Die deutschen Eliten mögen weltoffen sein, aber sie machen sich offen über die deutsche Arbeiterklasse lustig und schauen auf sie herab.
Tugendhaft im Dienst des Neoliberalismus: Gleichermaßen scharf wie analytisch brillant zeigt Catherine Liu in ihrem vieldiskutierten Bestseller, der nun auf Deutsch unter dem Titel »Die Tugendpächter« erscheint, wie die sogenannte »Professional Managerial Class« (PMC), die linksliberale Mittelklasse der USA, fest im Dienst des Neoliberalismus steht. War sie in den 1970er Jahren noch getragen von den kreativen Freiheitsidealen der Hippies, hat sich die PMC sukzessive mit der Ideologie der Yuppies arrangiert und ist heute die wichtigste Stütze für einen sich progressiv wähnenden, globalisierten Kapitalismus. Lius linke (Selbst-)Kritik der Linken lässt sich nicht nur ohne Umwege auf die urbanen Mittelklassen Europas übertragen, sondern sie formuliert auch eine Hoffnung: Dass die PMC die universellen Prinzipien von Gerechtigkeit, Würde, Emanzipation und Solidarität wiederentdeckt und einfordert.
Als ich in den 1990er Jahren durchs Rheinland reiste, sah ich einmal ein bescheiden aussehendes Kleidergeschäft für Frauen einer gewissen Altersgruppe, welches »Ketch’up« hieß. Es war sonderbar, ein Modegeschäft mit ordentlichen Schuhen und Blumenkleidern zu sehen, das nach einer US-amerikanischen Tomatensauce benannt war, die dafür bekannt ist, schwer auswaschbare Flecken auf pastellfarbenen Blusen zu hinterlassen. Durch das Hinzufügen des Apostrophs und dadurch, dass »Ketch« und »up« getrennt geschrieben wurden, verwandelte der Besitzer des Geschäfts die Tomatensauce in ein trennbares Verb, wie es im Deutschen üblich ist.
»Ketch’up« ist eine Version von »catch up«, einem Spiel, das sich Deutschland gezwungen sah zu spielen, um mit den fortgeschrittensten kapitalistischen Systemen Schritt halten zu können. Max Weber, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer zufolge hat sich das deutschsprachige Volk schwergetan, das protestantische Ethos mit seiner eifrigen Rationalisierung der Produktionskräfte anzunehmen. Horkheimer und Adorno hielten Nationalsozialismus wie Antisemitismus für Reaktionen der Deutschen auf die von der Moderne und dem Kapitalismus geforderte Rationalisierung des Alltags.
PMC verdrängt Arbeiterklasse
Ich habe »Die Tugendpächter« während der Tumulte um die Trump-Präsidentschaft geschrieben: In den Vereinigten Staaten spielte sich ein politisches Drama ab, inklusive eines erbitterten Kampfes zwischen einer technokratischen Klasse von angeblich Liberalen und einem wütenden Zusammenschluss all jener, die sich gegen alle demokratischen Normen auflehnten. Die amerikanische Rechte hieß Irrationalität als eine Form der politischen Agitation und Mobilisierung willkommen und ließ sie nicht mehr los. Für diejenigen von uns, die die Kandidatur von Bernie Sanders 2016 und 2020 unterstützten, war es offensichtlich, dass der sorgfältig inszenierte kulturelle Liberalismus der Technokraten und der »Professional Managerial Class«, deutsch: »Professionelle Managerklasse«, kurz »PMC« die wirtschaftlichen Veränderungen verhindern wollte, die notwendig gewesen wären, um den amerikanischen Liberalismus von seiner elitären, identitätsbesessenen Politik und der rechtsextremen Ablehnung demokratischer Normen zu retten.
