Was braucht die Weltwirtschaft? Pragmatische Lösungen statt Dogmen

ព្រះមហាក្សត្ររាជ, <CC BY-SA 4.0>, via Wikimedia Commons

Wieso schaffen es in Asien Schwellenländer zu Wohlstand zu kommen, nicht aber in Lateinamerika? Weshalb ist Afrika mit Ausnahme der Staaten, die ihre Rohstoffvorkommen ausbeuten, kaum in der Lage, stabile und nachhaltige Wirtschaftsstrukturen aufzubauen? Ist Freihandel einer nachhaltigen Entwicklung zu- oder abträglich? Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker und Constantin Heidegger zeigen in dem neuen »Atlas der Weltwirtschaft 2022/23«, wie sehr sich die Probleme, mit denen die Länder dieser Welt ringen, gegenseitig bedingen.

Der Corona-Schock im Jahr 2020 hat die Weltwirtschaft wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel getroffen. In fast allen Ländern der Welt wurden drastische Maßnahmen verhängt, um das Ausbreitungstempo des Virus zu verlangsamen. Die Folge war trotz großangelegter staatlicher Gegenmaßnahmen ein Einbruch in der wirtschaftlichen Entwicklung, der mit den größten Rezessionen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergleichbar ist. Die nominale Wirtschaftsleistung gemessen in einheitlicher Währung sank 2020 gegenüber 2019 um rund 2,3 Billionen US-Dollar. Preisbereinigt entsprach das einem Rückgang um 3,3%. Hinter dem nominalen Aufholen im Jahr 2021 von ungefähr 11 Billionen US-Dollar steht ein realer durchschnittlicher Zuwachs von 5,7%. In den meisten Ländern stieg die Arbeitslosigkeit deutlich an, weil die Unternehmen nicht einschätzen konnten, wie schnell und mit welcher Kraft sich die Wirtschaft nach dem zu erwartenden Ende der Maßnahmen erholen würde.

Blockierte Lieferketten haben zu Engpässen geführt und die Preise in die Höhe getrieben

Zwischenzeitlich wuchs die Wirtschaft in den meisten Ländern wieder. Doch nun kommen die neuen angebotsseitigen Verwerfungen hinzu, die sich nach dem Beginn des Ukraine-Krieges ergeben haben und die Nachfrage in den Konsumentenländern schwer beeinträchtigen. Blockierte Lieferketten haben zu Engpässen geführt und die Preise in die Höhe getrieben. Spekulation kam hinzu und hat einige Rohstoffpreise auf eine wahre Achterbahnfahrt geschickt. Zudem haben die verschiedenen Schocks in vielen Bereichen zu Engpässen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen geführt. Vielfach konnten entlassene Arbeitskräfte in den von beiden Schocks am stärksten betroffenen Branchen wie im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht schnell genug wieder zurückgeholt werden. Und auch der Verkehrssektor sieht sich einem erheblichen Personalmangel gegenüber, seit die Nachfrage wieder angezogen hat.

In vielen Entwicklungsländern war es schon zu Beginn der Krise kaum möglich, die Art von staatlichen Hilfen in Gang zu bringen, die im globalen Norden als nahezu selbstverständlich angesehen werden. Folglich verlief die Erholung schleppend und flachte das Wachstumstempo ab. Vergleicht man pauschal die Kontinente, waren die durchschnittlichen Einkommensverluste durch die Corona-Rezession im Jahr 2020 in Mittel- und Südamerika am höchsten. Wegen des von vornherein wesentlich niedrigeren Wohlstandsniveaus erweisen sich dieprozentual etwas geringeren Einbußen in Südasien und Subsahara-Afrika für die große Masse der Bevölkerung dort als mindestens ebenso katastrophal. In Indien, aber auch in Nigeria verschärft das Bevölkerungswachstum die Lage obendrein, wie die noch stärker rückläufigen Pro-Kopf-Werte erkennen lassen.

