Betriebsratswahlen 2026

Betriebsrat
Bild: Pxhere.com/CC0

Eine Feierstunde der Sozialpartnerschaft wirft ihren Schatten voraus.

Die anstehenden Betriebsratswahlen finden zwar erst im März bis Mai des nächsten Jahres statt, doch dafür laufen bereits jetzt die Vorbereitungen. Schließlich sind diese Wahlen keine Selbstverständlichkeit. Damit sie in den Betrieben durchgeführt werden, muss vielerorts erst einmal geworben werden; Kandidaten müssen gefunden und geschult und Listen aufgestellt werden. Betriebsratsarbeit ist neben den Tarifverhandlungen ein Schwerpunkt der Gewerkschaften und erfordern von diesen einigen Aufwand, denn für die meisten Arbeitnehmer sind die Betriebsratswahlen nicht das brennendste Problem.

Die Belegschaften sind es ja, die zunächst einmal eine solche Wahl beantragen müssen. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. So wird aktuell gemeldet, „seit Jahren würden immer weniger Beschäftigte, vor allem in der Privatwirtschaft, durch einen Betriebsrat vertreten. 2024 gab es zwar einen geringfügigen Anstieg um einen Punkt auf 37 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit fünf und mehr Mitarbeitern. Doch in der langjährigen Tendenz sinkt die Praktizierung der betrieblichen Mitbestimmung kontinuierlich.“

Also muss für die Betriebsratswahlen kräftig geworben werden: „Nicht jeder Kollegin und jedem Kollegen ist klar, von welcher Bedeutung eine hohe Wahlbeteiligung und ein gut aufgestellter Betriebsrat sind. Deshalb ist es wichtig, sich bereits frühzeitig Gedanken zu machen und rechtzeitig die ‚Werbetrommel‘ zu rühren. In diesem Webseminar stellen wir euch ungewöhnliche Tipps  und praktische Konzepte für eine überzeugende Öffentlichkeitsarbeit vor. Ihr lernt, wie ihr die Arbeit und die Erfolge des Betriebsrats nach außen wirksam kommunizieren könnt, entdeckt neue Möglichkeiten, um Kandidat*innen für das Betriebsratsamt zu gewinnen und die Belegschaft zahlreich zur Stimmabgabe zu motivieren.“

Wenn es notwendig ist, extra die Werbetrommel zu rühren, sprechen die Erfolge der Betriebsratsarbeit offenbar nicht für sich. Und Werbung für den Betriebsrat ist alles andere als eine Aufklärung darüber, was ein Betriebsrat ist, wofür er staatlicherseits eingerichtet wurde. Was der Betriebsrat ist, was seine Aufgaben sind, wirft als Erstes ein bezeichnendes Bild auf diejenigen, die den Betriebsrat als ihr ureigenes Betätigungsfeld sehen, und auf die Stellung zu ihren Wählern.

Der Betriebsrat

Der Betriebsrat ist eine staatlich eingerichtete Institution, geregelt im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Er wurde noch nicht einmal „erkämpft“, wie es oft in Gewerkschaftskreisen heißt, wobei dann „erkämpft“ für die Güte des jeweiligen Rechts oder Instituts stehen soll. Die Vorläufer des Betriebsrats – die Arbeiterausschüsse – waren Erfindungen von Unternehmen. Sie wurden im Ersten Weltkrieg im Rahmen des Burgfriedens in allen kriegsrelevanten Unternehmen eingeführt. Sie waren gewissermaßen der Lohn für den Patriotismus der Arbeiter(organisationen). Mit den „ersten Momenten betrieblicher Mitbestimmung … erkennt die Staatsführung dieses Verhalten der Arbeiterschaft als existenziell bedeutsam und nützlich für Wirtschaft und Staat an und begründet damit die besondere deutsche Sozialpartnerschaft.“ (Renate Dillmann/Arian Schiffer-Nasserie, Der soziale Staat, Hamburg 2018, S. 196f)

