Für Sir Keir Starmer wird es langsam eng

Keir Starmer bei NATO, Juni 2025
UK Prime Minister, OGL 3, via Wikimedia Commons

In seiner Parlamentsfraktion brodelt es, in den Umfragen liegt seine Labour Party deutlich hinter der „Reform UK“-Partei von Nigel Farage zurück – wenn zum jetzigen Zeitpunkt Neuwahlen wären, müsste der britische Premierminister wohl seinen Amtssitz in der Downing Street No. 10 räumen.

Und zu allem Überfluss kündigt sein Vorgänger als Parteichef, der Alt-Linke Jeremy Corbyn, auch noch die Gründung einer neuen politischen Formation an.

Ob Keir Starmer wirklich Atheist ist oder doch im Innersten seines Herzens gläubiger Christ, wissen wir nicht. Sollte jedoch Letzteres der Fall sein, wird er wohl jeden Morgen nach dem Aufstehen ein Dank-Gebet Richtung Himmel schicken: dafür, dass die Legislaturperiode noch satte vier Jahre lang läuft. Denn wären jetzt Neuwahlen zum britischen Unterhaus, wäre wohl Nigel Farage, Rechtspopulist und schillernder Ex-Chef der United Kingdom Independence Party, dann der Brexit Party und jetzt Vorsitzender der Reform UK-Partei, neuer Premierminister. Bereits vor ein paar Monaten überholte seine Truppe die beiden großen Traditionsparteien Labour und Conservative Party in den Meinungsumfragen und seit ein paar Wochen verheißen ihr die meisten Institute sogar eine derart große Parlamentsfraktion, dass gegen sie de facto nicht regiert werden könnte – dank des auf der Insel praktizierten Mehrheitswahlrechts.(1) Klar – Umfragen sind Umfragen, aber bei den Kommunalwahlen am 1. Mai dieses Jahres schnitt Farage ziemlich genau so ab, wie es die Meinungsforscher vorhergesagt hatten (nämlich sensationell gut), und bei der am selben Tag über die Bühne gegangenen Nachwahl für einen Unterhaussitz besiegte seine Partei die Labour Party in einer deren absoluten Hochburgen.(2)

Aufstand in der Regierungsfraktion

Und das alles kommt nicht von ungefähr. Sicher, schon oft in ihrer 125-jährigen Geschichte hat die Labour Party nach einer gewonnenen Wahl die hochgesteckten Erwartungen ihrer Anhänger bitter enttäuscht – aber noch nie so drastisch wie in den zwölf Monaten nach der Rückgewinnung der Regierungsmacht im Juni letzten Jahres. Es ist schon atemberaubend, dabei zuzusehen, wie eine angeblich „sozialdemokratische“ Partei Politik konsequent auf Kosten der Schwächsten in der britischen Gesellschaft macht: der vielen Armutsrentner, der Kinder, der chronisch Kranken, der Behinderten. Und als es schließlich den Letzteren gezielt an den Kragen gehen sollte, als die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegte, der durch die Kürzung von staatlichen Beihilfen an so genannte disabled people rund fünf Milliarden Pfund im Haushalt einsparen sollte, explodierte der schon seit Monaten angestaute Unmut in der riesigen Labour-Parlamentsfraktion (403 Mitglieder). Über hundert Abgeordnete drohten damit, gegen das Gesetz zu stimmen und es dadurch zu Fall zu bringen – und angesichts der bevorstehenden Abstimmungsniederlage ruderte die Regierung zurück und entschärfte die Vorlage gezwungenermaßen.(3)

Nun sollen nur noch zwei Milliarden Pfund eingespart werden, und die „Sozialreform“ betrifft nun auch nicht mehr die bisherigen Bezieher der „benefits“, sondern „nur“ die neuen Antragsteller. Das Gesetz ging daraufhin durch – aber immerhin 49 Labour-Abgeordnete blieben bei ihrem „Nein“ – die größte parlamentarische Rebellion gegen die Parteiführung seit Jahrzehnten.(4) Was die Abweichler besonders erbitterte, war die Kaltschnäuzigkeit und Empathielosigkeit, mit der die Regierung ihr Ansinnen bis zuletzt verteidigte – und natürlich der fiskalische Kontext: Für neue Atombomber und anderes Kriegsgerät ist nämlich im Staatshaushalt offenbar Geld genug vorhanden, ganz offensichtlich soll die Bevölkerung den sprichwörtlichen Gürtel enger schnallen, um die wahnwitzige Aufrüstungsorgie, die für die kommenden Jahre geplant ist, zu finanzieren.

