EU-Sprachenrechte dürfen nicht „an einer deutschen Ablehnung scheitern“

Bild: Pablo Saludes Rodil /CC BY-SA 2.0

In einem Offenen Brief an die Bundesregierung haben Professoren von verschiedenen Universitäten in Deutschland von Bundeskanzler Friedrich Merz aufgefordert, seine Blockadehaltung gegen den Antrag Spaniens aufzugeben, damit auch die katalanische Sprache EU-Amtssprache werden kann. Overton hat berichtet. https://overton-magazin.de/top-story/hilft-die-spd-das-ende-der-spanischen-regierung-zu-besiegeln/ Nach dem spanischen Antrag soll das auch für Galicisch und Baskisch gelten. Das sind Sprachen die von deutlich mehr Menschen gesprochen werden als andere schon anerkannte Sprachen, die zum Teil sogar EU-Arbeitssprachen sind. Die EU müsse die „kulturelle Eigenheit Spaniens respektieren und in den eigenen Strukturen“ umsetzen.

Overton dokumentiert den Brief von 18 Erstunterzeichnern.


Offener Brief an die Bundesregierung

Das Katalanische soll neue EU-Amtssprache werden!

Das Königreich Spanien hat beantragt, dass seine Amtssprachen Katalanisch, Baskisch und Galicisch auch Amtssprachen der Europäischen Union werden. Dieser Antrag wurde vor zwei Jahren beim Rat der Europäischen Union eingereicht und obwohl er auf die Tagesordnung der vorletzten Sitzung zur Verabschiedung gesetzt wurde, ist er noch immer anhängig, da eine kleine Anzahl von Ländern – allesamt mit rechtskonservativen Regierungen – sich dagegen wehrt. Die spanische Presse hat erklärt, dass die Ablehnung der Amtssprache von der neuen deutschen Regierung unter Bundeskanzler Merz angeführt wird, was uns als deutsche Forschende der romanischen Sprachen dazu veranlasst hat, diesen offenen Brief zu veröffentlichen.

Seit der Gründung der EU sind kulturelle und sprachliche Diversität ein zentrales Anliegen der europäischen Idee gewesen, wodurch sich Europa grundlegend von dem Prinzip der Einsprachigkeit, so wie es in den Vereinigten Staaten von Amerika praktiziert wird, politisch abgrenzt. Aus diesem Grund sind eben auch kleine (und sogar extrem kleine) Nationalsprachen europäischer Länder als Amtssprachen der EU anerkannt worden. Die sehr kleine irische Sprache mit ihren nicht mehr als 70.000 Sprechern ist seit dem 1. Januar 2022 nicht nur Amtssprache, sondern sogar auch Arbeitssprache der EU; dasselbe gilt auch für das Estnische und das Maltesische, die beide unter einer Million Sprecher haben. Diese respektvolle Politik gegenüber den verschiedenen europäischen Sprachgemeinschaften ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass zur Diversität – neben Faktoren wie Ethnie, sexuelle Orientierung oder Religion auch die Muttersprache als zentrales Element identitärer Verortung mit dazu gehört.

Deutschland und insbesondere die deutsche Romanistik haben schon immer ein besonderes Verhältnis zur katalanischen Sprache gepflegt. Es war der deutsche Romanist Wilhelm Meyer-Lübke, der 1925 in seinem einflussreichen Buch „Das Katalanische“ endgültig mit der bis dahin vertretenen Theorie aufräumte, das Katalanische sei nur ein Dialekt der Troubadour-Sprache Provenzalisch. Spätestens seit dieser Zeit gibt es bei uns eine ausgeprägte Katalanistik, die Deutschland zu demjenigen Land außerhalb Spaniens macht, das am meisten zur Bewahrung und Erforschung der katalanischen Sprache beigetragen hat. Noch heute hat Deutschland die meisten Katalanischlektorate aller europäischen Universitäten.