Der Einkommensverlust des Jahres 2020 dürfte sich nominal auf fast 900 Milliarden US-Dollar belaufen haben

Selbst für die EU, die sich mit großem staatlichen Mitteleinsatz gegen die Rezession stemmte, dürfte sich der Einkommensverlust des Jahres 2020 nominal auf fast 900 Milliarden US-Dollar oder etwa 7,5% des realen BIP belaufen haben. Zu dieser Größenordnung gelangt man, wenn man die tatsächlich im Jahr 2020 erreichten Werte mit den Prognosewerten vergleicht, die der IWF im Oktober 2019 für das Jahr 2020 veröffentlicht hatte. Damals waren die Fachleute von einem realen Wachstum von gut 1,5 % für die EU27 ausgegangen.

Auffällig ist, dass der ostasiatische und pazifische Raum insgesamt im Jahr 2020 mit Abstand den geringsten Verlust an Wachstumsdynamik zu verzeichnen hatte, was vor allem auf die Entwicklung in China zurückzuführen ist. Das Land, in dem die Pandemie ihren Anfang nahm, verzeichnete im Jahresdurchschnitt lediglich eine Verminderung des Wachstumstempos, aber keinen absoluten Rückgang.

In Europa und den USA war schnell klar, dass eine Schock-Abfederung durch die Fiskalpolitik nur mit Unterstützung der Geldpolitik gelingen würde. Der Großteil der öffentlichen Mittel muss im Krisenfall direkt oder indirekt von den Zentralbanken kommen, also aus dem Nichts geschaffen werden. Den Zentralbanken kommt dabei die Aufgabe zu, den Spekulanten an den Anleihemärkten das Handwerk zu legen. Das war für die reichen westlichen Nationen offensichtlich und so wurde es auch weitgehend gehandhabt. Im übrigen wurde gegen die Spekulation an den Rohstoff- und Devisenmärkten nie systematisch vorgegangen.

Die Zentralbanken der ärmeren Staaten haben in der Regel viel zu geringe Devisenreserven, um einer Abwertungsspirale wirkungsvoll begegnen zu können

Für die Entwicklungsländer gab und gibt es diese einfache Lösung nicht. Sie haben zwar eigene Währungen, aber deren Wechselkurse hängen stark von den Finanzmärkten ab. Große, weitgehend von den Zentralbanken finanzierte Fiskalprogramme bergen die Gefahr in sich, dass die Währungen unter starken Abwertungsdruck geraten. Die Akteure an den Finanzmärkten vermuten dann nämlich, dass die ärmeren Länder den Schock schlechter verkraften als die reichen. Wenn sich diese Erwartung bei vielen verfestigt und sogar darauf spekuliert wird, lässt sich der Wechselkurs nicht halten, selbst wenn die Währung zu Krisenbeginn eher unterbewertet war. Die Zentralbanken der ärmeren Staaten haben in der Regel viel zu geringe Devisenreserven, also zu wenig Vorrat an Fremdwährung, um einer Abwertungsspirale wirkungsvoll begegnen zu können. Folglich versuchen sie, eine Währungskrise durch Erhöhung der heimischen Zinsen zu verhindern. Das ist aber das Gegenteil dessen, was eine Wirtschaft im Krisenfall braucht. Dieser Faktor lastet derzeit zusätzlich auf den Volkswirtschaften der ärmeren Länder.

Zu diesen Problemen tragen nicht zuletzt die jahrzehntealten Spielregeln des weltweiten Handels bei. Der Ausweg aus dem Dilemma hoher Auslandsverschuldung, die längerfristig handelsbedingt aufgebaut wird, und Kapitalflucht ausländischer Kapitalanleger im Krisenfall bestünde in internationaler Kooperation der Zentralbanken. Aber diese findet nicht statt – zum kurzfristigen Schaden der ärmeren und zum langfristigen Schaden aller Nationen. Die aktuelle Ukraine-Krise und die andauernden Herausforderungen des Klimawandels bieten Gelegenheit, diesen wirtschaftspolitischen Kardinalfehler endlich zu korrigieren. Perspektivisch müssen die internationalen Handelsbedingungen ordnungspolitisch zugunsten der ärmeren Länder verändert werden.