Das erste Betriebsrätegesetz gab es 1920, nachdem nach Kriegsende und der demokratischen Revolution die SPD-Regierung alle Räte, die auf eine Änderung der Eigentumsordnung aus waren, durch die Reichswehr hatte zusammenschießen lassen. Allein die Geschichte des Betriebsrats müsste also schon Zweifel aufkommen daran lassen, dass der Betriebsrat ein Instrument für die Interessen von Arbeitern ist. Das hindert die Gewerkschaften aber nicht daran, sie als definitiver Ort der Vertretung von Arbeiterinteressen zu verkaufen:

 „Ihr findet die Gehaltsunterschiede in eurem Betrieb unfair? Die Pausenzeiten liegen extrem ungünstig? Ihr würdet euch gerne weiterbilden, aber es gibt keine passenden Angebote… Genau dafür ist der Betriebsrat mit seinen gesetzlich verbrieften Mitbestimmungsrechten … da. Ob Länge der Arbeitszeit …, Urlaubsplanung … oder Arbeitsorganisation: Das sind Anliegen, die nicht jede*r einzeln mit dem Arbeitgeber aushandeln und durchsetzen kann.“

So präsentiert sich der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Einrichtung von Betriebsräten als Lebenshelfer im Betrieb. Wie die gesetzlich verbrieften Mitbestimmungsrechte aussehen, in welchen Rahmen sich die Interessen einzufügen haben, bleibt dabei außen vor.

Was die Aufgabe des Betriebsrats ist, wird gleich in einem der ersten Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes formuliert: „§ 2 (1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.“  Unterstellt wird hier vom Gesetzgeber ein gemeinsames Wohl von Arbeitnehmern und Betrieb – und das, obgleich in der Rechnung des Betriebs das Wohl, genauer gesagt: das Einkommen von Arbeitnehmern als Kost, also als Einschränkung des Gewinns vorkommt, von dem schließlich das Wohl des Unternehmens abhängt. Hier liegt also der Gegensatz zugrunde zwischen dem Interesse der Arbeitnehmer an einem angenehmen Leben und dem des Unternehmens an einem möglichst großen Überschuss, der aus dem eingesetzten Geld erzielt werden soll.

Der Gewinn des Unternehmens dient nicht nur der Bereicherung der Besitzer und Aktionäre, sondern ist auch Mittel in der Konkurrenz mit anderen Unternehmen, um über den Preis den Markt für sich zu erobern. Mit dem eingesetzten Geld für Lohn und Gehalt erwirbt sich das Unternehmen die Verfügungsmacht über die Beschäftigten, bestimmt so, was diese in der bezahlten Zeit zu leisten haben, was auf deren gesundheitliche Kosten und deren Freizeit geht. Weil so sowohl das Einkommen wie auch die Lebensqualität vom Erfolg des Betriebs abhängig gemacht sind, soll das Wohl des Betriebs mit dem von Arbeitnehmern in eins fallen. Im Endeffekt stellt die Verpflichtung auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit eine Verpflichtung auf den Erfolg des Betriebes dar, an dem die Beschäftigten mitwirken sollen.

Unterstrichen wird diese Verpflichtung auf vertrauensvolle Zusammenarbeit durch die Friedenspflicht: „§ 74 (2) Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig… Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden.“ (BetrVG)

Warum sollte ein Arbeitgeber daran interessiert sein, den Ablauf seiner Produktion und damit seines Geschäfts zu stören? Ist der reibungslose Ablauf doch gerade im Sinne seines Geschäfts als Quelle seines Gewinns vorgesehen. Eine Störung ist nur im Interesse derer, denen der Lohn und die Leistung vorgegeben werden und die an dieser Vorgabe etwas zu ihren Gunsten ändern wollen. Insofern ist dieser Paragraph die völlige Unterwerfungsforderung an die Beschäftigten, eine Klarstellung bezüglich des Verzichts auf ihr einziges Mittel der Interessendurchsetzung, nämlich der Leistungsverweigerung.