Es wäre daher kaum nachvollziehbar, wenn der spanische Antrag in der EU ausgerechnet an einer deutschen Ablehnung scheitern würde! Umso mehr, wenn man bedenkt, dass der spanische Staat erklärt hat, alle daraus entstehenden Kosten dauerhaft selbst zu übernehmen. Denn dieser Antrag repräsentiert letztlich Werte, die uns in Deutschland besonders wichtig sind: Diversität, ein friedlicher Interessensausgleich zwischen Zentrum und Region sowie eine mehrfach geschichtete Subsidiarität in Europa, in der das lokale, das regionale, das nationalstaatliche und das gesamteuropäische Element jeweils organisch ineinandergreifen. Mit diesem Antrag möchte die spanische Regierung eben diese Werte anerkannt wissen und ihre

Position in der EU weiter festigen. Die Befürwortung dieses Antrags wäre daher gerade in den heutigen Zeiten, in denen uns allen an einem starken Europa viel gelegen sein sollte, ein starkes Signal an die europäische Bevölkerung, um sich in der politischen Wertegemeinschaft der EU respektiert und angenommen zu fühlen.

Mehr als 20% der spanischen Bevölkerung spricht eine dieser drei in der EU offiziell anzuerkennenden Sprachen, Millionen Menschen, die lange erlebt haben, wie ihr Staat und die EU sich ihren Hoffnungen entgegenstellten. Sie wären zutiefst enttäuscht, wenn Deutschland, ein Land und eine Kultur, die sie bewundern, diese Hoffnungen aus parteipolitischen Interessen der spanischen rechtskonservativen zunichte machen würde. Es ist nun an der Zeit, dass die EU die kulturelle Eigenheit Spaniens respektiert und in den eigenen Strukturen nachvollzieht, indem sie den drei weiteren Amtssprachen Spaniens ebenfalls diesen Status in der EU zuspricht.

 

Juli 2025

Unterzeichnende

  1. Prof. Dr. Susann Fischer (Universität Hamburg)
  2. Prof. Dr. Roger Friedlein (Ruhr-Universität Bochum)
  3. Prof. Dr. Jonas Grünke (Universität Regensburg)
  4. Prof. Dr. Eva Gugenberger (Europa-Universität Flensburg)
  5. Prof. Dr. Martin Haase (Universität Bamberg)
  6. Prof. Dr. Matthias Heinz (Paris Lodron Universität Salzburg)
  7. Prof. Dr. Ulrich Hoinkes (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
  8. Prof. Dr. Johannes Kabatek (Universität Zürich)
  9. Prof. Dr. Rolf Kailuweit (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
  10. Prof. Dr. Georg Kremnitz (Universität Wien)
  11. Prof. Dr. Benjamin Meisnitzer (Universität Leipzig)
  12. Prof. Dr. Johannes Müller-Lancé (Universität Mannheim)
  13. Prof. Dr. Carolin Patzelt (Universität Bremen)
  14. Prof. Dr. Teresa Pinheiro (Technische Universität Chemnitz)
  15. Prof. Dr. Hans-Ingo Radatz (Otto-Friedrich-Universität Bamberg)
  16. Prof. Dr. Axel Schönberger (Universität Bremen)
  17. Prof. Dr. Tilbert Dídac Stegmann (Goethe Universität Frankfurt)
  18. Prof. Dr. Katharina Wieland (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Ralf Streck

Der Journalist und Übersetzer Ralf Streck wurde 1964 in Flörsheim am Main geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Turkologie an der Universität in Frankfurt. Seine journalistische Laufbahn begann bei Radio Dreyeckland in Freiburg, wo er eine Fortbildung zum Fachjournalist für Umweltwirtschaft absolvierte. Er lebt seit mehr als 20 Jahren im Baskenland, ist spezialisiert auf linke Unabhängigkeitsbewegungen und berichtet für diverse Medien in Europa vor allem von der Iberischen Halbinsel.
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23 Kommentare

      1. Eben und sicher kein Autonomer, zum Glück. Was man von dem hier liest, ist eher gruselig. Was wir so alles hervorgebracht haben (war ja selbst mal einer, Hausbesetzer, Anti-AKW-Kämpfer… )

    1. Für toitsche natürlich nicht, die überall ihre Sprache sprechen wollen können, egal wo sie hinkommen. Der Kulturimperialismus in Reinform und du nennst dich „Autonomer“?

