Spielt Polen eine Rolle bei den Anschlägen auf die Nord Stream-Pipelines?

 

Bild: Planet Labs PBC/ESA

Noch ist unklar, ob Italien den aufgrund eines Europäischen Haftbefehls des Generalbundesanwalts Ende August inhaftierten Ukrainer Serhij Kuznietsov an Deutschland ausliefern wird. Er war während seines Urlaubs an der Adria festgenommen worden und gilt für die Bundesanwaltschaft als Hauptverdächtiger und Anführer der Gruppe, die die Nord Stream-Anschläge im September 2022 begangen haben sollen (Nord Stream: Generalbundesanwalt soll Beweise liefern, ob die Anschläge eine Militäroperation waren oder nicht).

Zwar hat das Berufungsgericht in Bologna die Auslieferung bewilligt, aber Anwalt Nicola Canestrini hat weitere Einsprüche eingelegt. Er besteht auf funktioneller Immunität, da es sich um eine legitime Kriegshandlung gehandelt habe, auch wenn Kuznietsov jede Beteiligung an den Anschlägen zurückweist.

Die Auslieferung kann also noch dauern, zudem ist die Frage, ob Kuznietsov, sollte er ausgeliefert werden und es sich tatsächlich bestätigen sollte, dass er mit seinem Team die Anschläge mit der Yacht Andromeda ausgeführt hat, was weiterhin als fragwürdig betrachtet werden kann, mehr zu den Hintermännern berichten wird. Man darf vermuten, dass die Bundesregierung kein Interessen daran haben wird, die ukrainische Regierung oder die ukrainischen Streitkräfte und Geheimdienste – Kuznietsov soll beim Geheimdienst SBU gearbeitet haben – zu beschuldigen. Womöglich stecken hinter dem Anschlag auch die USA unter Joe Biden, was etwa der Investigativjournalist Seymour Hersh behauptet, oder weitere Staaten. Verdächtig scheint Polen zu sein.

Kurz nach den Anschlägen hatte sich frühere Verteidigungs- und Außenminister Radek Sikorski, der in den Tusk-Regierung wieder Außenminister wurde, in einem allerdings schnell wieder gelöschten Tweet bei den USA bedankt („Thank you, USA“). Wie sich herausstellte, was aber kaum weiter thematisiert wurde, war die Baltic Pipeline – ein Konkurrenzprojekt zu Nord Stream – am 27. September, einen Tag nach den Anschlägen, vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda, dem damaligen polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki, der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen und dem norwegischen Energieminister Terje Aasland eröffnet worden. Darüber hatte Ex-Wirtschaftsminister Habeck Unsinn geredet. Die von der EU geförderte Baltic-Pipeline liefert norwegisches Gas über Dänemark und die Ostsee nach Polen. Sie zweigt Gas von der Europipe zwischen Norwegen und Duetschland ab. Damit soll neben Polen und den baltischen Staaten etwa auch die Slowakei versorgt werden. Während Nord Stream Polen und die Ukraine umgangen hat, profitiert natürlich Polen direkt nach dem Ausschalten davon.

Bekannt ist auch, dass die polnische Polizei die Ermittlungen in Polen über die Yacht und das Team verhinderte. So wurden die Bilder von Überwachungskameras vom Hafen Kołobrzeg, wo die Andromeda angelegt hatte, nicht herausgegeben. Die polnische Seite bestritt damals jeden Verdacht, die Fahrt habe „rein touristischen Charakter“ gehabt. Später hieß es, die Aufnahmen seien sowieso schon gelöscht worden.

Eine Komplizenschaft Polens legt auch ein weiterer Vorfall nahe. Nachdem der Generalbundesanwalt einen Europäischen Haftbefehl für einen Verdächtigen – den Taucher Wladimir (Wolodymyr)  Schurawlew  – ausgestellt hatte, der sich in Polen aufhielt, wurde dieser von polnischer Seite gewarnt und in einem Wagen der ukrainischen Botschaft in Polen mit einer wenig glaubwürdigen Begründung ungehindert in die Ukraine verbracht. Der polnische Regierungschef Tusk brüskierte schließlich Deutschland, forderte die Einstellung der Ermittlungen und wies jede Kooperation zurück. Er schrieb im August auf X: „An alle Initiatoren und Förderer von Nord Stream 1 und 2. Das einzige, was Sie heute tun sollten, ist, sich zu entschuldigen und zu schweigen.“ Es gibt einzelne Hinweise, denen aber nicht wirklich nachgegangen wird. So hat der frühere BND-Chef August Henning Polen beschuldigt, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Es habe Absprachen zwischen Selenskij und Duda gegeben (Polnischer Regierungschef Tusk brüskiert Bundesregierung).

