Vom historischen Subjekt zum Shit

Shitbürgertum mit Cap
Quelle: Buchkomplizen

Um das Buch Shitbürgertum gibt es viele Missverständnisse. Es ist beispielsweise nicht destruktiv, sondern eine Liebeserklärung. Und es ist zugleich ein Aufruf zu mehr Mut.

Autoren sollen einem heute keine neuen Blickwinkel zeigen, sondern schon eingenommene Betrachtungen nur nochmal herunterbeten oder ausschmücken. Das könnte man meinen, wenn man beobachtet, für wie toxisch der eine oder andere Autor erklärt wird. Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt, gilt als so ein giftiger Autor. Sein Buch ist ein Fall für den bourgeoisen Index. Das grüne Sensorium schlägt dabei sofort aus. Poschardt sei ein Zerstörer und destruktiver Hallodri. Das Bücherschreiben dürfe man ihm nicht durchgehen lassen.

Poschardt ist vielleicht kein einfacher Charakter. Sein Ego und seinen Gestus muss man aushalten können. Aber solche Anwandlungen findet man auch bei den Autoren, die die Bourgeoisie (bei Poschardt zum Shitbürgertum zusammengeschissen) geradezu betrunken hochjazzt. In Shitbürgertum steckt überdies mehr als bloße Provokation. Das Buch dient dem ernsthaften Versuch einer Verteidigung. Es will nicht nur das Bürgertum wieder erden, sondern die Moderne retten vor dem Abfall in eine Barbarei.

Kritik an dem, was aus dem Bürgertum wurde

Ulf Poschardt ist der ewige Dandy des deutschen Feuilletons. Mitte des 18. Jahrhunderts galt der Dandy als ein sich auffallend gekleideter Mann, der die Öffentlichkeit suchte. Poschardt gewandet sich leger, selten sticht seine Klamotte hervor. Das tut sein Mundwerk für ihn. Seine Feder auch. Er bürstet gegen den Strich, verliert sich dabei allerdings gelegentlich in Aussagen, die abstoßen können. Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Und wer ein solcher Klapperhandwerker ist, der klappert nun mal auch am Wesenskern vorbei. Das kommt bei Poschardt vor. Wie kürzlich in Wien, als er eine Lanze für die israelische Armee in Gaza brach. Poschardt liebt die Provokation. Die Gelegenheit tief im Herzen des Shitbürgertums zu provozieren, war in Wien zu günstig. Mit Regenbogenfahne bewaffnete Love-Gurus, die sich zu Anwälten der Palästinenser aufmuckten: das konnte er nicht liegen, dass konnte er sich nicht entgehen lassen.

Doch mit seinem Buch hat das wenig zu tun. Shitbürgertum ist ein Manifest gegen das bürgerliche Selbstmissverständnis. Nicht gegen das Bürgertum per se, sondern gegen diese träge und denkfaule Schicht, zu der es sich verwandelt hat. Es sei mittlerweile verhuscht, moralinsauer, autoritätshörig und unfreiwillig komisch. Als Shitbürger bezeichnet er jene, die den Individualismus verraten, indem sie ihn für Wohlstand, Ordnung und Konformität opfern. Sie sind nicht konservativ im besten Sinne – sondern ängstlich, neidisch, illiberal. Sie spielen das Progressive nur, wollten aber gar keine Veränderung, sondern ihren Wohlstand mit den unlauteren Mitteln der Untergrabung der Meinungsfreiheit erhalten.

Poschardts Worte sind nicht bedächtig, man spürt einen heiligen Zorn in seinen Sätzen. Es sind natürlich die Sätze eines Liberalen, seine Idealvorstellung von Gesellschaft spiegelt sich im schlanken Staat wider. Vielleicht sogar im abgemagerten Staat. Man muss dieses Ideal nicht teilen. Seine Analyse des Bürgertums aber trifft mitten ins Schwarze. Oder Grüne? Deutschland langweile sich zu Tode, Selbstverwirklichung heiße heute nur noch, sich im Dickicht des deutschen Regelwerkes auszukennen, um die eigene Komfortzone abzusichern. Der Text gleicht einem Parforceritt durch Geschichte und Gegenwart. Überall lauern Referenzen und Poschardts Sound ist schnodderig und kompromisslos. Alleine dafür gebührt dem Autor Dank, denn das widerstrebt dem literarischen Habitus der letzten Jahre, in denen sich Autoren durch eine anbiedernde Tonalität an die Macht und den Zeitgeist zu häufig, aber zur Zufriedenheit des Shitbürgertums, beliebig machten.