Die Vorherrschaft der US-amerikanischen PMC verschleiert ihre Allgegenwärtigkeit. Der Begriff »Professional Managerial Class« wurde 1977 von Barbara und John Ehrenreich geprägt, um ein neues Segment zu beschreiben, das im klassischen marxistischen Denken als »Kleinbürgertum« bezeichnet wurde. Diese Klasse besteht aus beruflich qualifizierten Angestellten, die keine Rentiers oder Kapitalisten sind – sie müssen arbeiten, also ihre Arbeitskraft verkaufen, aber sie unterscheiden sich sehr von der Arbeiterklasse, deren Körper während des Arbeitstages Schaden nimmt. Sie sind Fachleute, weil sie eine spezielle Ausbildung in Bereichen absolvieren müssen, die von Berufsverbänden geregelt werden. Sie sind insofern Manager, als sie die in der Arbeitshierarchie unter ihnen stehenden Personen motivieren und führen müssen.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Klasse in den Vereinigten Staaten immer stärker, da die Wirtschaft immer komplexer wurde. Professionelle Eliten gewannen an Macht durch den Ausbau der Universitäten wie durch den Sicherheitsstaat des Kalten Krieges. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte diese Klasse nur einen kleinen Teil der US-amerikanischen Erwerbsbevölkerung aus. Heute machen Angestellte und Fachkräfte etwa ein Viertel der US-amerikanischen Erwerbsbevölkerung aus. Die Ehrenreichs wiesen 1977 darauf hin, dass die Werte und Weltanschauungen der PMC zunehmend die Politik des linken Flügels dominieren und die Prioritäten der Arbeiterklasse in der Demokratischen Partei verdrängen. Obwohl es sich bei ihnen um Arbeiter handelt und einige jüngere Kritiker der PMC-These sagen, dass sie ein Teil der Arbeiterklasse sind – was im technischen Sinne stimmt –, sind sie in einzigartiger Weise unfähig, sich mit den Kämpfen der Mehrheit der Menschen in der ganzen Welt zu solidarisieren.
Krakauers »Die Angestellten«
Diese Klasse exportiert ihre Vision der Welt mithilfe der US-amerikanischen Kulturindustrie und offenbart sich dabei als grausamer Beschützer ihrer eigenen materiellen Interessen – und zwar gegenüber der Arbeiterklasse und den Nicht-Hochschulabsolventen, die deren Sprache des Fortschritts, ihre »Hilfe« oder ihre leere Empathie nicht akzeptieren. Die liberale PMC-Elite betrachtet die Arbeiterklasse als hoffnungslos rückständig und reaktionär und schüttelt entsetzt den Kopf, wenn die Massen nicht »aufholen«– Ketch’up – wollen. Meine Analyse dieser Klasse verdankt Kracauer sehr viel. Im Berlin der 1920er Jahre machte er sich daran, eine neue Klasse von Deutschen zu erforschen: Angestellte in großen Unternehmen.
Diese neuen Arbeiter waren angetrieben von Ansprüchen und Ängsten, die vollständig bestimmt waren durch den Druck, innerhalb der kapitalistischen Unternehmen zu überleben, die Verlockungen der städtischen Kulturindustrie und die nackte Angst vor der Arbeitslosigkeit. In »Die Angestellten« (1930) beschreibt Kracauer die Kämpfe der Arbeiter als mangelhafte Versuche, in einer zunehmend rationalisierten Welt Glück und Würde zu finden. Seiner Ansicht nach versuchten die Angestellten verzweifelt, sich vom Proletariat zu unterscheiden. Sie litten unter dem eisernen Joch der Arbeitsdisziplin, die durch Bürokratie und Standardisierung geprägt war. Kracauers soziologische Analyse der Arbeiter in Berlin hatte einen starken Einfluss auf die Arbeit von C. Wright Mills, seinem Kollegen an der Columbia University. Mills wiederum spielte eine entscheidende Rolle für John und Barbara Ehrenreichs Formulierung der PMC, von der »Die Tugendpächter« das kritische Konzept der Klassenpolitik nach 1968 übernimmt.
In »Die Angestellten« finden wir anschaulich gezeichnete Porträts von Verkäufern und Büroangestellten: Kracauer sympathisiert hier mit den Gesprächstaktiken einer »kleinbürgerlichen Sekretärin […], die dadurch einige Versiertheit vorzutäuschen sucht, daß sie immer ein ›Well‹ in ihre Rede einflicht«. Sie hat gehört, wie erfolgreiche Leute den englischen Ausdruck verwenden, und kopiert deren Sprechweise: Ihr »bescheidener Posten« zwingt sie jedoch dazu, »ihre Natur aus[zu]treiben«. Als Gegensatz zu dieser Frau beschreibt Kracauer einen äußerst charmanten Zigarettenverkäufer aus der Arbeiterklasse. Er ist ein Naturtalent in seinem Beruf. Er ist entspannt im Umgang mit Menschen aller Klassen: Nach ein paar Drinks lässt er alle in der von ihm besuchten Arbeiterkneipe an seinem Gesang teilhaben, von Lohengrin bis La Traviata. In diesen Momenten erhält jeder, der ihm zuhört, einen Einblick in »ein schönere[s] Leben«.