Die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ schrieb jetzt, sie habe „aus gut informierten polnischen Quellen“ erfahren, dass Außenminister Radosław Sikorski in Gesprächen wiederholt habe, „dass er bereit sei, Wolodymyr S. in unserem Land Asyl zu gewähren und ihm einen Orden zu verleihen“. Weiter heißt es: „Gleichzeitig betonen die polnischen Behörden, dass gegen Wolodymyr S. nichts nachgewiesen sei, er aber weiterhin zu den Tatverdächtigen gehöre.“ Kuznietsov soll übrigens auch aus Polen nach Italien gekommen sein, also möglicherweise auch dort leben.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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24 Kommentare

  1. Ach ja, unsere Freunde die Polen. Zerballern unsere Energieversorgung, aber
    jachern immer noch nach Reparationszahlungen für das Leid das sie im II.
    Weltkrieg erlitten haben. Nur zur Erinnerung: Deutschland in der EU der
    größte Nettozahler, Polen der größte Nettoempfänger.

    1. Ganz nebenbei hat Polen ja zwei weitere Pipelines tatsächlich gesperrt: Jamal-Europa für russisches Erdgas und die Drushba für Erdöl aus Russland und Kasachstan nach Schwedt in Deutschland! Zusammen mit dem intakten Strang von Nord Stream 2 könnte Deutschland also schon morgen wieder rund 60 Mrd m³ Gas im Jahr importieren. Das wären zwei Dritte des Bedarfes…..

  2. USA sollen ganz plötzlich zwei Stützpunkte im Irak geräumt haben.
    Russland soll Botschaft in Tel Aviv geschlossen haben, so McGregor
    Droht jetzt ein neuer Krieg gegen den Iran?

  3. Zu dem was in Gaza-Stadt und Gaza passiert:
    Die Menschen werden weiter vertrieben.
    Das Al-Shati Flüchtlingslager im Nordwesten von Gaza-Stadt wird bombardiert. Bei dem Angriff gab es sechs Tote.
    Das Wohngebäude der Abu Dahrouj in Gaza-Mitte wurde angegriffen. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren sieben Familien darin. Nahezu alle wurde getötet oder verletzt. Nach denen die unter den Trümmern sind wird mit den Händen gesucht.
    Die Tochter von Anas Al-Sharif wird fünf Jahre alt.
    Es wurden an diesem Tag mehr als dreiundvierzig Menschen ermordet.

  4. Nee Sachen gibt’s,
    wir erinnern uns an die Operation Spiderweb und wie die Ukrainer das Abgefeiert hatte, und den überhaupt größten Unterwasser Coup des Jahrhunderts, halten die unter den Teppich der slawischen Bescheidenheit!

    1. Jetzt sind aber die „Ukrainer“ beleidigt. Sie sind doch keine Slawen, sondern Waräger. Zumindest behaupten sie es. Aber Tests können sie nicht durchführen, die würden das nur verfälschen.

    1. Aber das sagt den Polen und den Ukrainern keiner. Der Anwalt von dem potentiellen Täter,
      der da jetzt noch in Bologna einsitzt sagte, dass es sich bei der Tat um eine legitime
      Kriegshandlung gehandelt hat. Wenn also tatsächlich Polen und die Ukraine den Anschlag
      verübt haben wollen, dann sind also beide Länder mit Deutschland und allen anderen,
      an Nordstream beteiligten Ländern, in einen Krieg eingetreten. Wie sieht es eigentlich
      mit dem Nato-Verteidigungsfall aus, wenn ein Natoland die anderen angreift? Unsere
      Spagel- und Erdbeerlandwirte sollten sich schon einmal um andere Erntehelfer für die
      nächste Saison suchen. Aber vielleicht helfen die Polen dann im Tarnanzug aus und schießen
      den Spargel aus dem Boden. Das ergibt dann Spargel mit Biss!

