Wirtschaftswissenschaften heute: Weltanschauung im Wissenschaftsgewand

Symbolbild: Ego-Kapitalismus, Ökonomie
Quelle: Pixabay

Wie uns eine gesellschaftsschädigende Weltanschauung als Wissenschaft verkauft wird – und was wir dagegen ganz einfach tun können.

Unsere Wirtschaftswissenschaften treten heute, wie der Name schon sagt, als Wissenschaft auf. Das ist aber nicht korrekt. Denn praktisch alle unsere heutigen wissenschaftlichen Analysen, Modelle, Aufsätze und Politik-Empfehlungen zu oder über Ökonomie im weitesten Sinne ruhen auf einer kleinen Anzahl weltanschaulicher Grundannahmen oder Axiome. Diese Grundannahmen selbst haben aber nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern sind rein weltanschauliche, man könnte auch sagen religiöse oder irreligiöse Annahmen. Diese Annahmen und die daraus abgeleiteten politischen Maßnahmen sind meiner Einschätzung nach nicht nur falsch, sondern sehr schädlich für unsere Gesellschaft und unser Miteinander.[1]

Abgesehen davon, dass diese Axiome asozial und verderblich sind, führen sie dazu, dass unsere jungen Menschen, die Wirtschaftswissenschaften studieren, keine Chance mehr haben, sich unabhängig, frei und tolerant über unsere Wirtschaftsabläufe zu informieren. Denn es wird in den Wirtschaftswissenschaften de facto ausschließlich auf dem Boden dieser Grundannahmen diskutiert, unterrichtet und geforscht. Unsere jungen Wirtschaft Studierenden begeben sich daher, im Normalfall ohne es zu wissen und ohne es zu merken, in ein hermetisch abgeschlossenes Dogmen-Netz, in dem sie gefangen werden und vergeblich zappeln, um wieder herauszukommen.

Das alles geschieht sehr subtil und hochintelligent. Denn alternative Meinungen, Analysen, Empfehlungen existieren in unserem Wissenschaftssystem der Ökonomie de facto nicht mehr, und zwar praktisch ohne, dass es jemand innerhalb der Fakultäten oder in der breiten Öffentlichkeit wirklich merkt. Die allermeisten Hochschul-Ökonomen werden sagen: Ich darf doch denken und sagen und unterrichten, was ich will, wir haben doch Wissenschaftsfreiheit. Das stimmt auch. Aber nur für diejenigen, die es ins System hineingeschafft haben, die sich den Grundannahmen im Vorfeld unterworfen haben. Nicht jedoch für diejenigen, die alternative Meinungen vertreten, die die Axiome kritisieren oder ihnen widersprechen.

Wirklich alternative Meinungen, grundlegend alternative Ansätze existieren in der heute herrschenden Mainstream-Ökonomie nicht mehr. Man diskutiert sie auch praktisch nicht mehr. Man ignoriert sie schlichtweg. Das alles geschieht ganz subtil und leise. Daher erfahren unsere Studierenden auch gar nichts mehr darüber, dass man Ökonomie auch GANZ ANDERS, MENSCHLICHER, denken und analysieren könnte, statt so, wie die jungen Leute es heute unterrichtet bekommen, nämlich stark auf Egoismus bauend, Egoismus propagierend, in den Egoismus treibend – und damit unsere Gesellschaft und die Welt langfristig ruinierend.

Ich möchte in keiner Weise Ökonomie-Kolleginnen oder Kollegen einen persönlichen Vorwurf machen, das liegt mir ganz fern. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen sind sympathisch und angenehm und – wie jeder andere Mensch auch – einfach von ihrer Weltanschauung überzeugt – sonst hätte man sie ja nicht. Aber, worüber die meisten Menschen nicht nachdenken: Auch sie sind in gewissen Sinne Opfer des Systems.

Es geht mir ausschließlich um Systemfragen: Warum unser Wirtschafts-Wissenschaftssystem, besser: -Glaubenssystem so gut, so effizient, so subtil und so brillant intelligent funktioniert im Ausschließen anderer, alternativer, unliebsamer Meinungen, Ansätze und Modelle, nicht um irgendwelche persönlichen Vorwürfe an Ökonomen.

Die sieben Weltanschauungs-Annahmen der heutigen Wirtschaftswissenschaften

Direkt oder indirekt baut unsere gesamtes Wirtschafts-Wissenschaftssystem auf folgenden etwa sieben Grundannahmen oder Axiomen auf:

  1. Zinseszins ist gut, richtig und wichtig
  2. Eigentum in beliebiger Höhe ist wichtig und richtig (property rights- Theorie)
  3. Unternehmen müssen ihre Gewinne maximieren
  4. Konkurrenz und Wettbewerb sind wichtig und gut
  5. Unersättlichkeit (Gier)
  6. Konsumenten folgen dem Modell des homo oeconomicus, sind rational und maximieren ihren Nutzen (Utilitarismus)
  7. Die unsichtbare Hand des Marktes sorgt dafür, dass das egoistische Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer (Haushalte und Unternehmen) in das Wohl der Allgemeinheit überführt wird.

Wissenschaft oder Weltanschauung?

Dass es sich bei diesen sieben Grundannahmen oder Glaubensüberzeugungen nicht um Wissenschaft, sondern um Weltanschauung handelt, kann man sich leicht verdeutlichen:

Statt Unersättlichkeit beziehungsweise Gier könnte man beispielsweise als Leitmotiv über die Volkswirtschafts-Lehrbücher den bekannten Satz von Gandhi schreiben:

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“.[2] Oder Aussagen von Lao Tse: „Es gibt keine größere Sünde als viele Wünsche, es gibt kein größeres Übel als kein Genüge kennen, es gibt keinen größeren Fehler als haben wollen.“[3] Oder man könnte auch Martin Luther zitieren: „Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verlässt und brüstet sich darauf so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißt Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzt, welches auch der allergewöhnlichste Abgott ist auf Erden.“[4]

Wenn dies die Leitmotive unserer Ökonomie-Modelle wäre, dann würden völlig andere Ergebnisse und völlig andere Politik-Empfehlungen herauskommen.

Statt Konkurrenz und Wettbewerb könnte man auch Kooperation betonen, wie es Christian Felber sehr überzeugend tut.[5] Statt unlimitierter Eigentumsanhäufung könnte man eine Obergrenze für Eigentum einführen. Christian Felber schlägt 10 Millionen Euro vor.[6]

Statt Gewinnmaximierung für private Aktionäre könnte man Genossenschaftsmodelle und gemeinwohlorientierte Stiftungen als Geschäftsmodell für Unternehmen vorschlagen.[7] Oder einfach, wie es Anfang der 1980er Jahre noch üblich war, als ich Ökonomie studiert habe: Dass der Zweck von Unternehmen ist, einfach gute Produkte und Dienstleistungen zu erbringen und nicht die Gewinne zu maximieren.

Statt Zinseszins könnte man die Gedanken von Silvio Gesell unterrichten, dass Geld keinen Zinsertrag bringen darf, sondern sich im Wert systematisch verringert, also Freigeld bzw. Schwundgeld statt unser heutiges Fiat-Geld.[8] Oder man könnte die buddhistisch inspirierten Geldmodell-Gedanken von Karl-Heinz Brodbeck[9] diskutieren, der zugleich starker Kritiker der weltanschaulichen Grundlagen unserer Wirtschaftswissenschaften ist, wie beispielsweise der Titel eines seiner Bücher zeigt: „Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie. Eine philosophische Kritik der Wirtschaftswissenschaften.[10] Statt Nutzenmaximierung und Utilitarismus, wie sie vor allem der Nobelpreisträger für Ökonomie Gary Becker propagiert, könnte man Rücksichtnahme, Mitleid und Menschlichkeit propagieren.

Kurz: Man könnte zu allen obigen Axiomen im Grunde genommen auch ziemlich genau das Gegenteil annehmen. Denn es handelt sich hier nicht um Wissenschaft, sondern um Weltanschauung, um religiöse oder irreligiöse Grundüberzeugungen.

Bei Verstoß gegen die sieben Axiome keine Wissenschaftskarriere

Man bekommt in Deutschland (und meiner Einschätzung nach in den allermeisten anderen westlichen Industrieländern) normalerweise keine Professur der Ökonomie, wenn man auch nur gegen eines der Axiome verstößt, geschweige denn, wenn man gleich mehrere in Frage stellt. Das heißt, auf unseren Ökonomie-Lehrstühlen landen praktisch ausnahmslos Menschen, die auf die obigen sieben Axiome ausgerichtet sind. Wer anders denkt bekommt keine Promotion und erst recht keine Habilitation, ja im Regelfall nicht einmal eine Bachelor- oder Masterarbeit. Das heißt nicht, dass die heutigen Lehrstuhl-Inhaber unsympathische oder gar unintegre Menschen wären, im Gegenteil. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne sind von ihren Theorien und Erklärungen überzeugt und glauben, damit den jungen Menschen Gutes und wichtiges Wissen zu unterrichten.

Wie in den Wirtschaftswissenschaften Egoismus propagiert wird

Leider besteht aber de facto der Ökonomie-Unterricht direkt oder indirekt sehr stark im Propagieren von Egoismus. Das zeigen auch diverse Untersuchungen.[11] Von einem der bis heute wichtigsten und einflussreichsten Begründer der neueren Ökonomie, dem Nobelpreisträger Milton Friedman, wird gutes, soziales Verhalten von Managern geradezu verteufelt: Unternehmenslenker, die nicht der Gewinnmaximierung, sondern einem sozialen Gewissen folgen, für Langzeitarbeitslose Beschäftigung schaffen, Diskriminierung verringern, Umweltverschmutzung vermeiden, missbrauchen ihre Macht, sind Heuchler, die anderer Leute Geld – nämlich das der Aktionäre – verschleudern, Betrüger, missachten die Demokratie und untergraben die Grundlagen einer freien Gesellschaft.[12] Kurz: Manager, die Gutes tun, die das Allgemeinwohl fördern wollen statt die Gewinne für die Aktionäre zu maximieren sind böse. Milton Friedman hat heute unter Ökonomen interessanterweise immer noch einen guten Ruf.