Von Diderot zu Deleuze bis zu David Bowie: Poschardts Streitschrift ist Porsche und Punk nebeneinander. Und immer geht es ihm um die Unterdrückung des Individualismus. Auch wenn er sich wie viele Liberale, dazu versteigt, diese Kollektivierung der Gedanken als linkes Phänomen abzutun, so macht er eines deutlich sichtbar: Deutschland ist zu einem Paradies für Radikalangepasste geworden.

Pamphlet und trotzdem Analyse

Das deutsche Feuilleton, in dem der Typus des Shitbürgers gehäuft sein Brot verdient, hat Poschardts Buch umgehend als den Schlag eines Wichtigtuers unter die Gürtellinie des Mainstreams verunglimpft. Das war die einfachste Reaktion, die zu erwarten war. Denkfaul und selbstgerecht, wie es Poschardt diagnostizierte. Er identifiziert die fatale Verschmelzung von Spießigkeit und Moral. Dieses moralisierte Kleinbürgertum, das sich in Progressivität verkleidet, agiert aber zutiefst autoritär. Die neue Spießerhaftigkeit äußert sich nicht mehr im Häkeldeckchen auf dem Fernseher, sondern im Impuls, alles Unordentliche, Schräge und Ungeprüfte zu tilgen. Das aktuelle Biedermeier traut sich mehr als Kaffeetafel und Zierdecken. Es ist offensiv unterwürfig und redet den modernen Restauratoren nach dem Mund.

In seinen besten Passagen ist Shitbürgertum eine Liebeserklärung. An das Mutige, das Schrille oder das Nonkonforme. Auch an die Lebensfreude, die dem Shitbürgertum, mehr so auf Bestatter-Manier fixiert, fremd geworden sind. Poschardt ist kein Freund der Masse, aber auch kein Antidemokrat. Dazu machen ihn aber seine Kritiker. Sie sehen in seinem Buch gar einen Beitrag zur Etablierung der AfD. Für den Autor ist aber das Shitbürgertum für den Aufstieg dieser Partei verantwortlich. Man habe ich unsäglicher Arroganz Themen an sich gerissen und die Debatte darum so verquer geführt, dass das Gegenreaktion verursachen musste.

Poschardt gibt sich in seinem Buch als erklärter Gegner einer Saturiertheit zu erkennen, die das Politische in Betroffenheitsgesten und Empörungsreflexe verwandelt und damit entkernt hat. Vielleicht sind es diese Momente, die seine Kritiker besonders wütend machen. Denn Poschardt gibt sich dort als Demokrat zu erkennen, er stellt sich die demokratische Grundordnung nicht als Verordnungsapparatur vor, sondern als Ort eigenständig denkender Bürger. Der Shitbürger wirkt daneben wie ein Stalinist light, der nur noch auf Vorgaben wartet, die er dann mit Feuereifer umsetzen kann. Tief getroffen muss der Shitbürger daher den Autor zum schlimmsten Hetzer aller Zeiten erklären, um seine Fehlentwicklung zu verbergen.

Natürlich überzeichnet Poschardt. Dies ist der Wesenszug jedes Essayisten. Das Buch operiert mit Überhöhung und Aufbauschung, es ist Pamphlet und Polemik und dennoch an vielen Stellen eine nüchterne Analyse. Die tiefe Sehnsucht des Autors ist spürbar, Gesellschaft wieder als Streitzone zu begreifen, in der man auch ordentlich zulangen darf, ohne dass die Gekränktheit zum großen Aufhänger für Sensibilitätstalk und zu große Rücksichtnahme auf die Gefühlslage anderer wird.

Mehr Mut zum Mut

Denn wenn man den Safe Space so fetischisiert, wie es die Shitbürgerkultur tut, dann ist Debatte nicht mehr möglich. Poschardt steht für eine offene Aussprache, für das direkte Wort. Das kann Schmerzen verursachen, ist aber allenfalls besser, als verkniffen am heißen Brei vorbei zu therapieren. Nicht mehr gesagt zu haben, was ist, sondern was besser sein sollte, damit sich alle pudelwohl fühlen, das ist die eigentliche Grunderkrankung der Shitbürgerkultur.