Eine neue Linkspartei für Großbritannien?

Die nächste innerparteiliche Bombe platzte ein paar Tage später. Die populäre (und dezidiert linke) Abgeordnete Zarah Sultana, die bereits letztes Jahr aus der Fraktion ausgeschlossen worden war, weil sie einen parlamentarischen Antrag der (sozialliberalen) Scottish National Party unterstützt hatte, die von der konservativen Vorgängerregierung beschlossene Kürzung des Kindergeldes für kinderreiche Familien rückgängig zu machen(5), erklärte ihren Parteiaustritt und teilte mit, sie werde sich dem neuen Parteiprojekt von Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn (das dieser kurz zuvor verkündet hatte) anschließen.(6) Der charismatische Alt-Linke Corbyn, der – nachdem ihm Starmer letztes Jahr eine erneute Bewerbung als Labour-Kandidat verwehrt hatte – in seinem angestammten Wahlkreis in London mit großer Mehrheit als Unabhängiger wiedergewählt worden war, hatte schon vor etlichen Monaten ein loses parlamentarisches Bündnis mit vier anderen parteilosen Abgeordneten ins Leben gerufen („Independent Alliance“); es soll wohl jetzt den Kern der angestrebten Parteineugründung bilden.

Und obwohl bisher keiner der 49 Labour-Abweichler bei der parlamentarischen Abstimmung über die neuesten Kürzungen im Sozialetat dem Beispiel von Zarah Sultana gefolgt ist, ist das Potenzial für eine derartige neue politische Formation offenbar beträchtlich: Eine aktuelle Meinungsumfrage sieht eine von Corbyn geführte neue Linkspartei bei landesweit 10 Prozent. Noch wesentlich sensationeller ist ein Teilaspekt der Umfrage: Besagte neue Partei würde momentan von 32 (!) Prozent der 18- bis 24-Jährigen gewählt – und läge damit auf Platz 1, vor Reform UK, Labour und den Konservativen.(7)

Ein weiteres Indiz für die elektorale Verwundbarkeit der Labour Party angesichts der neuen politischen Konkurrenz sind die Einzelergebnisse der fünf Abgeordneten der „Independent Alliance“ bei den Parlamentswahlen im letzten Jahr: Die Verluste von Starmers Partei im Vergleich zur vorhergehenden Wahl bewegten sich in all diesen Fällen in der Größenordnung von -30 bis -40 (!) Prozent.(8) Die vier neuen Verbündeten von Corbyn – sämtlich mit Migrationshintergrund – hatten zwar alle die Kritik an der Unterstützung der Labour-Führung für den brutalen Vernichtungsfeldzug Israels in Gaza zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht, aber auch die schon damals zu erahnenden geplanten Kürzungsorgien Starmers im Sozialetat (mühsam verschleiert durch allerlei Wahlkampfrhetorik) spielten eine Rolle. Und obwohl das Parteiprojekt von Corbyn und Sultana bisher nur wenige präzise erkennbaren programmatischen Konturen aufweist – und noch nicht einmal einen Namen hat(9) – kristallisiert sich doch klar ein Schwerpunkt heraus: die Verteidigung des Wohlfahrtsstaates beziehungsweise dessen, was nach den unablässigen neo-liberalen Attacken in den letzten Jahrzehnten von ihm übriggeblieben ist. Und genau dies – die Anprangerung des skandalösen Auseinanderklaffens von arm und reich im Vereinigten Königreich des 21. Jahrhunderts – könnte möglicherweise der Faktor sein, der dieser neuen Linkspartei Drive und Momentum (so sinnigerweise der Name für die Basisbewegung, die 2015 Corbyn zum Labour-Parteichef machte) verleiht.