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17 Kommentare

  1. „Die aktuelle Ukraine-Krise und die andauernden Herausforderungen des Klimawandels bieten Gelegenheit, diesen wirtschaftspolitischen Kardinalfehler endlich zu korrigieren. Perspektivisch müssen die internationalen Handelsbedingungen ordnungspolitisch zugunsten der ärmeren Länder verändert werden.“

    Wo es anfängt, spannend zu werden, hört der Artikel auf!

      1. Immer dieses Gorilla-Marketing ! Die Nachdenkseiten haben schon 600 000 Seitenaufrufe pro Tag. Wo soll das noch hinführen mit dem Medienimperium des Albrecht M. ? Das wird ja noch ein zweiter Augstein, wenn ihn niemand bremst !

  2. Um seine Wirtschaft aufzubauen und sich gegen wirtschaftliche Staaten durchzusetzen, muss man seine Wirtschaft schützen.

    So ist Deutschland im 19.Jahrhundert vorgegangen, so hat es Japan im 20.Jahrhundert geschafft und China im 21.

    In der USA hat man genau das auch begriffen, weshalb die Wirtschaft in der EU zerstört wurde und eine Energieabhängigkeit seitens der EU an die USA künstlich geschaffen wurde. Dadurch wurden die Rahmenbedingungen in der EU so verändert, dass durch die hohen Energiepreise und durch die Gefahr der Unzuverlässigkeit der Lieferung dieser, die bedeutende Industriebetriebe die EU Richtung USA und zum Teil auch Richtung Asien verlassen werden. Die USA fördert dies durch Subventionen.
    Gleichzeitig geht die USA gegen China mit ihrer Sanktionspolitik vor. Damit schützt sie die us-amerikanische Wirtschaft vor der Konkurenz aus Asien.
    Man hat in der USA wohl begriffen, dass der Dollar alleine ohne starke Wirtschaft im eigenen Land langfristig nicht haltbar ist. Diese Stabilisierung des Dollars wird auf Kosten der Verbündeten in Europa betrieben.
    „Nur europäische Länder, die durch EU- und NATO-Verpflichtungen gebunden sind, können uns diese ohne erhebliche militärische und politische Kosten für uns zur Verfügung stellen.“ aus einer Annalyse bei https://nyadagbladet.se/utrikes/shocking-document-how-the-us-planned-the-war-and-energy-crisis-in-europe/ .

    Wer Prof.Flassbeck schon eine Weile verfolgt, kennt die Richtung seiner Wirtschaftsthesen. Wer mehr von Flassbeck kostenlos lesen möchte, findet viele Artikel auf den NDS und Telepolis von ihm.
    Prof Flassbeck betreibt auch eine eigene Seite, leider ist diese hinter einer Bezahlschranke.

  3. „Wieso schaffen es in Asien Schwellenländer zu Wohlstand zu kommen, nicht aber in Lateinamerika?“ Diese Frage aus dem Lead wird im eigentlichen Text nicht thematisiert, ist daher reichlich deplatziert. Dennoch ein Hinweis auf eine mögliche Teilantwort. Lateinamerikanische Gesellschaften sind immer noch, trotz mittlerweile stark fortschreitender Evangelikalisierung, von katholisch-spanischer Kultur, in der die Möglichkeit eines Aufstiegs durch eigene Leistungen eher pessismistisch eingeschätzt wird, stark geprägt. Das führt tendenziell zu einer Geringschätzung formaler Bildung, bei Männern stärker noch, als bei Frauen. Der global herrschende Ultramaterialismus tut ein Übriges, die ‚Lösung‘ wird in intrinsisch korruptem Verhalten gesucht, nicht in Selfempowerment. Unter kapitalistischen Bedingungen ist das ein klarer Nachteil gegenüber kalvinistisch oder konfuzianistisch beeinflussten Kulturen.