Also: Wer Soziales, Verantwortungsvolles, Gutes will, schafft Schlimmes oder Böses und diejenigen am Marktgeschehen beteiligten Akteure, die ausschließlich ihre egoistischen Eigeninteressen verfolgen, fördern gerade dadurch die soziale Wohlfahrt, obwohl sie das gar nicht beabsichtigt haben. Dieser Schlüsselgedanke ist wirklich grandios in seiner Verdrehungskunst. Dadurch wird aller Egoismus in Altruismus überführt. Dadurch wird aller Egoismus im Wirtschaftsleben legitimiert. Dadurch kann man ruhig guten Gewissens Egoismus predigen. Konsequent zu Ende gedacht folgt aus diesem menschheitsschädigenden Gedanken logisch zwingend: Man darf nicht nur, sondern man muss geradezu Egoismus predigen und fördern.

Wirtschaftsethik heute

Im führenden deutschen Lehrbuch zur Wirtschaftsethik wird konsequenterweise genau dieser Schluss gezogen. Christoph Lütge und Matthias Uhl scheuen sich in ihrem 2018 erschienen Buch „Wirtschaftsethik“ nicht, das Hohelied auf den Eigennutz zu singen:

„Man kann das Eigeninteresse – innerhalb der geeigneten Rahmenordnung – gewissermaßen als eine „moderne Form der Nächstenliebe“ begreifen […]. Es gilt also nicht mehr der traditionelle Gegensatz zwischen gutem, altruistischen Verhalten und schlechtem Egoismus.“[13]

Es lohnt sich, auf diese Aussagen genauer einzugehen. Eigeninteresse ist eine moderne Form der Nächstenliebe. Das Wort „Nächstenliebe“ ist eine Anspielung auf das Neue Testament, die Autoren sagen dadurch gewissermaßen: Jesus würde heute Eigenliebe predigen statt Nächstenliebe. Damit sind wir am moralischen Kern angelangt. Das Neue Testament wird in einer seiner Kernaussagen ins Gegenteil gewendet. Das Christentum wird in sein Gegenteil verkehrt. Das gilt aber nicht nur für das Christentum. Auch praktisch alle anderen Religionen bauen auf der Überwindung des Egoismus auf, insbesondere Buddhismus und Islam, aber auch Judentum oder Schamanismus. Die zentralen Aussagen der modernen Ökonomie sind also in ihrem Kern nicht nur antireligiös, sondern religionszerstörend. Denn wenn die Kerntugenden der Religionen zerstört werden, ist das ein Frontalangriff auf die Religion schlechthin. Das zeigt gerade auch der andere Schlüsselsatz im Buch „Wirtschaftsethik“: „Es gilt also nicht mehr der traditionelle Gegensatz zwischen gutem, altruistischen Verhalten und schlechtem Egoismus.“[14]

Ein Kerngedanke praktisch aller Religionen ist die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, wobei fast immer Altruismus mit Gutem, Egoismus mit Bösem verbunden ist. Die Aufhebung dieses Gegensatzes bedeutet die Aufhebung und Verdrehung jeglicher Ethik und Moral in ihr Gegenteil. Das gilt aber nicht nur für die beiden Wirtschaftsethiker oder Philosophen Lütge und Uhl. Sie ziehen lediglich ehrlich die logische Konsequenz aus dem ökonomischen Lehrgebäude. Der lange Zeit wohl bekannteste deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn sagte ganz Ähnliches: „Die Wirtschaft ist keine ethische Veranstaltung. Wer sich ihr mit moralischen Ansprüchen nähert, hat die Funktionsweise der Marktwirtschaft nicht verstanden.“[15] Was Sinn nicht bedenkt: Auch er selbst steht auch einem weltanschaulichen Boden, indem er die sieben Grundaxiome voraussetzt.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Grundlagen unserer heutigen Wirtschaftswissenschaften tief in religiöses, ethisches Gebiet führen, die NICHTS mit Wissenschaft zu tun haben. Diese weltanschaulichen oder religiösen, besser: antireligiösen Grundlagen werden aber selten diskutiert und erst recht nicht ernsthaft in Frage gestellt. Und wer sie in Frage stellt, bekommt keinen Lehrstuhl für Ökonomie, ja nicht einmal einen Doktor in Ökonomie.

Das Lehrsystem der heutigen Ökonomie läuft, logisch konsequent zu Ende gedacht, darauf hinaus, was Lütge und Uhl ehrlich auf den Punkt bringen: Der Gegensatz zwischen gutem Altruismus und schlechtem Egoismus wird aufgehoben und soll aufgehoben werden. Ethik und Moral werden aufgehoben und sollen aufgehoben werden. Das heutige Ökonomie-Gedankensystem, das wohl an den meisten westlichen Hochschulen vertreten wird, ist in seinem Kern unethisch, unmoralisch, unmenschlich und führt meiner Einschätzung nach in die Zerstörung.

Derzeitige Gegenansätze der herkömmlichen Mainstream-Ökonomie kurieren nur an den Symptomen und laufen daher ins Leere

Heute gibt es in den Wirtschaftswissenschaften eine zunehmende Fülle von Theorien und Studiengängen, die sich mit Nachhaltigkeit/ Sustainability, Corporate Social Responsibility, ökologischem Verhalten, externen Effekten usw. auseinandersetzen. Das sind sehr sympathische Ansätze.

Allerdings werden sie meiner Einschätzung nach strukturell ins Leere laufen, so lange die zu Grunde liegenden Axiome nicht aufgehoben werden. Solange beispielweise die Unternehmen zur Gewinnmaximierung gezwungen sind, dürften alle solche gut gemeinten Ansätze versagen. Es führt dann im Wesentlichen zu Greenwashing, das sich immer weiter verbreitet.[16]

Man sollte als Ökonom den Mut haben, das wirkliche Übel zu benennen und zu eliminieren, die falschen, schädlichen Weltanschauungs-Grundannahmen. Gewinnmaximierung, Nutzenmaximierung, Zinseszins, unbeschränkte Vermögensanhäufung, Egoismus und Gier werden dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit, Sustainability, CSR usw. zu Placebo-Maßnahmen degradiert werden, die zu Greenwashing, Heuchelei und Bürokratie führen statt zu einer menschlichen, umweltverträglichen Wirtschaftsweise, wie es viele junge Menschen ersehnen. Dadurch wird den jungen Studierenden Sand in die Augen gestreut statt ihnen die Wahrheit zu sagen. Viele junge Menschen spüren das auch.

Das Grundübel unseres Wissenschaftssystems: Der Staatszwang

Das Kernübel des geschilderten Systems, das dafür sorgt, dass die Axiome nicht angetastet werden können, ist der Staatszwang in unserem Hochschulwesen. Sowohl die Gründung neuer Hochschulen unterliegt sehr hohen staatlichen Auflagen, wie auch der laufende Betrieb: Bestehende Studiengänge müssen durch Staatszwang regelmäßig akkreditiert werden. Die Akkreditierungen erfolgen durch Professoren anderer, verwandter Studiengänge von anderen Hochschulen oder externe Akkreditierungs-Agenturen. Beide, sowohl die Kolleginnen und Kollegen wie die Agenturen sind auf die sieben Grundaxiome ausgerichtet. Wer gegen eines oder gar mehrere der sieben Grundannahmen verstößt, wird nicht akkreditiert und kann damit nicht (mehr) unterrichten. Andersdenkende Studiengänge oder gar Hochschulen werden dadurch heute de facto staatlich verboten.

Das prägt auch die führenden westlichen Ökonomie-Wissenschafts-Journale. Auch hier sind die prüfenden „Reviewer“, die Ökonomen, die entscheiden, ob ein neuer Artikel veröffentlicht wird oder nicht, alle durch die sieben Grundaxiome hindurchgegangen, Bachelor, Master, Promotion, haben sie verinnerlicht und reagieren meist befremdet, wenn jemand eines der Axiome ernsthaft in Frage stellt. Auch die Wissenschaftsjournale zementieren daher die sieben Axiome.

Was wir dringend tun müssten

Es wäre ungeheuer leicht, ein freiheitliches, tolerantes und plurales Bildungssystem aufzusetzen, wo nicht mehr die meisten Unterrichtenden in den Wirtschaftswissenschaften direkt oder indirekt Egoismus predigen müssen: Durch Bildungsgutscheine für alle Studierenden:

Jeder zu einem Studium qualifizierte junge Mensch (nicht nur die Ökonomie-Studierenden) bekommt einen monatlichen Bildungsgutschein, beispielsweise in Höhe der derzeitigen tatsächlichen monatlichen Kosten für das Studium, und kann sich damit bei den Universitäten oder Hochschulen seiner Wahl bewerben. Wird er aufgenommen, erhält die Hochschule die Zahlung durch den Gutschein.

Die Gründung von Hochschulen wird entbürokratisiert und vereinfacht. Die Träger der Hochschulen müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und dürfen nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern beispielsweise als gemeinnützige GmbH oder in einer anderen gemeinnützigen Rechtsform. Wissenschaftsministerien brauchen wir nicht mehr. Das spart Kosten und vor allem eine Unmenge an Bürokratie ein.

Durch Neugründungen von Hochschulen im Zuge des Gutscheinsystems würde das pädagogische und wissenschaftliche Wetteifern der Hochschulen untereinander dafür sorgen, dass sich die besten durchsetzen. Das dürften diejenigen sein, die die besten Hochschullehrerinnen und -lehrer haben und die meisten und besten Bewerber erhalten. Im Laufe weniger Jahre wird sich bei Unternehmen und für den Staatsdienst herausstellen beziehungsweise herumsprechen, welche Hochschulen die geeignetsten Absolventen hervorbringen.

Alle Arten von staatlich verpflichtenden Akkreditierungen – die in der Regel bürokratisch, langwierig, ineffizient und freiheitsberaubend sind – werden überflüssig. Gute, freie Hochschulen – auf dem Boden des Grundgesetzes – werden gute und freie Absolventen hervorbringen, die sich auch im Wirtschaftsleben und im Staatsdienst bewähren werden.

Geben wir unseren jungen Menschen die Chance auf freie, plurale, umfassende, tolerante Bildung! Erziehen wir unsere jungen Menschen zu starken, selbstständig denkenden Menschen! Lasst uns ein unabhängiges, freies und tolerantes Hochschulwesen einführen!

 

Fußnoten

[1] Vgl. Kreiß, Christian, Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft, tredition, Hamburg 2019. Das Buch kann hier komplett kostenlos als pdf heruntergeladen werden: www.menschengerechtewirtschaft.de

[2] https://nachhaltig4future.de/die-welt-hat-genug-fuer-jedermann-beduerfnisse-aber-nicht-fuer-jedermanns-gier-mahatma-gandhi/

[3] https://schuledesrades.org/public/taoteking/sdr-q-5-4-46

[4] Martin, Luther, Großer Katechismus

[5] Vgl. Felber, Christian, Gemeinwohl-Ökonomie Das alternative Wirtschaftsmodell für Nachhaltigkeit, 2010, Deuticke, Wien

[6] Ebd.