Arbeitnehmerrechte

Als Angebot dafür erhalten sie Rechte im Betrieb, sie erhalten das Recht, Vertreter ihrer Interessen zu wählen. Nicht sie sollen für ihre Interessen eintreten, was den Betriebsablauf nur stören könnte, sondern die Vertretung ihrer Interessen im Rahmen des Gesetzes einem gewählten Gremium überlassen. Mit dem Schwerpunkt Betriebsratsarbeit institutionalisieren die Gewerkschaften so auch die Trennung zwischen „aktiven Gewerkschaftlern“ in Form von Betriebsräten und der – von ihnen bei Gelegenheit beklagten – passiven Basis, die nur als Wähler und Beitragszahler gefragt ist.

Die vornehmste Aufgabe des Betriebsrats besteht in Folgendem: „Er hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Normen eingehalten werden, er hat Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.“ (Wikipedia) Mit diesem Aufgabenkatalog kommt im Grunde zur Sprache, dass die Unternehmen ständig bestrebt sind, gesetzliche Einschränkungen ihres Geschäftes zugunsten der Gewinnerzielung zu umgehen. Das betrifft sowohl die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen von Lohn und Leistung, die staatlich erzwungene Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Beschäftigten wie auch die Rücksichtnahme auf die Lebensgrundlage der Menschen in Form der Natur. Obgleich der Staat sich immer als die Schutzmacht seiner Bürger in Szene setzt, in der Arbeitswelt kapituliert er vor dem auch von ihm gewünschten Gewinninteresse und macht die Kontrolle der Einhaltung seiner Gesetze zu einem Anliegen der dort Beschäftigten.

Zu den Rechten des Betriebsrats gehört der Informationsanspruch: „Insbesondere ist er über die Personalplanung insgesamt, technische und organisatorische Veränderungen sowie über personelle Einzelmaßnahmen – wie Einstellungen, Umgruppierung, Versetzung und Kündigung – rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.“ (Wikipedia) Womit klargestellt ist, dass die Arbeitnehmer die Verfügungsmasse des Betriebs sind. Ihre Vertreter haben allerdings das Recht zu erfahren, was der Betrieb mit ihnen plant, damit sie sich darauf einstellen können, denn gefragt werden sie ja nicht.

Technische und organisatorische Veränderungen dienen nicht der Vereinfachung der Arbeit, sondern der Abwägung, wie mit einem geringeren Einsatz von Lohnkosten ein Mehr an Leistung eingefordert werden kann. Wenn damit neue Marktanteile erobert werden können, gibt es Einstellungen. Die vorhandene Belegschaft muss sich umstellen, das kann sowohl den Lohn wie die Leistung betreffen und auch zum Verlust des Einkommens führen. Diese Freiheit der Verfügung über die Belegschaft wird durch den Betriebsrat nicht eingeschränkt, er darf vielmehr die Notwendigkeit dieser Maßnahmen den Kollegen verdolmetschen oder auch mit Kritik begleiten, ändern kann er daran nichts.

Der Betriebsrat darf allerdings bei bestimmten Maßnahmen das Unternehmen beraten und hat daher einen Beratungsanspruch: „Hierbei muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nur informieren, sondern sich mit ihm auch beraten – wie beim Bau technischer Einrichtungen, Änderung von Arbeitsabläufen, Förderung der Berufsausbildung etc. Maßnahmen des Arbeitgebers in beratungspflichtigen Angelegenheiten werden nicht dadurch unwirksam, dass der Arbeitgeber das Beratungsrecht nicht beachtet hat oder nicht dem Rat des Betriebsrats gefolgt ist.“ (Wikipedia) Wenn sich also Betriebsräte als Co-Manager aufspielen, dann handeln sie ganz im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Sie sollen sich Gedanken machen, wie der Erfolg des Unternehmens am besten zu sichern ist, wie Bauten und Arbeitsabläufe gewinnträchtig gestaltet werden können und der Nachwuchs für seine zukünftige Tätigkeit als braver Arbeitsmann oder –frau kompetent gemacht werden kann. Um in dieser Rolle auch effektiv für die Firma zu handeln, braucht es entsprechende Schulungen der Betriebsräte, auf die sie natürlich ein Recht haben.

