Über die herrschenden Verhältnisse im Gesundheitswesen

Beelitz Heilstätten Ruine
Bild: Alice12, via Pixabay License

Das Gesundheitssystem wurde durch eine Gesundheitsherrschaft ersetzt – so die präzise Analyse des Arztes und Autors Bernd Hontschik: Nachzulesen in seinem Buch „Heile und herrsche! – Eine gesundheitspolitische Tragödie“.  

Eine Rezension von Hans See.

Bernd Hontschik, Chirurg, Buchautor und Kolumnist der Frankfurter Rundschau, ist einer der letzten Kritiker des Gesundheitswesens, die sich – noch oder wieder? – wagen, im Kontext ihrer Analysen an den genialen Karl Marx zu erinnern. Marx hat das bis heute intellektuell und politisch realistischste und somit auch wirksamste Instrumentarium systematischer Kapitalismuskritik geschaffen. Das Gesundheitswesen, das nach Hontschik längst zur Gesundheitswirtschaft verkommen ist, ist nun einmal ein zentraler Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

Doch Hontschik ist zu klug, in seinen kritischen Schriften die rituellen und zeremoniellen Versatzstücke der einstigen Klassenkampfrhetorik zu bemühen, ohne die man in den Siebzigerjahren, die im Zeichen der sozialliberalen Reformpolitik standen, gar nicht zur Kenntnis genommen worden wäre. Er macht, was schon der junge Marx machte: Er beschreibt präzise und analysiert knallhart die herrschenden Verhältnisse. Marx wusste, „man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!“

Die Pharmaindustrie und ihre Verbrechen

Das ist auch die Methode Hontschik: In glasklarer Sprache, für den „Normalbürger“ leicht verständlich, schildert er, was in den vergangenen Jahrzehnten unter vielversprechenden Namen wie Privatisierung und Digitalisierung aus dem Gesundheitswesen gemacht worden ist: eine Gelddruckmaschine für Investoren, eine standardisierte und kapitaldominierte Gesundheitswirtschaft, die völlig aus dem Ruder läuft, weil deren Entwicklung fast nur noch von Shareholdern, Benchmark-Systemen und Aktienkursen vorgegeben wird.

Maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung war und ist die Pharmaindustrie. Über diese schreibt Hontschik: „Es gibt kein Verbrechen, dessen sich die Pharmaindustrie noch nicht schuldig gemacht hat. Manipulation oder Unterdrückung von Studiendaten, gekaufte Wissenschaftler, Erpressung, Verleumdung und Menschenversuche mit katastrophalem Ausgang – alles ist längst bekannt.“ (S.73) Die Liste ist viel länger. Er geht noch einmal – nahezu lexikalisch – die größten dieser Verbrechen durch. Er erinnert uns an Contergan, Glyphosat, Babypuder und anderes.

Am Ende lässt er auch die Impfstoffproduzenten nicht aus, die auf die Politik einen juristisch noch nicht aufgearbeiteten, aber längst als zumindest illegitim durchschauten Einfluss nahmen.

Die Gesundheitsherrschaft

Hontschik spricht von Korruption und Interessenkonflikten, von „lukrativen Geschäftsverbindungen zwischen Virologen, Testherstellern und Impfstoffproduzenten“. Und wer erinnerte sich nicht an die illegalen Geschäfte mit den Masken, die Hontschik gar nicht erst erwähnt. Die Impflobbyisten, ich, der viermal Geimpfte und dann doch noch Erkrankte, nannte sie von Anfang an „Impferialisten“, kassierten unfassbare Summen an Staatsgeldern, befreiten sich vertraglich von jeglicher Haftung und verhängten Patentblockaden zu Lasten der armen Länder des globalen Südens.

Hontschik diagnostiziert, dass die Corona-Pandemie etwas sichtbar gemacht hat, was er als Weiterentwicklung der Gesundheitswirtschaft deutet: Die Gesundheitsherrschaft.