    Im Text selbst werden eher Binsen mitgeteilt. Wer über eine Devise verfügt, hat andere Möglichkeiten als ein Land, dessen Währung nicht allgemein konvertibel ist. Und wer über die Leitwährung verfügt, kann sich virtuell folgenlos verschulden. Dass die Möglichkeit, scheinbar folgenlos Helikoptergeld zu verteilen, dennoch unangenehme Folgen haben kann, hat sich inzwischen gezeigt. Wer die Menge Geldes, die vorhersehbarer Weise für alltäglichen Konsum genutzt wird erhöht, wenn gleichzeitig die Güterverfügbarkeit abnimmt, erntet notwendigerweise Inflation. Diese simple monetaristische Einsicht wurde verdrängt. Die vorangegangenen massiven Geldmengenausweitungen hätten ja auch nicht zu Inflation geführt – was nachweislich nicht stimmt. Da, wo das Geld hinfloss, in den Finanzsektor, von da zu den wirklich Reichen, gabs durchaus Inflation, die man z. T. anders nennt, etwa Börsenhausse (wenn sie anderweitig weitgehend anlasslos ist). Auch bei allen Gütern im weitesten Sinn, die sich durch Einmaligkeit auszeichnen, von Immobilien bis zu Fussballspielern und Kunstwerken, war die Inflation sogar extrem. Irgendwo mussten die Reichen das ihnen zufliessende Geld ja parken.

    1. Hi Pnyx,

      das Problem an dem Artikel ist, er ist zu kurz gefasst. Daher wirkt er wie aus dem Zusammenhang gerissen und inhaltslos.

      Ich halte Prof. Flasbeck für den besten seiner Zunft im Mainstream in Deutschland. Man muss aber seine Ausführungen viel weiter lesen können.

      Leider ist dieser Artikel durch die kürze nicht gelungen.

    2. Dies ist Absicht und Geschäftsmodell des Springerkonzerns.
      Den Autor einfach ignorieren oder
      (eigentlich auch nicht zu empfhelen) auf Welt + weiterlesen.

      “ Diese Frage aus dem Lead wird im eigentlichen Text nicht thematisiert, “

      Die Antwort ist auch nicht wirklich kompliziert.
      Deren Wirtschaft wird entweder durch den CIA kontaminiert oder blockiert.

    3. Im 20. Jhd. hat sich das Geldsystem – seit 1971 mit dem Fiat-USD – zum Finanzsystem hin entwickelt.
      Seit Ende des 20. Jhd. bzw. seit Anfang des 21. Jhd. entwickelte sich das Finanzsystem hin zum digital-finanziellen System. Gutes Beispiel ist Aladdin von BlackRock. Das digital-finanzielle System dient nur noch zum kleinen Teil den Tauschgeschäften der Realwirtschaft.
      Die Zentralbanken sind in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Hauptsitz Basel verbunden. Die Fed und die EZB sind nicht wirklich unabhängig.
      Ergänzend ist das System aus IWF und WorldBank.

      Die Leistungsbilanzen der Staaten des Globalen Südens sind überwiegend defizitär, da bis jetzt die Märkte für Roh- und Grundstoffe von der „Goldenen Milliarde“ gesteuert sind und Niedrigpreise haben, die Einfuhr von Technologieprodukten teuer erkauft wird. Hier zeichnet sich seit 2020 (Covid-19) bis 2022 („Diebstahl“ der Hälfte der Devisen der russischen Zentralbank) ein Umdenken ab, dessen längerfristige Folgen noch nicht absehbar sind.

      Speziell Südamerika:
      Argentinien war um 1950 einer der reichsten Staaten der Welt. Seither wechseln sich politisch-militärische „Experimente“ mit wirtschaftlichen Folgen ab. Und die bei der Bevölkerung ankommenden Inflationen zeichnen eine Sinus-Kurve mit teils sehr heftigen Ausschlägen.
      Die USA haben Süd- und Mittel-Amerika mindestens bis in die 1970-er Jahre als den von ihnen abhängigen Hinterhof betrachtet. Weltweit berühmt wurden süd- und mittelamerikanische Revolutionäre. Wenn auch richtig ist, was Pnyx schreibt, so sind dies nur Teilursachen.