[7] Vgl. Siebenbrock Heinz/Kreiß Christian, Blenden Wuchern Lamentieren – Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt, Europa Verlag, München und Berlin 2019

[8] Gesell, Silvio, Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Erstveröffentlichung 1916 oder Helmut Creutz, Das Geldsyndrom – Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft, Erstveröffentlichung 1993

[9] Vgl. Brodbeck, Karl-Heiz, Phänomenologie des Geldes, 2023, Conzett-Verlag, Zürich

[10] Vgl. Brodbeck, Karl-Heinz, 1998, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt

[11] Pühringer, Stephan; Bäuerle Lukas (2018): What economics education is missing: the real world, in: International Journal of Social Economics, in: https://doi.org/10.1108/IJSE-04-2018-0221

[12] Vgl. Friedman, Milton, The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits, the New York Times Magazine, September 13, 1970: Er spricht bei gesellschaftlich verantwortlichem Handeln statt Profitmaxierung durch Manager von „hypocritical window-dressing because it harms the foundation of a free society“, von „fraud“ (Betrug an den Aktionären), von „nonsense (that) … does clearly harm the foundations of a free society“ und von Schizophrenie: „I have been impressed time and again by the schizophrenic character of many businessmen“, und gar von einem „suicidal impulse“, einem selbstmörderischen Impuls, wenn sie nicht die Gewinne maximieren

[13] Lütge, Christoph, Uhl, Matthias (2018), Wirtschaftsethik, München, Vahlen, S.33

[14] Lütge/ Uhl 2018, S.33

[15] Sinn 2005, http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/policy/Staff-Comments-in-the-Media/Interviews-in-print-media/Archive/Interviews_2005/medienecho_369009_ifointerview-NeueOsnabrueckerZeitung-19-04-05.html:

Interview mit Hans-Werner Sinn, Neue Osnabrücker Zeitung, 19.04.2005

[16] Kreiß, Christian, Siebenbrock Heinz (2019), Blenden Wuchern Lamentieren: Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt, Berlin, Europa Verlag. S.166ff.

Christian Kreiß

Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor für BWL mit Schwerpunkt Investition, Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von acht Büchern: Das Ende des Wirtschaftswachstums – Die ökonomischen und sozialen Folgen mangelnder Ethik und Moral (2023); Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD). Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Mitglied bei ver.di und Christen für gerechte Wirtschaftsordnung. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de
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38 Kommentare

  1. Was soll man dazu sagen,
    früher wurde ja auch der Marxismus-Leninismus als absolute Wissenschaft angesehen, die Hybris der Menschen ist grenzenlos.

    1. Der Marxismus hat immerhin die bürgerliche Ökonomie seit Urzeiten d.h. seit Marx kritisiert. Und „absolute Wissenschaft“ ist sowieso ein Pleonasmus. Entweder Wissenschaft oder keine Wissenschaft. Aber Wissenschaft die auf weltanschaulichen Grundannahmen beruht – was soll das sein? Das ist Ideologie, die sich ein Wissenschaftsmäntelchen umgehängt hat. Das Kapital 1-3 sind im Gegensatz zu BWL und VWL wirklich wissenschaftliche Werke, die keine weltanschaulichen Grundannahmen brauchen.

      https://www.contradictio.de/vwl.html

      1. Der Marxismus hat immerhin die bürgerliche Ökonomie seit Urzeiten d.h. seit Marx kritisiert.

        Scheut sich aber leider, die eigenen Modelle (und ihr Scheitern überall wo sie ausprobiert wurden) ebenso hart zu analysieren. Gerade der Marxismus ist fehlerdurchseucht, allein das Klassengeschwätz geht in die vollkommen falsche Richtung und ist eher Soziologie als Analyse der Volkswirtschaft, in Psychologie war der gute Mann auch nicht so besonders helle, beides braucht man nichtdestotrotz für gute VWL-Theorien, aber man kann sie nicht allein darauf konstruieren und falsche Vorannahmen wirken sich in der Praxis eben leicht katastrophal aus.

        Die Vergottung von Marx (statt seine Theorien genauso kritisch unter die Lupe zu nehmen), halte ich für den Kardinalfehler vieler Linker (wahrscheinlich weil Marx kompliziert zu verstehen ist und der Anschein einer grundlegenden Alternative einfach zu verlockend ist, um darauf zu verzichten).

        Aber gut, das müssen wir nicht ausdiskutieren, ich bin kein Theoretiker, schon gar nicht marxistischer, wahrscheinllich hat Marx einige Punkte richtig erkannt, die Melange ist jedenfalls ziemlich unbekömmlich.

        Aber Wissenschaft die auf weltanschaulichen Grundannahmen beruht – was soll das sein? Das ist Ideologie, die sich ein Wissenschaftsmäntelchen umgehängt hat.

        Na ja, wenn wir ehrlich sind, gibt es so gut wie keine Wissenschaft, die nicht auf weltanschaulichen Grundannahmen bzw. Axiomen beruht. Die Frage ist eher, wie offen ist die Wissenschaft, wenn sich die Grundannahmen als falsch erweisen, bzw. wie intensiv prüft man seine Modelle und Theorien daraufhin? Oder prüft man sie gar nicht, leitet aber weitreichende Forderungen daraus ab?

        1. du machst marx lenin und stalin zum vorwurf, sagst aber selbst du seist kein theoretiker. recht hast du. genausogut könnte man oppenheimer die abwürfe auf japan vorwerfen.

  2. DIE WELT IST SO, WEIL ES ÖKONOMEN GIBT..

    Das sage ich schon länger – und stimme mit dem Author völlig überein.

    Ich mußte selbst in meinem Studium (TU) BWL/VWL studieren…

    Wissenschaft dient der Gesellschaft – Ökonomie lehnt aber Moral ab. Jedem dürfte daher klar sein, daß keine Gesellschft ohne Moral länger friedlich zusammen leben kann…

    Ökonomie ist auch richtig ein Regelwerk – und keine Wissenschaft. Sie ist ein Glaube, der nur funktioniert, wenn die erwähnten Axiome eingehalten werden. Damit liegt ein klassischer Zirkelschluß vor – und der ist alles andere als wissenschaftliche Methode und schon gar nicht ergebnisoffen…

    Meine schlechte Meinung über Ökonomen kommt auch daher, daß ich täglich in den Nachrichten erlebe, wie Ökonomen bei der Monetarisierung „entgangenen Nutzens“ versagen. Alle Probleme der heutigen Zeit kommen daher, daß Ökonomen in der Vergangenheit geschlampt haben. Wenn Ingenieure und Mediziner die gleiche Möglichkeit hätten, so zu pfuschen, wäre die Welt längst am Ende…

    Problem ist also, daß Ökonomie abseits der Öffentlichkeit unlegitimiert in irgendwelchen Bilanzen abläuft. Dazu kommt noch, daß Ökonomie kein Schulfach ist – und daher von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt und unkontrolliert abläuft. Ökonomie ist Staat im Staat – wahlweise tiefer Staat.

    Ökonomen haben das Privileg, Andere für ihr Versagen zahlen zu lassen: „Gewinn privatisieren, Kosten sozialisieren“. Sie verkaufen Gewinn auch dann noch als Erfolg, wenn es tatsächlich nur ein Tausch war!

    Methodische Fehler überall. Ökonomie ist nicht legitimierte Machtausübung – muß man immer wieder tadeln. Denn zwei Dinge regeln ausschließlich meinen Tagesblauf: der PREIS und das GESETZ.

    Mein alter Herr (Analytiker, Physik…) hat immer erwähnt, daß Demokratie wäre, wenn das Volk über die Verteilung der Mittel bestimmen würde.

    Ökonomen erledigen das inzwischen für UNS…

    Merkt ihr was? Ökonomen verkaufen uns etwas, das uns sowieso gehört…

    Aber hey, wozu Moral…

    😉

    1. jede wissenschaft lehnt moral ab, sonst wäre sie keine. seufz. du solltest mal unterscheiden lernen zwischen mitgefühl und moral, das ist nämlich NICHT ganz dasselbe. oder auch ziemlich das gegenteil.

  3. Der Artikel enthält einige Passagen aus dem, den Herr Kreiß schon am 02.06 unter anderer Überschrift gebracht hat:
    https://overton-magazin.de/hintergrund/wissenschaft/wie-frei-sind-unsere-universitaeten/

    Ich erspare mir einen tieferen Kommentar, auch weil ich nicht weiß, was an den Unis derzeit in Sachen VWL gelehrt wird. In anderen Fächern sieht es um den Realismusbezug auch nicht besonders rosig aus, ob man dem mit Bildungsgutscheinen abhelfen kann: keine Ahnung, ich halte das Konzept für eher problematisch, denn es fehlen jetzt schon Standards und z.B. ein Prüfungsrecht, welches den Namen verdient. Mit so einem Konzept wird u.U. alles noch weit beliebiger und der Uni-Wahl von Studenten unterworfen, gaaaanz schlechte Idee, weil in dem Alter jegliche Lebenserfahrung fehlt.

    Für mich zielt das auf linke Universitäten ab, die sich von Steuergeld aushalten lassen. Ich bin nach wie vor eher dafür, VWL wissenschaftlich zu machen. Wenn die angeblichen Axiome sich nicht belegen lassen, kann man sie nicht zur Voraussetzung nehmen, wenn sie sich belegen lassen, dann bringt es nichts, sie zu ersetzen… Was wir definitiv nicht brauchen sind weitere comfirmation-BIAS-Fächer wie „gender studies“ oder „colonialism studies“, die in erster Linie ihre Vorurteile und ihr Wunschdenken durch selektive Quellenauswahl und Wortgeklingel belegen wollen. Diese Art von Pseudowissenschaft hat vollkommen überhand genommen, spaltet die Gesellschaft und kostet jede Menge Geld, welches in ergebnisoffener Forschung eindeutig besser (bzw. zum Vorteil aller) angelegt wäre…

    1. „Wenn die angeblichen Axiome sich nicht belegen lassen, kann man sie nicht zur Voraussetzung nehmen, wenn sie sich belegen lassen, dann bringt es nichts, sie zu ersetzen…“

      Was die Wikipedia dazu sagt:
      Ein Axiom ist ein Grundsatz einer Theorie, einer Wissenschaft oder eines axiomatischen Systems, der innerhalb dieses Systems weder begründet noch deduktiv abgeleitet, sondern als Grundlage willentlich akzeptiert oder gesetzt wird.
      Da es sich bei der Ökonomie um eine „Gesellschaftswissenschaft“ *), also im engeren Sinne nicht um eine Wissenschaft, sondern um Politik handelt, sind die Axiome dieser „Wissenschaft“ rein politisch intendiert.