  5. Ich bezweifle ernsthaft, daß es die „Fahrt der Andromeda“ überhaupt gegeben hat. Denn wenn es so wäre, hätte man hier klar eine falsche Spur im Vorfeld der Anschläge gelegt. Dann aber hätte man damit auch viel früher herausrücken müssen. Stattdessen wurde so getan, als gäbe es nichts zu ermitteln. Erst nach der Veröffentlichung des Aufsatzes von Seymour Hersh wurde man aktiv, und zauberte die Andromeda als Kaninchen aus dem Zylinder.

    Vielleicht ist sie wirklich auf einem privaten Segeltörn gewesen, der später zur Ablenkung mit dieser Cover-Story aufgeladen wurde. Da die Ostsee ja totalüberwacht wird, wäre es ein Leichtes, in dne Folgewochen ein Boot zu finden, das in der „passenden“ Zeit unterwegs war.

    Daß man die Aufnahmen der Überwachungskameras gelöscht haben will, könnte auch bedeuten, daß sie nie existierten. Die Löschung also Teil der nachgeschobenen Coverstory ist.

    Ein wenig erinnert die Andromeda-Nummer an die „Hunt the Boeing“-Nummer von 9/11 am Pentagon. Da immerhin gab es das Flugzeug wirklich, aber man verwischte sämtliche Spuren aus der Zeit vor dem Anschlag. Hauptsächlich Überwachungsaufnahmen aus dem Umfeld des Pentagon. Damit konnten die Leute mit der fruchtlosen Suche nach einer angeblichen Rakete beschäftigt werden.

    1. Ja, dass da erst nach Hersh überhaupt irgendwas in Rollen kam ist für mich das deutlichste Indiz das daran was faul ist. Das wirkt, als habe Hersh genau ins Schwarze getroffen und durch die neue Bewegung, die dadurch in die Sache gekommen ist, sah man sich gezwungen, irgendwas zu „Improvisieren“. Das zweite ist die Fehlende Erklärung, wie das mit so einer Nussschale überhaupt abgelaufen sein soll. Mit mindestens 1,5 Tonnen Sprengstoff und Ausrüstung für derart tiefe Tauchgänge.

    2. Die Andromeda müßte schon so etwas wie die Tardis von Dr. Who sein. Wenn
      man in die Kajüte schlüpft, ist hinter der Tür bestimmt ein großer Raum, in dem
      man die 8 to Sprengstoff, die große Tauchausrüstung mit Druckkammer und
      wahrscheinlich auch noch das Gerät, welches das Schiff auch noch unsichtbar
      machen kann, untergebracht werden kann. Wenn es sich dann nicht tatsächlich
      um einen klingonischen Warbird handelt? Beam me up Skotty!

  6. Es gibt mehrere Indizien, die zumindest auf eine Mitschuld von Polen hinweisen. Wenn unsere Granden etwas Ehrgefühl hätten, würden sie mindestens eine Rechnung präsentieren, was Deutschland bislang und in Zukunft für ein Schaden an dieser Sprengung entstanden ist und mittelfristig entsteht. Dieser Schaden darf dann als Gegen-Forderung für die von Polen beabspruchten Reparationszahlungen in Ansatz gebracht werden, zuzüglich der Gebietsverluste von Deutschland an Polen. Natürlich wird demnächst keine dieser Forderungen beglichen, aber es wäre politisch klug, das zum Ansatz zu bringen. Nur habe ich meine Bedenken, ob wir von klugen Leuten regiert werden.

    1. Im Zweiten Weltkrieg haben unsere heldenhaften Vorfahren ca. 5,6 bis 5,8 Millionen polnische Staatsbürger umgebracht, davon etwa 120.000 bis 200.000 Soldaten. Die übrigen 5.400.000 bis 5.600.000 Menschenopfer waren wehrlose Zivilisten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Insgesamt so zwischen 16 und 17 % der Vorkriegsbevölkerung. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich vor allem um die Intelligenzija des Landes gehandelt hat, was dann später den Wiederaufbau zusätzlich erschwerte.

      Was die materiellen Dinge angeht:
      Warschau wurde nach dem Warschauer Aufstand 1944 systematisch zu über 85% dem Erdboden gleichgemacht. Die Stadt existierte praktisch nicht mehr.
      Etwa 50% der polnischen Industrieanlagen wurden zerstört oder demontiert.
      Zwei Drittel aller Brücken, ein Großteil des Schienennetzes, Bahnhöfe und Kraftwerke waren unbrauchbar.
      Über 1,5 Millionen Bauernhöfe wurden zerstört, und der Viehbestand wurde dramatisch reduziert (Verluste von ca. 60-70% bei Pferden und Rindern).