      Wenn ich die Arbeiten und Aussagen von M. Hudson (Destiny of Civilisation) und von H. Flassbeck sehe, so glaube ich, dass Ersterer den umfassenderen Einblick vermittelt. Die Sache ist aber zu komplex, als dass sie von einem Autor vollständig erfasst werden könnte.

  4. Die geübte Kritik wird ja von anderer Seite seit Jahren kommuniziert! Die Unterwanderung durch das Kapital mit ihren politischen Vertreter in der Ukraine wird seit Monaten lautstark gegen Russland gehetzt. Genau hier wird deutlich die Jahrzehnte lange Simulation von Demokratie veranschaulicht, das ist eben keine Demokratie sondern
    m. E. „Kapitalfaschismus oder Kapitaldiktatur“.
    Russlands schritt dem „Westen“ Paroli zu bieten geschieht seit Jahren, der Westen reagiert arrogant, aber die weltliche Peripherie sieht das als eine Möglichkeit sich als Staaten zu entwickeln. Der nächste Afrikagipfel durch Russland initiiert wird sehr erfreulich, denn Russland kann ein anderes Zahlungsmodell anbieten und praktiziert dieses System mit den neuen G Staaten und g7 wird definitiv kleingeschrieben.

    1. Wie aggressiv die USA Wirtschaftspolitisch auch gegen „Freunde“ vorgeht, hat die Washingtoner Regierung seit spätestens 2018 mit der beginnenden Sanktionspolitik gezeigt. 2018 haben die NDS durch jens Berger einen Gaskrieg zwische Russland und USA vorher gesagt (1). Heute sind Deutschland, Russland, die EU und nicht zu vergessen die Umwelt die großen Verlierer. Mit der Sprengung von NS1 und 2 wird Gazprom aus Nordeuropa verdrängt (1). Das Gas-Hub Türkei wird nie die Kapazität von NS1 + 2 und die beiden anderen Trassen über Ukraine, Weißrussland und Polen erreichen. Der Gaspreis für Europa wird die nächsten Jahre das dreifache vielleicht sogar das fünffache betragen, waswir früher für russisches Gas bezahlt haben. Was das für die Privatkunden und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie bedeutet ist wohl jedem klar.

      Prof. Flassbeck ist ja ein Verfechter der ausgeglichenen Handelsbilanzen (was ja auch richtig ist) zwischen den Ländern. Es macht aber keinen Sinn, diesen Ausgleich dadurch zu erreichen, dass man ein Produkt zum fünffachen Preis gegenüber einem anderen Wettbewerbsteilnehmer abnimmt.

      Was man unseren Politikversagern in Berlin vorwerfen muss, dass sie sich von der USA über den Tisch haben ziehen lassen, zum massiven Nachteil der Bevölkerung und der Wirtschaft. Der Journalisten und Blogger Tom Wellbrock leidet Deutschland aufgrund seiner speziellen wirtschaftlichen Rolle ganz besonders unter der aktuellen Kriegs- und Sanktionspolitik:

      „Ich wüsste kein Land, dass so sehr leidet wie Deutschland, beziehungsweise die Bevölkerung Deutschlands“, so der Journalist (2).

      Russland wird mittelfristig sein Gas, weil es preiswerter zu fördern ist als dies zu fraggen, in anderen Ländern der Welt verkaufen. Dies wird andere Staaten gegen Europa und die USA wirtschaftlich stärken, was auch für eine multipolare Ordnung von Vorteil ist.
      Wahrscheinlich wird es demnächst zu einer neuen Blockbildung kommen, dreiviertel der Welt gegen den guten Wertewesten.

