks-/sprachkundler besitzen münzen und lassen immermal welche in die westentaschen von besonders eifrigen zur-schau-stellenden (von land und leute und sprache) klackern und da kommen die „eiferlosen überm-schwein-penner“ auf die idee, dem schwein solch weste anzuziehen und zu den gelehrten zu schicken….da grunzt es dann und rülpst und so und schon haben diese taugenichtse n paar münzen gemacht …….in „at swim-two-birds“ gibts ein „das große volk“ und ein „das kleine volk“ – sehr witzig+treffend…..heute is ja irgendwie jede/r volkskundler, ob nu dem großen oder dem kleinen volk entsprungen…….(ich hab ne ganze weile dem harry r. hintergestalkt, also alles, was er übersetzt hat+sein zeuch gefuddert+war gar mal zu ner lesung in hameln….das beste war die zeit nach der „lesung“, als die alternativen soziologen, psychologen, lit.wiss., ernährungswiss., ärzte, lehrende usw gegangen waren)

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