      Wenn übermorgen der Adel wieder das politische Zepter übernimmt, sind plötzlich Leibeigenschaft und Lehnswesen „Grundlage jeder erfolgreichen Ökonomie“.

      *)
      Ich erwarte von einer „Wissenschaft“ als Mindestvoraussetzung, dass sie das Verhalten ihres Untersuchungsgegenstandes in der Zukunft voraussagen kann.
      Frag mal einen Ökonomen nach den Börsenkursen von morgen.

      1. Ja,

        Ein Axiom ist ein Grundsatz einer Theorie, einer Wissenschaft oder eines axiomatischen Systems, der innerhalb dieses Systems weder begründet noch deduktiv abgeleitet, sondern als Grundlage willentlich akzeptiert oder gesetzt wird.

        Die erwähnten bzw. behaupeten „Axiome“ aus dem Artikel sind:

        Zinseszins ist gut, richtig und wichtig
        Eigentum in beliebiger Höhe ist wichtig und richtig (property rights- Theorie)
        Unternehmen müssen ihre Gewinne maximieren
        Konkurrenz und Wettbewerb sind wichtig und gut
        Unersättlichkeit (Gier)
        Konsumenten folgen dem Modell des homo oeconomicus, sind rational und maximieren ihren Nutzen (Utilitarismus)
        Die unsichtbare Hand des Marktes sorgt dafür, dass das egoistische Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer (Haushalte und Unternehmen) in das Wohl der Allgemeinheit überführt wird.

        Das ist eine wilde Mischung und ich glaube auch nicht, dass es sich um mehr als eine Behauptung handelt, ich glaube nicht, dass es tatsächliche Axiome der VWL sind, aber Herr Kreiß möge mich eines Besseren belehren.

        Viele dieser angeblichen Axiome lassen sich be- oder widerlegen, nicht unbedingt in der VWL (weil eben innerhalb des Modells nicht nachweisbar, wenn ein Axiom), aber z.B. in der Psychologie, dass der Mensch nicht ausschließlich ein homo oeconomicus ist, wurde m.W. z.B. schon mit der Spieltheorie nachgewiesen:
        https://ockenfels.uni-koeln.de/fileadmin/wiso_fak/stawi-ockenfels/pdf/Presse/Die_Wirtschaft_ist_nichts_weiter_als_ein_Spiel.pdf

        Wäre die VWL eine Wissenschaft, müsste ab dem Moment ein solches Axiom damit obsolet sein.

        Wäre VWL eine Wissenschaft, dann müsste sie Zusammenhänge wie „Konkurrenz und Wettbewerb sind wichtig und gut“ untersuchen und belegen können, anstatt dämliche Modelle und „Denkschulen“ aufzustellen. Hier liegt zumindest eine Ableitung aus der Geschichte (Kartelle/Monopole vs. Wettbewerb bzw. Planwirtschaft vs. Wettbewerb) nahe und ist zumindest oberflächlich plausibel.

        Ernsthafte Wissenschaft ginge trotzdem anders. Auch ein aufgestelltes Modell müsste seinen Realitätsbezug beweisen, seine Vorhersagekraft. Meines Wissens ist es etwa bei der Neoklassik nicht weit her damit… ein Modell aus Versatzstücken und falschen Vorannahmen taugt für sowas halt nicht.

        Herr Kreiß schwebt (wenn ich ihn richtig verstehe) aber ganz dasselbe vor, nur mit anderen Axiomen. Das würde das Problem also höchstens verlagern.

        1. Herr Kreiß plädiert für ergebnisoffene Wissenschaft, die durch die von ihm aufgeführten Axiome verunmöglicht wird.
          Die Axiome ergeben sich aus der herrschenden Ideologie. Schon der Begriff des freien Marktes, der angeblich das Optimum garantiert, solange niemand reinredet, ist reines Wunschdenken, den hat es nämlich zumindest seit Tausend Jahren noch nie gegeben. Märkte entstehen erst dann, wenn die politischen/gesellschaftlichen Akteure sie schaffen bzw. zulassen.
          Auf dem neuen Campus meiner alten Uni prangt auf güldenen Tafeln am Vorlesungsgebäude, wer die Lehrinhalte der Wirtschaftswissenschaftler finanziert. Da kann man vorne schon sehen, was hinten rauskommt.
          Ihr Wissenschaftsbegriff scheint zwanghaft mit weißen Kitteln und Laboren verbunden zu sein.
          Was sollten z.B. Sprachwissenschaftler vorhersagen können?
          Wenn Dinge zu komplex sind, um sie im Labor nachzubilden und genau vorherzusagen, sollte man dann erst gar keine Wissenschaft betreiben und stattdessen auf Astrologie oder Religion setzen?

          1. Herr Kreiß plädiert für ergebnisoffene Wissenschaft, die durch die von ihm aufgeführten Axiome verunmöglicht wird.

            Nein, ich zitiere ihn mal:

            Wenn dies die Leitmotive unserer Ökonomie-Modelle wäre, dann würden völlig andere Ergebnisse und völlig andere Politik-Empfehlungen herauskommen.

            Das hätte mit Wissenschaft genausowenig zu tun, wäre ebenfalls nicht ergebnisoffen und basierte ebenso nur auf (u.U. falschen) Vorannahmen. Es wäre ein „Narrativwechsel“, so ein Poststrukturalismus-Ding, wir behaupten einfach irgendwas, was uns besser gefällt und dann wird es quasi von selbst Realität (und wehe wenn nicht, dann gibts Sprachzensur und ÖRR-Propaganda!1!!), dieser Ansatz ist eben nicht auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet, sondern rein ideologisch…

            Auf dem neuen Campus meiner alten Uni prangt auf güldenen Tafeln am Vorlesungsgebäude, wer die Lehrinhalte der Wirtschaftswissenschaftler finanziert. Da kann man vorne schon sehen, was hinten rauskommt.

            Fremdfinanzierung und Korruption sind ein ernsthaftes Problem, in jedem Bereich der Wissenschaft.

            Ihr Wissenschaftsbegriff scheint zwanghaft mit weißen Kitteln und Laboren verbunden zu sein. Was sollten z.B. Sprachwissenschaftler vorhersagen können?

            Wenn ein Sprachwissenschaftler eine vermeintliche Wahrheit entdeckt hat, dann lässt sie sich recht leicht prüfen, indem man sie auf existierende Texte anwendet und sieht, ob sie zutrifft. Das hat nichts mit Kitteln und Laboren zu tun, sondern nur damit, ob man wissenschaftlich arbeitet oder nicht. Eine Erkenntnis, die sich nicht belegen lässt, ist nämlich keine. Das Problem bei der VWL ist (ähnlich wie z.B. bei der „Klimawissenschaft“) ihre hohe Komplexität und deswegen die schwierige Überprüfbarkeit von Hypothesen und Modellen… wer es hingegen aufgibt, das wenigstens zu versuchen, hat schon verloren. Die Neoklassik hat (abgesehen vom homo econ.) noch ganz andere Kracher im Programm, die man getrost als in der Realität widerlegbare Axiome ansehen kann, oder genauso schlimm: als blinde Flecken im Modell (z.B. die Geldschöpfung), kümmert die entsprechenden Professoren aber offenbar nicht die Bohne.

            Wenn Dinge zu komplex sind, um sie im Labor nachzubilden und genau vorherzusagen, sollte man dann erst gar keine Wissenschaft betreiben und stattdessen auf Astrologie oder Religion setzen?

            Nein, man sollte sich in Demut üben, weiter forschen (Feldstudien) und nicht anderen Tips geben, wie es angeblich funktioniert, wenn man es eigentlich gar nicht weiß bzw. beweisen kann. Gerade die VWL ist in dieser Hinsicht leider alles andere als zurückhaltend und hat m.E. eine Menge Schaden mit blödsinnigen Behauptungen und Politikertipps angerichtet…

            Und ja, ein gerüttelter Teil davon mag Zeitgeist sein oder herbeikorrumpiert, das vermag ich mangels Einblick nicht zu beurteilen. Die Intention, Wirtschaftszusammenhänge verstehen zu wollen, halte ich aber, zumindest von Seiten der Politik, durchaus für aufrichtig (ist es doch nötig, um sinnvolle wirtschaftspolitische Maßnahmen ergreifen zu können).

            1. Nehmen wir den Punkt, Unternehmen müssen ihre Gewinne maximieren. Damit wird lt. Kreiß verhindert, Forschung zu Unternehmen mit anderen/weiteren Prämissen durchzuführen. Dabei verstehe ich ihn keineswegs so, daß man, weil er eine Gemeinwohlorientierung bevorzugt, deswegen nicht mehr über gewinnmaximierende Unternehmen forschen darf. Es geht letzendlich darum, andere Prämissen überhaupt zuzulassen.

              Die Politiker kommen mir bei ihnen zu gut weg. Glauben Sie ernsthaft, die wollten noch wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen? Erinnere mich an eine Veranstaltung vor etwa 20 Jahren, da konnte ich noch den meisten Parteien eine wirtschaftliche Grundeinstellung zuordnen. Gleiche Aufgabe heute, würde ich sie alle der gleichen Einstellung zuordnen. Und das ist letzendlich u.a. das Ergebnis der Zustände, die Kreiß beschreibt. Herr Lindner bspw. hat keine Ahnung von Ökonomie, er ist aber Kreuzritter der reinen Ideologie. Da die jedoch inzwischen von allen vertreten wird, wurde er schlicht überflüssig. In der Union gab es mal einen Arbeitnehmerflügel, der ist jetzt weg. Ich erspare es uns, jetzt alle einzeln durchzugehen, Ergebnis ist immer dasselbe.

  4. Der Artikel benennt sieben Glaubenssätze der heutigen VWL und zeigt, wie sie das fachliche Denken einengen. Bitcoin wirkt hier wie ein Reagenzglasversuch, in dem sich jedes einzelne Axiom unter abweichenden Bedingungen beobachten lässt – oft mit überraschendem Resultat.