Bisher sehr unterschiedliche Reaktionen auf die angekündigte Parteigründung

Von der überwiegend feindseligen Reaktion der etablierten Medien(10) werden sich Corbyn, Sultana und ihre Mitstreiter wohl nicht sonderlich beeindrucken lassen – alles andere wäre schließlich auch eine große Überraschung gewesen. Vom Tag der Ankündigung seiner Kandidatur zum Labour-Chef an (2015) hatte Corbyn die große Mehrheit der britischen Presse gegen sich, dennoch wäre es ihm bei den Wahlen 2017 beinahe gelungen, Premierminister zu werden. Viel wichtiger wird es sein, ob es ihm gelingt, die bisher versprengten Reste dessen, was einmal die radikale Linke in Großbritannien war, hinter sich zu einen: Friedensaktivisten, linke Gewerkschafter, Community-Initiativen, progressive Journalisten von den alternativen Medien. In Letzteren gibt es bisher eine große Bandbreite der Meinungen, sie reicht von großer Zustimmung zu dem neuen Parteiprojekt in der traditionsreichen linken Tageszeitung Morning Star bis hin zu radikaler Ablehnung im links-libertären Online-Magazin Spiked.(11) Aus dem Kreis der Labour-Dissidenten im Unterhaus, derjenigen Abgeordneten, die kürzlich gegen die Kürzung der staatlichen Unterstützung für Behinderte und chronisch Kranke gestimmt haben, gab es bisher wenig Reaktionen, mehrere ehemalige Verbündete Corbyns im früheren Kampf gegen die rechte Partei-Oligarchie – wie etwa die Abgeordnete Diane Abott(12) – lehnten eine Mitarbeit in der neuen Partei ab.

Überhaupt keine Reaktion gab es interessanterweise aus den Reihen der Workers Party of Britain von George Galloway, einem anderen linken „enfant terrible“ in der britischen Politik. Auch er saß einmal viele Jahre lang als Labour-Abgeordneter im Unterhaus, wurde nach seiner Kritik an der Beteiligung der Regierung von Premier Tony Blair am zweiten Golfkrieg 2003 und seiner Aufforderung an britische Soldaten, illegale Befehle zu verweigern, aus der Partei ausgeschlossen und gründete eine neue Linkspartei („Respect Party“), für die er bei den Wahlen 2005 wiedergewählt wurde. Bei den Wahlen 2010 verlor er sein Mandat, und obwohl er von 2012-2015 für einen anderen Wahlkreis noch einmal im Parlament saß, verschwand seine Partei in der Bedeutungslosigkeit. Anfang 2024 kehrte er kurzzeitig noch einmal ins Unterhaus zurück, durch eine Nachwahl (in Rochester in Nordengland). Die von ihm 2019 gegründete Workers Party of Britain, die sich ebenfalls als linke Alternative zu Labour versteht, trat bei den Wahlen im Juni 2024 in über 150 Wahlkreisen an und erzielte in einigen von ihnen recht beachtliche Erfolge: in drei Bezirken, darunter dem von Galloway, lag sie nur wenige Prozentpunkte hinter dem siegreichen Labour-Kandidaten.(13)

Auch die Workers Party hatte den Gaza-Krieg zum zentralen Wahlkampfthema gemacht, viele Aktivisten mit Migrationshintergrund finden sich in ihren Reihen. Sie ist relativ strikt gegen übertriebene Wokeness, grenzt sich scharf von den britischen Grünen ab und vertritt in etlichen Politikfeldern eher sozialkonservative Positionen – in gewisser Hinsicht ist sie mit dem deutschen BSW vergleichbar; Galloway selbst sagte einmal über Sahra Wagenknecht: „Diese Frau ist die einzige vernünftige Zukunft für Deutschland“.(14) Ob die Workers Party deshalb programmatisch zu Corbyns und Sultanas Projekt passen würde, ist deshalb doch sehr die Frage; ihre vielen hochmotivierten und engagierten Aktivisten allerdings wären für eine Parteineugründung zweifellos ein Gewinn.