Die PMC-Deutschen machen sich über die Arbeiterklasse lustig
Das neue Berlin des wiedervereinigten Deutschlands entledigt sich in aller Stille solcher Arbeiterkneipen. Es ist eine globale Stadt, eine der Start-ups, Streber und Hipster. In diesem neuen Deutschland fühlen sich die Angestelltenklassen mehr oder weniger vollkommen heimisch in einem englischsprachigen Milieu. Die milliardenschweren Samwer-Brüder, Gründer von Rocket Internet, Deutschlands erfolgreichstem und umstrittenstem Start-up-Inkubator, haben die neueste Phase der Nachahmung des US-amerikanischen Kapitalismus durch die deutsche PMC eingeleitet. Trotz der Kontroverse und Kritik an ihren nachgeahmten Start-up-Unternehmen (die deutschen Firmen Alando, Zalando und Wimdu sind jeweils Ebay, Zappos und Airbnb nachempfunden), konnten die Brüder ein Vermögen anhäufen, dem keine noch so scharfe Kritik an ihrer vermeintlichen Originalität etwas anhaben kann.
Sie gingen in den 1990er Jahren in die USA, machten Praktika im Silicon Valley und an der Wall Street und kehrten nach Deutschland zurück, um deutsche Versionen US-amerikanischer Unternehmen zu gründen. Die US-Firmen kauften dann wiederum die Klonfirmen auf und die Brüder wurden reich dabei. Im Gegensatz zu den deutschen Kapitalisten des vorigen Jahrhunderts, die ihren Reichtum in der Schwerindustrie und im Bergbau erwirtschaftet hatten, entsprachen die Samwers dem Profil der informationsbasierten, kosmopolitischen Eliten der PMC. Die Hardware, von der ihre Anwendungen abhängen, wird in den USA entwickelt und in Asien hergestellt. Die Software, die sie entwickelt haben, basiert auf US-amerikanischen Codes. Ihre Investoren kommen aus Japan, Singapur und China.
Die deutschen Eliten mögen weltoffen sein, aber die PMC-Deutschen machen sich offen über die deutsche Arbeiterklasse lustig und schauen auf sie herab. Denken Sie an das Schicksal der deutschen Kevins (und ihrer weiblichen Gegenstücke, der Chantals). Deutsche aus der Arbeiterklasse, die ihren Kindern »exotische« englische und französische Namen gaben, haben das kulturelle Phänomen des »Kevinismus« hervorgebracht. Sprachwissenschaftler mögen sich über die empirischen Auswirkungen der Vorurteile gegenüber deutschen Kevins nicht einig sein, aber der Name und seine Träger rufen eine unangenehme klassenbezogene Verachtung hervor. […]
In einer aufschlussreichen Szene in der deutschen Erfolgsserie »4 Blocks« (2017–2019) über den Berliner Stadtteil Neukölln verliert Abbas Hamady, ein Mitglied des kriminellen Hamady-Clans, die Beherrschung, als er in einem neuen Café in der Nachbarschaft mit einem englischsprachigen Barista konfrontiert wird. Um die Spannungen der Gentrifizierung in Berlin zu dramatisieren, attackiert Hamady, gespielt von dem Rapper Veysel Gelin, den US-amerikanischen Café-Besitzer, der ihn lässig auf Englisch grüßt. »Sprich Deutsch!!!«, schreit Abbas. Die Hamadys mögen in den vier Blocks von Neukölln wie Könige herrschen, aber sobald sie ihre Enklave verlassen, sind sie der Polizei, anderen Gangs und dem deutschen Rassismus ausgeliefert. Sie haben zwar Geld, aber keine deutschen Pässe. Sie können nicht an der erleichterten Mobilität partizipieren, die den Menschen durch die Globalisierung garantiert werden soll. In »4 Blocks« ist es der Einwanderer, der die deutsche Sprache verteidigt und am lautesten gegen die Umwandlung seines Arbeiterviertels in den komfortablen Satellitencampus eines US-amerikanischen Auslandsstudiums protestiert.