    Beim Thema Zinseszins steht das Netzwerk quer zur traditionellen Kreditlogik. Es erzeugt sein Geld nicht durch Schuld­aufnahme, sondern ausschließlich durch die Ausgabe neuer Münzen nach einem fest hinterlegten Zeitplan. Weil die Gesamtmenge von vornherein begrenzt ist, endet der Wachstumszwang, der im Fiat-System durch ständig rollende Schulden entsteht. Investoren können natürlich auch in Bitcoin Kredit geben, doch das Basisprotokoll selbst speist keine exponentielle Zinsmaschine.

    Die gegensätzliche Sicht auf Eigentum zeigt sich daran, dass Vermögens­besitz zwar nicht gedeckelt, aber komplett entprivilegiert ist. Wer große Bestände akkumuliert, hat weder Zugriff auf eine Druckerpresse noch auf einen Staats­apparat, um die eigene Position auszubauen. Der Schutz vor Verwässerung gilt für jede Wallet identisch, unabhängig von Größe oder sozialem Rang. Damit verschiebt sich der Fokus von Rechtstiteln auf Selbst­verantwortung: Was ich halte, muss ich selbst sichern.

    Eine weitere Bruchlinie verläuft bei der Gewinn­maximierung. Im Bitcoin-Universum existiert für Miner durchaus ein Gewinnziel, doch ihr Werkzeugkasten ist radikal reduziert. Sie können keinen Gesetzgeber bestechen, keine Lieferanten monopolisieren und keine Buchungs­tricks erfinden; sie konkurrieren ausschließlich über effizientere Energie­umwandlung. Das trennt das Streben nach Ertrag von vielen schädlichen Neben­effekten, die im konventionellen System zum Alltag gehören.

    Konkurrenz bleibt dabei scharf, erhält aber eine neuartige Einhegung. Der Proof-of-Work-Mechanismus lenkt Rivalität in einen hoch technischen Wettlauf um Hashrate, bei dem Verluste in Kilowattstunden, nicht in gekündigten Jobs oder zerstörten Lebens­grundlagen verbucht werden. Das schmerzt im Strompreis, nicht im Sozial­gefüge. Wirtschaftlicher Wettbewerb findet weiterhin statt, aber in einer regelbasierten Arena, die politische Einflussnahme nur sehr begrenzt zulässt.

    Die Kritik an unersättlichem Konsum bekommt ebenfalls ein alternatives Umfeld. Bitcoin preist Knappheit ein und macht sie dauerhaft glaubwürdig. Sparen bedeutet nicht mehr, einer schleichenden Entwertung davonzurennen, sondern schlicht zu warten. Das nimmt der Gier das institutionelle Futter: Wenn Wert nicht permanent wegschmilzt, verliert expliziter Besitzdrang an Dringlichkeit, und Zeitpräferenz kann sinken. Viele Bitcoiner berichten genau darüber – sie entdecken einen neuen Reiz des „genug“.

    Der Homo oeconomicus tritt im Protokoll einen Schritt zurück. Das Design geht davon aus, dass kein einzelner Akteur das komplexe Spiel aus Angebot, Nachfrage und technischer Innovation zuverlässig beherrschen kann. Statt dessen wird eine feste Geldbasis hinterlegt und die Anpassungs­arbeit völlig dem Netz­werk überlassen. Entscheidend ist nicht, wie rational der Einzelne kalkuliert, sondern dass alle gemeinsam eine verlässliche Abstandshalterin gegen politische Willkür besitzen. Der Markt als Ganzes wird zur Erkenntnis­instanz, nicht die hypothetisch allwissende Person.

    Schließlich ersetzt eine sichtbare, unabänderliche Regel die berühmte unsichtbare Hand. Weil niemand die Geldmenge nachträglich korrigieren kann, entfällt der ständig schwelende Streit um die „richtige“ Dosis Geld. Das senkt den Bedarf an paternalistischer Steuerung und macht ökonomische Koordination transparenter. Der Preis lenkt Ressourcen nicht, weil Behörden ihn arrangieren, sondern weil Millionen Nutzer ihn Tag für Tag bestätigen.

    Bitcoin ist damit kein perfektes Gegen­modell, wohl aber ein beständiges Experimentierfeld, das zeigt: Wenn man an den Grundpfeilern rüttelt, entsteht nicht Chaos, sondern eine anders geordnete Welt. Wer über Pluralität in den Wirtschaftswissenschaften spricht, kommt kaum darum herum, dieses laufende Großprojekt in die Betrachtung einzubeziehen.

    1. Dem ist eigentlich nicht mehr hinzuzufügen …
      außer evtl. das Paradoxon, dass das gewollte Misstrauen („Don’t trust, verify“), das der Idee immanent ist, in seiner stringenten Konsequenz dazu führt, dass ich als Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerks wieder vertrauen kann – nämlich dass es einfach funktioniert 🙂 …

  5. „Denn praktisch alle unsere heutigen wissenschaftlichen Analysen, Modelle, Aufsätze und Politik-Empfehlungen zu oder über Ökonomie* im weitesten Sinne ruhen auf einer kleinen Anzahl weltanschaulicher Grundannahmen oder Axiome.“
    *Gibt es wissenschaftliche Analysen darüber, weshalb diese Analyse auf Ökonomie begrenzt ist?🤔

    „Statt unlimitierter Eigentumsanhäufung könnte man eine Obergrenze für Eigentum einführen. Christian Felber schlägt 10 Millionen Euro vor.“
    Wäre überdenkenswert.
    Aber bei der Terminierung auf den exakten Beginn: wenn die Hölle zufriert, oder Weihnachten und Ostern zusammen fallen, gäbe es Diskussionsbedarf.☝️

    „Statt Unersättlichkeit beziehungsweise Gier könnte man beispielsweise als Leitmotiv..“?
    Unersättlichkeit und Gier lagen/liegen dem Menschen prinzipiell völlig fern.
    Wer kennt ihn nicht; den sozial ausgeprägten Umgang (selbst im privaten Umfeld), wenn es um das einzige, letzte, größere, schönste Stück (von was auch immer) oder eine Extrawurst bzw. mehr von etwas geht:
    „Bitte, du zuerst; nein – es gebührt dir; nein dir, du sollst es haben; nein du….etc.

    „Oder einfach, wie es Anfang der 1980er Jahre noch üblich war, als ich Ökonomie studiert habe: Dass der Zweck von Unternehmen ist, einfach gute Produkte und Dienstleistungen zu erbringen und nicht die Gewinne zu maximieren.“ 😬
    GM vs Ford „erfand“ bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die ‚Geplanten Obsoleszenz‘, um Produktion/Umsätze stetig zu steigern und Gewinne konstant zu maximieren, an der sich seither branchenübergreifend ALLE/Industrienationen orientieren.
    Aber noch in den 80er Jahren soll in Deutschland das Gegenteil der Fall gewesen sein? Der war gut.😂

    „Solange beispielweise die Unternehmen zur Gewinnmaximierung gezwungen sind,“ 😱

    „Erziehen wir unsere jungen Menschen zu starken, selbstständig denkenden Menschen!“
    Und wer, weil die Basis(Eltern) bekanntlich raus und unverantwortlich sind, soll den Job stellvertretend übernehmen?
    Aaaah ja – jetzt verstehe ich endlich den „Mangel an Fachkräften“. 👍

  6. Schon interessant, dass wir in unserer Kultur den Begriff „Mammon“ als Synonym für Geld verwenden, ohne zu verstehen, welche tiefe Weisheit sich darin befindet.
    „Mammon“ kommt nämlich ursprünglich aus dem Alt-Aramäischen, und bezeichnete den Dämon der Täuschung, Lüge und der Unwahrheit.
    Die Täuschung, die Lüge und die Unwahrheit sind nämlich sehr unterschiedliche Eigenarten ein- und desselben Egregoren 😇

    1. Danke für „Egregor“ kannte ich noch gar nicht:

      „Ein Egregor, auch Eggregore oder Egregora, ist in einigen esoterischen und okkulten Lehren eine Bezeichnung für eine metaphysische Entität oder ein Trugbild, das durch kollektive menschliche Gedanken und Willenskraft geschaffen wurde. Diese Wesenheiten werden als von Menschen erschaffen im Gegensatz zu Wesen, die von Gott geschaffen wurden, betrachtet.“

      Es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass so etwas möglich ist.

      1. Alles Vorstellbare ist möglich.
        Und ob aus Möglichem Wirkliches wird, hängt alleine von der Vorstellungskraft ab.
        Hierin unterscheiden sich aber sowohl Individuen, als auch Kollektive in erheblichem Maße.
        Die meisten sehen meist sogar den Wald vor lauter Bäumen nicht 😉
        Das augenblickliche „Weltgeschehen“ ist zB für die meisten Menschen eine unglückliche Verkettung von Zufällen- hier im Sinne von Koinzidenzen.
        Das liegt an ihrem rationalen Kausalitäts-Verständnis, bzw ihrer polaren/ dualistischen Weltsicht.
        Für die Wenigen aber ist die hier wirkende Ordnungskraft des sog. Chaos bereits unmittelbar erkenntlich.
        Gleichnisse lassen sich laut allgemeiner Lehrmeinung ja angeblich nicht beweisen.
        Dennoch erleben wir gerade die Endphase, und somit den „empirischen Beweis“, der Inkrafttretung von Matthäus 13, also des Gleichnisses vom Weizen unter dem Unkraut (diese Verdrehung meinerseits ist beabsichtigt 😇)
        Man könnte auch sagen, dass die „Egregoren“ gerade dabei sind, ihre jeweiligen Vertrauten, bzw Gläubiger feinsäuberlich voneinander zu trennen- aber natürlich nicht im räumlichen Sinne.
        Also, allzuviel Abstraktionsfähigkeit, um hier den Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit zu erkennen, ist gar nicht nötig 😉

  7. Die klassische VWL erzählt ihre Geschichte gern so, als ließe sich die Wirtschaft durch logisch sortierte Gleichungen einhegen. Dahinter steht die stille Annahme, der Mensch könne – wenn er nur genügend Daten sammelt – die Ströme von Gütern, Geld und Motivation fast wie ein Ingenieur vor- und zurückrechnen. Bitcoin dreht diese Perspektive um. Es nimmt den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik – die unausweichliche Zunahme von Entropie – nicht als lästige Randfigur, sondern als Hauptakteur auf die Bühne. Alles Fließen von Werten muss Energie kosten, sonst bliebe es beliebig manipulierbar. Erst der gut sichtbare Preis in Kilowattstunden schafft die Verbindlichkeit, auf der das gesamte Protokoll ruht.

