Ulrike Guérot und Hauke Ritz fordern die Europäische Union dazu auf, nicht als Stellvertreter der USA zu fungieren. Die EU muss sich emanzipieren und kann ihren seit Jahren vollzogenen Niedergang nicht retten, indem sie in den Krieg zieht.
Was ist Europa? Wer in den unendlich vielen Büchern stöbert, die sich über die letzten Jahrzehnte über Europa, seine Idee von sich selbst, seine Identität und sein politisches Projekt angesammelt haben, wer eintaucht in dieses fast sehnsüchtige Nachdenken oder gar Grübeln über Europa, seine Ziele, seine Wünsche, seine Selbstbeschreibungen und Selbstzuschreibungen in Jahrzehnten von philosophischem, politischem, kulturellem oder schriftstellerischem Nachdenken; wer in den konstitutiven Texten blättert, die Europa geprägt haben, vom antifaschistischen Manifest von Ventotene von 1941 bis zur Erklärung von Laeken 2001, die den europäischen Verfassungsprozess begründete; wer die Reden von Altiero Spinelli, Helmut Kohl, Francois Mitterrand oder Vaclav Havel liest; wer die akademischen Texte von Jürgen Habermas und Jacques Derrida vom Beginn des Jahrhunderts oder jüngere europäische Manifeste über den Charakter liest, den eine europäische Verfassung beziehungsweise Ordnung haben müsste, der landet immer wieder bei den gleichen Begriffen, die den Wesenskern des Europäischen beschreiben: Subsidiarität, Kultur und Diversität. Solidarität, Regionen und Bürger. Autonomie, Genossenschaft und Gemeinwohl. Laizismus und Glaube. Rebellion und Revolution. Einheit, Föderation und Republik. Ästhetik und Vernunft. Gemeinschaft. Frieden, Freiheit und Gleichheit. Das sind die europäischen Werte, die Laurent Gaudé in seinem L’Europe, Banquet des Peuples eindrucksvoll beschreibt.
Nicht Brzezińskis Schachbrett
Europa ist – nur kursorisch – die Überwindung der Guillotine, nicht der Todesstrafe; es ist die Mutter der Aufklärung und nicht der Sprechverbote. Europa ist die Erfindung der Republik von Platon bis Kant. In Europa wurden 1789 aus Untertanen Bürger und politische Subjekte, Europa ist antifeudal und keine Plutokratie. Europa ist das Land der kleinen Leute, der ältesten Weinreben der Welt, der regionalen Biere und der Gitanes, des seufzenden Akkordeons und der Orgel, von Warschau bis Messina. Es ist Pasolini, nicht Hollywood. Europa ist Solidarność, nicht das »Jawoll« der Gestapo.
Europa ist nicht Brzezińskis Schachbrett, es ist kein geostrategischer Akteur, aber auch kein Territorium für die geostrategischen Gelüste anderer. Fast jeder in Europa hat einen Vorfahren aus einem anderen Land und fast jede europäische Familie eine Kriegs- oder Flüchtlingsgeschichte zu erzählen. Europa ist Revolte, ja, Mutter der Revolution, von Paris bis Petersburg egalitär, nicht bourgeois. Europa ist Rebellion gegen soziale Missstände und kein Anhimmeln von »Rockefeller-Karrieren«. Europa, das sind Bauernaufstände gegen den Adel und es ist seine höfische Kultur, der Kontinent der klassischen Musik, das Land der romanischen Kirchen und der Kathedralen von Barcelona über Mailand bis Köln.
Europa, das ist Malerei von Leonardo da Vinci bis Picasso. Europa, das ist freie Rede von Voltaire bis Rosa Luxemburg. Jeder, der zwischen Dublin und Athen in Europa aufgewachsen ist, egal wo, weiß, was Europa ist, hat die Einheit in Vielfalt eingeatmet und das europäische Babel genossen, das nichts, aber auch gar nichts mit der gleichförmigen Starbucks-(Un-)Kultur gemein hat, die die USA inzwischen wie Mehltau überzieht. Jeder, der in New York oder Los Angeles ist, findet es vielleicht great. Aber jeder, der in Kiew, St. Petersburg oder Moskau ist, weiß, dass er in Europa ist, denn kein Europa ohne Dostojewski, das Bolschoi-Theater oder Tschechow. Europa ist inmitten eines Kulturbruches und die Frage ist, ob das amerikanisierte Europa heute überhaupt noch in der Lage wäre, europäische Künstler-, Film und Sänger-Ikonen wie Wim Wenders, Pier Paolo Pasolini, Claude Chabrol, Edith Piaf, Jacques Brel oder Josef Beuys hervorzubringen. Sie sind Relikte eines kulturellen Europas, das sich verloren hat.
Europa ist die Republiques des Lettrès
Die europäische Kultur ist über einen mehrere Jahrhunderte dauernden Prozess von der Malerei über die Musik bis hin zur Baukunst zur Weltkultur geworden. Doch diese europäische Kultur wurde im letzten halben Jahrhundert zunehmend von den USA interpretiert. Diese amerikanische Interpretation der europäischen Weltkultur ist stark und gewährleistet die Soft Power der USA, solange sie die einzige ist. Das Potenzial, die amerikanische Interpretation der europäischen Kultur infrage zu stellen, besitzt derzeit nur Russland. Nur Russland verfügt innerhalb des europäischen Kulturraums über genügend staatliche Unabhängigkeit, um auch kulturell einen eigenen Standpunkt zu behaupten. Das daraus hervorgehende intellektuelle und kulturelle Potenzial Russlands stellt eine Vergleichbarkeit her, die die USA vielleicht noch mehr fürchten als die russischen Atomwaffen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die USA vor allem daran interessiert sind, Russlands staatliche Souveränität zu brechen, bevor aus der Erinnerung an eine kulturelle, russisch-europäische Verbundenheit eine politische Versuchung wird, die Europas Emanzipation beflügeln könnte.
Denn Europa ist die Republiques des Lettrès, der Hort des Geistes, des Dritten, des tertium non datur. Allein schon deswegen kann sich Europa politisch, strategisch oder ökonomisch nicht fest zuordnen, kann sich kulturell nicht auf eine Seite stellen, nicht einseitig sein. Es braucht einen Schutzraum zwischen »Chimerica«, ein »Zwischenland«, eine neue Form europäischer Staatlichkeit, die ihm genau die Entfaltung dieser Werte ermöglicht. Diese muss jetzt neu gedacht werden, wenn Europa eine andere Chance haben soll, als zum amerikanisierten Rumpf zu verkommen.
EUtopie
Europa hat tief in seinem Innersten eine EUtopie, die humanistisch, antifaschistisch, antimilitärisch, inter-nationalistisch und antikapitalistisch ist. Das spricht aus allen seinen konstitutiven Texten, weil es dieses Europa ist, dass immer wieder aus den Trümmern von Nationalismus und kapitalgetriebenem Militarismus entstanden ist. Europa ist mithin die Antithese zu Nationalismus, Militarismus und Kapitalismus. Aber genau diese drei Ismen finden, unter amerikanischer Führung, ihre derzeitige Apotheose im Krieg in und um die Ukraine. Nutzen tut dieser Krieg weder der Ukraine noch Europa. Auch nicht Russland, das in diesen Krieg gedrängt wurde. Dieser Krieg dient nur der Waffenindustrie und den USA. Und tendenziell China, das interessiert zuschaut und seine Schlüsse daraus zieht, während es selbst über die Seidenstraße immer tiefer in den europäischen Speckbauch vordringt, ohne dass Europa zurzeit gleichberechtigt am Seidenstraßenprojekt beteiligt wäre. Deswegen muss Europa alles tun, um diesen Krieg sofort zu beenden.
Eurasien wird die Zukunft!
Ahaaa!
Das ist also die Quelle für Borells “Garten Europa im Dschungel” – Ulrike Guérot und die russische Kommentatorin (wie heißt sie noch, Hacker?) kennen ihren Voltaire, ein Mann wie Borell sicher nicht.
PS.: Guérot ist Mitautorin des Schäuble-Papiers zur Europapolitik 1994 gewesen:
https://www.blaetter.de/ausgabe/1994/oktober/ueberlegungen-zur-europaeischen-politik
Ja nun… Man kann als junge und unerfahrene Frau schon auch mal auf dem absoluten Holzweg sein… Selbst wenn die Utopie von einem vereinten ( & demokratischen) Europa absolut erstrebenswert ist… In der heutigen Form ist ein woke-totalitärer Molloch der für die Menschen nichts weiter als Leid und Verderben bringen tut!
Die die Idee ist gut, doch darf diese gute Idee niemals (von diesen “Elithen”) umgesetzt werden.
Zwei Kernaussagen aus diesem Aufsatz, worüber man nachdenken kann:
1.”Diese amerikanische Interpretation der europäischen Weltkultur ist stark und gewährleistet die Soft Power der USA, solange sie die einzige ist. Das Potenzial, die amerikanische Interpretation der europäischen Kultur infrage zu stellen, besitzt derzeit nur Russland. Nur Russland verfügt innerhalb des europäischen Kulturraums über genügend staatliche Unabhängigkeit, um auch kulturell einen eigenen Standpunkt zu behaupten.”
ond 2. “Europa hat tief in seinem Innersten eine EUtopie, die humanistisch, antifaschistisch, antimilitärisch, inter-nationalistisch und antikapitalistisch ist.”
zu1. Auf diese Kernaussage stützt sich D.Janosch und seine Banderisten und stellen sich als Verteidiger von Europa hin meinen aber Amerika. Die Interessen der Westeuropäer sind nicht us-amerikanisch und erst recht nicht ukrainisch. Was beide Länder im Moment kennzeichnet, dass sie die Kernstaaten din Westeuropa aussaugen wie ein Vampir sein schönes Opfer.
Und von der einförmigen viel zu großen amerikanischen Kultur die sich immer in monetären Zahlen ausdrückt und je größer dieser Betrag desto größer die Kultur, fühle ich mich schon lange abgestoßen. Nie würde ich auf die Idee kommen, New York oder Los Angeles mir anschauen zu müssen.
zu2. Ein schöner Traum ohne reale Bezüge. Aber der Mensch braucht solche Träume um Mensch zu sein. Der amerikanische Traum (Tellerwäscher Millionär) ist genau so unreal und ihm fehlt diese gute menschliche Tiefe, die ein Goethe als europäisches Leitbild im “Faust” weg von Ruhm, billiges Vergnügen und Reichtum erschaffen hat.
Das Kernproblem heisst USA!
Die Eroberer für diese riesige Annextion bleiben aussen vor und das obwohl die doch mehrheitlich alles Europäer waren.
Das Kernproblem ist die USA!
Da bin ich zu 100% dabei.
Mann!
Ist das wirklich so einfach gewisse Hintergründe einfach zu ignorieren?
Bist Du ein wahrer linker ausgerichtete Mensch?
Die doppelten Standards habe ich seit langem satt, ich, wiederhole mich selbst, bin oder theoretisch ohne Ideologien und erinnere daran :
Das jegliche Verbrechen an der Menschheit aufgeklärt werden. So einfach zu schreiben es wäre die USA, ist DUMM!
Er heißt Jarosch und nicht Janosch! Janosch ist der Kinderbuchautor von kleiner Bär und kleiner Tiger und Oh, wie schön ist Panama.
Weder die USA noch die EU Bürger haben ein Problem, wer sich voneinander emanzipieren möchte, der muss den Schlüssel der Kapital’eigner’ aufdröseln.
Die rosige Geschichte ist hübsch, hat aber nichts gemeinsam mit der kapitalen Kolonisierung. Die BRDgmbh hatte genügend Zeit als “Republik” den EU Raum zu übernehmen und wer sind heute bitteschön die grössten Besitzer?
Der Krieg ist eine Auseinandersetzung zwischen Realwirtschaft und Schattenwirtschaft, auf beiden Seiten wird die Bevölkerung zwangsläufig unters narrativ gedrückt. Sollten die Europäer doch so friedlich gebildet sein, warum sind sie nicht in der Lage sich an einem Tisch zu setzen? Warum hat D von seinen ‘Freunden’ bis heute keinen Friedensvertrag erhalten? Man führt seit Jahrhunderten Krieg um des Kapital’eigners’ Wille.
Andere ausser europäische Kulturen wurden mit Werten überrannt, zugebombt…
Die europäische Kultur muss erst einmal zu sich selbst finden, deshalb wohl auch dieser Artikel. “100” Jahre Indoktrination kann mal eben nicht von heute auf morgen geändert werden und schaue ich mir die heranwachsenden Generationen an, bin ich froh das ich nur noch als Zaungast das beobachte.
Ergänzung zum Borell-Vergleich
Es mag ja sein, daß Ulrike Guérot ernstlich nicht rafft, daß die Militärherrschaft der NATO über Europa Voraussetzung der Phase auf dem Weg zu Vereinigten Staaten von Europa ist, die mit dem russischen Imperiumskrieg eingeleitet wurde; die im Übrigen unausweichlich ist, weil der Euro und die anderen EU-Institute in die “nationale DNA” nicht nur der Mitglieder der Währungsunion, auch der Peripherie versenkt sind, und weil sich mit dem angelsächsischen Sieg über Deutschland, das jetzt ökonomisch niedergeht, die Kräfteverhältnisse in Europa auf allen Ebenen verschieben.
Doch ich kann daran nicht glauben. Guerot hat bis 2013 oder länger intime Erfahrungen im European Council of Foreign Relations gesammelt. Der Antiamerikanismus, den sie jetzt zelebriert, ist so weit von den Realitäten der Verflechtungen im Imperium entfernt, daß er ein taktisches Manöver sein MUSS. Die Frage ist, warum und zu welchem Zweck es aufgeführt wird.
Darauf habe ich – einstweilen – auch keine Antwort.
Frau Prof. Guérot ist bei weiten nicht so distanziert zur der Meinungshoheit der Mainstreammedien wie diese Medien behaupten. Dies hat sie in dem Pleißweiler Gespräch offen gelegt. Ihre Kritik ist zu der Kritik die eigentlich nötig wäre als homöopathische Dosis zu bezeichnen. Deshalb wird über sie auch noch geschrieben, um der Bevölkerung eien Meinungsvielfalt und die Zulassung abweichender Ansichten vorzugaukeln.
33. Pleisweiler Gespräch mit Prof. Dr. Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin und Publizistin – Vortrag
Thema: Wie wir in Europa leben wollen? Zwischen Freiheit, Kontrolle und Abhängigkeit im Zeitalter des „autoritären Kapitalismus“
10. Juli 2022 in Kapellen-Drusweiler
https://www.nachdenkseiten.de/?p=85776
Die Frau Prof. Guérot möchte ja auch noch ihr Geld von öffentlich geförderten/ bezahlten Einrichtungen erhalten und wie schmal dort der Handlungskorridor ist, zeigt die Personalie des Ex-BSI-Chefs Arne Schönbohrn oder der NDR-Journalist Patrick Baab verlor seinen Lehrauftrag an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin aber auch der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), Stefan Schaller wurde entlassen, weil sie sich zu nah an russische Institutionen gezeigt haben. Was im kalten Krieg geduldet und ursächlich zur Entspannungspolitik in Europa beitrug, ist heute ein absolutes “No go!”.
Interessant, Guerot stellt implizit (durch ihre Aufzählung sogenannter europäischer Attribute) fest, dass die EU die Antithese zur europäischen Kultur darstellt.
Insofern ein hilfloser Text. Ein bißchen Lamento, aber keinerlei Kritik an denjenigen, die diese Malaise verursacht und aufrecht erhalten.
Dann müsste man aber Namen der verschiedenen Einflußagenten formulieren.
“Europa ist mithin die Antithese zu Nationalismus, Militarismus und Kapitalismus.” – Lach!
Der US-Amerikanismus, der hier angeprangert wird, ist zu guten Stücken ein “Transatlantismus” mit einem entsprechenden, verbrecherischen “Deep State”, der durchaus grenzübergreifend/transatlantisch funktioniert, und immer dort agiert, wo es gerade am günstigsten für ihn ist, und dessen Ursprung sich mindestens bis nach dem ersten Weltkrieg auch nach Europa zurückverfolgen lässt.
Europäische/deutsche und US-amerikanische Monopole in Industrie und Banken/Wirtschaftskanzleien (z. B. Deutsche Bank, Thyssen, Krupp, Flick, … Dillon Read, J. P. Morgan, die Walker-Bush/Brown-Brother-Harrimans-connection, und allen voran die Dulles-Brüder und Standard Oil Rockefeller…) formten diese transatlantische Elite. Aufrüstung gegen Russland und Kommunismus waren damals schon Triebkraft. Deutsche Nazi-Verbrecher wurden als verlässliche Russenfeinde und Antikommunisten nach WW2 integriert.
Die USA – das sind auch William E. Dodd oder Charles Beard, Martin Luther King, Saul Alinsky, C. Wright Mills, Michael Parenti, Noam Chomsky, das sind auch The Grayzone und Jimmy Dore, das ist auch Edward Snowden, Proteste gegen Rassendiskriminierung und US-Kriege, das sind auch die Streiks, die Rockefeller blutig niederschlug, das ist eine frühe Anti-Monopolbewegung, die sich den Konzernbossen wie Rockefeller mutig in den Weg gestellt hat…
Wenn man allein die USA anprangert, dann läuft man leider Gefahr, hiesige Beteiligte und Kräfte zu übersehen. Diese deutsch/kern-europäischen Kräfte stärken wiederum das System auch vor Ort in den USA. Protestmilieus und kritische Intellektuelle in den USA haben super Arbeit geleistet, von der wir hier lernen und profitieren können und hier die transatlantische Elite delegitimieren können, was auch wieder die kritischen Kräfte in den USA stärken würde. Wäre Deutschland mit all seinem Geist, Kunst, Kultur, sich nicht in Nazismus und Judenvernichtung ergangen, hätten die Dulles-Brüder, Rockefellers und Bushs nicht durch WW2 an Macht und Kapital verdient, hätten sie nicht brutale Nazis für ihr Geheimdienstimperium rekrutieren können und dann wäre die Lage in den USA heute vielleicht auch eine andere. Und sich als von den bösen Amis verführte deutsche Unschuld zu sehen, ist auch etwas billig.
Frage: Wieviel Deutschland steckt beispielsweise in Blackrock?
[…] hat zusammen mit Hauke Ritz diesen Text beim overton-magazin veröffentlicht: “Endspiel Europa – Ulrike Guérot und Hauke Ritz fordern die Europäische Union dazu auf, nicht als […]
Das Anliegen muss man voll und ganz unterstützen, die Versuche Europas krude Vergangenheit und Gegenwart aufzu’werten’, dagegen entschieden ablehnen.
Der Wurmfortsatz des asiatischen Kontinents an seinem westlichen Ende, den man gemeinhin Europa nennt, ist bezüglich politischer Performance bestenfalls nicht schlimmer als die anderen Weltgegenden. Allerdings gibt es etliche Indizien dafür, dass auch diese Einschätzung noch zu positiv ist. Die Deutschen sollten das eigentlich wissen.
Man vertiefe sich nur ein wenig in die Geschichte, im Wesentlichen also in die Chronik des an sich recht kurzen Zeitabschnittes, in dem Menschen schriftliche Spuren hinterlassen haben, um festzustellen, dass es sich um eine endlose Folge an Kriegen, Massakern, Grausamkeiten, Brutalisierungen aller Art handelt. Es gibt bisher keinen Grund für die Annahme, dass es je anders wird. Im Gegenteil beweisen gerade die jüngsten Ereignisse, dass auch die Existenz von Überwaffen, die das Potential haben, den Planeten weitgehend unbewohnbar zu machen, die Akteuere nicht davon abhält, ihre Konflikte auf kurzsichtigste Weise eskalieren zu lassen. Die selbstgerecht-dümmlichen Versicherungen, man sei moralisch und überhaupt im Recht, die Feinde im Unrecht, beweisen nur eins – Katastrophendidaktik funktioniert nicht, ihre Wirkung verblasst. Und so sind wir offenbar verdammt zum ewig Gleichen, unterliegen einem ehernen Wiederholungszwang. Wir sind wohl bloss eine kurze Sackgasse der Evolution, wie sie die bewusstlose Natur sie schon oft hervorgebracht hat. Eine der allerkürzesten.
Ich kann dem Artikel eine Materialsammlung entnehmen, bei der da oder dort Wunschvorstellungen durchscheinen.
Helmut Schmidt ist dafür bekannt, dass er immer wieder vor Visionen und auch vor zu ambitionierten Erweiterungen des westeuropäischen Raums gewarnt hat.
Es ist noch nicht allzu lange her, da hat Frankreich die vorwiegend deutschen Bemühungen um die Erweiterung um die ehemaligen Warschauer Vertrags-Staaten mit “Argusaugen” begleitet.
Noch etwas vorher trugen sogenannte Außenpolitiker wie Genscher, Fischer, etc. zur Zerschlagung des auch noch jungen Jugoslawiens bei.
Die von Giscard d’Estaing vorangebrachte “EU-Verfassung” wurde infolge von Abstimmungen in Frankreich und Niederlande auf den Vertrag von Lissabon reduziert.
Und wie lange war die “EU-Mannschaft” durch den Brexit fast vollständig absorbiert?
Und jetzt: Wie viele diplomatisch “heiße Kartoffeln” wurden durch Merkels Verhandlungsgeschick “aufgeschoben”. Kaum ist sie weg, da “bröselt” es überall im Gebälk – und weit und breit ist kein Stukkateur.
Nach meiner bescheidenen Beobachtung stellt sich zumindest für das nächste Jahrzehnt als dringendste Aufgabe, wieder eine politische Klasse zu entwickeln, die für die anstehenden Probleme die erforderliche Kompetenz und Integrität mitbringt.
Interessant finde ich, dass viele Dinge nicht erwähnt werden: z.B. die koloniale Vergangenheit, die “Erfindung” der industriellen Kriegsführung, NatSoz, Holocaust. Und in ihrem Ursprung sind die USA ein zutiefst europäisches Produkt.
Auch zum Thema Softpower noch eine Anmerkung. Eine chinesische Nachrichtenseite vermeldete kürzlich, dass der Anteil des Renminbi an den weltweiten Transaktion auf 2,31% gestiegen sei.Wahnsinn!?