Was ist Gesundheitsherrschaft? Nach Hontschik entwickelt sich aus dem Missbrauch der Medizin die Gesundheitswirtschaft, die schon an sich die Grenzen des vertretbaren Eingriffe und Grundrechte weit überschreitet – und aus dieser entsteht nahezu unbemerkt ein die kapitalistische Demokratie selbst gefährdendes Herrschaftsinstrument. Die Wurzel aller Übel im Gesundheitswesen erkennt Hontschik darin, dass „eine Gesellschaft ihren Reichtum nicht mehr für das Funktionieren ihrer Sozialsysteme, sondern die Sozialsysteme in Quellen neuen Reichtums für Kapitalgesellschaften verwandelt…“ (S116)

Medizin als empathische Humanwissenschaft

Diese Fehlentwicklung ist aber nichts als die logische Konsequenz der gesamten kapitalistischen Entwicklung, die nun einmal alles kapitalisiert, was kapitalisierbar ist, um die Renditen zu sichern und zu erhöhen. Was ist aber – neben dem lukrativen Friedensversprechen der Rüstungswirtschaft – renditeträchtiger als das Gesundheitsversprechen, das die Medizin ja nicht nur dem Patienten, sondern auch dem gesunden Menschen, der gesund bleiben, sogar möglichst gesund sterben möchte, hauptsächlich in Form von Medikamenten nun einmal gibt. Für ihre Gesundheit und ihre Gesundung geben die Menschen, falls sie eines haben, ihr ganzes Vermögen aus.

Einen Abschnitt seines Buches nutzt der Autor, seine Philosophie zu erklären, seinen Standort in diesem System und sein Verhältnis zur Wissenschaft zu bestimmen. Hierbei rekurriert er auf den Arzt und Denker Thure von Uexküll (nicht zu verwechseln mit dem Stifter des Alternativen Nobelpreises Jakob von Uexküll), der für eine „integrierte Medizin“ steht und damit für ein Gesundheitswesen, in dem Medizin als „emphatische Humanwissenschaft“ verstanden wird. Mit dieser Darlegung seines eigenen Grundverständnisses der Medizin richtet Bernd Hontschik auch einen Appell an die Mediziner, die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft und die Medien, leider – aber verständlicherweise – nicht an die Gewerkschaften, die die Gesundheitsreformer, zu denen auch ich gehörte, Anfang der 1970er Jahre noch mit Stolz als ihre engsten Verbündeten betrachten durften.

Ein Buch, das alle, vor allem jedoch diejenigen, die jetzt die versprochenen Reformen des Gesundheitsministers Lauterbach (SPD) kritisch begleiten, auch die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der Gesundheitswirtschaft, lesen sollten, damit Proteste und Resultate nicht – wie schon so oft – zu Rohrkrepierern werden.

Ähnliche Beiträge:

8 Kommentare

  1. Solch unkundige, gedankenärmliche und folglich begriffslose Lobhudelei des ollen Kalle, die darob, ohne es zu wollen, in einem Diskurs landet, die viel mehr mit nationalsozialistischer Liebe zum Volk, als mit Kapitalismuskritik zu tun hat, geht mir auf den Keks.

    Als Erstes fehlt da der Begriff des individuellen Leibes.
    Denn diese Wahrheit hat die nazistische Ideologie des „Volkskörpers“ für sich, daß ein Individuum zu einem Gattungsleben bestimmt ist, folglich ein Gattungsleib ist und also das individuelle „Eigentum“ der Leiblichkeit dessen gesellschaftliche Daseinsweise ist.
    Das Privateigentum der Leiblichkeit, von bürgerlichen Ideologen seit dem späten 17. Jhd. als „natürliches Eigentum“ behandelt – in Opposition zum Gotteseigentum, daher klerikaler Machtressource – ist alles andere, als „natürlich“. Der privateigentümliche Leib ist vielmehr die Ressource abstrakter Arbeit, die bürgerliche Individuen Privateigentümern eines gesellschaftlichen Arbeitsvermögens (aka „Produktionsmittel“ in Gestalt der privateigentümlichen Daseinsweise von „Produktivkräften“) unter militärischem und paramilitärischen Zwang in Gestalt eines Surplusproduktes auszuhändigen haben, genannt Ausbeutung.

    Ich kann die Sach von diesem Ausgangspunkt her hier selbstredend nicht in Gestalt einer Ableitung fortentwickeln, aber es sollte nicht gar so schwierig zu verstehen sein, daß Entfaltung und Verstetigung kapitalistischer Ausbeutung notwendig in eine Verstaatlichung der Leiber mündet, die gewöhnlich „Gesundheitswesen“ genannt wird.
    Die unter dem Titel „Sozial(staats)system“ gerühmte, seit etwa 130 Jahren gewohnte Gestalt dieser Verstaatlichung ist Verstaatlichung von Lohnanteilen zwecks Schaffung und Finanzierung einer
    Apparatur von Dienstleistern an einem Trumm namens Volksgesundheit, das zur individuellen Vernutzung seitens der leiblichen Privateigentümer vorgesehen ist.