    Damit verabschiedet sich das Netz gleich zu Beginn von der Idee eines allwissenden Homo oeconomicus. Jeder Nutzer, jede Node, jeder Miner weiß nur einen winzigen Ausschnitt; der Markt insgesamt ist das Rechenwerk, das Information verdichtet. Wer heute einen Block schürft, zwingt sein Gerät nicht etwa dazu, „Wahrheit zu finden“, sondern dazu, Rauschen in Form von Hash-Versuchen zu erzeugen. Die Wahrheit liegt allein darin, dass es keiner nachträglich ändern kann, ohne erneut dieselbe energetische Hürde zu nehmen. So wird die thermodynamische Entropie zur ökonomischen Fessel gegen Willkür.

    Im konventionellen System sorgt die Kredit-Rückzahlungspflicht dafür, dass Geldbestände ständig wachsen müssen, um die Zinslast nicht in Zahlungsausfälle kippen zu lassen. Die Beschleunigung ist eingebaut – und weil Energie in dieses Design kaum eingepreist wird, übersieht man leicht, was der zweite Hauptsatz daraus macht: Die Schuldendynamik schlägt sich in immer intensiverer Ressourcennutzung nieder. Bitcoin legt das Preisschild offen. Jede zusätzliche Einheit Wert entsteht nur, wenn jemand realen Aufwand treibt, der seinen Ertrag rechtfertigt. Die Geldmenge selbst bleibt stur begrenzt, doch die Marktkapitalisierung schwankt, weil Enthaltenes auf dem freien Markt bewertet wird, nicht weil ein Notenbankrat es in die Bücher schreibt.

    Gerade darin liegt die Pointe für das Eigentum. Groß halten kann zwar jeder, aber nichts daran ist privilegiert: Hält ein Wal fünfzigtausend Münzen, speichert er bloß privaten Schlüsseltext – keine Sonderkondition, keinen garantierten Rettungsschirm. Er kann seine Macht nicht in neues Geld umwandeln und muss dieselben Regeln akzeptieren wie die kleinste Spar-Wallet. Eigentum wird nicht gedeckelt, aber es wird energetisch neutralisiert. Wer mehr will, muss denselben thermodynamischen Tribut zollen oder andere überzeugen, ihm freiwillig Wert zu übertragen.

    Das Gewinnmotiv bleibt erhalten, nur die Spielfläche sieht anders aus. Ein Miner, der Profit machen möchte, knobelt an einer Gleichung, deren Schwierigkeit das Netzwerk automatisch nachregelt. Er kann weder Behörden noch Lieferketten noch Buchhaltungs­normen manipulieren; die einzige Schraube ist technische Effizienz. Gier ist nicht eliminiert, aber sie wird auf eine physische Arena beschränkt, in der zusätzlicher Nutzen nur dann entsteht, wenn irgendwo tatsächlich Strom in Rechen­arbeit fließt. So entsteht Wettbewerb, bei dem Verluste in Joule gemessen werden, nicht in entlassenen Angestellten oder vernachlässigten Umweltauflagen.

    Aus dieser Einhegung folgt eine neue Sicht auf Konsum. Wenn Geld nicht unmerklich verwässert wird, verliert der Reflex, alles sofort in Sachwerte umzuschichten, einen Teil seiner Dringlichkeit. Viele Bitcoiner berichten, dass sie ihre Zeitpräferenz senken – also heute weniger verbrauchen, weil sie dem morgen gelassen entgegensehen können. Das ist kein moralisches Gebot, sondern eine Folge des fixen Angebots: Was knapp ist, gewinnt durch Warten an Kaufkraft, wodurch Hyperkonsum nicht politisch, sondern thermodynamisch entmutigt wird.

    Die berühmte „unsichtbare Hand“ wird im Protokoll nicht überlistet, sondern formeller gemacht. Bitcoin ersetzt Vertrauen in künftige Entscheidungen durch einen einmalig festgelegten Algorithmus. Der Marktpreis bleibt frei, doch die Geldbasis ist endgültig. So müssen politische Kontroversen nicht mehr um die Frage kreisen, wie viel zusätzliches Geld geschaffen werden darf; sie verschieben sich auf realwirtschaftliche Debatten, wo Energie, Material und Arbeitszeit unübersehbar aufscheinen.

    Auf diese Weise stellt das Netzwerk jede der sieben vom Artikel kritisierten Grundüberzeugungen in Frage, ohne große Theorieprojekte aufzutürmen. Es führt schlicht ein Betriebssystem vor, das unter entropischen Zwängen funktioniert und gleichzeitig zeigt, dass Märkte auch dann stabil sein können, wenn man dem Einzelnen kein hellsichtiges Kalkül zuschreibt. Die Koordination entsteht aus Millionen beschränkter Perspektiven, nicht aus einer zentralen Stoßrichtung.

    Dass sich dieses Modell nicht auf alle Lebensbereiche kopieren lässt, versteht sich von selbst; niemand schürft Krankenhausbetten oder Kinder­erziehung in Blöcken. Aber als Gegenbeweis, dass wirtschaftliches Ordnen zwingend expansions­hungriges Geld, permanente Kreditpyramiden und zentralplanerische Zinspolitik braucht, ist es längst erbracht. Der Mensch bleibt fehlbar, der zweite Hauptsatz unüberwindbar – und doch entstehen Strukturen, die Vertrauen ersetzen können, indem sie die Kosten aller Manipulation sichtbar machen.

    Vielleicht liefert gerade diese radikale Beschränkung – die Einsicht, wie wenig der Einzelne begreift und wie strikt die Naturgesetze sind – die wichtigste Lehre. Wo der homo oeconomicus in universitären Modellen allwissend kalkuliert, schreibt Bitcoin jeden Block als Erinnerung, dass niemand die Aggregate im Voraus kennt. Der Markt lernt sekunden­weise, unter Energieverbrauch und mit offenem Ausgang. Wer das einmal beobachtet hat, wird schwerlich zufrieden sein mit Lehrbüchern, die immer noch so tun, als seien steigende Zinsreihen und schrankenlose Eigentums­verdichtung zwingende Gravitations­konstanten der Ökonomie.

    Weltanschauung ja – aber nicht alternativlos. Bitcoin zeigt, dass man denselben zweiten Hauptsatz, der in herkömmlichen Modellen meist ignoriert wird, als solide Grundmauer eines ganz anderen Geldes nutzen kann. Und gerade weil dieses Geld seinen Teilnehmern keinerlei Allwissenheit unterstellt, rückt der Fokus dorthin, wo er immer hingehört hat: auf die Begrenztheit von Ressourcen, die Unplanbarkeit menschlicher Bedürfnisse und die Notwendigkeit, Entropie als unverhandelbaren Preis jeder Wertschöpfung anzuerkennen.

    1. Ich teile deinen optimistischen Blick auf „Cryptos“ nicht.

      Im konventionellen System sorgt die Kredit-Rückzahlungspflicht dafür, dass Geldbestände ständig wachsen müssen, um die Zinslast nicht in Zahlungsausfälle kippen zu lassen. Die Beschleunigung ist eingebaut – und weil Energie in dieses Design kaum eingepreist wird, übersieht man leicht, was der zweite Hauptsatz daraus macht: Die Schuldendynamik schlägt sich in immer intensiverer Ressourcennutzung nieder. Bitcoin legt das Preisschild offen. Jede zusätzliche Einheit Wert entsteht nur, wenn jemand realen Aufwand treibt, der seinen Ertrag rechtfertigt.

      Das tut aber niemand, einen BTC zu erzeugen, ist keine Arbeit die irgendwie nützlich wäre und die man verkaufen könnte. Cryptos sind reine Spekulationsobjekte. Meines Wissens gibt es für BTC eine Obergrenze an „Coins“, angesichts der Kursexplosion des BTC ist diese offenbar vollkommen vernachlässigbar, und spätestens wenn alle errechnet wurden, wird die Währung rezessiv, was du so schön mit

      „Was knapp ist, gewinnt durch Warten an Kaufkraft, wodurch Hyperkonsum nicht politisch, sondern thermodynamisch entmutigt wird“

      Was du als „Hyperkonsum“ umschreibst und entmutigen willst, ist dasselbe Phänomen, in welches du bei einer Liquiditätskrise (nach Keynes) schlitterst, dasselbe Problem, welches die Goldbindung (aufgrund Goldmangels) obsolet machte: diejenigen die Geld horten (also die Reichen) werden ohne zutun und von selbst immer reicher und reicher. Während Nachrücker chancenlos sind, jemals in die selben Regionen aufzusteigen. Das ist nicht nur unglaublich ungerecht, es würgt auch die Wirtschaft ab, denn wenn Geld immer an Wert gewinnt, konsumiert niemand mehr, wenn nicht konsumiert wird, werden Menschen arbeitslos und können selbst ihre Grundbedürfnisse nicht mehr stillen: man hat eine Wirtschaftsdepression. Geliehenes Geld/Cryptos werden hingegen so wertvoll, dass man die Summe (nachdem man sie investiert hat) u.U. gar nicht mehr erwirtschaften und rückzahlen kann.

      Geldschöpfung per Verschuldung hat den Vorteil, dass jeder seine Schuld abzutragen versucht (und das bei ausreichender Inflation theoretisch auch kann) und dafür i.d.R. tatsächliche nützliche Arbeit und Produkte erschafft, die realen Leuten nutzen. Über die Inflationierung ist zudem sichergestellt, dass jemand der nur sinnlos hortet, nicht quasi von selbst immer reicher wird, im Gegenteil, sein Vermögen schrumpft dadurch, er ist also genötigt, es zu investieren oder auszugeben.

      Last but not least, sollte es theoretisch auch möglich sein, eine Cryptowährung zu übernehmen, wenn man reich genug dafür ist, zumindest früher war es m.W. möglich die Blockchain zu manipulieren, wenn man eine große Anzahl Knoten zur Verfügung stellt.

      Cryptos sind keine sinnvolle Alternative, auch die Bindung an die Physik oder ein Edelmetall ist keine Lösung. Nicht dass ich das nicht als Spielerei und zur Spekulation ganz interessant finde, aber mehr ist es eben nicht. Die Bindung an die Knappheit hast du ohnehin, nämlich über die Ressourcenpreise (niemand verschwendet heutzutage noch Öl, wie in den 60igern). Ich finde das aktuelle System auch nicht optimal, aber ich sehe nur wenige Möglichkeiten der Verbesserung und die sind m.E. nicht ganz einfach zu bewerkstelligen.