Die elektoralen Chancen einer neuen Partei

Das britische (relative) Mehrheitswahlrecht mache es neu gegründeten Parteien so gut wie unmöglich, zu einer relevanten parlamentarischen Kraft aufzusteigen, lautet das Credo der (immer weniger werdenden) Mehrheitswahl-Fans in der internationalen politikwissenschaftlichen Diskussion.(15) Dass dies empirisch falsch ist, zeigen viele Beispiele aus den letzten 100 Jahren, hier eines aus der jüngsten Vergangenheit: In der kanadischen Provinz Québec (bevölkerungsmäßig die zweitgrößte des Landes) errangen die Rechtspopulisten der „Action démocratique du Québec“ (ab 2011 „Coalition Avenir Québec“) bei den Wahlen zur Assemblée Nationale, dem Provinzparlament, im Jahre 2008 gerade mal 7 von insgesamt 125 Sitzen (bei 16,4% der Wählerstimmen). 2012 steigerten sie sich auf 19 Mandate, 2014 auf 22 – und 2018 stiegen sie erstmals zur stärksten Partei auf und errangen mit 74 von 125 Sitzen (37,4% der Wählerstimmen) eine klare absolute Parlamentsmehrheit, die sie 2022 sogar noch ausbauen konnten.(16) Sie regieren noch heute, in dem ansonsten vergleichsweise sehr liberalen Kanada eine absolute Ausnahmeerscheinung.

Einen ähnlich rasanten Aufstieg, nur in noch viel kürzerer Zeit, prognostizieren die Umfrageinstitute der Reform UK-Partei von Nigel Farage: Bei den allgemeinen Wahlen letztes Jahr reichte es gerade mal zu 5 Sitzen im Unterhaus (genauso vielen wie für die von Jeremy Corbyn angeführte Independence Alliance) – wie bereits erwähnt, werden ihnen, Stand heute, mehr als 300 (!) Mandate bei eventuellen vorgezogenen Wahlen vorhergesagt. Und einen ähnlichen Durchbruch gab es in Großbritannien, dem Mutterland des Zweiparteiensystems, ja schon einmal: In den 1920er und 1930er Jahren löste die im Jahr 1900 gegründete Labour Party die Liberale Partei als Gegenspielerin der Konservativen Partei ab und reduzierte sie auf eine parlamentarisch fast unbedeutende politische Kraft – erst in den letzten beiden Jahrzehnten gewann sie (nach der Umbenennung in Liberal Democrats) wieder an Relevanz.(17)

Eine Spaltung der Labour Party

Ob nach dem Abgang von Zarah Sultana noch weitere Labour-Abgeordnete des linken Parteiflügels zur bisher noch namenlosen linken Konkurrenz überwechseln, bleibt abzuwarten. Interessant dürfte in dieser Hinsicht der jährliche Labour-Parteitag werden, der im Herbst in Liverpool über die Bühne gehen wird. Wenn es Starmer gelingen sollte, dort die Reihen der Parteiaktivisten hinter sich zu schließen, können Corbyn, Sultana und Genossen ihre Hoffnungen auf personellen Zulauf wohl begraben. Ihre Chancen bei Wahlen muss das aber nicht unbedingt mindern – angesichts des massiven Unmuts in der Bevölkerung über die sozialen Kürzungspläne der Regierung. Der erste Testlauf for die neue Partei dürften wohl die (Teil-)Kommunalwahlen im Mai 2026 sein – die Anzeichen dafür, dass Corbyns neue politische Formation dort ihr elektorales Debüt geben wird, verdichten sich zusehends.(18)

In einer ganz bestimmten Hinsicht wäre allerdings eine Spaltung der Labour Party (und ihrer Parlamentsfraktion) von zentraler Bedeutung: Ohne sie sind vorgezogene Neuwahlen zum Unterhaus in den nächsten Jahren völlig unwahrscheinlich – angesichts der riesigen Mehrheit der Partei im Parlament. Und selbst wenn Keir Starmer aus irgendeinem Grund vorzeitig als Premierminister zurücktreten sollte – für seinen Nachfolger (oder seine Nachfolgerin) gäbe es angesichts der derzeit desaströsen Umfragen keinerlei Motivation, das Parlament auflösen zu lassen.