Deutsche Hochschulen: Ein semifeudales Belohnungssystem
Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist niedrig, aber eine wachsende Zahl deutscher Arbeitnehmer ist in »atypischen Beschäftigungsverhältnissen« tätig oder hat einen Teilzeitjob, eine freiberufliche Tätigkeit, einen Niedriglohnjob oder einen Job ohne jegliche Sozialleistungen. Im Jahr 2019 kontrollierten die reichsten 10 Prozent der deutschen Haushalte 65 Prozent des deutschen Vermögens, während es im Jahr 1970 noch 44 Prozent waren. Die wachsende Ungleichheit ist ein weiterer Bereich, in dem Deutschland die Vereinigten Staaten nachahmt. Allerdings ist die deutsche Hochschulbesuchsquote eine der höchsten unter den OECD-Ländern. Mit ihren soliden Berufsausbildungen sollten die deutschen technischen Universitäten die Industrie mit gut ausgebildeten Arbeitskräften versorgen. In den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften übernehmen die deutschen Universitäten jedoch zunehmend US-amerikanische und anglophone Vorlieben. In den Büros eines universitären Forschungsinstituts im ehemaligen Osten sah ich ein Paar Toiletten, auf denen Regenbögen pupsende Einhörner abgebildet waren, die für die Genderneutralität innerhalb der Einrichtungen warben. Die Samwers und ihresgleichen sind auch auf der Suche nach Einhörnern, aber solchen, die Ströme von Gold anstatt Regenbögen produzieren. Es war überraschend, diese Toilettenaufkleber in einer Gegend zu sehen, in der Salzproduktion und Tourismus die Entvölkerung kaum aufzuhalten imstande sind.
Aus der Sicht einer Außenstehenden leidet die deutsche geistes- und sozialwissenschaftliche Hochschulforschung unter einem semifeudalen Belohnungssystem, das einigen wenigen mächtigen Professoren die Möglichkeit gibt, über die Forschungskarriere von Doktoranden zu entscheiden. Der Versuch, US-amerikanische Rankingsysteme zu imitieren, hat der Regierung einen Vorwand geliefert, um die Budgets von Einrichtungen zu kürzen, die mit den neuen Exzellenzstandards nicht mithalten können. Ein höheres Wettbewerbsniveau führt nicht zu besseren Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Wissenschaftler, die ihren Lebensunterhalt bis weit in ihre vierziger und fünfziger Jahre hinein mit einer Reihe von befristeten Stellen bestreiten müssen.
Wenn deutsche Universitäten einfach die kulturellen und politischen Strategien ihrer US-amerikanischen Pendants kopieren, indem sie sich als Boutique-Trainingsgelände für die Start-up-Kultur und/oder den Identitätspluralismus der amerikanischen PMC anbieten, dann wird es Deutschland tatsächlich gelingen, sich in einen fügsamen 51. Staat der USA zu verwandeln, entzweit durch eine Politik des Pseudo-Fortschritts, die die brutalen wirtschaftlichen und sozialen Realitäten verschleiert. Parteien wie die AfD könnten nicht gedeihen, wenn es keine abgehobene deutsche PMC gäbe, die sich US-amerikanische Streamingdienste ansieht, vom nächsten Einhorn träumt, zudem bereit ist, den US-Imperialismus im In- und Ausland zu unterstützen und die Sorgen der Arbeiterklasse zu ignorieren oder gar zu verachten. »Kevinismus« ist eine relativ harmlose und sozial stigmatisierte Form kultureller Nachahmung: Die PMC-Liebe der Vereinigten Staaten ist sehr viel gefährlicher – sowohl für die Deutschen als auch für die ganze Welt.
Catherine Liu besuchte kürzlich den Westend Verlag. Marvin Baudisch hat mit ihr gesprochen. Hier zu sehen.
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Dass die Zahl der Arbeitslosen niedrig sein soll halte ich für einen Trugschluss, hier greift der Artikel zu kurz.
Durch die manipulierten Statistiken werden die Zahlen geschönt. Daher kann wohl keine Rede von einer niedrigen Arbeitslosenquote sein.
Siehe hierzu:
https://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/hartz-iv-empfaenger-nur-ein-drittel-ist-offiziell-arbeitslos
https://www.gegen-hartz.de/news/jobcenter-manipuliert-arbeitslosenstatistik-555#Zahl_der_Arbeitslosen_liegt_bei_einem_angeblichen_Rekordtief
https://www.die-linke.de/themen/arbeit/tatsaechliche-arbeitslosigkeit/2022/
In dieser Gesellschaft will fast jeder etwas Besseres sein. Keiner ist Arbeiter, keiner ist arm, allen geht es gut, so die Oberfläche. Unter der Oberfläche sieht es aber ganz anders aus.
Die Spaltung zwischen Arbeitern, Facharbeitern und Angestellten soll nur verschleiern, dass sie alle Lohnsklaven sind. Von mir aus auch Gehaltssklaven.