      1. Es gibt halt ganz andere Probleme, einfach zu viele Baustellen und Nebenkriegschauplätze.
        Ich spreche im Übrigen 3 Sprachen und verstehe eine ganze Menge weitere, trotzdem haben wir gerade 3. Weltkrieg und die herrschende Klasse ist gerade dabei uns zu vernichten.
        Aber die Sprachenvielfalt muss ja unbedingt gewährt bleiben.
        Das klingt für mich auch ein bißchen nach Diversity und Gendern und dem ganzen Rattenschwanz, der noch dranhängt, sorry, aber wie schon erwähnt, stehen wir kurz vor der Auuslöschung und wenn die Raketen erst fliegen, interessiert die katalonischen Sprache eh keine Sau mehr

        Just my two cents!!!!!!

        1. Vielleicht solltest du eher Verbündete suchen, als die als „Nebenkriegsschauplätze“ zu verweisen. Andere Menschen haben andere Probleme als du und das sollte man auch respektieren. By the way. Basken und Katalanen haben mehrheitlich gegen den Beitritt zur Nato gestimmt und an deren Ablehnung des Mördervereins hat sich nichts geändert, sondern ist eher stärker geworden.

          1. Das weiß ich, vor allem, weil sie eine tragende Rolle im spanischem Bürgerkrieg gespielt haben.
            Und, ja, jeder hat so seine Probleme, ganz im Sinne der herrschenden Klasse.
            Genau deswegen wird das auch alles nichts…

          2. „Andere Menschen haben andere Probleme als du und das sollte man auch respektieren.“

            Wenn Deutsche Ihre „Probleme“ bei „Biene-Maja“, bei „Irgendwas mit Spanien“ wie hier oder im gerade geschalteten „Fall Peggy“ verorten, dann geht es ihnen offensiichtlich noch viel, viel zu gut. Deswegen plädiere ich schon seit Jahren für eine Kürzung der Hartzler-Hausmannskost, der Renten und Löhne um mind. 50% und eine komplette Steuerfreistellung der obersten 10%. um der deutschen Diktatur des Pöbels endlich das Genick zu brechen.

  1. Wie ich bereits an anderer Stelle sagte: Deutschland ist IMMER auf der falschen Seite.
    Egal wo. Ob in der Ukraine, Israel, Spanien oder zuhause.

  2. Da zieht vwrmutlich nicht nur BlackRock ins Kanzlerant ein. Vermutlich werden die Claims abgesteckt.

    Am Investoren-Roundtable (Anm.:im Kanzleramt)waren beteiligt: die Deutsche Bank, die Deutsche Börse, ALMEA Capital (Immobilien), Apollo Global Management (USA), BlackRock (USA), Franklin Templeton Future Fund (USA), Government Investment Corporation (GIC, Singapur), Temasek Inv. (USA) und General Catalyst (USA)“

  3. Für uns in der Schweiz ist das Getue in der EU mit den Sprachen völlig absurd. Wir kommen hier mit 4 Sprachen zurecht und die EU hat Probleme mit Katalanisch, dass in etlichen Provinzen des Landes, in Südfrankreich und sogar auf Sardinien gesprochen wird. Eine von Deutschland dominierte EU kann nur scheitern, weil sie nicht freiheitlich ist. Dass sich Merz auf die Seite von Faschisten schlägt, wundert ja niemanden, die Speichellecker der SPD machen halt mit.

  4. Zunächst mal: alle auch bloß regionalen Amtssprachen der EU-Mitgliedsländer sind sowieso auch als EU-Sprachen anerkannt. Bei den Amtssprachen der EU geht es um etwas sehr Spezifisches: beispielsweise müssen alle offiziellen EU-Texte (Ratsbeschlüsse usw.) in alle (zur Zeit 24) EU-Amtssprachen übersetzt werden, es sind die im EU-Parlament zugelassenen Sprachen usw.