Der Rotherham-Skandal

Es gibt nämlich durchaus ein mögliches Szenario, das den am schnellsten an Popularität verlierenden Premierminister der britischen Geschichte dazu bewegen könnte, vorzeitig das Handtuch zu werfen – und mit seiner extrem unsozialen Politik hat es vordergründig erst einmal überhaupt nichts zu tun. Vor knapp 15 Jahren ploppte in der britischen Öffentlichkeit der so genannte „Rotherham-Skandal“ auf: Wie sich (nicht zuletzt durch hartnäckige Recherchen der Tageszeitung The Times) herausstellte, hatte ein weitverzweigtes Netzwerk aus teils pädophilen Männern über viele Jahre hinweg in Rotherham, Bradford und anderen nordenglischen Städten minderjährige Mädchen und junge Frauen systematisch missbraucht und zeitweise sogar als regelrechte Sex-Sklavinnen gefangen gehalten. Das besonders Pikante daran: Die meisten dieser Männer waren Pakistanis oder pakistanischer Abstammung, die meisten missbrauchten Mädchen und jungen Frauen waren weiß und entstammten der britischen Arbeiterklasse. Jahrelang verschleppten Polizei und Jugendschutzbehörden die Ermittlungen, weigerten sich sogar offen einzugreifen, offenbar aus Angst, des Rassismus bezichtigt zu werden. Angeblich gab es sogar eine Anweisung von „ganz oben“, die „Vorfälle“ zu ignorieren.(19)

Was das alles mit Keir Starmer zu tun hat? Er war in den fraglichen Jahren Generalstaatsanwalt von England und Wales (Schottland und Nordirland haben ein eigenes Justizsystem) – und in Anerkennung für seine Verdienste in diesem Job wurde er sogar zum Ritter geschlagen und darf sich seitdem Sir Keir Starmer nennen. Er war derjenige, der, nachdem die ersten Strafanzeigen bei lokalen Polizeidienststellen einliefen (und dort versandeten), Ermittlungen hätte anberaumen müssen. Eine wirklich umfassende öffentliche Untersuchung der Ereignisse von damals fand bis heute nicht statt, die neue Labour-Regierung blockierte bisher alle diesbezüglichen Initiativen, das Innenministerium kündigte stattdessen mehrere lokal begrenzte Ermittlungen an.(20)

Elon Musk postet sicherlich viel Unsinn auf „X“ – aber ihm ist es zu verdanken, dass durch sein Wiederaufgreifen des Skandals dieser in den letzten Monaten wieder hochkochte und nun auch international Aufsehen erregt (er ging sogar so weit, zu verlangen, dass Keir Starmer nicht nur zurücktreten, sondern sogar vor Gericht gestellt werden müsse)(21) Ob diese Affäre irgendwann einmal für den britischen Premier wirklich gefährlich werden könnte, ist derzeit noch eine Sache von Spekulationen. Auf jeden Fall lässt sich zumindest konstatieren, dass es viele Gründe gibt, Starmer nicht zu mögen (seine soziale Kahlschlags-Politik, sein Aufrüstungswahn), aber dieser Skandal ein moralisches Urteil über ihn nahelegt, dass vernichtender eigentlich nicht vorstellbar ist.

 

Fußnoten

1) Das Institut „Electoral Calculus“ etwa sieht derzeit, geht man von einem gleichförmigen Swing in allen 650 Wahlkreisen aus, Reform UK bei 325 Sitzen, die Labour Party bei 145, die Konservativen bei 41, die Liberaldemokraten bei 67 und sonstige Parteien bei 72 Sitzen: www.electoralcalculus.com.uk

2) https://electionresults.parliament.uk

3) „Starmer faces Labour revolt despite welfare climbdown“, BBC, 1. Juli 2025

4) „Here’s why 49 Labour MPs voted against the government’s welfare bill“, Big Issue, 2. Juli 2025, auf https://www.bigissue.com