Die Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich haben gezeigt, dass es auch anders sein kann. Da haben alle gemeinsam gestreikt, egal ob Akademiker, Arbeiter, Angestellte oder Studenten.
Gut das Frankreich nicht östlich vom Rhein liegt!
Ich hatte ja gedacht, dass die immer prekäreren Arbeitsbedingungen für Journalisten ein paar in bedeutenderen MMultiplikatorenstellen zum Umdenken bringen.
Niente.
In der deutschen Wikipedia gibt es gar keine PMC.
Aus der englischen (masch-übersetzt): In den späten 2010er Jahren wurde der Begriff im amerikanischen politischen Diskurs häufiger als Kurzbezeichnung für technokratische Liberale oder wohlhabende demokratische Wähler verwendet. [8] [4] Unter linken Kommentatoren wird es typischerweise als abwertende Beschreibung verwendet; Im Jahr 2019 äußerte Barbara Ehrenreich ihre Ablehnung darüber, den Begriff als „ ultralinke Beleidigung“ zu verwenden. [4] Catherine Liu charakterisierte in Virtue Hoarders (2021) die PMC als Angestellte linksliberale , die unter einem Überlegenheitskomplex gegenüber einfachen Mitgliedern der Arbeiterklasse leiden. [9] [10] [11] Hans Magnus Enzensberger hatte zuvor über den „charakterlosen Opportunismus “ seiner Mitglieder geschrieben und sich auf den ständigen Wechsel der Loyalitäten nicht nur zwischen der Freizeit- und der Arbeiterklasse, sondern auch untereinander bezogen . [12] Liu und Nolan Higdon haben erklärt, dass die Hochschulbildung ein Bereich ist, der die Klasse der professionellen Manager fördert und privilegiert. [9] [13]
Die PMC sehen ihre Hochschulbildung als ihr Kapital und sind deswegen für die Belange der Nicht-Akademischen bis hin zum Facharbeiter gefühllos.
@Müsli zum Fest
“Die PMC sehen ihre Hochschulbildung als ihr Kapital und sind deswegen für die Belange der Nicht-Akademischen bis hin zum Facharbeiter gefühllos.”
Ja, Einbildung ist aber auch eine Art der Bildung oder besser gesagt der Verblödung.
Sollte der Einsatz von KI tatsächlich so erfolgen wie geplant, werden viele von diesen Akademikern auch nicht mehr benötigt.
Letztlich sind sie doch nur eins, abhängig Beschäftigte!
Hochmut kommt vor dem Fall!
Genau. Ich weiß sowieso nicht, was für eine Art Bestimmung PMC sein soll. Ökonomisch, soziologisch? Ökonomisch sind sie doch Mittelklasse oder sagen wir das, was von ihr übrig blieb. Aber das soll es auch nicht sein. Gehobene Angestellte, die auf die Arbeiter herabschauen. War das nicht schon immer so? Bloß das Selbstbild verschiebt sich in Richtung neoliberal, identitär, woke… Vielleicht ist das ja gar keine neue Klasse, sondern bloß der Zeitgeist der Restmittelschicht.
Ja, das war schon immer so. Fiel vor 100 Jahren aber nicht so auf, weil die Klasse viel kleiner war als heute, wo sie rund ein Drittel ausmacht.
Diese Leute bestimmen den öffentlichen Diskurs und realisieren eben nicht, dass sie abhängig Beschäftigte sind, aber das Klassenbewusstsein von Multimillionären haben, was dann letztlich zu einem Großteil der Schieflage der öffentlichen Diskurse führt.
Wer braucht schon “Wikipedia” – Professional Managerial Class, steht doch da …🤦♂️
@Catherine Liu
– Wenn wie Sie betonen: ein Bestandsmerkmal der herkömmlichen Arbeiterklasse ist, daß “deren Körper während des Arbeitstages Schaden nimmt”, würde das nicht analog bedeuten: daß die arbeitende neue Managerklasse aus Professionellen besteht, “deren Geist” während ihrer Tätigkeiten “Schaden nimmt”? [Zugegeben: vorausgesetzt, da gibt`s sowas wie “Geist”-;) …]
– Auch heute noch sind Kracauers Zeitungsreportagen aus dem neusten Deutschland, 1930 als Broschüre gedruckt, anregend zu lesen, schon C. Wright Mills hatte vor Jahrzehnten in den USA drauf zurückgegriffen. Fein, daß auch Sie diesem Pfad folgen.