Die Tätigkeit eines Betriebsrats beschränkt sich nicht nur auf die Information durch die Unternehmensleitung und auf die Beratung, sondern schließt auch ein Mitwirkungsrecht ein: „Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen (Umgruppierung, Einstellung, Eingruppierung oder Versetzung von Mitarbeitern) verweigern und der Maßnahme widersprechen, wobei ihm jedoch nur ein bestimmter Katalog von Verweigerungsgründen zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber darf dann die Maßnahme nicht durchführen, er kann beim Arbeitsgericht die fehlende Zustimmung des Betriebsrates ersetzen lassen.“ (Wikipedia)

Eine interessante Interessenvertretung von Arbeitnehmern, bei der die betriebliche Kalkulation und Lohnhierarchie unterstellt ist und der Betriebsrat prüfen darf, ob dort auch alle Bestimmungen eingehalten werden. So sieht dann die Sorge um „faire“ Löhne aus. Der Betriebsrat kann sich die Berechnungen des Unternehmens zu eigen machen oder vor das Arbeitsgericht ziehen, das dann prüft, ob die Bestimmungen des Arbeitsrechts oder Kündigungsschutzes beachtet wurden.

„Wirkliche Mitbestimmung“

Wer meint, der Betriebsrat habe nur eingeschränkte Rechte, liegt falsch; es gibt auch ein echtes Mitbestimmungsrecht: „Ein echtes Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat in den nachfolgenden sozialen Angelegenheiten…:

  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
  • Mehrarbeit
  • Fragen der Betriebsordnung und des Verhaltens von Arbeitnehmern im Betrieb
  • Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, mit denen eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle möglich ist
  • Ausgestaltung des Arbeitsschutzes
  • Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsgrundsätzen
  • Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird
  • Sozialeinrichtungen wie Kantinen etc.
  • Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen
  • Festsetzung der Akkordlohn- und Prämiensätze
  • Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesen
  • Gruppenarbeitsgrundsätze
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Zielvereinbarungen“ (Wikipedia)

 

Die Festlegung des Beginns und Ende der täglichen Arbeitszeit mag zwar verkehrstechnisch von Bedeutung sein, ist aber nicht entscheidend, was die Gesamtbelastung durch die Dauer der Arbeitszeit betrifft; über die hat der Betriebsrat nur dann mitzuentscheiden, wenn Mehrarbeit ansteht, also längere Arbeitszeiten gefordert werden, die die Regelarbeitszeit im Arbeitsvertrag überschreiten. Als Grundlage für die Entscheidung in Sachen Mehrarbeit spielen natürlich immer die betrieblichen Belange eine Rolle, sprich: ob die Sache für den Erfolg des Unternehmens notwendig ist oder nicht. Wie kann sich der Betriebsrat da verweigern?

Gefordert ist der Betriebsrat offenbar auch in Sachen Betriebsordnung und Verhalten der Kollegen, womit er Maßstäbe setzt, wann Mitarbeiter aus persönlichen Gründen gekündigt werden darf. Dass Unternehmen ihre Mitarbeiter mit technischen Mitteln kontrollieren dürfen und Leistungen erfassen, ist unstrittig. Wenn es darum geht, welche Mittel zum Einsatz kommen sollen und welche nicht, ist der Betriebsrat gefragt. Die Stechuhr ist in vielen Betrieben verschwunden, und über Zielvereinbarungen und Projektarbeiten werden Leistungsanforderungen vorgegeben, bei denen die Mitarbeiter sehen müssen, ob sie diese in der normalen Arbeitszeit schaffen oder ihre Freizeit opfern müssen. Da besteht betrieblicherseits kein Interesse an einer technischen Kontrolle der Zeit, sichert man sich doch so kostenlose Mehrarbeit.

Wenn der Betriebsrat bei der Ausgestaltung des Arbeitsschutzes gefragt ist, dann geht es um die betriebliche Umsetzung rechtlich vorgegebener Regelungen. Darauf zu bestehen, dass die Kollegen am Arbeitsplatz keinen gesundheitlichen Schädigungen ausgesetzt werden, kann er nicht. Was die Mitarbeiter sich dort an Schädigungen durch Lärm, Staub, Gase oder Gifte zumuten lassen müssen, ist gesetzlich geregelt – und wie diese Bestimmungen bei der betrieblichen Umsetzung zu beachten sind, da dürfen Betriebsräte dann mitwirken.