      1. Du wirfst Bitcoin vor, bloß ein Spekulationsobjekt zu sein, weil jeder neu erzeugte sat zunächst „nutzlose“ Rechenarbeit braucht. Genau dort beginnt mein Widerspruch. In unserem Kreditgeldsystem zwingt die Zinslast alle Beteiligten zu permanentem Volumenwachstum; die Energie, die dabei stillschweigend verbraucht wird, sieht man höchstens an steigenden CO₂-Werten. Bitcoin stellt die Thermodynamik in den Mittelpunkt: Wert entsteht einzig dann, wenn jemand reale Joule in Hashes gießt. Ob man das elegant findet, kann man streiten, aber das Prinzip macht den zweiten Hauptsatz nicht zur Randfigur, sondern zum Hauptakteur. Energiepreise werden explizit, nicht implizit.

        Du konterst, Mining erzeuge keinen gesellschaftlichen Nutzen. Doch Nutzen ist hier nicht das geschürfte Bit selbst, sondern der Markt, den der Prozess aufstößt. Wer profitabel minen will, jagt die billigste Kilowattstunde. Das sind weltweit Überflussquellen: Gasfackeln in Alberta, nachts überlaufende Wasserkraft in Sichuan, abgeregelter Wind in Texas. Container mit ASICs docken dort an, rechnen, ziehen weiter. Sie verwandeln Strom, der bisher ungenutzt verpuffte, in weltweit handelbaren Gegenwert. Das ist keineswegs Spielerei; Versorger beginnen, genau damit ihre Grund­last zu glätten und riskante Erzeugungs­kapazitäten erst finanzierbar zu machen.

        Damit zu deinem Hinweis auf Deflation. Du siehst darin die alte Goldfessel: Geld gewinnt allein durchs Liegen und lähmt dann die Real­wirtschaft. Das trifft aber nur, wenn zwei Bedingungen zusammenkommen – erstens perfekte Berechen­barkeit der künftigen Kaufkraft, zweitens starre Märkte. Beides ist bei Bitcoin unwahrscheinlich. Volatilität sinkt zwar mit wachsender Adoption, verschwindet aber nie völlig, weil die Geldmenge fix, die Nachfrage jedoch dynamisch bleibt. Wer sats liegen lässt, geht also stets Kurs­risiko ein; Vorteil und Risiko wandern zusammen. Das unterscheidet HODL-Erträge von der mühelosen Inflation­rente der Null­zins­jahre, in denen liquide Mittel real größer wurden, weil Noten­banken jede Fehlspekulation mit frischem Kreditwasser zurückspülten.

        Ja, derzeit wirkt die Aufwertung wie eine Art Helikopter­geld für Frühhalter – niemand bestreitet das. Doch das ist eine Übergangs­phase, in der der Markt Bitcoin noch einpreist. In einer reifen Endmenge wird die Aufwertung sich dem realen Produktivitäts­zuwachs annähern, und dann spüren HODLer zwar Werterhalt, aber kein perpetuum mobile. Dasselbe kennen wir aus der Technik: Prozessoren wurden lange rasend billiger, doch heute fließt der Effizienz­gewinn eher in neue Anwendungen als in drastische Preis­stürze. Die Deflation im IT-Sektor hat Innovation nicht abgewürgt, sondern Brokerage, Cloud, KI und Streaming hervorgebracht. Fixes Geld verspricht eine ähnliche Fokussierung – weg von Bilanztricks, hin zu echter Prozess­optimierung.

        Du befürchtest auch, große Akteure könnten das Netzwerk übernehmen. Dafür müssten sie dauerhaft mehr als die Hälfte der weltweiten Hash-Rate bezahlen, um dann Transaktionen umzuschreiben. Sie könnten keine Coins stehlen, keine neue Geld­menge schaffen. Jeder Angriffs­block vernichtet ihren Investitions­wert sofort, weil der Preis in den Keller rauscht, wenn das Vertrauen kollabiert. Ökonomisch ist Sabotage teurer als ehrliches Mining, solange reale Stromkosten aufgerufen werden. Darum gilt: Macht schützt sich hier selbst, anstatt in Zentral­büros verhandelt zu werden.

        Weshalb ich letztlich von „Gegen­axiomen“ spreche: Bitcoin ersetzt die Annahme allwissender Homo-economicus-Akteure durch ein System, das den einzelnen für begrenzt hält und die Wahrheit auf den Gesamt­markt verlagert. Keine Behörde, kein Chef­ökonom darf an der Umlauf­menge schrauben, weil keiner das Gesamtsystem in Echtzeit überblickt. Diese Beschränkung erzeugt die Notwendigkeit, mit gegebener Geldbasis auszukommen – und daraus folgt, dass man sich Effizienz­sprünge nicht mehr erkauft, indem man morgen die Kaufkraft von heute verwässert.

        Kurz: Bitcoin ist kein Silber­pfeil gegen alle Verteilungs­fragen, aber ein lebendiger Beweis, dass Wirtschaft auch ohne dauerhafte Geld­ausdehnung funktionieren und sogar neue Märkte – in diesem Fall für Orphan-Energie – hervorbringen kann. Ob das am Ende gesellschaftlich bevorzugt wird, entscheidet nicht ein Ökonomie­lehrstuhl, sondern das freiwillige Handeln milliarden­facher Markt­teilnehmer. Genau dieser Perspektiv­wechsel ist es, den ich im Artikel vermisse: Dass es längst ein reales Experiment gibt, dessen Axiome quer zu den sieben dogmatisierten Lehrsatz­en stehen – und das trotz allem funktioniert.

    2. Du hast das alles sehr gut durchdacht.
      Aber wie bringst Du DAS👇 hier in deiner Gleichung unter?
      https://patentscope.wipo.int/search/en/WO2020060606

      Denkst Du Microsoft kennt Deine Argumentationslinie pro Crypto nicht?
      Und deren steiler Capitalstock-Anstieg der jüngsten Vergangenheit, auf jetzt ca. 3,5 Billionen $, hat damit sicher nichts zu tun?

      The best way to predict the future, is to create it ☝

      1. Das is’n Patentantrag von Microsoft aus dem Jahre 2019 … und? Bitcoin macht auch mit oder ohne Deine körperliche Aktivität zum Schürfen weiter. Viele versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen, ohne ihn zu verstehen oder es auch nur zu mögen – auch Larry Fink ist kein Freund von Bitcoin, er hat nur verstanden, dass es ohne nicht mehr geht.
        Und bitte … schert Kryptowährungen nicht alle über einen Kamm – keine (!) andere Kryptowährung kann, was Bitcoin kann.
        Deinem letzten Satz stimme ich voll zu … create your future!

      2. Bitcoin ist kein weiterer „Krypto-Coin“, sondern ein praktischer Gegenbeweis zu dem Axiom-Bündel, das der Mainstream-Ökonomie zugrunde liegt. Sein roter Faden heißt Sapere laude – mit Weisheit loben. Wer in die Technik eintaucht, bemerkt schnell, dass das System jeden Beteiligten – Miner, Node-Betreiber, Hodler, Entwickler – zu langfristigem Denken und eigenständiger Prüfung erzieht.

        Die harte Obergrenze von 21 Millionen Münzen verankert Knappheit; Wert entsteht nicht durch Dekret, sondern durch Verdienst oder Sparsamkeit. Das Halving schärft alle vier Jahre das Bewusstsein, dass Zeit ein Kostenfaktor ist und geduldiges Warten eine Rendite abwirft, während Hyperkonsum thermodynamisch ausgebremst wird. Auf Protokoll-Ebene sorgt das UTXO-Modell dafür, dass jede Node die komplette Historie verifiziert – falsche Transaktionen haben gar keine Chance, in die Kette zu gelangen. Sicherheit basiert somit nicht auf Vertrauen in Instanzen, sondern auf selbst ausgeführter Prüfung, Wissen auf erlebter Einsicht.

        Offener Quellcode unter MIT-Lizenz löst Autorität von Titeln: Änderungen setzen sich nur durch, wenn Zehntausende Knoten sie freiwillig übernehmen. Das lehrt, dass Glaubwürdigkeit aus Transparenz kommt, nicht aus Markennamen oder Patentschriften. Proof-of-Work macht Kosten sichtbar; wer Energie einsetzt, hinterlegt einen unwiderlegbaren Pfand aus Zeit und Strom. Weil der Markt Mining an Orte mit überschüssiger oder erneuerbarer Energie treibt, entsteht ein globales Ausgleichsnetz, das verschwendete Kapazitäten monetarisiert, statt sie zu verbrennen.

        Auch Investoren werden erzogen. Volatilität trainiert Demut, das Halving Disziplin, und die öffentliche Blockchain zwingt zu sauberer Buchführung. Viele, die aus reiner Gewinnlust starteten, stellen fest, dass sie einen Prinzipienkompass erwerben, der sich auf andere Lebensbereiche übertragen lässt. Bitcoin ist in diesem Sinn Helikoptergeld, das bereits ausgeliefert wurde: Wer einmal eine kleine Menge hält und sich in das Rabbit Hole begibt, partizipiert an jeder künftigen Effizienzsteigerung des Netzwerks.

        Microsofts Patent auf „body-activity data“ zeigt nur, dass Konzerne weiter auf kontrollierbare Token setzen; auf Bitcoin hat das keinen Einfluss. Sein Konsens lässt sich nicht kaufen: Jede Abweichung wird von der Mehrheit der unabhängigen Knoten ignoriert, ganz gleich, wie viel Kapital dahintersteht. Kapitalstärke kann fehlenden Proof – weder of Work noch of Wisdom – nicht ersetzen.

        Unterm Strich liegt hier ein vollständiges Axiomensystem vor, das Menschen zu verantwortungsvollem Verhalten anleitet, ohne Verbotsregime oder zentrale Aufsicht. Die Designentscheidungen – fixe Geldmenge, Halving-Takt, UTXO-Selbstprüfung, offene Lizenz, energiegebundener Konsens – greifen wie Zahnräder ineinander und formen ein Netz, in dem Weisheit belohnt, Unbedachtheit bestraft und Manipulation entmutigt wird. Wirtschaft kann also sehr wohl anders aussehen, als sie im keynesianisch geprägten Lehrbuch steht; Bitcoin demonstriert es jeden Tag in freier Wildbahn.