Von der deutschen Arbeiterklasse hat die Autorin ganz sicher keine Ahnung. Aber kennt sie die amerikanische oder Teile davon?
Dann doch besser Pierre Bourdieu – vor allem aus dem Lesebuch “Das Elend der Welt” (mit vielen aus seinem Team) lässt sich lernen, wie Arbeiter:innen im Arbeiterviertel zu interviewen sind. Und die Frage stellen, warum wir eine vergleichbare Klassenanalyse in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr haben. Von der Universitäts-Soziologie können wir sie nicht erwarten. Aber auch nicht aus den USA.
Einleuchtend! Spätestens mit dem Eintreten in die Sekundarstufe gibt es keine gemeinsamen Erfahrungsräume mehr. Auch deshalb wäre eine allgemeine Dienstpflicht für m. und w. sinnvoll…
Dienstpflicht und dann wird aufmarschiert und strammgestanden? Erinnert irgendwie an den Reichsarbeitsdienst.
Ich dachte diese Zeiten sind endgültig vorbei
In der Pflege sicher nicht. Beim Bund halte ich das ja auch für Quatsch. Es geht um einen gemeinschaftlichen Dienst an der Mitbùrgerschaft mit daraus entstehender Durchmischung unterschiedlicher Schichten / Klassen. Das erweitert den sozialen Kenntnisstand und schafft im Idealfall besseres soziales Verhalten. Zum Militärdienst: Der ist eigentlich viel zu gefährlich, als dass man das den “Fachleuten” überlassen könnte. Stichwort Volksbewaffnung.
Im Deutschen gibt es dafür sogar einen eigenen Begriff, der Herrenmensch.
Späßchen ^^
passt scho.
Lässt sich historisch bis lange vor Bismarck verfolgen, wo das in Deutschland herkommt. Lese doch noch mal einer bei Goethe und Schiller nach, wie die eine damalige “PMC” beschrieben haben, damals waren es noch fast ausschließlich die Adligen, die das drauf hatten… und wie sich Bürgerliche bemühten, dahin aufzusteigen… und der Adel als Herrscherkaste versuchte, das mit allen Mitteln zu unterbinden. Heutzutage wird der Mythos verbreitet, JEDER könne Millionär/Milliardär werden (eben Herrenmensch ⁻ aber nicht alle…), um den Eifer der PMC am Leben zu halten. Teile und Herrsche eben in Reinstform.
nd berichtet: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174300.umfragehoch-der-rechten-klassenkampf-der-gruenen-nutzt-afd.html
Klassenkampf der Grünen nutzt AfD
Oliver David analysiert den Aufstieg der AfD.
Was nach der Wahl passierte, war das, was oft passiert, wenn die Grünen irgendwo Erfolge verzeichneten.
Sie handelten eine Koalition als Juniorpartner aus, in diesem Fall in einem Bündnis mit der CDU. Den Sondierungsgesprächen folgten die mittlerweile traditionellen grünen Bauchschmerzen (Moorburg-Version):
Die Grünen gingen kurz auf die Toilette, nanu, was klonkert denn da, ach es ist das Rückgrat, das im Porzellan gelandet ist.
Moorburg kam, und ich ging – zumindest als Wähler.
Nie wieder eine Partei zu wählen, die mit Bauchschmerzen die Herausgabe der NSU-Akten verweigert, das war meine Devise.
Eine Partei, die Untersuchungsausschüsse forderte und dann jenes Parteimitglied absägte, das an der Forderung festhielt, wie jüngst in Hamburg geschehen.
Auch in der Ampel-Regierung sind die Grünen weiter fleißig dabei, sich Feinde zu machen.
Laut Plänen der Koalition dürfen Vermieter*innen bei der Modernisierung von Heizungen bis zu acht Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen.
Das ist, man muss es so deutlich sagen, nichts anderes als Klassenkampf gegen weite Teile der Bevölkerung.
Klar, dass die Grünen in Umfragen mal wieder unbeliebt sind. Die AfD derweil hat es in der Wählergunst – im Durchschnitt der Umfrageinstitute – auf knappe 19 Prozent bundesweit gebracht.
Seit dem Wochenende stellt die Partei in Thüringen sogar einen Landrat. Wie kann das gehen?
Und was hat das, neben einer Kernwählerschaft der Partei von etwa zehn Prozent, auch mit dem Scheitern der Grünen in der Ampel zu tun?