Betriebliche Entlohnungsgrundsätze sind Mittel, möglichst viel an Leistung aus den Beschäftigten herauszuholen, ganz gleich ob sie auf Akkordlohn, Prämien oder Beförderungsrichtlinien zielen. Mit unterschiedlichen Leistungs- und Lohngruppen wird zudem die innerbetriebliche Konkurrenz unter den Mitarbeitern um Beförderung und Gehaltserhöhung angeregt. Eine Mitwirkung von Gewerkschaftern daran steht natürlich im Widerspruch zu der sonst so oft beschworenen Solidaritätsforderung.

Arbeitnehmer haben einen Urlaubsanspruch, was nicht heißt, dass sie ihn dann nehmen können, wann es ihnen passt oder er für ihre Erholung gut ist. Auch dieser Anspruch hat sich nach den Belangen des Betriebs auszurichten und so gibt es immer ein Gerangel um die Zeiten, in denen wegen der Schulferien der Familienurlaub möglich ist. Wenn der Betrieb keine Betriebsferien ansetzt, darf der Urlaubsanspruch den Fortgang des Geschäftes nicht stören, und da darf der Betriebsrat helfen, die Kollision zwischen Urlaubsanspruch und Geschäftsinteresse zu regeln.

Acht Stunden oder mehr kann ein Mensch auf Dauer nicht durchgehend arbeiten. Dass in Betrieben darauf Rücksicht genommen wird, dazu mussten Unternehmen per Gesetz verpflichtet werden. Doch in dieser Zeit müssen die Menschen auch noch essen, dafür braucht es Platz, Hygiene usw. Und da Männer und Frauen zunehmend gezwungen sind, neben der Kindererziehung zu arbeiten, braucht es auch Unterbringungsmöglichkeiten für die Kinder. Wie dem allem Rechnung getragen werden kann im Sinne eines funktionierenden Geschäfts, da darf sich der Betriebsrat bewähren.

Das betriebliche Vorschlagswesen nutzt die Detailkenntnisse der Beschäftigten, um die Arbeit zu effektivieren. Effektivität heißt in dem Zusammenhang nicht, wie man sich mit weniger Aufwand die Arbeit leichter machen kann, sondern was die Tätigkeit in Produktion oder Verwaltung kostengünstiger gestalten lässt. So sind alle Vorschläge willkommen, die dem Unternehmen nützen, und was umgesetzt wird, darüber entscheidet die Geschäftsführung. Wie diese Vorschläge belohnt werden, da darf der Betriebsrat dann nicht übergangen werden.

Betriebe verändern ständig ihre Arbeitsabläufe, meist unter Einsatz technischer Mittel, und so werden die Mitarbeiter immer wieder vor neue Anforderungen gestellt, die auch entsprechende Weiterbildung erfordern. Wer wann wie weitergebildet wird, mit dieser Entscheidung fällt auch ein Urteil hinsichtlich des weiteren beruflichen Aufstiegs innerhalb der betrieblichen Hierarchie. Wie diese Selektion zu gestalten ist, darum darf sich – ganz im Sinne gewerkschaftlicher Solidarität – der Betriebsrat kümmern.

Den Höhepunkt der Betriebsratsarbeit stellen gravierende Betriebsänderungen dar wie Massenentlassungen oder Werksschließungen. Hier haben die Räte das Recht auf Mitbestimmung und können dies auch rechtlich erzwingen. Gegen Entlassungen können Arbeitnehmer nichts machen, schließlich greift ihr einziges Mittel der kollektiven Arbeitsverweigerung nur, wenn das Kapital ein Interesse an ihrer Benutzung hat. Dennoch sind diese Geschäftsentscheidungen in der Regel der Anlass für Betriebsräte, durch Betriebsversammlungen und Demonstrationen den Unmut der Belegschaft einerseits hochzukochen, ihn andererseits mit Sozialplänen und Abfindungsprogrammen zu kanalisieren (vgl. „Auf verlorenem Posten“, Junge Welt, 4.6.2024). Aus der Sicht von Betriebsräten sind diese Formen von – abgefederten – Entlassungen keine, sie sind sozialverträglich und gelten als Interessenausgleich oder dienen gar der Rettung von Arbeitsplätzen, auf die das Unternehmen gar nicht verzichten will.