      (1) https://www.nachdenkseiten.de/?p=90151
      (2) https://odysee.com/@RTDE:e/Deindustrialisierung-in-einem-Ausma%C3%9F-das-alles-ver%C3%A4ndern-wird%E2%80%93Tom-Wellbrock-zur-Lage-in-Deutschland:b

      1. Die Abhängigkeit von den USA hat viele Facetten, hier ein paar Beispiele:

        Militärisch – wenn die USA sich aus dem Stellvertreter-Krieg in der Ukraine zurückziehen, wird es für die EU ernst.
        Wirtschaftlich – wenn die USA einen Schnupfen bekommen, hat die EU eine schwere Grippe, wie zuletzt in der Finanzkrise.
        Handelspolitisch – wenn die USA den Markt abschotten und “America first” praktizieren, wandern unsere Unternehmen ab, wie derzeit.
        Energiepolitisch – wenn die USA kein schmutziges Fracking-Gas liefern, gehen in Deutschland die Lichter aus
        Demokratisch – wenn Trump oder andere Populisten die Macht übernehmen, muss sich die EU warm anziehen.

        Dummerweise geht von der amerikanischen Demokratie derzeit wohl die größte Gefahr aus.

        Dies ist gut nachzulesen unter: https://lostineu.eu/die-groesste-abhaengigkeit/

        Angesichts dieser zunehmenden Unsicherheit muss Deutschland/ Europa unabhängiger von der USA werden. Doch statt eine gemeinsame Vision zu entwickeln, wie Europas Sicherheit künftig organisiert werden kann, zerstreiten sich die Europäer. Dabei sollte jedem klar sein, dass Osteuropa andere Interessen vertritt als die wirtschaftlich starken Länder im Zentrum. Will die Deutschland/ Frankreich seine wirtschaftliche Vitalität behalten, muss eine Loslösung von der USA und deren Trojanischen Pferden in der EU stattfinden. Wichtig wäre es für die EU, eine vernünftige Kooperation mit China, Russland, den BRICS- und SOZ-Staaten aufzubauen und langfristig anzustreben.

        Asien wird ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die bestimmende Kraft auf der Welt sein.

        1. Hi Mengel,
          Sie blicken richtigerweise den Blick nach Eurasien. Da sind inzwischen Steine aus dem Weg zu räumen, siehe Link:
          Super-States in Core Eurasian Geopolitics – Utopian Proposition? | The Vineyard of the Saker
          Die Deutsche Wirtschaft denkt nur an Morgen, nicht an Übermorgen:
          https://www.ost-ausschuss.de/
          Im Hinterkopf ist bei mir auch noch die indirekte Kritik von Xi Jinping an der EU – beim BK auch?

  5. Auf The Saker wurde ein sehr langes Interview mit Michael Hudson veröffentlicht.
    https://thesaker.is/the-real-progressive-interview-of-michael-hudson-with-transcript/

    Eine Frage aus dem Interview und ein Teil seiner Antwort:

    Andy Kennedy: Michael, ich glaube, Sie haben den Begriff der monetären Hegemonie geprägt. Ich glaube, es war in Superimperialismus, einem Buch, das Sie vor einiger Zeit geschrieben haben. Aber ich denke, dass viele Leute wirklich Schwierigkeiten haben zu verstehen, was das überhaupt bedeutet. Können Sie ein wenig darüber sprechen, wie die Hegemonie des US-Dollars einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass die USA de-industrialisiert wurden.

    [00:19:01] Michael Hudson: Nun, darum ging es in meinem Buch „Super Imperialism“, das ich 1972 veröffentlichte. Die Dollar-Hegemonie begann wirklich 1972. Hegemonie ist ein Wort, das ich nie wirklich leicht in ein Gespräch einbringen kann. Es war eigentlich Henry Liu, der diesen Begriff hervorhob. Er ist ein Freund von mir und wir waren viele Jahre lang Kollegen. Die Dollar-Hegemonie bedeutet, dass die Vereinigten Staaten Dollar-Anleihen, IOUs, ausgeben können und sie nie zurückzahlen müssen. Wenn wir in den Vereinigten Staaten ein Zahlungsbilanzdefizit haben, landen die Dollars bei den ausländischen Zentralbanken. Die meisten US-Zahlungsbilanzdefizite seit dem Koreakrieg sind auf Militärausgaben zurückzuführen.