Mit dieser Frage hat sich der Soziologe Klaus Dörre beschäftigt.
»Die Grünen gelten vielen Arbeitern als Hauptfeind.
Sie und die Klimabewegung werden so wahrgenommen, dass sie Klimaschutz ohne soziale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit buchstabieren.« Das hat verschiedene Gründe.
Eine Transformation, die Klimakampf ohne soziale Abfederung betreibt, so wie die Parteien der Ampel es derzeit tun, wirkt hier wie ein politischer Brandbeschleuniger.
Dörre zufolge haben viele Arbeiter*innen keine Lust, für die grüne Transformation zu zahlen, die sie nicht verbockt haben.
Denn der CO2-Fußabdruck der unteren 50 Prozent erreicht bereits jetzt die Pariser Klimaziele, während das wohlhabendste Prozent der Bevölkerung 26 Prozent mehr emittiert als noch vor 30 Jahren, wie Zahlen zeigen.
Nun ist es mitnichten so, dass Menschen, die mit der AfD liebäugeln, sie nur aus Protest wählen.
Und dennoch verstärken die Grünen mit ihrer Politik des Nach-unten-Tretens eine Stimmung im Land, von der die AfD derzeit am meisten profitiert.
Und damit auch eine Politik, die das Erreichen der Klimaziele unwahrscheinlich werden lässt.
nd berichtet: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174300.umfragehoch-der-rechten-klassenkampf-der-gruenen-nutzt-afd.html
“Klassenkampf der Grünen nutzt AfD
Oliver David analysiert den Aufstieg der AfD.
Was nach der Wahl passierte, war das, was oft passiert, wenn die Grünen irgendwo Erfolge verzeichneten.
Sie handelten eine Koalition als Juniorpartner aus, in diesem Fall in einem Bündnis mit der CDU. Den Sondierungsgesprächen folgten die mittlerweile traditionellen grünen Bauchschmerzen (Moorburg-Version):
Die Grünen gingen kurz auf die Toilette, nanu, was klonkert denn da, ach es ist das Rückgrat, das im Porzellan gelandet ist.
Moorburg kam, und ich ging – zumindest als Wähler.
Nie wieder eine Partei zu wählen, die mit Bauchschmerzen die Herausgabe der NSU-Akten verweigert, das war meine Devise.
Eine Partei, die Untersuchungsausschüsse forderte und dann jenes Parteimitglied absägte, das an der Forderung festhielt, wie jüngst in Hamburg geschehen.
Auch in der Ampel-Regierung sind die Grünen weiter fleißig dabei, sich Feinde zu machen.
Laut Plänen der Koalition dürfen Vermieter*innen bei der Modernisierung von Heizungen bis zu acht Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen.
Das ist, man muss es so deutlich sagen, nichts anderes als Klassenkampf gegen weite Teile der Bevölkerung.
Klar, dass die Grünen in Umfragen mal wieder unbeliebt sind. Die AfD derweil hat es in der Wählergunst – im Durchschnitt der Umfrageinstitute – auf knappe 19 Prozent bundesweit gebracht.
Seit dem Wochenende stellt die Partei in Thüringen sogar einen Landrat. Wie kann das gehen?
Und was hat das, neben einer Kernwählerschaft der Partei von etwa zehn Prozent, auch mit dem Scheitern der Grünen in der Ampel zu tun?
Mit dieser Frage hat sich der Soziologe Klaus Dörre beschäftigt.
»Die Grünen gelten vielen Arbeitern als Hauptfeind.
Sie und die Klimabewegung werden so wahrgenommen, dass sie Klimaschutz ohne soziale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit buchstabieren.« Das hat verschiedene Gründe.
Eine Transformation, die Klimakampf ohne soziale Abfederung betreibt, so wie die Parteien der Ampel es derzeit tun, wirkt hier wie ein politischer Brandbeschleuniger.
Dörre zufolge haben viele Arbeiter*innen keine Lust, für die grüne Transformation zu zahlen, die sie nicht verbockt haben.
Denn der CO2-Fußabdruck der unteren 50 Prozent erreicht bereits jetzt die Pariser Klimaziele, während das wohlhabendste Prozent der Bevölkerung 26 Prozent mehr emittiert als noch vor 30 Jahren, wie Zahlen zeigen.
Nun ist es mitnichten so, dass Menschen, die mit der AfD liebäugeln, sie nur aus Protest wählen.