Ein wahrlich umfassendes Aufgabengebiet für Leute, die sich um das reibungslose Funktionieren eines Unternehmens kümmern wollen! Alles natürlich als Sorge um die Kollegen, die schließlich dafür ihre Leistung zu erbringen haben.

Betriebsrat als Gegeninstitution zur Gewerkschaft

Gewerkschaften tragen im Namen die Bezeichnung ihrer Branche wie IG Metall, IG Nahrung und Genussmittelindustrie, IG Bergbau, Chemie, Energie usw. Damit erinnern sie daran, dass nur der überbetriebliche Zusammenschluss von Arbeitern und Angestellten eine Gegenmacht zur Macht des Kapitals darstellen kann. Mit Tarifverträgen wird verhindert, dass die Konkurrenz von Unternehmen auf Kosten der Belegschaften ausgetragen wird, weil die Lohnkosten über die Tarifverträge für alle Unternehmen gleich sind. Die Betriebsratsarbeit konzentriert sich hingegen auf das Wohl des einzelnen Betriebs und ergreift damit Partei in der Konkurrenz der Unternehmen für die eigene Firma, die der Belegschaft gar nicht gehört, von der sie gleichwohl abhängig ist.

Die Parteinahme für das eigene Unternehmen schwächt den gewerkschaftlichen Zusammenschluss und dies wird auch in vielen Aktionen der Gewerkschaften deutlich, deren Schwerpunkt die Betriebsratsarbeit darstellt. So gibt es eine Reihe von Betrieben, in denen Haustarife abgeschlossen werden und die so aus der gewerkschaftlichen Solidarität ausscheren. In Tarifverträge werden Öffnungsklauseln aufgenommen, die es erlauben, dass Betriebe von den tariflichen Regelungen abweichen. Auf diese Art und Weise wird es den Unternehmen erlaubt, ihre Konkurrenzposition gegenüber anderen Unternehmen zu verbessern und so stehen die Löhne und Leistungen der Belegschaften gegeneinander. Damit unterhöhlen die Gewerkschaften ihre eigene Basis und tragen den überbetrieblichen Zusammenschluss nur noch im Namen.

Angesichts der anstehenden Wahlen wird von kritischen Gewerkschaftlern vor rechten Gruppen gewarnt, die sich ja mittlerweile in vielen Betrieben als Alternative zu den DGB-Gewerkschaften bemerkbar machen: „Dabei bedient sich die AfD eines altbekannten Konzepts: der Betriebsgemeinschaft – jener nationalistischen Sozialutopie, mit der die NSDAP ab 1928 versuchte über ihre Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation die Werkstore der Weimarer Republik zu stürmen.“  Für die Betriebsgemeinschaft müssen die AfD-nahen Gruppen gar nicht groß werben, betreiben dieses Geschäft doch bereits die Betriebsräte der DGB-Gewerkschaften, die sich für das Überleben „ihres“ Betriebes stark machen, etwa mit Arbeitssicherungsverträgen, die Massenentlassungen einschließen. Erinnert sei an die Bilder von Arbeitern bei Opel in Bochum mit T-Shirts der IG-Metall und dem Aufdruck „Wir sind Opel“. Wer also in der Orientierung auf das Wohl des Unternehmens mit Recht eine Schwächung der Gewerkschaften sieht, sollte mit seiner Kritik nicht erst beim AfD-Einfluss ansetzen.