  8. Ein Kerngedanke praktisch aller Religionen ist die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, …

    Und was böse und was gut ist, definieren die Religionen.

    Aus Zeitmangel zitiere ich Bertrand Russel:

    „Die Religion stützt sich vor allem und hauptsächlich auf die Angst. Teils ist es die Angst vor dem Unbekannten und teils, wie ich schon sagte, der Wunsch zu fühlen, dass man eine Art großen Bruder hat, der einem in allen Schwierigkeiten und Kämpfen beisteht. Angst ist die Grundlage des Ganzen – Angst vor dem Geheimnisvollen, Angst vor Niederlagen, Angst vor dem Tod. […]“

    Als moralische Instanzen fallen die Religionen somit aus, deren Existenz auf ein jenseitiges Belohnungssystem gründen.

    1. zeitmangel weil du hoffentlich am stirner lesen bist, bis du aufhörst gott in dir zu erfinden und eine moralische instanz sein zu wollen.

  9. Alles wesentliche wurde von Prof. Claus Peter Ortlieb in einem Interview mit der FAZ schon gesagt. Ich kann das nicht besser forlieren als er und zitiere deswegen:
    F: Als Mathematiker halten Sie die Ökonomie für keine echte Wissenschaft?
    A: Zumindest was die neoklassische Lehre angeht, muss man wohl eher von einer wissenschaftlich verbrämten Ideologie sprechen. Ich stelle bei der Lektüre von VWL-Lehrbüchern regelmäßig fest, dass die Wirklichkeit der kapitalistischen Wirtschaft dort gar nicht reflektiert wird. Stattdessen werden die eigenen ideologischen Vorurteile in mathematische Modelle gegossen
    und diese der Wirklichkeit einfach übergestülpt. Damit hat aber in der Tat das Fach Wirtschaftswissenschaft seinen Gegenstand letztlich aufgegeben und streng genommen seinen wissenschaftlichen Status verloren.

  10. Die ökonomischen Subjekte sind Charaktermasken ihrer ökonomischen Funktion.

    Das heißt es ist von Anfang an völlig verfehlt, Ökonomie auf irgendwelche charakterlichen
    Eigenschaften wie Gier, Unersättlichkeit, Egoismus zurückzuführen. Kapitalisten sind nicht gierig,
    sondern sie machen G – G‘. Sie vermehren ihr Geld. Das Kapital hat in sich kein Maß. Es will sich maximal
    verwerten. Daraus machen Ökonomen dann eine Charakterdisposition, die sie weil sie parteiliche Arschgeigen sind,
    positiv und moralisch einwandfrei bewerten. Sie tun glatt so als würde der Egoismus das kapitalistische Wirtschaften hervorbringen. Dabei ist es umgekehrt. Der Kapitalismus bringt die Egoisten hervor. Die kleinen Leute sind Egoisten, weil sie es sein müssen, die großen Spieler sind Egoisten, weil sie ihrem Kapital dienen.

    Deshalb ist es auch völlig verfehlt eine andere bürgerliche Ökonomie zu fordern, die auf moralisch guten Werten basiert, statt auf moralisch fragwürdigen Grundannahmen. Das Kapital und den Kapitalismus gibt es nicht, weil die Ökonomiestudenten das falsche beigebracht wird, sondern umgekehrt, denen wird das falsche beigebracht, weil sie den Kapitalismus legitimieren sollen.

    1. Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein. „Pfui über den Egoisten, der nur an sich denkt!“

  11. Danke ganz besonders für die Klarheit der Unterscheidung von Wissen und Axiom in diesem Sektor. Die in allen Parteien laufenden Gebetsmühlen funktionieren nämlich so gut, dass viele den Unterschied nur schwer erkennen können.

  12. @Prof. Kreiß

    Fein, Ihr weiterführender Anschluß an Ihre 7 Grundideologeme der heutigen spätbürgerlichen WiWi. Und so sehr Ihre fiat-Kritik an der geldbezogenen Scheinwertschöpfung zutrifft – eine kurze Erinnerung an Marx/Engels als Radikalkritiker des heutigen Zustands sollte willkommen sein:

    Im von Engels edierten „Das Kapital“ III zum „Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion“ gibt´s eine Passage zum „zinstragenden Kapital“. Dort geht es um die „Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst“ als einem dialektischen, „sich selbst aufhebenden Widerspruch“ bei entwickelten Kapitalakkumulationsprozessen mit einer „neuen Finanzaristokratie, einer neuen Sorte Parasiten in Gestalt von Projektemachern, Gründern und bloß nominellen Direktoren“ an der Spitze, genauer: „einem ganzen System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums“ (Marx-Engels-Werke. Band 25, Berlin ²1968, p. 454). Und damit um das, was besonders BWL im Kern ist: Betrug – Wucher – Lüge.

    Gruß, Jazzer

  13. Marx lesen und tatsächlich auch verstehen hilft als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen. Ökonomie ist keine Natur- sondern eine Sozialwissenschaft. Die Mathematik kommt da nur wegen der menschlichen Obsession mit dem Tauschwert herein. Eine wissenschaftliche Betrachtung sollte also in erster Linie die menschliche Natur im Fokus haben, Das schönste Idealmodell hilft nichts, wenn Menschen in der Praxis sich anders verhalten.

  14. Kapitalismus halt.
    So lange wir dem kapitalistischen Verwertungsprozess ™1974 fröhnen, kann und wird sich nichts ändern! Und Und was Kubicki betrifft…geschenkt…meine Fresse????
    Der möchte auch nur, auf der Opferwelle sein Buch verkaufen

  15. Egoismus und Altruismus sind ebenso ungeeignet, die Entartung des Wirtschaftens zu erklären, wie der Wert- und Kapitalismus-Bullshit der Marxologen. Altruismus ist eigentlich nur indirekter Eigennutz, dem nur Hilfsbedürftige oder jene, die das nicht wahrhaben wollen, weniger argwöhnisch gegenüberstehen.

    Das alle Lebewesen nach Vorteil für sich streben, ist weder gut noch böse, es ist schlechthin ihr Lebenswille. Natürlich hat Egoismus nichts mit Nächstenliebe zu tun. Der Vorteil sowohl für das Gemeinwesen, wie auch für jeden einzelnen, entsteht durch egoistisches Kooperieren, durch die Synergieeffekte einer solidarischen Arbeitsteilung unter Fremden.
    Hervorgebracht hat das die Urbanisierung, welches tatsächlich der entscheidende Schritt in der Entwicklung der Menschheit war, und nicht die Sesshaftigkeit.

    Eine solidarische Arbeitsteilung ist längerfristig nur möglich mit einem irgendwie gearteten und allgemein anerkannten Tauschmittel, seien es Tontäfelchen mit der Erfindung der Schrift oder Stücke von Ochsenzugstangen mit einer Tempelprägung – die Entstehung des Geldes verrät seine ursprüngliche Funktion: es ist „verbrieftes Misstrauen“, denn niemand tut etwas für Fremde, wenn er nicht darauf vertrauen kann, dafür eine adäquate Gegenleistung zu bekommen.

    Geld ist vieles, aber zuvorderst das Bindemittel einer anonymen Gemeinschaft und damit die Grundlage für die Weiterentwicklung der Zivilisation über die, in der Steinzeit zurückgebliebenen indigenen Völker hinaus, von denen kaum jemand zum Leben seiner Vorfahren zurückkehren will. Tatsächlich wundern sich Marxologen über den Unmut, der ihnen entgegenschlägt.

    Damit zu den „Axiomen“. Es ist schon interessant, wie man diese „Axiome“ ohne ihre wichtigste Komponente unhinterfragt als religiösen Glauben betrachten kann.

    Die Gier wird solange unersättlich sein, wie die Menschen sich mit etwas zählbarem vergleichen können und sich dabei gegenseitig übertreffen wollen. Warum wollen sie einander übertreffen? Um dadurch einen höheren Rang zu bekommen. Denn mit dem Rang steigen Macht und Einfluss, aber auch Geltung und Ansehen. Ein nicht geringer Teil der Menschheit dürfte die genetische Veranlagung haben, dem Rangeln zugeneigt zu sein.

    Die wahre Verlockung des höheren Ranges liegt in der realen Möglichkeit, sich den faulen Arsch hinterhertragen zu lassen. Entweder dadurch, sich das Klo putzen oder die Kartoffeln schälen zu lassen, indem man Untertanen heutzutage dafür bezahlen kann (Geld=Macht) oder indem man Leute ausnutzt, die einem zu Füßen liegen. Die darin wetteifern, wer am tiefsten in den Arsch kriechen darf, also quasi Rangeln auf dem Seitenstreifen, wo man sich mit rechtsüberholen vorbeimogeln möchte.

    Jemand will höher stehen, weil er/sie es nicht erträgt, niedriger als andere zu sein oder weil man befürchtet, in der Konkurrenz gegen die höheren zu unterliegen und dabei viel verlieren kann. Die Unerträglichkeit der Hierarchie ist zugleich ihr Motor.

    Die Hierarchie mit ihren käuflichen Rängen ist das eigentliche Problem, was die Unternehmen mit der Gewinnmaximierung sogar umgehen: es ist ein Prinzip, dass keinen Herrscher erfordert, einen Christian Felber werden sie nicht akzeptieren.
    Darum ist es auch blauäugig, auf freiheitliche Hochschulen als gemeinnützige GmbH zu setzen, denn wenn Hochschulen wie Unternehmen gegeneinander konkurrieren sollen, werden damit nur neue Hühnerleitern gebaut, die jetzt schon das Problem sind. Danach braucht es erneut Staatszwang, um wieder einen gemeinnützigen Garten anzulegen.

    Ursache der synthetischen Hierarchien mit ihren vielen Etagen ist übrigens allein ihre Akzeptanz. Wer davon überzeugt ist, dass kein Mensch der Welt über ihm steht, der lässt sich auch nicht in die Pfanne hauen und erst recht nicht in den Krieg schicken. Könnte allerdings das Leben kosten. Aber von mir aus könnt ihr auch M. Luther und seinen Abgöttern glauben.

  16. lol gesell. den habe ich gestern und vor 25 jahren schon abgefertigt. alles noobs seid ihr autoren. K1-K3 oder shut the fuck up. bisher hat sich nur georg schuster als fachmann bei mir qualifiziert. also auf overton.

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