Shitbürgertum liest sich auch wie ein eleganter Nachruf auf einen alten, vielleicht überkommenen Begriff von Bürgerlichkeit. Das Bürgertum hat sich vor langer Zeit mit Eigensinn zum historischen Subjekt emporgehoben. Es traute sich Urteilskraft zu, prägte am Ende die Kultur und entwickelte einen neuen Stil. Und nun soll es als überangepasste Herde gedankenlos in Brot und Spielen vor sich dahinvegetieren? Das Bürgertum hat offenbar selbst beschlossen, sich von der historischen Weltbühne zu verabschieden, um nur noch von mittelmäßigen Karrieristen und Opportunisten verwaltet und gegängelt zu werden. Und es hat ganz offensichtlich beschlossen, jede Gängelung als Leidensprüfung über sich ergehen zu lassen.

Poschardt schreibt gegen diese bleierne Mitte an, gegen das vollgefressene Mittelmaß, das nichts mehr wagt, aber gleichzeitig all denen, die etwas wagen wollen, direkt die Berechtigung absprechen will. Dieses Bürgertum hat es geschafft, das Wort Querdenker zu einer Gefährdung umzudeuten. Fast so gefährlich wie der Chefredakteur der Welt. Den muss man letztlich nicht nett oder angenehm finden, um ihm attestieren zu können, dass er einen wichtigen Beitrag zur Debattenkultur geleistet hat. Wie immer ist geboten, zwischen Autor und Schrift zu unterscheiden. Es gibt Menschen, die vielleicht leichter im Umgang sind, aber wenn sie ein dünnes Buch auf dem Markt bringen, wird daraus kein Debattenbeitrag.

Am Ende ist Shitbürgertum kein Buch über Bürger, sondern über Mut. Und vielleicht ist das die eigentliche Zumutung, die wir als Gesellschaft brauchen. Mehr Mut zum Mut. Einfach mal die Klappe aufreißen, gerade dann, wenn alle zu harmonisch miteinander umgehen.

Joachim Z. Buchmann

Joachim Z. Buchmann hat sie alle gelesen. Zwischen Buchdeckeln und im echten Leben. Kritiker aus Liebe. Leser aus Leidenschaft. Rezensent aus Geldnöten.
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21 Kommentare

  1. Der Mann hat in Wien große Sympathie
    (!) für das völkermordende israelische Militär geäußert; die Armee müsse ja die Drecks- arbeit in Gaza erledigen, denn die Schweizer Ärztesöhne und -töchter wie Milo Rau würden nur zuschauen und die Hamas unterstützen. – Ein Bürgerlicher ? – Ein Völkermord- Sympathisant !

    1. Lach, ein Ex-Zivildienstleistender mit Hang zum Militär.
      Also der klassische Hühnerfalke.

      Offensichtlich gibt es in Schland nur noch solche PISSNELKEN.

    2. Hey, hast du irgendeinen zweifelsfreien Beleg für deinen Vorwurf zu „das völkermordende israelische Militär“?

      Und falls ja, dann würden vermutlich nicht nur mich diese zweifelsfreien Belege interessieren. Ansonsten einfach mal die Fresse^w Finger von der Tatstatur lassen.

        1. Nomen est omen.

          BTW:
          “Multiple exclamation marks,‘ he went on, shaking his head, ‚are a sure sign of a diseased mind.”

          PS: Du plenkst.

    3. Herr Poschardt vertritt da – total nonkonformistisch selbstredend – die Pflichtlinie des Verlagskonzerns, in dem er Chefredakteur eines betulich konservativen und total konformistischen Blättchens ist. Gee, ein Rebell ..

      Zu den beiden Kreischern: Nach den Kriterien Raphael Lemkins kann man da sehr wohl von Genozid reden.

      1. 1. Ich kreische nicht.
        2. Raphael Lemkin bezog sich mit seiner Definition des Völkermords auf andere Größenordnungen.
        Aber, wie du schon richtig geschrieben hast, man „kann“ das machen. Aber es ist eben kein Beweis, es bleibt letztlich auf der Ebene der Behauptung, Mutmaßung … Letztlich müss(t)en Gerichte darüber entscheiden.

        Viel spannender in diesem Zusammenhang finde ich, dass (iirc) noch keine supranationale Institution offiziell Russland für die Bombardierungen in Syrien verurteilt hat. Bei Israel geht so etwas immer schnell.

        1. Du lügst und weisst es. Was als „Transfer“ von der völkischen Rechten in Israel propagiert und nun in Gaza durchgeführt wird, ist exakt, was Lemkin als Genozid definiert hat, Die Arnenier wurden auch nicht alle ermordet, die Rate Die Rate der Ermordeten lag (je nach Schätzung) mit 300.000 von 1.700.000 in ähnlicher Grössenordnung wie die 60.000 gezählte laut Gaza-Gesundheitsbehörde oder 220.000+ geschätzte Todesopfer laut Lancet von 2 Millionen (nach einigen Quellen lag die Opferzahl der Armenier deutlich höher, aber das ändert den Völkermordbegriff, der bei Lemkin kein rein quantitativer war, nicht. Die Völkermordkonvention der UN geht da eher weiter).