    Das ist überhaupt nie etwas anderes gewesen, als ein „System“ der Herrschaft des Privateigentums über die Privateigentümer!
    Und dessen allgemeiner Zweck ist dann auch nicht schwer zu sehen: Es handelt sich um eine Sozialisierung der Kosten und Lasten der Unverträglichkeit von Ausbeutung und leiblicher Gesundheit der Ausgebeuteten zugunsten des Kapitaleigentums.

    Was hat sich mit der sogenannten „Globalisisierung“ und deren „neoliberaler“ Bewirtschaftung geändert?
    Offenkundig die Kosten-Nutzen – Rechnung. Grundsätzlich ist in Europa die Verstaatlichung des Volksleibes in der Gestalt der Verstaatlichung zweckgebundener Lohnbestandteile gültig geblieben, doch dem Nutzenkalkül ist ein Zweck hinzugefügt worden. Die „Gesundheitskosten“ soll jetzt auch die Rendite einer Gesundheitsindustrie liefern. Warum?

    Knapp hingesagt, weil der Reichtum der imperialistischer Gesellschaft, von dem See/Hontschik so emphatisch sprechen, im Unterschied zu den altvorderen kapitalistischen Staats- und Volkswesen, eine neue Basis hat. Das Geld in der imperialistischen „Gesellschaft des Geldes“ (Marx) ist nur noch einerseits Kreditmacht einer nationalen Ausbeutung der Arbeitskraft, es ist ein auf die transnationale Ausbeutung gezogener Kredit und hat sich an dessen Maß zu bewähren, den Weltgeldern. Ist das einmal durchgesetzt, ist „Gesundheit“ grundsätzlich eine überteuerte Last, ungeachtet nationaler Kosten-Nutzen-Kalküle, es sei denn, sie „finanziert“ eine konkurrenzfähige nationale Gesundheitsindustrie!

    Es zeigt sich daran, daß ich in wohlbestimmtem Umfang metaphorisch gesprochen hatte, als ich bereits die zweckgebundene Lohnverstaatlichung eine „Verstaatlichung der Leiber“ nannte – zu diesem Begriff kommt die staatlich alimentierte Gesundheitsindustrie erst in ihren imperialistischen Gestaltungen, welche die privateigentümlichen Leiber von einem Hilfsstoff der Ausbeutung zum industriellen Rohstoff aufwerten.

  2. Respekt für den geistigen Aufwand, den Du hier betreibst, TomGard. Aber die meisten Leser dürften mit Deinem sperrigen Schreibstil überfordert sein, mich eingeschlossen. Wenn man fast jeden Satz 5x durchdenken muss, um den Sinn erfassen zu können, ist das einfach nur ermüdend.
    Eine verständliche Ausdrucksweise ist durchaus kein Hexenwerk!

  3. Du lügst, Dirk, du willst nur andere Leser darin bestärken, sich keine Mühe mit meinem Geschreibsel zu machen.

    Statt „Ressouce abstrakter Arbeit“ hätte da besser „Ressource abstrakten Arbeitsvermögens“ gestanden, weil die Berufung der physischen Seite hier hinlangt.

    Ansonsten frag halt, du Wicht, wenn du wirklich was wissen willst!
    Ich liefere keine „Lehren“ ab, sondern Eck- und Anhaltspunkte zum „Selberdenken“, wem das nicht passt, kann mich mal kreuzweis

    1. wir haben eben grad erst die heizung angestellt 🙄 und unter den faschos hier und andernorts ists üblich, mit „unverständlich!“ auf nichtbefassung zu drängen 😉 ……das sammelt sich „knöpfchendrücktauglich“—> hb-männchen…
      ich mach warmduscher…

  4. Vorschlag: Wenn das System etwas daran verdient, dass du krank bist muss irgendwas oberfaul sein?

    Nur so als Abkürzung zur optimalen Humanressourcenverwertung. Selbst wenn du krank bist, durch die, die dich krank machen, verdient noch einer daran …

    Lieber Gruss

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert