Chavez’ Aufstieg und Pinochets Untergang

Hillary Clinton und Hugo Chavez
venezuelanalysis.com, CC BY 3.0 US, via Wikimedia Commons

Im Dezember 2006 äußerte sich der bekannte Strafgefangene Mumia Abu-Jamal zum Aufstieg Chavez‘ in Venezuela.

Die Nachricht vom Tod des betagten ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet signalisiert das Ende einer Ära in Latein-Amerika. Die brutale Diktatur in Chile, die mit der Machtergreifung General Augusto Pinochets und dem Sturz Präsident Salvador Allendes ihren Anfang nahm, begann an einem anderen elften September – dem des Jahres 1973. An diesem Tag fand mit dem heimtückischen Verrat des Militärs der Putsch gegen Allende statt, der von dem Mann geführt wurde, den Allende zu seinem Verteidigungsminister ernannt hatte – Pinochet.

Ein Buchauszug.

Nach dem Sturz Allendes tauchte Pinochet Chile in ein Meer von Blut. Zehntausende chilenischer Aktivisten und Aktivistinnen, Gewerkschafter, Lehrer und Kleinbauern wurden gefoltert, eingesperrt oder getötet. Über 200 000 Menschen flohen voller Angst aus dem Land. Während seiner gesamten (17 Jahre währenden!) Blutherrschaft erfreute er sich der finanziellen und politischen Unterstützung durch die USA und andere westliche Staaten.

Erst vor einigen Tagen haben wir die Wiederwahl von Hugo Chavez erlebt, des ehemaligen Armeeoffiziers, der vergeblich einen Putsch gegen seine korrupte und käufliche Regierung versucht hatte und dafür eingekerkert wurde. Aber die Massen Venezuelas bewunderten seinen Mut und sehnten sich nach einem Ende der zermürbenden Armut, an die sie inzwischen gewöhnt waren. Der kürzliche Erdrutschsieg von Chavez stellt ein Referendum zu seinen jüngsten Bemerkungen vor den Vereinten Nationen dar. Während sich die US-Medien wütend über seine Worte (mit denen er der Generalversammlung belustigt den Schwefelgestank geschildert hatte, der nach der Rede von US-Präsident George W. Bush auf der Bühne zurückgeblieben sei) ereiferten, zeigen die Wahlergebnisse, dass eine überwältigende Mehrheit der Venezolaner an seinen Bemerkungen nichts auszusetzen hatte. Die Popularität des Präsidenten und dessen, was er die »bolivarische Revolution« nennt, zeigt eine neue Phase in der Politik Lateinamerikas auf. Sie demonstriert den Aufstieg politischer Kräfte, die offen für die Bedürfnisse und Interessen der Armen eintreten. Pinochet ist nun gestorben und, wie es scheint, ist die Taktik des Staatsterrors (im Dienst der reichen Klassen mit Grundbesitz) nunmehr in einer Region, für die sie einst endemisch war, auf dem absteigenden Ast.

Putsch gegen Chavez

Ein neues Buch des linken Autors und Herausgebers Tariq Ali beschreibt die sozialen Kräfte, die Chavez an die Macht gebracht haben, und die Gründe, aus denen er jetzt wieder in den Präsidentenpalast in Miraflores zurückkehrt. Alis neuestes Werk Piraten der Karibik. Die Achse der Hoffnung ist ein brillantes Werk der Zeitgeschichte und der Lateinamerikastudien, geschrieben von einem Mann, der ein scharfes Auge für die Wendepunkte im Leben einer Nation hat.

In seinem Buch beschreibt Ali eine hochinteressante Diskussion zwischen Soldaten vor dem Präsidentenpalast am Tag des von den USA unterstützten Putsches gegen Chavez, nämlich dem 11. April 2002:

»Als also die Vereinigten Staaten […] ein Jahr vor ihrem Einmarsch in den Irak grünes Licht für den Putsch in Venezuela gaben, waren die Oligarchen höchst begeistert. Ein ehemaliger Präsident der Handelskammer, selbst für venezolanische Verhältnisse ein Mann der Vergangenheit, wurde als Marionettenpräsident herausgeputzt. Ein paar zahme Generäle ordneten die Verhaftung von Hugo Chávez an, der daraufhin zu einem Militärstützpunkt gebracht wurde. So weit, so schlecht. Als sich die Nachricht über das ganze Land verbreitete, wuchs die Wut in den barrios rund um Caracas, und die Armen entschlossen sich, zum Präsidentenpalast Miraflores zu marschieren.

Gleichzeitig fand in diesem Palast ein ebenso bedeutsames Ereignis statt. Während die westlichen Medien darauf warteten, der Welt den neuen, unsauberen Präsidenten als Retter der venezolanischen Demokratie vorzustellen (die New York Times hatte bereits zuvor den Putsch als demokratischen Akt verteidigt), kam ein General aus dem Palast und sprach zu der dort angetretenen Militärkapelle. Er informierte sie, dass gleich der Präsident erscheinen werde und sie wie üblich die Nationalhymne spielen sollten. Die Soldaten waren offensichtlich nicht bereit, den Befehl zu befolgen. Erbost über ihren Ungehorsam, wandte sich der General an den jungen Signaltrompeter, einen 18-jährigen Soldaten, und wies ihn an, in seine Trompete zu stoßen, sobald er den neuen Präsidenten sehen würde. »Entschuldigen Sie, Herr General, aber von welchem Präsidenten sprechen Sie? Wir kennen nur einen. Hugo Chávez.« Der wütende General brüllte, der Trompeter solle seinen Befehlen folgen. Da reichte der Trompeter dem General sein Instrument und sagte: ›Sie scheinen diese Trompete unbedingt spielen zu wollen. Hier ist sie. Spielen Sie.‹«

Das nenne ich Demokratie! Die Kombination dieser beiden sozialen Kräfte – der einfachen Soldaten des Militärs und der Armen (die politisch mobilisiert waren) – führte zum Scheitern des von den USA unterstützten Putsches und sie stützt die bolivarische Revolution bis heute. Aus dem Süden weht heute ein neuer Wind. Er riecht nach Revolution.

Mumia Abu-Jamal

Mumia Abu-Jamal sitzt seit über 40 Jahren im Gefängnis – zu Unrecht zum Tode verurteilt, wie seine Unterstützer sagen. Denn die ihm vorgeworfenen Tat kann so, wie vor Gericht behauptet, nicht stattgefunden haben. Wurde an ihm ein Exempel statuiert? Seit über 30 Jahren verfasst Abu-Jamal, meist mehrmals pro Monat, für die Gefangenenplattform PRISONRADIO seine Beiträge zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen wie dem archaischen Charakter der Todesstrafe, den regressiven Tendenzen der US-Strafjustiz, Rassismus, dem Trump-Mob, der Klimakrise oder der Beziehung indigener Gesellschaften zur Ökologie. Die hier versammelten, transkribierten Essays erscheinen zum größten Teil erstmals auf Deutsch.
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7 Kommentare

  1. Ja – und wie traurig vor diesem Hintergrund die weitere Entwicklung sehen zu müssen. Wie viele Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Ein nachträgliches Dankeschön an Abu Jamal für den Artikel, das Buch und welch ein Jammer, dass er selbst zum Märtyrer des Unrechts wurde.

      1. Ich habe beobachtet, wenn man die Korrekturfunktion benutzt, erscheint erst einmal der
        Originaltext ohne Korrektur. Sehr oft ist es dann so, daß irgendwann der korrigierte Text erscheint.
        Wie genau das zusammenhängt, kann ich mir nicht erklären. Es kommt nämlich auch ab und zu
        vor, daß die Korrekturfunktion ausfällt. Das nur mal als Anmerkung

        1. Alles klar, danke, wenigstens geht es nicht nur mir alleine so. Ist nur peinlich – hatte mich auf die Korrekturfunktion verlassen und einfach „erst einmal“ alles freigegeben, dann korrigiert. Werde ich wohl in Zukunft eher unterlassen.

  2. In dem Zusammenhang immer wieder zu empfehlen; die eigentliche unfreiwillige Doku über den versuchten Putsch gegen Chavez (die Macher wollten afaik mehr eine Biographie drehen, aber waren dann während des Geschehens live vor Ort und auch im Präsidentenpalast): The Revolution will not be televised (auf Vimeo)

    Ich frage mich seither wie der Sesselfurzer Maduro Chavez als Nachfolger folgte, und nicht eine der engagierten Damen oder Herren die in der Doku zu sehen sind. Aber das ist ein anderes Thema.

    1. Maduro war Busfahrer, ein Mann aus der Arbeiterklasse also.
      Venezuela hat leider die Wünsche/Projektionen seiner Scheinfreunde aus den Westen nicht erfüllt, wie auch Nicaragua. Jetzt machen sich diese westlichen Sesselfurzerlinken, die noch nie etwas für die Arbeiterklasse ihre eigenen Landes erreicht haben, über Länder her, die sich in einen mühevollen Prozeß von kolonialen Joch befreit haben.
      Solche besserwisserischen westliche Salonlinken sollten einfach mal ihren Mund halten oder Leistung zeigen…

      1. Honecker war Maurergeselle. Hat ihn jetzt auch nicht zu einem besseren Politiker gemacht. Herkunft spielt zwar eine Rolle, aber ist nicht das allein entscheidende. Auch wenn Linke alle Leute in Schubladen sortieren alles an der Klasse festmachen. Was kann der Maduro? Wie sind die Ergebnisse für den durchschnittlichem Venezuelaner? Jetzt mit der Kriegsandrohung vom großen Nachbarn von der gegenüberliegenden Seite des Meeres, werden sich die leute natürlich um Maduro scharen. Zur besetzten Tankstelle der USA will vermutlich niemand in Venezuela werden.

        Das Gerede der Salonlinken und Champagnersozialisten wird leider gerne von den ähnlich tickenden Medien weiter verbreitet. Aber wie Sie ja schon schreiben, sind das Träume, Projektionen, Wünsche vonabgehobenen Menschen.

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