Und dennoch verstärken die Grünen mit ihrer Politik des Nach-unten-Tretens eine Stimmung im Land, von der die AfD derzeit am meisten profitiert.
Und damit auch eine Politik, die das Erreichen der Klimaziele unwahrscheinlich werden lässt.”
Was Frau Liu in “Die Tugendpächter” schreibt, ist ja im Wesentlichen durchaus zutreffend, dürfte aber für viele Leser dieser Seite, die schon seit Jahrzehnten das gesellschaftspolitische Geschehen beobachten, nur wenig Neuigkeitswert haben.
Etwas verblüffend, wie sehr sie sich mit Kracauer auf jemanden bezieht, dessen damals aktuelles Buch inzwischen schon 93 Jahre alt ist … Ein alter Hut!
(Aber vielleicht verweist das eher auf die vergleichsweise geringe Beachtung, die deutschsprachiger Literatur in der angelsächsisch dominierten Welt von heute erfährt …)
—
Die von Liu vorgenommene Zusammenfassung millionenschwerer leitender Manager mit gewöhnlichen mittleren Angestellten in einer Klasse halte ich allerdings für nicht sinnvoll bzw. falsch.
Und dass sich auch mittlere Angestellte nicht mit der “Arbeiterklasse” identifizieren, ist doch längst bekannt. Wer wollte das erwarten?
Es ist dieses ‘white collar’ versus ‘blue collar’ Problem.
Da gibt’s keine gemeinsame Sprache.
Und es ist sehr vergeblich: viel zu sehr sind diese verschiedenen Welten auseinandergedriftet.
Jemand von den Blue collars, der sich plötzlich überlegt,
mal was anderes zu machen, und sei es Bekannten zu Gefallen mitzukommen in nicht klassentypische Konzerte, der wird verlacht, wenn nicht gar gemobbt und ausgeschlossen, von seinen eigenen Leuten, sollten die das spitzkriegen.
Also wird er sich hüten, wird das herunterspielen und herziehen über die anderen da mit dem komischen Gehaben.
Und die White collars verachten dann den, der nur aus Furcht und Scham, er könnte an für seine Kaste untypischen Orten gesehen worden sein, lieber auf Vergnügen verzichtet und Freunde in ihrer Schicht gar nicht haben will.
Das geht also nicht nur von einer Seite aus.
Und das zieht bis ganz hinauf in die Geldeliten.
Ich kannte mal Millionäre, durch Immobilien reich geworden, die kein Wort richtig aussprechen konnten, z.B. regelmäßig ökologisch und ökumenisch durcheinanderhauten, aber einen Millionärskochklub betrieben.
Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass die Elite gewesen sein sollen.
Aber etliche glaubten das.
Echt putzig.
Die PMC als KLASSE einzuordnen, ist schon recht putzig. Zeugt eigentlich von ziemlichem politökonomischen Unverstand. Man könnte sie eher als vollständig korrumpierte Schicht innerhalb der Klasse der Lohnarbeiter bezeichnen. Wenn man sie vom Grad ihrer Korrumpiertheit, ihrer Korruption, bis hin zur Kriminalität reichend, einschätzen würde, kämen sie sicher gut in der von Marx so verachteten Schicht der Pauper unter (klassenvergessen, kriminell, unsolidarisch – jedoch nicht, was ihren materiellen Wohlstand und Bildung anbelangt, der dem des spätrömischen Obersklaven gleichkommt)
Nein, das ist ein kulturelles Missverständnis.
“Class” ist im angelsächsischen Sprachraum quasi unsere “soziale Schicht”.
Rückübersetzt man “class” mit “Klasse”, dann kommt es zwangsläufig zu diesen Missverständnissen.
Davon gibt es jede Menge und als Beispiel: Im “Manifest” schreibt Marx auf Deutsch von der “Aufhebung der Familie” und es ist klar, “Aufhebung” ist ein Hegelscher Begriff. Auf englisch übersetzt hat Marx “Aufhebung” als “abolition”, das bedeutet “Abschaffung” und die Passage bekommt plötzlich eine völlig andere Bedeutung.
Lost in translation!
Hah, danke für den Hinweis! Müsste eigentlich als Einlagezettel jedem Bändchen der deutschen Auflage des Buches beigelegt werden (“Erratum: Durch fehlerhafte bzw. sinnentstellend Übersetzung ins Deutsche…”)
Marx hat die PMC “Unteroffiziere des Kapitals” genannt.
Sie sind höchstens subjektiv, im eigenen Dafürhalten, Kleinbürger