      70 % des nationalen Kulturbesitzes wurde zerstört.

      Die wirtschaftliche Entwicklung Polens wurde durch den Krieg um geschätzte 30 bis 40 Jahre zurückgeworfen. Es dauerte bis weit in die 1970er Jahre, bis das Pro-Kopf-BIP wieder das Vorkriegsniveau erreichte.

      Also, verehrte/r @Wunderlich, dann rechnense jetzt mal gegen die Nordstream-Sabotage.

  7. Ach ja, Polen! War doch schon immer ein Feind von Nordstream 2 …! Sollte sich was bzgl Sabotage bestätigen, müssten natürlich sofort sämtliche diplomatischen Beziehungen abgebrochen werden. Deshalb lieber weiter Nebelkerzen und Schwamm drüber! Und die erneuten Forderungen nach Reparationen? Klar, können jederzeit von uns geleistet werden, im Gegenzug zur Rückgabe der ehemaligen deutschen Ostgebiete , also Westpolen mit Schlesien etc, das wär doch mal was!

  8. Nur nochmal kurz zum eigentlichen Thema!

    Der eingangs dargebotene ‚Pups‘ auf der Ostsee: wer mir so einen liefern kann – auf einer kleinen Segeljacht angeliefert auch noch – und jetzt also sollen es gar noch die Polen gewesen sein? Mit ‚Kijimea pro Reizdarm’vielleicht?

  9. „da es sich um eine legitime Kriegshandlung gehandelt habe,“

    Befindet sich Deutschland im Krieg ? Das war ja nicht nur russisches Eigentum ..
    Polens Rolle war ja vorher schon bekannt, da Deutschland in dem Fall über die Preise in Europa bestimmt hätte, was Sie schon lange vorher konsequent abgelehnt hatten, bzw moniert.

  10. Auf einer anderen „Baustelle“ warte ich noch immer auf einen Artikel, der beleuchtet, wie eine deutsche Staatsanwaltschaft trotz des EuGH-Urteils, das mangelnde Unabhängigkeit deutscher Staatsanwaltschaften festgestellt hat, noch immer Europäische Haftbefehle ausstellen darf.

    Ich vermute mal das ist wie immer, wenn sich der Staat selbst an Recht und Gesetz halten muss, nur ein „erhobener Zeigefinger“ gewesen, der niemanden schert? Mir scheint man macht einfach weiter wie bisher, und Italien wird auch nicht einfach dieses Urteil als Verweigerungsgrund anführen, um diplomatische Verwerfungen zu vermeiden?

  11. Bei einer perfekt geplanten Sabotage gehört eine Schattenoperation dazu. Die wird so organisiert das die Beteiligten davon ausgehen die Täter zu seien. Hierzu müssen die auch gar nicht bis zum Grund der Ostsee getaucht sein. Die werden per Funk geführt und machen alles auf Anweisung völlig frei vom eigenen Überlegen. Da wird auf See der in Polen an Bord genommene Wundersprengstoff mit Sonar-Sprengkapsel an einer „genau“ positionierten Stelle abgelassen. Wenn es dann nach ein paar Tagen rumst und die Rohre sind kaputt, sind die „Agenten“ stolz auf sich. Möglich das die sogar über den Bericht vom Mr. Hersh gelacht haben.
    Lustig auch, obwohl deutsche Politiker permanent nach Kiew reisen forderte niemand die Auslieferung der „Täter“. Nun war halt der Eine dummerweise in Italien urlauben. Irgendwie muss der unangenehm aufgefallen sein, das er der Polizei vor die Nase kam.
    Warum muss der nun eigentlich unbedingt innerhalb der EU ausgeliefert werden? Vernehmen kann man den doch auch dort. Wenn es dann zu Anklage kommen sollte, kann das immer noch passieren. Alles nur Schauspiel. Irgendwann ist die maximale Zeit für die U-Haft rum und weg ist er.

  12. Mit den Reparationen haben die Polen schon einen Punkt. Die Frage wurde im Londoner Schuldenabkommen von 1953 auf einen zukünftigen Friedensvertrag vertagt. Ein Friedensvertrag wurde jedoch 1990 wohlweislich nich abgeschlossen und statt dessen den Osteuropäern mitgeteilt, das die Frage erledigt sei. Das westdeutsche Politgesindel benimmt sich bis heute wie ihre braunen Vorgänger.

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