    Während Amerika Geld für die Errichtung von Militärbasen in der ganzen Welt ausgibt, landen die Dollars, die wir für den Bau der Basen und den Aufkauf der Klientel-Oligarchien ausgeben, in diesen Ländern. Und diese Dollars werden der örtlichen Zentralbank für die heimische Währung überlassen. Und die Zentralbank wird sich fragen: „Was machen wir mit den Dollars?“ Nun, sie wird die Dollars in der Regel in Form des Kaufs von US-Staatsanleihen halten, weil Zentralbanken keine Risiken eingehen sollen.

    Sie werden also im Wesentlichen die Staatsanleihen kaufen, und die Vereinigten Staaten haben nicht die Absicht, die Staatsanleihen jemals zu bezahlen. Wie wollen sie denn bezahlen? Bis 1971 haben sie mit Gold bezahlt.

    Nun, all dies wird nun von Russland und China geändert, die in den letzten Jahren darüber gesprochen haben. „Um die Hegemonie der USA zu stoppen, müssen wir vermeiden, unsere eigene militärische Einkreisung zu finanzieren, indem wir dem US-Finanzministerium Geld leihen, das dann dem militärisch-industriellen Komplex und dem Pentagon zur Verfügung gestellt wird, um hier Stützpunkte zu errichten, also werden wir eine Alternative zum US-Dollar haben.“

    Nun, sie haben darüber gesprochen – Russland, China, andere Länder – wirklich fünf Jahre lang. Und erstaunlicherweise kam das Ende der Dollar-Hegemonie im letzten Jahr, als die Vereinigten Staaten selbst sagten, wenn ein Land eine Politik verfolgt, die uns nicht gefällt, können wir uns alle Dollarreserven schnappen, die es in den Vereinigten Staaten hält.

    1. Hudson in diesem Interview wie die Regierung in der USA entssteht. Was hat das mit Demokratie zu tun?

      „Aber in den Vereinigten Staaten ist der Hauptnutzen neben dem Geld, das privatisiert wurde, die Regierung. Nach dem „Citizens United“-Urteil steht die Regierung nun wirklich zum Verkauf und wird an die höchsten Wahlkampfspender versteigert. In der Demokratischen Partei zum Beispiel muss jeder demokratische Abgeordnete einen bestimmten Geldbetrag von Wahlkampfspendern aufbringen, um ihn an das Nationale Komitee der Demokraten zu überweisen.

      Wer also das meiste Geld aufbringen kann, wird Vorsitzender des Ausschusses. Die Pharmaindustrie gibt einem Abgeordneten, den sie zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses machen will, viel Geld. Die Banker geben demjenigen Geld, den sie für den Vorsitz im Bankenausschuss haben wollen, und so weiter. Die Funktion der Regierung selbst, sobald sie privatisiert ist, besteht also darin, Geld für die Geberklasse zu verdienen, die im Grunde die Finanzklasse und die Monopolklasse ist, die das Finanzwesen schafft. Die Banken waren schon immer die Mutter der Monopole, und der größte Markt des Finanzsektors ist die Schaffung von Monopolen. Es handelt sich also im Grunde um die Privatisierung von Monopolen.
      Und die Monopolrente dieser Monopole wird für die Zahlung von Zinsen an die Banken verwendet, die die Corporate Raiders finanzieren, oder wer auch immer diese Monopolprivilegien übernehmen und kaufen will.)“

    2. Xi Jinping sagte beim Staatsbesuch des deutschen Bundeskanzlers
      „es sei »leicht, politisches Vertrauen zu zerstören, aber schwer, es wieder aufzubauen“.
      08.11.2022: Stich ins Managerherz (Tageszeitung junge Welt)
      Damit ist das Imperium, der Hegemon USA spätestens seit dem Jahr 2022 konfrontiert.

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