          Ferner ist die gewaltsame Vertreibung durch Zerstörung aller Wohnstätten auch Teil von Lemkins Definition. Da braucht es nicht einmal das geplante Konzentrationslager oder die Morde an den Lebensmittelausgabestellen.

          1. 1. Nein, ich lüge nicht. Allerdings interessiert mich, woran genau du das festmachst.
            2. Du ziehst dich – wie andere auch – an Genozid-Definitionen hoch. Du nennst geschätzte Zahlen zu von der IDF – wie ich vermuten darf – Ermordeten, die bislang von keiner seriösen Quelle belegbar und damit glaubhaft bestätigt wurden.
            3. Dass die Vertreibung und die Zerstörung durch die IDF nicht völkerrechtskonform ist, da gehe ich mit.
            4. Du berücksichtigst allerdings nicht, dass bestimmte Folgen Ursachen haben.
            So what …?

            1. @Entitaet: …hier braucht es
              belegbare Opferzahlen ?
              Bürokrat des Todes ? Nazi
              meinen auch: Ach, was! Nie im Leben waren es 7 Millio-nen.

            2. Na gut, ich habe keinen Beweis, dass es bei Dir nicht vorsätzliche Lüge, sondern kognitive Dissonanz und Realitätsverlust ist. Meine Annahme, dass Du es weisst, war daher vorschnell.

              Aber ja, ich „ziehe mich an Genozid-Definitionen hoch“. Bei Verbrechen „ziehe ich mich an Strafrechtsdefinitionen hoch“. Den Zeugen der Verbrechen die Glaubwürdigkeit abzusprechen und sie – wie über 100 Journalisten – abzuknallen ist auch eine Methode, eine Verbrechermethode. Danach kann man bequem behaupten, es gäbe keine Beweise, so wie man die UN-Hilfsorganisationen vertrieben und durch eine Mörderbande ersetzt hat.

              Und das Völkerrecht ist derzeit sowieso am Arsch, gerade mit den Aggressionen Israels. Und ja, Ursachen gibt es, seit 1948 und früher. Das rechtfertigt die Massaker nicht.

            3. Die Ursache ist, das Israel seut seiner Gründung nie vorgehabt hat, mit seinen Nachbarn friedlich zusammenzuleben.
              Ich weiß das allein schon, weil meine Mitschüler die Brut von Bubis, Rosen und Konsorten waren.

  2. Scheint ein gutes Buch zu sein.
    Andererseits muss man es nicht lesen, wenn es letztlich doch nur für einen selbst bereits bekannte Dinge thematisiert.

    Nur eine kleine Anmerkung:

    Mir scheint die Verwendung des Begriffs „Bürgertum“ hier unpassend – egal, ob es nun ein sog. „Shitbürgertum“ sein soll oder ein anderes. Da es heute in Deutschland nach klassischem Verständnis nur noch Mittelschicht, aber kein Bürgertum gibt, ist der Begriff unpassend und bloß nostalgisch. Vielleicht wollte Poschardt der von ihm kritisierten regierungsnahen Mittelschicht, die zudem oft im Staatsdienst tätig ist, damit lediglich bei aller Kritik ein bisschen Honig ums Maul schmieren … ?!

    Nein, mit Bürgertum hat dieses Milieu nichts mehr zu tun, obwohl es das vielleicht gerne hätte.
    Zum klassischen Bürgertum gehören wirtschaftliche Selbständigkeit, Selbstbewusstsein, Standesbewusstsein (in Abgrenzung von oben und unten), Fähigkeit zu intellektuellem Eigenwillen und i.d.R. auch eine positive Verwurzelung in überlieferten Traditionen dazu.
    All das fehlt heute.

    Insofern ist die heutige Mittelschicht in ihrer Mehrheit weder Citoyen noch Bourgeois, denn für den ersteren fehlt die selbstbewusste und mitunter auch regierungskritische Einstellung und für den letzteren fehlt die wirtschaftliche Unabhängigkeit.
    Es sind bloß Spießbürger – egal, ob sie SPD, CDU oder Grüne wählen.