Kritik an der Institution Betriebsrat heißt übrigens nicht, dass eine Beteiligung an Betriebsratswahlen unsinnig ist. Sie kann eine Gelegenheit sein, eine gewerkschaftskritische Position im Betrieb bekannt zu machen, die nicht auf Betriebsräte, sondern auf die Organisation von Betriebsgruppen setzt, die die Verbindung zu Kollegen in anderen Betrieben suchen. Auch eine noch so gute gewerkschaftliche Arbeit kann allerdings die Mängel der Lohnarbeit nicht überwinden – ihre Abhängigkeit vom Gang des Geschäfts mit all der Unsicherheit von Entlassungen, dem ständigen Gesundheitsverschleiß und der problematischen Work-Life-Balance (seit Kanzler Merz ja eher ein Unwort). Dazu braucht es eine Arbeiterorganisation, die den Rahmen der Lohnarbeit sprengt.

Suitbert Cechura

Suitbert Cechura ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut. Er arbeitete lange im Bereich der beruflichen Eingliederung junger Menschen mit Behinderung. Cechura hat mehrere Bücher geschrieben. Sein letztes Buch heißt „Unsere Gesellschaft macht krank – Die Leiden der Zivilisation und das Geschäft mit der Gesundheit“ und ist 2018 im Tectum Verlag erschienen.
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10 Kommentare

  1. Betriebsrat! Messer am Pimmel der Gewerkschaft, die sowieso gar keine Eier mehr hat?
    Natürlich ist die Möglichkeit zu nutzen, um die unmittelbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen erträglicher zu machen. Aber gleichzeitig ist es von langfristigem Interesse der ausgebeuteten „Arbeitnehmer“, ihnen ihre Grundinteressen, den Weg aus der Abhängigkeit vom Kapital, nicht aus dem Auge zu verlieren.

  2. Aus meiner Berufstätigkeit kenne ich das so, dass nur ein Schein-Betriebsrat existierte, der keinerlei Einfluss auf das Betriebsgeschehen, z.B. kostenlose Überstunden, hatte. Er hatte keinerlei Mitspracherechte, und am Ende hatte auch keiner mehr Lust, sich so zum Olaf zu machen, nur dem Namen nach.

  3. „§ 2 (1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.““

    Das sagt doch bereits alles, mehr muss man dazu nicht erläutern!

    Frosch im Brunnen Klaus der Geiger
    https://www.youtube.com/watch?v=TZyYmJNLjv0
    Ja, vielleicht liegt meine Freiheit
    Im Arsch von meinem Boss versteckt
    Denn sonst könnt es doch nicht möglich sein
    Dass man so oft dran leckt
    Ja, manche die ich kenne
    Ja, die kriechen sogar hinein
    Doch die Freiheit, die ich meine
    Ja, die kann da drin nicht sein!
    ———————————————–
    Nein, nein wir woll´n nicht eure Welt
    https://www.youtube.com/watch?v=pvaeYOoCfOM&list=RDEMcppiOuA-6F-JmtHAdLM_Cg&start_radio=1

    https://www.youtube.com/watch?v=kOd3nIRKwUU&list=RDkOd3nIRKwUU&start_radio=1&rv=kOd3nIRKwUU

  4. Autome Streiks und die jämmerliche Rollle der System-Gewerkschaften

    „Wir hörten auf Gastarbeiter zu sein“ – 50 Jahre „wilde“ Streiks von 1973
    Ihr Kampf ist unser Kampf!» – Streik 1973 bis 2023 und darüber hinaus
    https://nrw.rosalux.de/schwerpunkte/streiks-1973-2023

    So sieht die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kapital aus, von Generalstreik will ich erst gar nicht reden, der ist in diesem ach so „freien“ Land eh verboten
    „Betriebsrat und insbesondre der Bundesvorstand der IG Metall lehnten den wilden Streik ab und riefen zur Wiederaufnahme der Arbeit auf.“
    https://www.fes.de/feshistory/blog/50-jahre-wilder-streik-bei-ford-1973

    1. @Otto0815
      Alles richtig. Ergänzend nur zum Ford-Streik 1973. Dort haben die sog. „Gastarbeiter“ einen sog. wilden Streik ohne Erlaubnis der Gewerkschaftsfürsten vom Zaun gebrochen, um gleiche Bezahlung wie ihre deutschen Kollegen zu erreichen. Trotzdem haben die Lügenmedien gerade behauptet, der vor kurzem stattgefundene Warnstreik wegen der aktuell drohenden Massenentlassungen sei der erste Streik in diesem Werk gewesen.

      Zum Co-Management: Die Gewerkschaften werben selber dafür, durch die Ochsentour Vertrauensmann, Betriebsrat, Betriebsratsvorsitzender dann in Aufsichträten in „gleicher Augenhöhe“ wie ihre Manager zu stehen. Bei VW und Porsche z. B. haben die Betriebsratsvorsitzenden Hück oder Osterloh hohe 6-stellige Einkommen im Jahr kassiert. Dass auf dem Weg dahin viele auf der Strecke bleiben, z.B. auf Gewerkschaftsseminaren nicht nur gesoffen, sondern auch mal fremd gevögelt wird, gehen viele Betriebsratsehen kaputt. In Gewerkschaftskreisen geht der Spruch um, Betriebsräte seien übergewichtige geschiedene und rauchende Alkoholiker.

  5. In dem Unternehmen, in dem ich arbeite, sind die strammen Linken in den Betriebsrat gegangen, weil sie dann einen besonderen Kündigungsschutz hatten. So gesehen, machen die Betriebsräte Sinn.

  6. „Betriebsrat“, „Gewerkschaft“ – hatte vielleicht ursprünglich mal eine Bedeutung.
    Für eine kurze Zeit. Heutzutage dienen sie im eigenen, persönlichen Geldinteresse ausschließlich der „herrschenden Elite“. Interessen von Arbeitern vertreten die nicht, im geraden Gegenteil. Die Funktionäre arbeiten gegen die Arbeiterinteressen. „Wer hat uns verraten?“ Nicht nur die SPD, sondern auch die Gewerkschaften und die sogenannten Betriebsräte.

    Dass „Psychotherapeuten“ (wie der Autor) diese Art von Funktionären gerne unterstützen, verwundert nicht, da sie mit der Schaffung ihres Standes den Großteil ihrer (früheren) Kollegen abserviert hatten (PsychThG), um sich durch Anbiederung an die „herrschende Elite“ Pfründe zu sichern.

    Friede den Hütten!
    (Dies als Gruß an Otto0815 und Veit_Tanzt, die das Zitat sicher kennen.)

  7. @Ohein

    Ihre Behauptungen treffen aber nicht auf alle Gewerkschafter und Betriebsräte zu. Ich kenne ein ehemaliges IG-Metall-Mitglied, welches aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung aus der Gewerkschaft ausgeschlossen wurde. Ein Gang zu den Gerichten war erfolglos. Es sind nicht alle Betriebsräte gehirngewaschen, man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Wer allerdings im Berieb opponiert und und durch kämpferische Betriebsratsarbeit auffällt, hat oft zwei Gegner, nämlich die Geschäftsführung und die angepassten Betriebsräte.

    Lesenswert

    „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“ von Werner Rügemer

    1. Warum die Unterscheidung in Betriebsrat und Betriebsräte?

      Jetzt sagst du ja schon selber, dass es Ausnahmen gibt („nicht alle“). Dann wird die Regel ja wohl in dem bestehen, was staatlicherseits vorgegeben ist und was der Autor ja treffend charakterisiert.

      Der Betriebsrat ist nicht dafür geschaffen worden, die Interessen der Arbeiter gegen die Unternehmensinteressen zu vertreten. Er soll die Abläufe innerhalb der Unternehmen im Sinne des Betriebsfriedens und des ungestörten Ablaufes überwachen und dort korrigierend eingreifen, wo staatliche Bestimmungen verletzt sind (z.B. Grenzwerte etc.)

    2. Betriebsräte sind ja auch die Mehrzahl von Betriebsrat. Man muss also alle Betriebsräte bis auf Einen entfernen, um letztlich den Betriebsrat zu erhalten.

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