    Auch andere Länder haben (meist regionale) Amtssprachen, die keine EU-Amtssprachen sind. Katalanisch und Baskisch sind in Frankreich keine Amtssprachen: indem die EU sie zu Amtssprachen machen würde, wären sie irgendwie durch die Hintertür dann auch französische Amtssprachen. Das Mindeste, was Spanien hätte machen können, wäre also, sich deswegen mit Frankreich abzustimmen, wo Baskisch und Katalanisch ja auch gesprochen werden. Das wäre allerdings vermutlich hoffnungslos, weil Frankreich trotz seiner sehr großen Bandbreite an Regionalsprachen nur Französisch als Amtssprache hat (so weit ich es verstanden habe). Nicht mal im Falle Korsika ist Korsisch als regionale Amtssprache zugelassen. Die Franzosen erheben anscheinend nicht mal Daten zu ihren Minderheitensprachen.

    Mit Galicisch ist es noch mal lustiger, weil es so nah am Portugiesischen ist, dass es nur deshalb als eigene Sprache durchgeht, weil es im spanischen Galicien gesprochen wird (aber auch in der angrenzenden portugiesischen Region). Googelt man danach, dann melden Brasilianer zurück, dass sie Galicisch leichter verstehen als das europäische Portugiesisch. Deren Sprache ist aber das brasilianische Portugiesisch, das eben als Portugiesisch gezählt wird (so wie das Englische in Singapur, Australien, USA, UK, Indien, Südafrika eben immer anders, aber doch Englisch ist). Portugiesisch ist bereits EU-Amtssprache und dementsprechend könnte man dann auch sagen, dass Galicisch als Dialekt des Portugiesischen auch schon Amtssprache ist (es kommt mir so vor, als wäre das Portugals Position, es ist schwer, überhaupt im Netz was zu Portugals Haltung zum Galicischen zu finden).

    Wie auch immer: wenn für andere regionale Amtssprachen in anderen Ländern das gleiche gemacht würde, stünde die EU nachher mit 60 Amtssprachen da, für die sie alle in ihren Institutionen Übersetzer und Dolmetscher zur Verfügung stellen muss. Viel Spaß.

    Luxemburg ist eines der wenigen Länder, die keine eigene Amtssprache eingebracht haben: da Deutsch und Französisch bereits EU-Amtssprachen sind (und Luxemburgische), sind die Bedürfnisse der Luxemburger erfüllt (Luxemburgisch ist eigentlich ein deutscher Dialekt, aber man könnte es genauso gut als Amtssprache der EU fordern). In Deutschland sind Dänisch, Friesisch, Plattdeutsch und Sorbisch regionale Amts- oder Verwaltungssprachen. Nur Ersteres ist bereits EU-Amtssprache.

    Wenn wir bei verbreiteteren Minderheitensprachen innerhalb der EU sind, müsste natürlich auch das Russische in den baltischen Staaten erwähnt werden. Da dürfte der Weg zur EU-Amtssprache besonders weit sein.

    Jedenfalls klingt das, was die spanische Regierung da treibt, für mich nach populistisch angehauchter Symbolpolitik.

  5. Deutschland hat die Sprachenfrage blockiert und nun kann die SPD stolz darauf sein, wenn die spanische Regierung der Schwesterpartei stürzt. Es gibt ja noch sooooo viele davon. Sogar der sozialdemokratische Außenminister dort ist entsetzt, es meint, es werde nur verzögert. Welche „Bedenken“ es an der Frage gäbe, blieb nämlich unbekannt. Es werde verzögert, um zu verzögern. Merz hat sich im Bunde mit der Postfaschisten-Schwesterpartei durchgesetzt.
    https://www.elnacional.cat/es/politica/albares-reticencias-catalan-ue-no-dudas-legitimas-tactica-dilatoria_1454637_102.html
    Allerdings frage ich mich auch, ob wir nicht mit einem abgekarteten Spiel zu tun haben. Real wollten die Sozialdemokraten das nie, es musste ihnen von Puigdemont und JxCat abgerungen werden. Und genau die skandalgebeutelte Regierung muss doch Zeit erkaufen, um nicht schnell zu stürzen. Jetzt soll das im September behandelt werden, als würde im Sommer jemand groß an der Frage arbeiten. Das stinkt.

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