    Abschließend noch ein paar nette Zitate aus diesem zum Thema gut passenden Artikel von 2023, auch wenn v. Waldstein die Begriffe „Bürgertum und „Bourgeois“ verwendet:
    https://sezession.de/67289/thesen-zum-deutschen-buergertum

    „Professionelles Erkenntnisblindheitsgetue gegenüber den drängendsten politischen Herausforderungen der Zeit ist das bürgerliche Markenzeichen par excellence. Dabei sind die Gleichgültigkeit und die zur Schau getragene Ignoranz meist nur vorgeschoben. Der Bürger weiß genug, um zu wissen, was er so genau auch wieder nicht wissen will. Gleichgültigkeit und Ignoranz lassen sich zudem im Handumdrehen zu »Toleranz« und »Liberalität« umlabeln, um durch diesen Kunstgriff vorzutäuschen, die eigenen charakterlichen Schwächen seien Ausdruck einer noblen Gesinnung.“

    und

    „Beruflich hat man sich häufig im Fachidiotentum behaglich eingerichtet und die Scheuklappen eng angelegt, um sich auf diese Weise der Verantwortung für das Ganze entziehen zu können. Der Mangel an sozialer Empfindungsfähigkeit und an Demut gegenüber den Leistungen der Vorfahren ist dabei direkt proportional zu einer Selbstbesessenheit, die Schamgrenzen nicht kennt.“

    und

    „Massenbürgertum – Nur scheinbar paradox zu der vorbeschriebenen Egozentrik ist, daß es der bürgerlichen Gesellschaft an nichts so sehr fehlt wie an Persönlichkeiten. Denn das »ichsüchtig maskenfrohe Individuum« (Ernst Bertram), dem man heute auf Schritt und Tritt begegnet, ist bei Lichte besehen ein das Risiko scheuendes, sich vor Isolation fürchtendes und jede Zitadelle kultureller Selbstbehauptung schon im Vorfeld räumendes Wesen.“

    und

    „Nichts beherrscht der Bourgeois besser, als seiner gewöhnlichen Seele einen erbaulichen Anstrich zu geben. Kratzt man diesen affektierten Lack aus Fernstenliebe, Eisbärrettung und Mülltrennungsfetischismus ab, gewinnt man einen erschütternden Blick auf das, was sich dahinter verbirgt: das wahrlich uferlose Meer der politischen Feigheit des deutschen Bürgertums.“

    und

    „Der Wirbel, den der deutsche Bürger seit jeher um den Begriff der »Bildung« veranstaltet, steht in einem bemerkenswerten Gegensatz zu der tatsächlichen geistigen Potenz des Bildungsbürgers. Noch nie wurde in Deutschland so viel über Bildung geredet, noch nie wurden so viele formelle Bildungsabschlüsse ausgereicht wie heute, und noch nie gab es so viel Pseudo‑, Halb- und Nichtwissen unter den »führenden« Gesellschaftsschichten.“

    und

    „Sekuritätsbedürfnis, Komfortsucht und Unfähigkeit zur Konsumdistanz sind weitere Merkmale, ohne die die Beschreibung der bürgerlichen Daseinsform unvollständig wäre. Vergegenwärtigt man sich, gegen was sich der Bürger heute alles schützen und versichern will, fragt man sich zwangsläufig, wie es früheren Generationen gelingen konnte, ihr Leben ohne solche Rundumsorglospakete zu meistern.“

    Und zuletzt das:

    „Als besonders grotesk kann gelten, daß das BRD-Bürgertum zum Teil immer noch mit dem schillernden Begriff »konservativ« in Verbindung gebracht wird. „

  3. Hat er sie wirklich alle? Gelesen meine ich natürlich. Poschardt und Zitelmann sind nicht alle, sie sind nicht nonkonformistischer als die Oma in der Kirche.

    Gerade gelesen: Shlomo Sands How i stopped being a Jew, und vorher vom selben The End of the French Intellectual: From Zola to Houellebecq. Das sind Bücher (dass mich diebisch gefreut hat, wie er dem rassistischen Modeschreiberling Hülleböck eins überbrät, nur am Rande, Roberto wird das betrüben 😉 ). Und natürlich Die Erfindung des Landes Israel – Mythos und Wahrheit. Hat Herr Joachim Z die gelesen?

    Das sind in der Tat „provozierende“, nämlich Gedanken provozierende und Weltbilder in Frage stellende Werke. Ob Herr Poschardt und seine Bürger in ihrem Shit ersticken oder sich wohlig suhlen, interessiert nicht wirklich. Ok, mich jedenfalls nicht.

  4. @Entitaet: …hier braucht es
    belegbare Opferzahlen ?
    Bürokrat des Todes ? Nazi
    meinen auch: Ach, was! Nie im Leben waren es 7 Millio-nen.

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