5) „Labour suspends seven rebel MPs over two-child benefit cap“, BBC, 24. Juli 2024

6) „Zarah Sultana says she is quitting Labour to start party with Jeremy Corbyn“, BBC, 3. Juli 2025

7) „Poll: Jeremy Corbyn Party would eat into Labour vote in blow to Starmer“, The National, 25. Juni 2025. Eine andere Umfrage fand heraus, dass 18% der Wählerinnen und Wähler es sich unter Umständen vorstellen könnten, für eine neue Linkspartei zu stimmen: „Who is open to voting for a new Corbyn-led party?“, YouGov Research, 9. Juli 2025

8) „General election 2024 results“, auf: https://commonslibrary.parliament.uk

9) In der Diskussion sind die Namen „Arise“, „The Collective“ oder „Real Change“: BBC, 4. Juli 2025

10) Stellvertretend für viele etwa Noa Hoffman: „Jeremy Corbyn’s planned hard-left party of two in chaos as he refuses to confirm who’ll lead it“ in: The Sun, 4. Juli 2025

11) „With Sultana and Corbyn united, we finally have Britains’s new left party“, Morning Star (7. July 2025); „Is Zarah Sultana the most ridiculous politician in Britain?“, Spiked (4. Juli 2025)

12) „Leading Corbynites reject new party“, The Telegraph, 4. Juli 2025

13) „Results for the UK general election on 4 July 2024: Elections contested by Workers Party of Britain“ auf: https://electionresults.parliament.uk

14) George Galloway auf der Plattform „X“, 18. März 2024

15) Das Standardwerk aller Anhänger des englischen (relativen) Mehrheitswahlrechts ist seit vielen Jahrzehnten: Ferdinand A. Hermens, „Democracy or Anarchy?“ (Review of politics, University of Notre Dame, 1941)

16) „Results and Statistics“ auf: https://www.electionsquebec.qc.ca

17) „UK Elections Statistics: 1918-2023“ auf: https://commonslibrary.parliament.uk

18) „Can socialists break the political mould?“ Counterfire, 6. Juli 2025

19) „Rotherham child sex abuse: How the truth finally came out“, The Times, 28. August 2014; „The true horror of the Rotherham grooming scandal“, The Telegraph, 13. Januar 2025

20) „New Public Inquiry announced into grooming gang scandal – what will it explore and how can it participate?“, Saunders Law News, 19. Juni 2025; „Whitehall tried to block Rotherham grooming scandal exposé“, The Times, 16. Juni 2025

21) „Why is Elon Musk attacking Keir Starmer over the grooming scandal?“, Guardian, 6. Januar 2025

Norbert Faulhaber

Norbert Faulhaber fing nach einem Studium der Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und Soziologie 1991 bei der Konstanzer Tageszeitung „Südkurier“ an: als freier Mitarbeiter für TV- und Filmkritik, Konzertberichte und CD-Besprechungen. Ab 1998 arbeitete er auch als Vertretung des TV-Redakteurs, von 2004 bis 2006 als Verantwortlicher für die tägliche TV-Programmseite. Von 2006 bis März 2023 arbeitete er als Redakteur am NewsDesk See-West in Konstanz.
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13 Kommentare

  1. Solange der Herr Starmer für den Geldadel des Landes nützlich ist, wird er weiterhin in Downing Street 10 sitzen. Erst wenn die Reste des Sozialstaates abgewickelt sind, ist seine Aufgabe erfüllt.
    König Karl hat zwar theoretisch die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu erzwingen. Wird er aber wohl nicht nutzen. Und die Labour-„Rebellen“ wollen ja nach Neuwahlen nicht wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen…also knicken sie bald ein.
    Nein, in „Little old Britain“ wird es sobald keine Revolution geben. Die Meinung der kleinen Leute hat noch nie gezählt…Und in 25 Jahren wird es wohl die ersten Emirate auf der Insel geben.

      1. irgendwann platzt auch die Geldvermehrungsblase…
        und dann schliessen sich die Lords auf ihren Schlössern ein und falls ein Untertan ihm aus Hunger eine Silberschnalle von dem Schuh klaut wird er nach Australien verbannt

  2. Es gibt wenig, was so volatil ist, wie die Meinung und Befindlichkeit „des Volkes“. Auf einer albernen Umfrage einen solchen Artikel aufzubauen ist… sagen wir „gewagt“.
    Davon abgesehen, gehen mir diese strohigen Formulierungen wie „gerät unter Druck“ oder eben „wird eng für..“ inzwischen unverschämt auf den Zeiger, weil sie (besonders seit einigen Jahren) im Grunde nur Platzhalter für „es passiert gar nichts“ sind.. und hauptsächlich der Beschäftigung gelangweilter Journalisten zu dienen scheinen.
    Im Augenblick ist ja auch die Uschi mal wieder „unter Druck“… oder schon nicht mehr?

    1. Irgendwas um die 165 zu 375 hat sie das Misstrauensvotum gewonnen.
      Ein paar kritische Reden, das war’s.
      Also nix. Thema durch.

  3. Alles Show. Die Doktrin ist klar und die wird gnadenlos durchgezogen. Egal welche Farbe oder Farbkombi gerade das Sagen haben will. Egal wo das ist.
    „Wir“ haben endgültig verloren, es waren schon zu viele Jahre, ohne sich „uns“ gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

    Politiker sind die Ausführer des Plans, nichts mehr und nichts weniger. Wer nicht spurt ist weg.

  4. „Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reicht Kaffee und Weihnachtsgebäck an arme Bürger“

    Ich erkenne da keine Unterschiede. Gesichtslose , Profillose Politiker fast überall in Europa. Mit Politik haben Sie wohl weniger zu tun, so mein Eindruck was Ihre Arbeit angeht. Wahlen abgeschafft, ich würde auch keinen Unterschied erkennen. Egal was man wählt, es bleibt die Richtung. Mehr Militär, mehr Kontrolle , mehr Überwachung , und weniger Geld für die Armen ..

  5. Starmer und Merz haben sich genauso lieb wie damals Blair und Schröder – vereint in der Sozialstaatszerstörung und im Hass auf Arme und Bedürftige.

    1. Wobei bei Blair und Schröder die Würze dazu kam, das beide in angeblichen Arbeiterparteien sind. Der Szarmer ist ja auch angeblich in einer Arbwiterpartei. Der Merz ist da ehrlicher als CDU-Blackrocker.

  6. Das Mehrheitswahlrecht sorgt dafür, dass aus relativ mittelmäßigen Zustimmungswerten mal große Parlamentsmehrheiten, dann aber wieder für unterdurchschnittlichen Erfolg entstehen. Das hängt davon ab, wie groß die Zahl der Parteien ist, die für die linke oder rechte Wählerschicht erreichbar ist.

    Wenn mehrere linke politische Parteien zur Wahl antreten, werden aus ihren mäßigen Zustimmungswerten sehr wenige Abgeordnete resultieren. Das könnte nur ausgleichen werden, wenn die bürgerliche Seite mit mehr Parteien antritt.

    Trotzdem wünsche ich dieser britischen Labour Party, genau wie ihrem deutschen Pendant, ein schlechtes Ergebnis.

  7. Ich muss zugeben so etwas auch noch nie im Leben gesehen zu haben.

    https://youtu.be/ECU-Veuyaec?t=44

    Mr. Starmer preist seine Politik in den allerhöchstens Tönen während die Finanzministerin im Hintergrund heult.
    ?????? WTF ???????
    Ich glaube so oder so ähnliche Szenen haben sich auch mal in Rom abgespielt. Wahrscheinlich mit mehr Harfen, Trauben und Bleivergiftetem Brombeerwein mitsamt mitgelieferten Halluzinationen an der Grenze zum Wahnsinn (Blei verursacht sowas) aber mit ähnlichen Irrationalen Plänen und Ergebnissen.

    Auch im Führerbunker gings glaube ich kurz vor Schluss ähnlich zu.

  8. Immer wenn ich Starmer auch nur sehe, muss ich an einen bestimmten Monty-Python-Sketch denken – sicher nicht einer ihrer besten, aber passend: ‚Upper Class Twit of the Year‘.

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